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Sonntag, 31. August 2025

Die Sommergäste - Tess Gerritsen


Ferien und Urlaub – eine willkommene Auszeit und Gelegenheit zur Erholung, nach der wir uns alle sehnen. Es ist ein Ort der Ruhe und des Rückzugs, ein Zeitfenster, um mit der Familie zur Ruhe zu kommen, dem Alltag zu entfliehen und gemeinsam innezuhalten, um über zukünftige Wege nachzudenken oder den aktuellen Stand zu reflektieren.


Wenn man immer wieder an den gleichen Ort reist, trifft man natürlich auch immer die gleichen Menschen: Einheimische, die dort wohnen, wo andere Urlaub machen, und ganze Ortschaften, die von den Touristenströmen leben, in der Hoffnung, dass diese viel Geld in Restaurants, Geschäften, Hotels oder Pensionen ausgeben.


Diese Sommergäste werden oft polarisierend betrachtet. Es entstehen viele tiefe Freundschaften, aber auch Vorurteile und Abneigungen zwischen den Einheimischen und den Besuchern, die manchmal aus einer ganz anderen Welt kommen.


Tess Gerritsens zweiter Roman um den „geheimnisvollen Martini-Club“ greift dieses Thema im Titel „Die Sommergäste“ auf.


Jahr für Jahr kommen die Sommergäste nach Purity und beziehen die imposanten Ferienhäuser am Maiden Pond – misstrauisch beäugt von den Anwohnern, die den reichen Großstädtern nicht über den Weg trauen. Als eines Tages ein Mädchen aus einer der Urlauberfamilien verschwindet und kurz darauf menschliche Überreste aus dem See geborgen werden, spitzen sich die Ereignisse in der Kleinstadt zu. Die Polizei ermittelt erfolglos – bis Maggie Bird und der „Martini-Club“ ihre Expertise zur Verfügung stellen. Der Club mag zwar aus Spionen im Ruhestand bestehen – doch das Ermitteln verlernt man nie … (Verlagsinfo)


Der zweite Roman um den Bücher- und Kochclub der ehemaligen CIA-Agenten – dem „Martini-Club“ – ist ein unterhaltsamer Feel-Good-Roman. Er ist spannend, wenn auch etwas weniger actionreich als sein Vorgänger, bietet aber eine tolle Unterhaltung.


Die vertrackte Kombination von Vergangenheit und Zukunft bildet die Grundlage des Thrillers. Tess Gerritsen versucht immer wieder, den Leser durch Wendungen, neue Ereignisse und Szenen und mancherlei Überraschungen in der Geschichte zu fesseln – diese sind allerdings mehr oder minder abenteuerlich und auch vorhersehbar.


Dass die ehemaligen Spione also Profis in der Ermittlungsarbeit sind, liegt auf der Hand. Interessant ist allerdings, dass hier auch aufgezeigt wird, dass sie sich täuschen können, selbst wenn sie der ansässigen Polizei immer einen Schritt voraus sind. Wird also der Club der alternden Ex-Spione mit dem aktuellen Fall überfordert sein und sein unerschütterliches Selbstbewusstsein verlieren?


Es menschelt in dem Titel „Die Sommergäste“; man könnte fast meinen, dass die Protagonisten und ihre Schöpferin Tess Gerritsen ermüdet sind. Zu konstruiert wirkt manchmal die Handlung, und am Ende stellt sie sich als zu wenig originell heraus.


Das Zusammenspiel der Figuren ist allerdings toll aufgebaut – allein schon die Beziehungsebene zur jungen, ansässigen Polizeibeamtin Jo ist nicht ohne Humor. Eine Zweckgemeinschaft – wobei Jo wirklich alle Augen zudrückt, wenn es um die manchmal aufdringlichen Ermittlungsmethoden der ehemaligen Spione geht.


In diesem Roman erhält der Leser leider auch keine weiteren oder überhaupt neuen Informationen zu der Vergangenheit des “alten” Spionage-Clubs. Eigentlich hätte ich hier erwartet, dass man mehr aus deren aktiven Zeit erfährt. Aber vielleicht werden diese Themen in den nächsten Romanen aufgefasst. 


Fazit


Bei gutem Essen, mit einem guten alkoholischen Getränk und viel Konversation über Literatur – ja, genauso kann man diesen Roman genießen. Er ist nicht so spannend wie sein Vorgänger, aber eine Story, die jeden Sommer- und Feriengast in seiner ruhigen Komfortzone überzeugen kann.


Michael Sterzik


Donnerstag, 21. August 2025

Der Totengräber und die Pratermorde - Oliver Pötzsch


Der vorliegende vierte Band der Totengräber-Reihe führt die bekannten Haupt- und Nebenfiguren fort. Dass Oliver Pötzsch die Charaktertiefe zeitlich auch hervorragend ausarbeitet, ist für die Geschichte enorm wichtig, denn auch die Figuren werden älter, wenn auch nicht unbedingt weiser. Schauplatz ist das Wien um 1896, genauer gesagt das Vergnügungsviertel mit dem venezianischen Themenpark, den Kinematographen und anderen Attraktionen, die die Bühne dieser Geschichte bilden.

Diese literarische Zeitmaschine funktioniert ausgesprochen gut: Wenig später ist man mitten in den Vergnügungen und spürt die atmosphärische, historische Kulisse der österreichischen Hauptstadt. Oliver Pötzsch recherchiert und beschreibt diese Szenen hervorragend und vervollständigt mit seinem Verständnis für die kleinsten Details den Unterhaltungswert.

Der Prater war damals eine eigene Welt und Schauplatz der skurrilsten Attraktionen. Damit war er auch ein Sammelsurium von Menschen, die ausgegrenzt wurden und unter ihresgleichen eine Familie fanden. Glücksspieler, Zauberer und Menschen mit Missbildungen lebten und starben in dieser parallelen Zwischenwelt.

Wien, 1896: Ausgerechnet bei dem Zaubertrick „Die zersägte Jungfrau” stirbt die junge Bühnendarstellerin vor dem schockierten Publikum. Inspektor Leopold von Herzfeldt ermittelt. Ihm dicht auf den Fersen ist die Reporterin Julia Wolf, seine unglückliche große Liebe. Rund um den Prater werden weitere Frauen getötet. Junge Dirnen und Dienstmädchen, die niemand groß vermisst. Jede der Toten ist anders verkleidet. Ist es ein und derselbe Mörder? Leo braucht Unterstützung und wendet sich an seinen Freund Augustin Rothmayer. Der Totengräber des Wiener Zentralfriedhofs arbeitet an einem neuen Buch mit dem Titel Was uns die Toten erzählen und ist in Experimente vertieft. Doch nur gemeinsam können Leo, Julia und Augustin das grausame Spiel des Mörders aufhalten. (Verlagsinfo)

In diesem vierten Band stehen eher das Ziehkind des Totengräbers, Anna, und die junge Reporterin Julia Wolf im Mittelpunkt, die nun für eine Zeitung arbeitet. Dabei entstehen langatmige und ziellose Szenen und Dialoge, die überflüssig sind und die Handlung nicht wirklich vorantreiben.

Dadurch wirkt die Spannung wenig steigerungsfähig. Manchmal ist das Privatleben eines pubertierenden Mädchens und einer verschmähten Frau eben doch nicht von Interesse – zumindest nicht für Leser, die sich spannende Unterhaltung wünschen. Die Perspektiven der anderen Personen werden dagegen weniger intensiv aufgezeigt und wie immer kommt der sympathische Totengräber Augustin viel zu kurz. Selbst die Kollegen von Leopold von Herzfeldt haben nur minimale Auftritte, was schade ist, denn sie waren in den letzten Bänden doch außerordentlich vielversprechend.

Historische Themen wie der aufkommende Antisemitismus spielen eine tragende Rolle in der Wiener Soziologie. Besonders gut lässt Oliver Pötzsch die authentischen Personen, ihre Berufe und ihre Talente lebendig werden – und zeigt damit auch, wie gründlich er recherchiert hat. Augenzwinkernd wirft er auch einen Blick auf die Revolution der bewegten Bilder, also den technischen Fortschritt, der nicht nur Vergnügen verspricht. Betrachtet man die Figur der Julia Wolf, so sieht man die personifizierte Emanzipation.

Der vierte Band ist also leider der schwächste der Reihe, wobei die Reihe angesichts der Auswahl an historischen Romanen auf dem deutschen Buchmarkt noch immer zu den besten gehört.

Vielleicht sollte man den Schauplatz Wien austauschen und einen Ausflug in die Vergangenheit von Leopold machen. Denn noch immer weiß man nicht, warum er seinen besten Freund bei einem formalen Duell getötet hat. Auch die Vergangenheit des Totengräbers bleibt ein Rätsel.

Fazit

Ein souveräner historischer Spannungsroman, der leider einige Längen hat. Wenn Sie jetzt darüber nachdenken, diesen Titel zu kaufen, sollten Sie die Reihe unbedingt von Anfang an lesen. Sie werden überrascht sein, wie phänomenal gut die ersten drei Bände waren.


Michael Sterzik

Sonntag, 13. Juli 2025


Die Nacht – Marc Raabe:


Jedes Jahr verschwinden unzählige Menschen. Die Ungewissheit, die für Angehörige daraus entsteht, ist ein zermürbender emotionaler Marathon. Manche sind untergetaucht und melden sich später, andere bleiben für immer verschwunden. Diese Leere erzeugt immensen Druck auf die Suchenden: Wann ist genug gesucht? Und kann man irgendwann loslassen?


Marc Raabe greift dieses Thema in seinem dritten Band der Art Mayer-Reihe, „Die Nacht“, auf.


Ein kleiner Junche verschwindet spurlos, sein Fall findet sich in keiner Akte. Fünfzehn Jahre später verschwindet seine ältere Schwester, Dana Karasch. Niemand scheint sich für sie zu interessieren – außer BKA-Ermittler Art Mayer, der eine besondere Bindung zu Danas Tochter Milla aufgebaut hat.


Als Art einen mächtigen Freund um Hilfe bittet, stößt er auf ein Wespennest. Ein anonymer Hinweis führt ihn und seine Kollegin Nele Tschaikowski zu einer verlassenen Wohnwagensiedlung im Wald. Dort entdecken sie mehrere namenlose Tote und die grausam zugerichtete Leiche eines angesehenen Berliner Richters.


„Die Nacht“ konfrontiert die Leser erneut mit dem Ermittlerduo Art und Nele, die sich seit den Ereignissen der vorherigen Bände verändert haben. Ihre emotionale Belastbarkeit ist spürbar geringer, ihre Verarbeitungsstrategien sind „semiprofessionell“. Art bleibt der unkonventionelle Einzelgänger, wortkarg und schwierig. Nele, frischgebackene Mutter, zieht die Arbeit als Kriminalbeamtin der Rolle der fürsorglichen Mutter vor.


Aus diesen privaten „Minenfeldern“ der Protagonisten entspinnt sich die Handlung um das fünfzehn Jahre vermisste Kind und die verschwundene Mutter von Milla. Der spannende Krimi entfaltet sich in zwei Handlungssträngen und zwei Zeitebenen. Rückblenden in die Vergangenheit enthüllen Lügen, Halbwahrheiten und Verdrängung. Die fesselnde Vergangenheit dominiert die Gegenwart und lässt den Leser das Buch kaum aus der Hand legen.


Obwohl die Ereignisse in der Gegenwart manchmal etwas zäh wirken, bleibt der Krimi stets unterhaltsam. Die Entwicklung ist für die ungeduldigen Ermittler jedoch zu langsam.


Die Charakterzeichnung und Ausarbeitung der Figuren, ob Haupt- oder Nebenfiguren, ist hervorragend gelungen. Die Entwicklung der beiden Hauptfiguren und ihres Umfelds trägt maßgeblich zur Brillanz der Reihe bei. Story, Charaktere und Authentizität bilden ein stimmiges Gesamtbild, das zu keinem Zeitpunkt Raum für den „Kommissar Zufall“ lässt.


Die Fortsetzung „Im Morgengrauen“ erscheint im Frühjahr. Viele Fragen sind noch offen, und es bleibt spannend, ob die „persönlichen Minenfelder“ der Protagonisten explodieren.


Fazit:


„Die Nacht“ ist ein absoluter Spannungsgarant, der Sie die ganze Nacht wachhalten wird. Schlaf ist sowieso überbewertet! Absolut empfehlenswert.


Michael Sterzik


Sonntag, 15. Juni 2025

Nebelstille - Jan-Erik Fjell


Vieles holt einen ein: alte Sünden und Verbrechen, alte Liebe, alte Verfehlungen. Wir versuchen zwar, diesen Geistern der Vergangenheit zu entgehen, aber als wäre es ein Naturgesetz, erreichen sie uns in allen Situationen und Emotionen immer wieder – selbst Jahre oder Jahrzehnte später.

Und plötzlich kann sich das friedliche Leben inmitten der eigenen Familie in wenigen Sekunden ändern und alles infrage stellen. Es ist ein emotionaler Tsunami, der die eigene Welt einfach weg- und umspült.

Diese Thematik findet sich auch immer wieder in Romanen, unabhängig vom Genre, wieder. So auch in dem ersten Buch der Anton-Brekke-Reihe des norwegischen Autors Jan-Erik Fjell.

„Nebelstille“ ist der erste Band dieser sehr spannenden Reihe, die gerade im Münchner Goldmann Verlag veröffentlicht wurde. Es ist ein wenig merkwürdig, da in Deutschland beispielsweise die Bände sechs und sieben usw. veröffentlicht wurden.

Ein spektakulärer Mord in einer beschaulichen Seefahrtstadt gibt der norwegischen Polizei Rätsel auf: Der Milliardär Wilhelm Martiniussen wurde grausam in seinem luxuriösen Zuhause erdrosselt, seine Freundin blieb wie durch ein Wunder vom Täter verschont. Und wie hängt Martiniussens Tod mit einem geheimnisvollen Fremden zusammen, der kurz nach seiner Ankunft in Norwegen niedergeschlagen wurde und im Koma liegt? Mit der Aufklärung des Falls wird Anton Brekke betraut, herausragender, aber eigenwilliger Kriminalkommissar aus Oslo. Brekke muss tief in die Vergangenheit eintauchen und stößt auf eine Wahrheit, undurchdringlich und bedrohlich wie ein Nebel über dem Fjord …(Verlagsinfo) 

Zunächst sei angemerkt, dass „Nebelstille“ der Debütroman des Autors ist. Spannend und unterhaltsam stellt er Anton und seinen späteren Partner Torp für weitere Kriminalfälle vor. Magnus Torp ist beispielsweise noch Polizeischüler im letzten Ausbildungsjahr.

Geschickt konstruiert Jan-Erik Fjell seinen Mordfall, der sich um Anton Breeke dreht. Breeke ist Kommissar und Spezialist für das organisierte Verbrechen aus Oslo.

Die Charakterisierung ist nicht originell, aber interessant. Breeke ist ein brillanter Ermittler. Er verfügt über eine sagenhafte Beobachtungsgabe und denkt sehr komplex. Seine Erfolgsquote beträgt 100 %. Er polarisiert jedoch auch mit seinem Selbstbewusstsein, seiner direkten Kommunikation und nicht zuletzt wegen seines manchmal schrägen Humors. Durch seine Spielsucht hat er seine Frau verloren und kompensiert dies eben durch seine Arbeit.

Der Kriminalfall ist äußerst gut durchdacht und überraschend. Dabei sind die Rückblenden in die Vergangenheit das Unterhaltsamste und zugleich Spannendste in diesem Band. In diesen Rückblenden lässt der Autor uns einen Blick in die komplizierte Organisationsstruktur der Cosa Nostra werfen – vom kleinen Handlanger bis zur rechten Hand des Paten.

Fazit

Ein bemerkenswerter, authentischer Krimi der beste Unterhaltung bietet und zu dem man als erstes zugreifen sollte, wenn man diese Reihe lesen will. 

Michael Sterzik

Mittwoch, 26. Februar 2025

Schattenwald - Jan-Erik Fjell


Die menschliche Psyche ist immer noch ein großes Rätsel: Wo fängt krankhaftes Verhalten an, wo hört es auf? Was können Auslöser sein - bei denen uns die Sicherungen durchbrennen und wir alle Vernunft ausschalten? Wir sehen rot in einer Momentaufnahme, die unser Leben und das Leben anderer radikal verändern kann - und überschreiten damit eine Grenze, von der es kein Zurück mehr gibt.

Die Begegnung mit dem Tod, in welcher Form auch immer, ist so eine Grenze - danach verändern wir uns. Entweder, weil wir zu viel Schmerz und Grauen erlebt und gesehen haben, oder weil wir selbst getötet haben. Diese Narben auf der Seele verschwinden nie. Man kann mit ihnen leben - aber der Preis dafür kann so hoch sein, dass wir diesen Schmerz und diese Last nicht mehr ertragen können. 

Auch Polizisten oder Soldaten in Kriegseinsätzen werden seelisch verletzt - und diese posttraumatischen Erlebnisse können sie ein Leben lang begleiten. 

Mit diesen Themen beschäftigt sich der norwegische Autor Jan-Erik Fjell im dritten Roman der Reihe um Magnus Torp und Anton Brekke.

Nach einer durchfeierten Nacht verschwindet nahe Oslo die junge Cecilie Olin. Zwei Tage später wird ihre Leiche in einem Waldstück entdeckt, sie wurde entsetzlich misshandelt und erdrosselt, ihr Ehering fehlt. Sofort fällt der Verdacht auf Cecilies Mann, doch dann wird eine weitere Frau vermisst. Der junge Ermittler Magnus Torp sucht Hilfe bei seinem Kollegen und Mentor Anton Brekke, der der Polizei nach einem traumatischen Fall den Rücken gekehrt hat. Zunächst will Anton nichts mit der Sache zu tun haben, zu sehr quälen ihn die Dämonen der Vergangenheit. Doch das Verbrechen lässt ihm keine Ruhe. Anton begibt sich auf die Spur des Mörders und damit erneut in bedrohliche Dunkelheit. (Verlagsinfo) 

Dieser dritte Band ist aus vielen Gründen großartig. Die Beziehungsebene zwischen Torp und Brekke ist interessant, nicht nur, weil sie völlig unterschiedlich ermitteln und ihre Charaktere so verschieden sind, sondern auch, weil sie sich immer weiter entwickelt. Es hat etwas von einem Schüler-Lehrer-Verhältnis, aber auch von einer sehr tiefen und verständnisvollen Freundschaft. 

Bitte nicht irritieren lassen - der vorliegende Band ist der 8. Teil dieser Reihe - die anderen werden, denke ich, nach und nach ebenfalls im Goldmann Verlag erscheinen.

Die Geschichte ist spannend, vielleicht auch deshalb, weil der Perspektivwechsel in die Vergangenheit aus der Sicht des Täters erzählt wird. So wird schnell klar, dass es sich um Serienverbrechen handelt, die in der Vergangenheit begonnen haben. Parallel zu diesem Fall ermittelt Anton Brekke auf eigene Faust. Er hat seinen Job bei der Polizei freiwillig an den Nagel gehängt und ist nun eine Art Sozialarbeiter. Diese Tätigkeit füllt ihn zwar nicht aus - aber er kann ein Verbrechen und gegebenenfalls einen möglichen Täter durch seine Erfahrung und sein Wissen identifizieren. Mit Verdächtigen geht er nicht besonders sensibel um - das muss er auch nicht, wenn er selbst etwas aufklären will. Sein Privatleben wird kaum thematisiert - außer, dass er spielsüchtig ist und sich damit ein wenig finanziert. Insgesamt wirkt er unruhig und seine Freundschaft mit Magnus Torp wird auf eine harte Probe gestellt. 

Magnus Torp hingegen zeigt sich gewohnt pflichtbewusst und übernimmt eine führende Rolle bei den Ermittlungen. Seine Geduld mit Anton Brekke wird auf eine harte Probe gestellt - aber er glaubt und vertraut seinem alten Freund und Mentor fast blind. 

Das letzte Drittel des Romans steigert die Spannung enorm, doch am Ende werden nicht alle Einzelgeschichten aufgelöst und auch das Schicksal der beiden Freunde endet mit einem dramatischen Ereignis, dessen Ausgang allerdings offen bleibt. 

Damit macht der Autor natürlich Lust auf Band 9. Ich empfehle aber auch, die beiden Vorgänger zu lesen: „Nachtjagd“ und „Dunkelwald“, denn die Beziehung und damit die Vorgeschichte von Torp und Brekke ist wichtig, um ihre beiden aktuellen Standpunkte besser verstehen zu können.

Fazit

Der Schatten zwischen Vergangenheit und Zukunft ist dunkel und abgrundtief böse. Ein großartiger Roman - eine großartige Serie, die zu den besten Skandinaviens gehört.

Michael Sterzik

Mittwoch, 5. Februar 2025

Buchvorstellungen btb - Frühjahr 2025

Hallo zusammen.

Heute möchte ich Ihnen die neuen Krimis vorstellen, die im Frühjahr 2025 bei btb erscheinen! Bei Interesse merke ich Sie gerne für ein Rezensionsexemplar vor oder schicke Ihnen vorab die Fahne als pdf.

»Wenn das Wasser steigt« ist der neue Bestseller der spanischen Krimikönigin Dolores Redondo. In ihrem neuesten gefeierten Spannungsroman verwebt sie historische Tatsachen, wie das Rätsel um den Serienmörder und die verheerende Überschwemmung in Bilbao. Ihre Figuren faszinieren durch große psychologische Tiefe und zeigen, zu wie viel Grausamkeit, aber auch Hoffnung die Menschen fähig sind. ET: 12. März 2025

Nach »Die Psychologin« und »Die Affäre« ist »Die Witwe« der neue Psychothriller der norwegischen Bestsellerautorin Helene Flood! Die Autorin arbeitete selbst als Psychologin bevor sie zum internationalen Thriller-Star avancierte. In ihrem neuen Buch geht es um Evy, in deren Haus nach dem Tod ihres Mannes seltsame Dinge passieren. Wird sie langsam verrückt, oder trachtet ihr jemand nach dem Leben? ET: 26. März 2025

Anton Marklunds Kriminalroman »Der Flug des Falken« ist der furiose Auftakt einer neuen schwedischen Krimireihe. Eine Sozialarbeiterin, die in die Zukunft schauen kann, ein totes Mädchen am See - »Einer der besten schwedischen Kriminalromane des Jahres. Mit einer ungewöhnlichen weiblichen Hauptfigur.« findet Bibliotekstjänst ET: 16. April 2025


Dolores Redondo
Wenn das Wasser steigt
Thriller



Der Polizist Noah Scott ist herzkrank und weiß, dass seine Lebenszeit begrenzt ist. Doch er ist besessen davon, das Rätsel um den Serienmörder John Bible zu lösen, der Ende der 60er-Jahre junge Frauen tötete und nie gefasst wurde. Jetzt, im Jahr 1983, folgt Noah einer neuen Spur, die ihn nach Bilbao führt. Er weiß, dass sich der Mörder hier versteckt hält, und durchforstet die Stadt, deren herbe Schönheit ihn gefangen nimmt, bis sich eine Jahrhundert-Flut ankündigt, die alles zu verschlingen droht.

Helene Flood
Die Witwe
Psychothriller



Eine gutbürgerliche Nachbarschaft in Oslo: Auf offener Straße bricht Erling zusammen und stirbt. Allein im großen gemeinsamen Haus sitzt Evy, seine Frau, mit der er seit fünfundvierzig Jahren verheiratet war. Irgendetwas – das wird ihr immer klarer – stimmt nicht mit dem Tod ihres Mannes. Gegenstände verschwinden aus dem Haus, die drei erwachsenen Kinder verbergen Dinge vor ihr, und die Kellertür, die immer verschlossen ist, steht plötzlich offen. Nach vielen Jahren taucht ein alter Freund aus Erlings Jugend auf, und teilt Evy Unglaubliches mit. Wer wollte Erling schaden? Und verfolgt derjenige, der ihm nach dem Leben trachtete, nun auch Evy?

Anton Marklund
Der Flug des Falken
Kriminalroman



Die Sozialarbeiterin Ramona Lindh hat eine besondere Gabe: Sie kann Bruchstücke aus der Vergangenheit und Zukunft von Menschen sehen. Als in der Nähe von Ramonas Wohnort eine junge Frau tot am See aufgefunden wird, bittet die Polizei um Mithilfe. Wie konnte es in dem beschaulichen Ort in Nordschweden zu dieser Gewalttat kommen? Und was hat es mit dem Falken auf sich, der neuerdings häufig über dem See kreist? Ramona berührt das Schicksal der Ermordeten. Sie versucht, ihre Fähigkeiten nützlich einzusetzen, weiß aber auch, dass ihre Gabe Segen und Fluch zugleich ist.

Bilder und Texte - zur Verfügung gestellt vom btb Verlag. 

Michael Sterzik 


Donnerstag, 5. Dezember 2024

Die Besten Krimis/Thriller des Jahres 2024

Weihnachten steht vor der Tür. Wir freuen uns nicht nur auf Geschenke, sondern auch auf eine hoffentlich besinnliche Zeit. Zeit für uns - Zeit für andere - Zeit für ein Miteinander und ja, vielleicht auch Zeit, um sich in ein gutes Buch zu vertiefen. 

Diese Bücher, die ich nun vorstelle, waren für mich in diesem Jahr die spannendsten Titel aus dem Genre Thriller/Krimi.  Alle Rezensionen zu diesem Titel findet man auf diesem Blog.

Auch bei Facebook gibt es die Rezensionen auf meiner Literaturbühne Michael Sterzik zu finden. 

Michael Sterzik - Literaturbühne

1. Die Weiße Stunde  (Alex Beer) Verlag Limes

2. Nachtwasser (Läckberg/Fexeus) Verlag Knaur

3. Das Auge der Nacht (Cilla & Rolf Björlind) Verlag btb

4. Die Dämmerung (Marc Raabe) Verlag Ullstein 

5. Nachtkommando (Simon Scarrow) Verlag Piper

6. Seven Days (Steve Cavanagh) Verlag Goldmann

7. Stille Falle (Anders de lat Motte) Verlag Knaur

8. Monster (Nele Neuhaus) Verlag Ullstein 

9. Zeit des Terrors (Christian v. Ditfurth) Verlag C.Bertelsmann

10. Vermisst (Christine Brand) Verlag Goldmann 


Die Titel sind nicht aufsteigend oder absteigend sortiert. 

Vielen Dank an die Verlage, die mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt haben. Diese Buchbesprechungen sind keine gekauften Rezensionen. Weder habe ich mich in meiner Meinung durch andere überreden lassen, noch bewerte ich diese Titel nach Sympathie für den oder die Autor(in).
























Montag, 6. Mai 2024

Die Dämmerung - Marc Raabe


Kann man seine Vergangenheit ausblenden, sie vielleicht ignorieren, so dass man historische Ereignisse aus seinem Gedächtnisprotokoll in die ganz tiefe Schublade seiner persönlichsten Gedanken verbannt? Am liebsten vergisst man dann auch noch den Schlüssel zu diesen Schlüsselerlebnissen. Verdrängung kann wunderbar sein, funktioniert aber meistens nur halb so gut.

Die Vergangenheit holt einen dennoch ein, und das oftmals in einer so direkten Konfrontation, dass ein Ausweichen nicht möglich ist. Ein Exit ausgeschlossen und getreu Augen zu und durch, auch das ist oftmals nur ein frommer Wunsch. 

Der Kölner Autor Marc Raabe setzt seine Art-Mayer-Reihe mit dem vorliegenden Titel „Die Dämmerung“ fort. Mit von der Partie sind viele bekannte Figuren, denen man bereits im ersten Band „Hallo“ sagen durfte. Auch die ganz persönlichen Herausforderungen der beiden Ermittler bekommen ihre Bühne.

Im Königswald wird eine bizarr arrangierte Leiche gefunden, halb Mensch, halb Tier. Art Mayer und Nele Tschaikowski identifizieren die Tote als Charlotte Tempel – eine gefeierte Wohltäterin, bei allen beliebt und für den wichtigsten Medienpreis des Landes nominiert. Schnell gerät Tempels einundzwanzigjährige Tochter unter Verdacht: Leo ist rebellisch, unberechenbar und zeichnet ein ganz anderes Bild ihrer Mutter. Doch Art Mayer zweifelt an ihrer Schuld.
Bis eine zweite Frau aus dem Kreis der Nominierten stirbt. Zunächst deutet nichts auf Leo, doch dann taucht ein mysteriöses Tonband mit belastendem Inhalt auf. Wer ist Leo – ein Opfer der Umstände? Oder die jüngste Serientäterin von Berlin, unterwegs zu ihrem dritten Opfer?(Verlagsinfo) 

Die beiden Ermittler Nele Tschaikowski und Art Mayer können getrost als Antihelden bezeichnet werden. Die Art und Weise, wie sie ihre Ermittlungen führen, ist nach den Grundsätzen ihres Berufsstandes und nach dem Lehrbuch der Kriminalistik eher als sehr, sehr frei zu bezeichnen. Nele ist mit dem Polizeipräsidenten verwandt und Art war bzw. ist der Freund des amtierenden Bundeskanzlers. Letzteres spielt hier, wie schon in Band 1, keine untergeordnete Rolle - private und berufliche Ebene gehen hier eine unfreiwillige Symbiose ein, die allerlei aktuelle und historische Herausforderungen mit sich bringt.

Die Haupthandlung sind die bizarren Morde, die originell und plakativ in Szene gesetzt werden. Aber auch die Nebenhandlung, die Geschichte von Jo und Bell, einem jungen Paar aus völlig unterschiedlichen sozialen Schichten, sorgt für spannende Unterhaltung.

Der Kölner Marc Raabe ist durch seinen Beruf in der TV- und Medienproduktion und in der großen Medienwelt verankert. Das merkt man auch als Leser, denn sein Blick auf diesen Mikrokosmos der Reichen und Schönen findet sich hier in Ansätzen wieder. Aber eben nur als Momentaufnahme. Marc Raabe widmet sich vielen aktuellen Themen und so finden sich radikale Klimaaktivisten, dicht gefolgt von Nerds, die durchaus Videos und Bilder zu veröffentlichen wissen, die Fakes sind - die Schattenseiten der kontroversen Themen rund um eine hoffähig werdende künstliche Intelligenz.

Ich war schon immer ein Freund von guten Nebenfiguren. Hier hat Marc Raabe mit der rebellischen Leo eine Figur geschaffen, die vielleicht auch ein Zerrbild unserer heutigen Jugend sein könnte. Eine allgemeingültige Moral wird man hier aber nicht finden, und der Streuung einer einzigen Wahrheit sind Grenzen gesetzt.

Art Mayer ist wie gewohnt als harter Hund angelegt, zeigt aber immer wieder seine verletzliche und weiche Seite - nur nicht öffentlich. Seine Partnerin Nele ist nach den Ereignissen des ersten Teils posttraumatisiert und als werdende Mutter mit sich, ihrer Umwelt und auch ihren Kollegen nicht immer einverstanden.

"Die Dämmerung" ist eine weitere Steigerung des ersten Bandes: Der Morgen". Eine spannende Geschichte, die bewusst von den brillanten Charakteren getragen wird. Marc Raabe überlässt hier nichts dem Zufall und ist ein Meister im Spiel mit einer spannenden Note von Psychologie, die nachhaltig ist. Gerne hätte ich mir noch mehr innen- und medienpolitische Themen gewünscht. Hier kann Marc Raabe in Zukunft sicher noch mehr aus dem persönlichen Nähkästchen plaudern. Die noch interessanteren Nebengeschichten und Nebenfiguren wie Nele und Art werden gekonnt eingesetzt.

Fazit

Mit „Die Dämmerung“ erscheint ein heller Stern am Thrillerhimmel des Jahres 2024. Tolle Charaktere, die uns hoffentlich auch 2025 mit „Die Nacht“ begegnen werden. Ein starker Thriller - unbedingt lesenswert.
Michael Sterzik

Samstag, 27. April 2024

Extinction - Wenn das Böse erwacht - Douglas Preston


Kann der Mensch wirklich „Gott“ spielen und Leben erschaffen, in die Evolution eingreifen und mit Hilfe modernster Gentechnik längst ausgestorbene Tiere und Pflanzen wieder zum Leben erwecken? Ich bin sicher, das ist möglich, nicht erst seit Dolly dem Schaf. Es gibt genug Privatlabors auf der Welt. Vielleicht sind sie gerade dabei, die Zeit zurückzudrehen. „Das Leben findet einen Weg“ auch außerhalb des Reagenzglases, des abgeschirmten Labors. Dass ein solcher Traum zum Alptraum werden kann, steht in der Frage. Und aus dem göttlichen Funken könnte durchaus etwas entstehen, das man vielleicht nicht kontrollieren kann.
„Jurassic Park“ - der Roman des verstorbenen amerikanischen Autors Michael Crichton hat diese Vorstellung auch im Kino erfolgreich thematisiert. Doch schon bald könnte aus der Fiktion eine neue Realität werden. Douglas Preston, Teil des Autorenduos Preston & Child, liebt es, wissenschaftliche Themen mit spannenden Geschichten zu verbinden. Dabei werden auch schon mal paranormale Theorien verarbeitet - immer mit dem drohenden Fingerzeig: "Was wäre wenn?

Tief in den Rocky Mountains liegt das gigantische Ferienresort Erebus. Dank modernster Gentechnik können die betuchten Gäste wie vor Jahrtausenden wollige Mammuts, gewaltige Riesenhirsche und meterhohe Riesenfaultiere in ihrem natürlichen Habitat erleben. Als ein Millionärssohn und seine Frau entführt und im Hinterland tot aufgefunden werden, gerät eine Gruppe von gewaltbereiten Öko-Terroristen in Verdacht. FBI-Agentin Frances Cash und Sheriff James Colcord sollen den Fall schleunigst aufklären. Doch dann häufen sich die Morde, und der 400 Quadratkilometer umfassende Ferienort muss evakuiert werden. Inmitten der prähistorischen Flora und Fauna werden Cash und Colcord mit etwas Bösem konfrontiert, dem es nicht ums Neubeleben, sondern ums Auslöschen geht …(Verlagsinfo) 

Man erkennt beim Lesen schnell gewisse Parallelen zu „Jurassic Park“. Auch hier wird eine neue Welt erschlossen. Für Außenstehende hermetisch abgeriegelt, wird dieser Park gegen ein gewisses Entgelt natürlich gerne der Öffentlichkeit gezeigt. So ist es nicht verwunderlich, dass hier hinter den verschlossenen Labortüren grundsätzlich etwas schief gelaufen ist. Aber was wurde geweckt und warum sollte es gleich „böse“ sein? Weil die neue/alte Lebensform nach Freiheit ruft und konsequent lieber selbstbestimmt leben möchte, als eine künstliche Marionette für ein Vergnügen und die Forschung zu sein? Ist das also „böse“?

Es dauert sehr, sehr lange, bis der Vorhang gelüftet und das „Böse“ präsentiert wird. 
Der eigentliche Spannungsbogen, der sich bis dahin hätte entwickeln können, wurde nicht aufgebaut. Stattdessen gab es die Suche nach den beiden verschwundenen Besuchern, endlose Dialoge über die Richtung der Ermittlungen und viele andere Ereignisse, die schließlich in einer Sackgasse endeten.

Keiner der Protagonisten ist in der Lage, die erzählerische Bühne wirklich auszufüllen und, wenn auch zu Beginn keine Spannung aufkommt, so doch zumindest eine spannende Atmosphäre zu erzeugen. Zum Ende hin überschlagen sich die Actionszenen und es kommt Spannung auf, die aber auch nur von kurzer Dauer und Intensität ist. 

Wissenschaftlich plätschert die Geschichte auch so vor sich hin, erst im Nachwort erfahren wir vom Autor selbst eine Momentaufnahme der vielleicht schon jetzt angedachten Möglichkeiten, mit Hilfe der Gentechnik Leben zu schaffen, das heute vielleicht noch als „ausgestorben“ bezeichnet werden kann.

An sich kein schlechter Roman, aber inhaltlich zu schwach, um wirklich zu überzeugen. Eine Fortsetzung ist nicht ausgeschlossen, aber dann weniger wissenschaftlich und mehr als „Märchenstunde“.

Fazit

Inhaltlich schwach, gelegentlich spannend - das Nachwort glänzt mit Informationen, die besser in die Geschichte selbst hätten integriert werden sollen.

Michael Sterzik

Samstag, 3. Juni 2023

Liar - Seve Cavanagh


Es gibt Justizthriller, deren Story sich nicht auf die Tat konzentriert, sondern auf den Schlagabtausch im Gerichtssaal. Verteidigung gegen den Staatsanwalt – die Geschworenen sind das Schlüsselelement und entscheiden oftmals auch zwischen Leben und Tod. Das amerikanische Rechtssystem im Gerichtssaal inkludiert auch viel Theater, viel Dramatik und die Knöpfe der Emotionalität, die man bei den Geschworenen oftmals aktiviert, entscheiden zwischen Schuld und Unschuld.

Was ist Lüge und was ist Wahrheit? Nicht immer einfach – und es gibt ein sattes Minenfeld an Halbwahrheiten, perspektivischen Grauzonen und schmerzhaften Tatsachen, denen man sich nicht stellen möchte – aber ausweichen ist auch keine Option.

Hier wird manipuliert und Verteidigung und Staatsanwalt bauen sich lange vor Prozessbeginn eine Strategie auf – ein fast schon minutiöses Drehbuch. Das größte Risiko ist die Unwissenheit – die versteckten Lügen der Zeugen, die Wahrheiten, die sich ggf. vor den polizeilichen Behörden noch nicht offenbart hatten, die aber jetzt auftauchen könnten. Ein Rotstift – der das Drehbuch einäschern könnte.

Der Autor des vorliegenden Titels: „Liar“ – Steve Cavanagh ist Jurist. Seine Schwerpunkte Strafrecht und Prozessführung machten ihn zu einem erfolgreichen Bürgerrechtsanwalt. Er weiß also sehr genau, wovon er schreibt.

Leonard Howells durchlebt einen Albtraum: Seine Tochter Caroline wurde entführt und dabei lebensgefährlich verletzt. Nur einem Mann traut Howell zu, sie zu retten: Eddie Flynn. Eddie weiß, wie es ist, eine Tochter zu verlieren. Und als ehemaliger Betrüger und jetziger Spitzenanwalt kennt er alle Tricks, um seine Gegner hinters Licht zu führen. Doch als die Lösegeldübergabe scheitert und Leonard Howells selbst unter Verdacht gerät, sind plötzlich zwei Leben in Gefahr. Irgendjemand zieht im Hintergrund die Fäden in einem Spiel, das vor vielen Jahren begann. Und in dem Eddie bald nicht mehr weiß, wer die Wahrheit sagt, und wer lügt ...(Verlagsinfo)

Inzwischen gibt es 7 Bände um den ehemaligen Trickbetrüger und jetzigen New Yorker Anwalt Eddie Flynn. „Liar“ ist der dritte Band – die Titel kann unabhängig voneinander lesen.

Kommen wir also zurück zum Thema „Justizthriller“. Seve Cavanagh beweist als Autor ein hohes Talent. Seine unkonventionelle Art eine nachhaltige Spannung zu erzeugen, ist brillant. Seine Trickkiste, die er bei seiner Figur Eddie Flynn öffnet, ist ebenfalls eine kleine Schatztruhe. Eddie Flynn ist und bleibt ein Trickbetrüger, aber ein ehrlicher, der vor Ort alle seine Tricks sehr gezielt einzusetzen vermag: theatralische Überzeugungskraft, Ablenkung und Irritation und zum Schluss weiß selbst der Zeuge, der Angeklagte, der Richter und der Staatsanwalt nicht mehr, was hier eigentlich passiert. Eddie Flynn zieht seine persönliche Show durch.

Sei es drum – er hat ein starkes Verständnis für die Wahrheit, verfügt über einen genialen Verstand und er ist und bleibt ein talentierter Trickser.

Das Tempo der Handlung ist ausgewogen. Der Fall ist recht kompliziert und jede Partei verstrickt sich selbst in diesem Netz voller falschen Verdächtigungen, voller schauspielerischer Manipulation und letztlich auch Überraschungen die plötzlich da sind.

Es zieht sich ein wenig hin, bevor man Eddie Flynn in den Gerichtssaal  begleitet. Da die Story sehr, sehr komplex ist, muss man sich stark konzentrieren und sehr aufmerksam lesen, um auch nur zu erahnen, wie das Verbrechen wirklich stattgefunden hat. Trotzdem ist man am Ende sehr, sehr positiv überrascht über das Konstrukt, dass sich Steve Cavanagh ausgedacht hat. Gerade vor Gericht zeigt sich die Klasse der Protagonisten und der komplexen Handlung.

Auch die anderen Figuren brillieren in Ihrer Darstellung und manchmal auch in ihrer Verwandlung. Special Agent Harper ist wieder mit von der Partie und auch Eddie Flynns Freund und Mentor Richter Harry Ford hat eine wichtige Nebenrolle. Starke Figuren, die viel dazu beitragen, der Story eine Tiefe zu geben. Auch die Ermittlungsarbeit, die wie ein Puzzle aufgebaut ist, wirkt sich stark auf die Intensität aus. Es folgen immer wieder neue Elemente, die alles wieder gekonnt auf einen neuen Ausgangspunkt setzen.

Der Trick des Erfolges ist der Trick eine Atmosphäre zu schaffen, der das „Böse“ vielfältig zeigt, aber den Wahrheiten ebenfalls viel Perspektive gibt.

Fazit

Das Gesicht der Lüge und der Wahrheit – so spannend erzählt, dass sich wünscht im Gericht zu sein. Perfekte Unterhaltung dank toller und vielseitiger Figuren.

Michael Sterzik

Donnerstag, 1. Juni 2023

Die Verborgenen - Linus Geschke

Was wissen wir über die Menschen in unserer unmittelbaren Umgebung? Kennen wir all ihre Geheimnisse, all ihre Sünden? Was wissen wir über die Wünsche, die Sehnsüchte und Hoffnungen unserer Lieblingsmenschen? Diese „Verborgenen“ Emotionen sind ein Teil eines jeden Menschen. Wir alle haben Empfindungen, die man gleichwohl auch als besagte „Leichen im Keller“ bezeichnen könnte. 

 

Wie be- und verurteilen wir die Menschen, die wir meinen, so gut zu kennen? Sind wir so tolerant wie man es erwartet, wie wir es selbst von uns erwarten? Wir sind alle Schauspieler und wir übernehmen die Regie für unser eigenes Leben. Wir manipulieren, verbiegen, verbergen Wahrheiten und Lügen vor uns selbst und vor anderen. Niemand kennt uns so gut, wie wir selbst. 

 

Das führt selbstverständlich zu Konflikten in Freund- und Partnerschaften, wenn vielleicht nur ein Bruchteil dessen, was wir verschleiern wollen, an die Oberfläche treibt. Diese persönlichen Offenbarungseide können alles zerstören und diese leidenschaftlichen Tsunamis können auch viele andere Menschen mitreißen.

 

Selbst in unseren Wohnungen und in unseren Häusern verstecken wir Teile unserer Vergangenheit und Gegenwart. Das kann vieles sein; Gegenstände, Tagebücher, Urkunden, Schmuck, Erinnerungen usw. – es gibt kein Haus und keine Wohnung, in denen nichts vor den Augen anderer versteckt wird. 

 

Stellen wir uns nun vor, dass, wenn wir schlafen, jemand im Schatten, in der Dunkelheit stehend uns beobachtet. Wir sind schutzlos ausgeliefert und ahnen nichts von einer Gefahr in unmittelbarer Nähe. Stellen wir uns vor, wir verlassen unsere Wohnung und jemand schleicht durchs Haus und sucht systematisch unsere materiellen Schwächen. Vielleicht bedient sich die Person an unserem Essen, duscht und kleidet sich mit unseren Sachen ein? Ein unvorstellbarer Gedanke – aber leider auch Realität. 

 

Es gibt diese Menschen, die in Häusern in verstaubten Dachböden und dunklen Kellern hausen und nur darauf warten, dass die Räumlichkeiten und Bewohner schlafen, oder diese das Haus verlassen. Diese Eindringlinge werden als „Phrogs“ bezeichnet, abgeleitet von englischen „frog“ (Frosch). Sie bleiben nicht lange an einem Ort, sie ziehen bald weiter, vielleicht wenn es langweilig wird, sie alles entdeckt haben, oder die Bewohner ahnen, dass sie ggf. nicht mehr alleine sind. 

 

Linus Geschke hat all diesen Themen eine Bühne in dem vorliegenden Roman: „Die Verborgenen“ gegeben.

 

Sven und Franziska Hoffmann haben alles, wovon sie einst träumten: eine wunderbare Tochter und ein traumhaftes Haus an der Küste. Alles könnte perfekt sein. Doch dann dringt jemand heimlich in ihr Haus ein. Der ungebetene Gast bedient sich an ihrem Essen, stöbert in ihren Schränken und steht neben ihren Betten, wenn sie schlafen. Als dann noch Gegenstände verschwinden und fremde Fußspuren im Keller auftauchen, bezichtigen sich die Eheleute gegenseitig. Je merkwürdiger die Vorgänge in ihrem Haus werden, desto mehr bröckelt die makellose Fassade der perfekten Familie. Und genau das ist es, was der Eindringling will …(Verlagsinfo)

 

Linus Geschke beweist mal wieder sein vielseitiges Talent. „Die Verborgenen“ ist kein Actionkracher, es ist ein eindrucksvoller und hoch unterhaltsamer Psycho-Thriller. Die Spannung liegt erst verborgen in diesem Haus der Familie, liegt versteckt hinter der Fassade jedes einzelnen Bewohners. Und genau hier fängt die atmosphärische Raffinesse an. Sven, Franziska und ihre Tochter Tabea lassen tief in ihr innerstes Selbst blicken. Sie alle nehmen eine erzählerische Perspektive ein, wie auch „Die Verborgenen“ selbst. Lügen, Wahrheiten, gespielte Emotionen und kriminelle Entgleisungen, Hass, Wut und auch die Liebe – all diese idealisierten Gefühle spielen über die Personen ausgedrückt die wesentliche Rolle. 

 

Tiefer und tiefer tauchen wir in die Psyche dieser Menschen ein und diese präsentieren uns viele verschiedene Abstufungen ihrer perspektivischen Wahrheit. 

Wir fangen unbewusst damit an, diese Menschen zu ver- und zu beurteilen, wir empfinden Sympathie und Antipathie, nur um wenig später festzustellen, dass alles verborgen ist – auch unser empfundenes Bild dieser Figuren. Auch in die Psyche der „Verborgenen“ dringen wir ein – aber langsamer. 

 

Die Spannung schleicht sich langsam, aber stetig in unsere Köpfe. In den einzelnen Kapiteln kommen immer mehr und mehr Wahrheiten auf den Flur der „Wahrheiten“. Diese sammeln sich in einem Kessel voll von brodelnden Gefühlen, der bald mit einer zerstörerischen Wucht explodieren wird. 

 

Lüge und Wahrheit – sind zwei Geschwister in diesem Roman. Sie zanken sich in jedem Kapitel, doch einen strahlenden Finalisten wird es nicht geben. Selbst ein Happy End –  ist nicht frei von Schuld. 

 

„Die Verborgenen“ ist komplex und komplett psychologisch aufgebaut. Linus Geschke beschreibt diesen Roman, als sein „Herzstück“ – ist es auch – ein Roman mit Verstand und Gefühl konzipiert. 

 

Es gibt nicht viel Kritik. Das Ende wird mit Überschallgeschwindigkeit erzählt, und leider bleiben hier die Charaktere der Familie etwas im „Abseits“ sehen. Einen insgesamt vollendeten Abschluss in Hinblick auf eine kleine Aussicht dieser Figuren auf die Zukunft wäre der Story dienlich gewesen. 

 

„Die Verborgenen“ ist eine abgeschlossene Geschichte. Einen weiteren Teil wird es nicht geben. Ich hoffe allerdings, dass Linus Geschke – den Psycho-Thriller für sich entdeckt hat. Intelligent und facettenreich – mit viel Gefühl, das manchmal lauter ist als der Schuss einer Waffe und auch vernichtender sein kann. 

 

Fazit

 

Eine intelligente Offenbarung von Wahrheit und Lüge, hinter der Fassade von Menschen. Perfektes Spiel, bei dem jeder gewinnt und verliert. Unbedingt lesen. 

 

Michael Sterzik



  

Samstag, 22. April 2023

Der Morgen - Marc Raabe


Die Wahrheit – aus verschiedenen Perspektiven ist diese für die unterschiedlichen Menschen nicht immer gut. Sie kann verletzen, sie kann befreien und ebenfalls eine Bürde sein. Die Wahrheit ist eine variabel in einer Gleichung voller unbekannten Faktoren. Interpretierbar und man kann sie auch in jegliche Richtung verbiegen.

Letztlich drängt sie sich immer ans Licht und nur der Zeitpunkt könnte eine Überraschung sein. Die Wahrheit ist in der Realpolitik aus verschiedenen Standpunkten heraus gesehen nicht unschuldig. Und auch in Gesetzen und Vorschriften wirkt sie manipulierbar und äußerst angespannt.

Im neuesten Thriller von Marc Raabe geht es um die Wahrheit verschiedener Personen, in unterschiedlichen Berufen, um eine Freundschaft, eine Schuld und Rache. Marc Raabe jongliert mit vielen Themen wie z.B. die mediale Manipulation von Fakten, dem Einfluss von journalistischer Berichterstattung und um öffentliche Personen für die, die „Wahrheit“ Angriff oder Verteidigung darstellt.

Dabei beweist die Handlung eine hohe Aktualität von brisanten Themen und Marc Raabe geht originelle Wege mit seinen Figuren. Auch wenn der „Bundeskanzler“ in Person hier eine gewisse Nebenrolle spielt, so wird es nicht politisch. Hier wird dieser als „Mensch“ gezeigt, der aber seinen als öffentliche Person, politischen Anzug immer trägt. Aber ist er „Unantastbar“ wenn die Vergangenheit ggf. ans Licht kommt, so nachvollziehbar wie jugendliche Handlungen auch sein mögen? Als öffentliche Person werden alle Nuancen der Vergangenheit, der Gegenwart und einer geplanten Zukunft transparenter als man glauben mag.

Im morgendlichen Schneegestöber an der Berliner Siegessäule steht ein verlassener Kleinlaster. Auf der Ladefläche findet die Polizei eine halbnackte tote Frau. Jemand hat ihr mit roter Farbe etwas auf den Körper geschrieben - die Privatadresse des Bundeskanzlers.
Am Tatort trifft die unerfahrene und ehrgeizige Kommissar-Anwärterin Nele Tschaikowski auf den berüchtigten Ermittler Artur Mayer. Was sie nicht wissen: Das ist kein Zufall.( Verlagsinfo)

Das Ermittlerduo bestehend aus Art Mayer und Nele Tschaikowski ist ambivalent. Der erfahrende alte Wolf und der junge Nachwuchs. Beide starke Charaktere mit unkonventioneller Methodik eine Ermittlung durchzuführen. Die Figuren sind stark und tiefgehend erzählt. Die Vergangenheit von Art spielt eine große dramatische Rolle und verbindet den Kriminalfall und alte Freunde und Feinde. Die Wellen, die der junge Art und seine Freunde auslösen, erreichen sehr schnell die Gegenwart und dieser emotionale Tsunami könnte ihr Leben auf immer verändern.

Die Dialoge sind herausragend gut und Marc Raabe versteht es auch dadurch, die Stärken und Schwächen seiner toll aufgestellten Figuren sympathisch und authentisch darzustellen. Die Verletzlichkeit aller Charaktere unterstreicht nur noch mehr die gegenwärtige Spannung. Diese ist hoch – sie dreht und wendet sich, und viele Szenen kommen überraschend daher. Marc Raabe spart auch nicht den gegenwärtigen journalistischen Einfluss zu beschreiben. Wo fängt die Pressefreiheit an – wo hört sich auf – da wären wir also wieder beim Kernthema: der „Wahrheit“.

Loyalität und steht eine Freundschaft außerhalb der Gesetze? Genug Zündstoff um gesellschaftliche Themen genauer zu hinterfragen Der Balanceakt von Marc Raabe gelingt sehr gut – so spannend, tiefgründig und unkonventionell erzählt – damit gehört der Titel „Der Raabe“ zu einem Roman, den man unbedingt lesen sollte.

Er ist auch der Auftakt einer neuen Serie und beide Hauptfiguren haben viel Potenzial für weitere Storys.

Fazit

Ein Meisterwerk, das mit aktuellen Themen eine Spannung erzeugt, die fast beispiellos ist. Originelle Story, die eine perfekte Unterhaltung bietet. Prädikat: Ein must-read-Titel.

Michael Sterzik