Brot und Spiele - wenn in einer Arena getötet wird, nur um sich zu amüsieren, ist das für uns schwer vorstellbar. Und doch gab es dieses makabre Spektakel eines morbiden Vergnügens vor Tausenden von Jahren, und wahrscheinlich gibt es diese im Schatten unserer ethisch-moralischen Welt immer noch.
Suzanne Collins hat vor einigen Jahren eine Dystopie veröffentlicht, die genau dieses Thema behandelt. Kinder oder Jugendliche aus verschiedenen Distrikten müssen sich in einer kontrollierten Arena gegenseitig töten. Eine Strafe und Mahnung an die Distrikte, sich nie wieder einer Rebellion anzuschließen - „Die Tribute von Panem“.
Für Jugendliche und Junggebliebene eine sehr erfolgreiche Buch- und Filmreihe. Nicht nur, um eine gewisse gnadenlose Brutalität zu zeigen, sondern auch, um zu zeigen, was solche staatliche Gewalt mit jungen Menschen machen kann und wie daraus ein Funke der Rebellion und des Aufbegehrens gegen ein totalitäres System werden kann.
Wenn du dazu bestimmt bist, alles zu verlieren, was du liebst, wofür lohnt es sich dann noch, zu kämpfen? Als der Tag der Ernte anlässlich der Fünfzigsten Hungerspiele anbricht, erfasst Angst die Distrikte von Panem. In diesem Jahr werden zu Ehren des Jubel-Jubiläums doppelt so viele Tribute aus ihrem Zuhause gerissen. In Distrikt 12 versucht Haymitch Abernathy, nicht allzu sehr über seine Chancen nachzudenken. Alles, was ihn interessiert, ist, den Tag zu überstehen und bei dem Mädchen zu sein, das er liebt. Als Haymitchs Name aufgerufen wird, spürt er, wie all seine Träume zerbrechen. Er wird von seiner Familie und seiner großen Liebe getrennt und zusammen mit den drei anderen Tributen aus Distrikt 12 zum Kapitol gebracht: einer Freundin, die fast wie eine Schwester für ihn ist, einem besessenen Quotenmacher und dem arrogantesten Mädchen der Stadt. Als die Spiele beginnen, wird Haymitch klar, dass er nur verlieren kann. Aber etwas in ihm will kämpfen - und diesen Kampf weit über die tödliche Arena hinaus klingen lassen. (Verlagsinfo)
In dem vorliegenden Roman werden verschiedene Figuren aus der Trilogie aufgegriffen, die dem Rezipienten bereits aus vorhergehenden Werken bekannt sind. Die Handlung setzt jedoch zu einem früheren Zeitpunkt ein. Allerdings manifestiert sich bereits eine Rebellion. Obwohl die Saat erst Jahre später aufgeht, gelingt es der Autorin, die Welt von Panem inhaltlich viel komplexer darzustellen.
Suzanne Collins hat es durch die Schaffung von charakterstarken Figuren ermöglicht, eine nachhaltige psychologische Bühne zu erschaffen. Der Kampf in der Arena nimmt das letzte Drittel des Romans ein, davor wird die Hauptfigur Haymitch mit den Vorbereitungen beschäftigt und eine Vielzahl von Haupt- und Nebenfiguren werden vielseitig um ihn gruppiert und in Position gebracht. Des Weiteren begegnen wir Präsident Snow sowie Plutarch, der die Situation mit einer gewissen souveränen Gelassenheit zu kontrollieren scheint, als sei er ein erfahrener Marionettenspieler, der die Fäden seiner Marionetten in seiner Hand hält.
Die Autorin zeigt klar auf, wie Menschen für eine übergeordnete Idee instrumentalisiert werden. Die Liebe zu einer Person, einer Sache oder dem Ideal der Freiheit ist der zentrale Gedanke der gesamten Handlung sowie der Reihe.Das totalitäre Regime des Kapitols zeigt noch viel mehr: Es ist menschenverachtend und brutal. Ich sage euch: Das ist alles Show! Das ist eine einzige große Manipulation, mit der sie dem Volk einen Gedanken von Wohlstand und Freiheit suggerieren. In den Distrikten wird mit dem Tod bestraft, wer auch nur den Hauch von Widerworte zeigt oder den geringsten Verdacht einer Auflehnung äußert.
Suzanne Collins schildert die erbarmungslosen Kämpfe in der Arena drastischer und blutiger als noch in der ersten Trilogie. Hier findet ein guter Ausgleich zwischen vielen Emotionen und blutigem Aktionismus statt. Das hält die Spannung und den Unterhaltungswert auf hohem Niveau.
Es ist egal, ob dem Leser der Ausgang und natürlich Haymitch als Sieger bekannt ist. Es geht nicht um das, worum es scheint. Es geht um seine persönliche Entwicklung und darum, später zu einer Schlüsselfigur der Rebellion zu werden.
Der vorliegende Titel dieser Reihe ist damit der wichtigste und auch der beste. Inhaltlich außerordentlich emotional und auch mitunter brutal drückt die Autorin sehr konsequent und kompromisslos auf unsere Emotionsknöpfe.
Zum Teil finde ich es immer noch sehr schade, dass man nicht über die Vergangenheit von Panem erfährt! Wo liegt Panem? Was ist mit der übrigen Welt? Es gibt hier noch unzählige Fragen, auf die wir bislang keine Antwort erhalten haben. Vielleicht hält sich die Autorin auch noch hier zurück, um zu einem späteren Zeitpunkt erzählt zu werden.
Fazit
„Der Tag bricht an“ ist inhaltlich der spannendste Teil dieser großartigen Reihe. Emotional nachhaltig, eine konsequente atmosphärische Härte, mit wenig Überraschungen, dafür einen durchaus kritischen Blick auf ein kriminelles Regime.
Michael Sterzik