Gewalt in der Familie – psychische und physischer Missbrauch gegen Frauen und Kinder. Es sind leider Verbrechen, die hinter der Haustür geschehen. Täter und Opfer könnte jeder Nachbar von uns sein – Gewalt und Missbrauch war und ist ein Tabu-Thema, etwas, was in der Familie bleibt. Letztlich sind es schwere Verbrechen – und die Spuren und Narben auf der Seele der Opfer bleiben unauflöslich.
Die Dunkelziffer an nicht registrierten Fällen dürften die untere Größe eines Eisberges darstellen. Dass die Opfer sich irgendwann wehren ist möglich, dass sie vorher an den Folgen sterben, oder sich selbst für einen erlösenden Suizid entscheiden, bedauerlicherweise auch. Dass der Täter dabei von seinem vorherigen Opfer „getötet“ wird, stellt vielleicht die Gleichung von Gut und Böse in ein Gleichgewicht, aber schief ist es trotzdem und es macht alles nicht ungeschehen.
Dass auch Opfer, ihre traumatischen Erlebnisse reflektieren und durch einen Bericht, Tagebucheintragungen oder anderes kanalisieren, befreit die Seele. Wird es öffentlich gemacht, so gibt es ebenfalls anderen Opfern den Mut und die Hoffnung sich zu wehren.
Die amerikanische Autorin Deliah S. Dawson verarbeitet in ihrem vorliegenden Buch ihre Erfahrungen als Opfer von gewalttätigem Missbrauch.
Amerika in der nahen Zukunft. Nach außen hin führt die Familie Martin ein perfektes Leben, doch Investmentbanker David verprügelt seine Frau Chelsea regelmäßig bis zur Bewusstlosigkeit. Als sich ein mysteriöses Virus ausbreitet, das alle, die es infiziert, in einen exzessiven Gewaltrausch stürzt, sieht Chelsea ihre große Chance, sich und ihren beiden Töchtern ein neues Leben zu ermöglichen. Ein Leben in einer Welt, die sich am Ende radikal von unserer unterscheiden wird …(Verlagsinfo)
Ich habe Mitleid mit der Autorin wegen ihren traumatischen Erlebnissen und ich zolle Ihr großen Respekt für ihren Mut sich damit auseinanderzusetzen. Das sie dabei ihre Erlebnisse in einem Buch kanalisiert, einem Thriller – ist sicherlich bewundernswert – das Ergebnis allerdings völlig eindimensional und absolut polarisierend.
Das Buch inkludiert viele Themen wie eine ausgebrochene Pandemie und nimmt sich natürlich auch gesellschaftliche Motive mit. Allerdings ist der Fokus ganz klar darauf ausgerichtet, dass Frauen sich gegen Missbrauch behaupten, sich freikämpfen und selbstbewusst ihren eigenen Weg gehen.
Drei Frauen – drei Schicksale – drei Wege – Großmutter, Mutter, Töchter – dazwischen viele Männer, die alle als narzisstische und gewalttätige Monster dargestellt werden. Schön, dass uns die Autorin davor warnt, dass hier exzessive psychologische und physische Gewalt geschildert wird. Als Nebenwirkung interpretiert eine völlig übertriebene Reaktion, vielleicht die manipulative Möglichkeit, seinen Roman als interessant darzustellen?!
„The Violence“ ist fürchterlich eindimensional, oberflächlich, polarisierend und wenig Spannung. Eine Aneinanderreihung von der Darbietung frauenfeindlicher Männer. Erzählerische Perspektive ausschließlich aus der Sicht des Opfers, also der Frau. Gewalt und Missbrauch bagatellisiere ich an dieser Stelle nicht – aber diese Art und Weise dem Leser zu demonstrieren, dass „Männer“ als systematische, gewaltbereite Täter ist weder spannend noch sensibel. So einfach und eindimensional erzählt, wie ich es selten erlebt habe. Ein feministischer, idealistischer Brandbeschleuniger dieser Roman ist. Mit keiner, wirklich keiner Silbe wird erwähnt, dass Frau ebenfalls zu „Tätern“ werden können, zwar nicht physisch gewalttätig, aber dass sie ebenfalls massive psychische Gewalt ausüben können, wird unter den Teppich gekehrt.
Es ist das persönlichste Buch, dass die Autorin bisher verfasst hat. Ihre Kindheit wurde von einem alkoholisierten, gewalttätigen Vater zur persönlichen Vorhölle.
Das Thema einer Pandemie wird so gut wie nicht ausgespielt. Der Roman spielt in einer wirklich nahen Zukunft, nur wenige Jahre später – und schildert eine Post-Covid Atmosphäre. Das Virus, von dem die Autorin spricht, ist nicht Covid, sondern nennen wir es mal ein „Wut-Virus“ das den infizieren Menschen in eine gewalttätige Mordmaschine in einer kurzen Momentaufnahme darstellt. Der Fokus bleibt allerdings die generationsübergreifende Gewalt gegen Frauen, die sich als das einzig wahre Übel zeigt.
Der schriftstellerische Stil, ihr Ausdruck und das Talent eine spannende Geschichte zu erzählend, ist ausreichend bis mangelhaft. Alice Schwarzer würde den Titel vielleicht als ein Evangelium anpreisen wollen – ein feministischer Thriller, der mich aufgrund seiner Dimensionalität wirklich verärgert.
Fazit
„The Violence“ – ein polarisierender Titel, der wenig Spannung, aber dafür inflationär mit Vorurteilen glänzt. Für mich gesehen eines der schlechtesten Bücher, dass ich jemals gelesen habe.
Michael Sterzik