Dienstag, 7. Oktober 2008

Buchvorstellung - Die Zeit des Skorpions

Auflage: September 2008
Erscheinungsjahr: 2008
ISBN: 3-570-16001-7
Verlag: cbt / Bertelsmann
Genre: Kinder- und Jugendliteratur





Unser Lebensraum auf dem blauen Planeten ist, wie sich zunehmend zeigt, recht begrenzt, und es zeichnet sich ab, dass auch unsere Erde keineswegs unerschöpfliche natürliche Stoffe und Ressourcen für uns bereithält. Das Erdöl wird von Jahrzehnt zu Jahrzehnt weniger; auch wenn man das eine oder andere Reservoir noch findet, so wird es in nicht einmal hundert Jahren zum letzten Mal gefördert werden.

Es gibt noch brisanteren vom Menschen betriebenen Raubbau. Die Regenwälder in Südamerika werden - ganz gleich, welche Mahnungen von Wissenschaftlern aus aller Welt uns deshalb auch erreichen mögen - weiter abgeholzt. Der Lebensraum für hunderte von Tierarten wird eingeschränkt und vernichtet. Dass die globale Erderwärmung von Jahr zu Jahr ansteigt und die Luftverschmutzung eine der Ursachen hierfür ist, wird gleichsam gerne ignoriert.

Die Europäische Gemeinschaft macht sich indes Gedanken und es werden auch Alternativen gefunden. Solar- und Windenergie bieten vielleicht die Möglichkeit, Strom- und Wasseraufbereitung zu kompensieren, so dass natürliche Ressourcen längerfristig genutzt werden können bzw. die Zeit bekommen, sich wieder zu regenerieren.

Doch wenn die internationale Gemeinschaft nicht zusammenarbeitet, so tickt die biologische Uhr mit dramatischer Beharrlichkeit gegen uns. Schon jetzt gibt es Kriege wegen des Erdöls, und die Eskalationsspirale dreht sich weiter. Welches werden die nächsten Bodenschätze und Lebenselemente sein, um die Staaten gegeneinander kämpfen?

Der Autor Michael Wallner hat mit seinem Roman "Die Zeit des Skorpions" einen Ökothriller um das Thema der letzten Wasserreservoirs unseres Planeten verfasst:


Inhalt

Europa in einer nahen Zukunft. Durch die globale Erwärmung hat sich der Kontinent fast gänzlich in eine Wüste verwandelt. Gegen Ende des 21. Jahrhunderts hatte sich das Erdklima erschreckend verändert, und es war für den Menschen zu spät, die katastrophalen Folgen abzuwenden. Die Pole schmolzen auf dem erhitzten Planeten und der Wasserspiegel des Meeres stieg immer weiter gewaltsam an. Ganze Städte wurden überflutet und versanken im Meer.

Noch katastrophaler allerdings verhielt sich eine andere Naturerscheinung. Die Wüste Sahara breitete sich unerbittlich aus. Sie kroch wie ein Geschwür über das Land und begrub ohne Gnade zwei Drittel des Festlands unter sich. Über Spanien, Griechenland und Süditalien bewegte sich die Wüste unaufhaltsam weiter, erst am Südrand der Alpen wurde sie von dem Gebirge aufgehalten, doch die Gefahr ist noch nicht gebannt.

Die gerade erst vierzehnjährige Tonia lebt zusammen mit ihrer kleinen Familie in einem Dorf im südlichen Italien. Gerne erinnert sich Tonias Vater an vergangene Zeiten, die sein Großvater selbst noch erlebt hat. Die Region war grün und fruchtbar, die Weinhänge trugen volle Trauben, das Gemüse war schmackhaft und es gab alles in verschwenderische Fülle. Kühe, Ziegen und Schafe wurden gehalten, die Natur meinte es gut und die Menschen genossen ihr Leben in der Bergwelt, es glich einem Paradies.

Eines Tages kommt ein Sandsturm auf und Tonias Vater fällt ihm zum Opfer, als dieser ihr kleines Haus zerstört und alles unter sich begräbt. Für Tonia, ein vaterloses Mädchen, ist in dem von Dürre gebeutelten Dorf kein Platz mehr, und sie weiß, dass sie nun an auf sich allein gestellt ist.

Mit der Wüste hat sich das Verständnis der Religion der kritischen Situation und Wasserknappheit angepasst. Die "Heilige Rückgewinnung" sieht vor, dass der tote Körper dehydriert wird, also quasi ausgepresst. Die Nüchternheit der Prozedur hat mit Gottes Gnade und Segen nicht viel zu tun. Tonia will ihren eigenen Weg gehen, und als zwei Tuareg die kleine Ortschaft besuchen, wendet sich die junge Frau voller Hoffnung an die Wüstennomaden. Als Mädchen hat sie aber in den Augen der beiden Krieger wenig Respekt und Akzeptanz zu erwarten, und so gibt sie sich als Mann aus und versteckt sich bei den beiden Männern, die, wie sie vermutet, eine gefährliche Mission vor sich haben. Sie wird entdeckt und notgedrungen bleibt den Reisenden nichts anders übrig als die junge Frau in ihrer Gesellschaft aufzunehmen. DSabei erfährt sie, dass Dula und Muganabe auf dem Weg nach Rom sind, im Auftrag und auf Bitte des Vatikans.

Die beiden Wüstenkrieger fühlen sich in der Wüste in ihrem Element. Sie wissen, wie man überlebt, sich ernährt und versteckt. Doch es gibt Parteien, welche die beiden Männer stoppen wollen: Der junge dänische General Noradt Finsokker, der fast ganz Europa militärisch mit allen Mitteln wie ein Diktator in seinem Griff hält, ist nicht gewillt, seine Machtstellung aufzugeben. Er kontrolliert die Wasserverteilung in den von Sand eingeschlossenen Gebieten, und sollten neue Wasserreservoirs gefunden werden, so könnte er in Gefahr laufen, seine Vormachtstellung zu verlieren. Auch die anderen 'freien' Menschen, die "Schützentrachtler", welche die neuen Grenzen nicht akzeptieren und sich nicht als Wüstenbewohner sehen wollen, haben ihre eigenen Interessen, und diese sind sie auch gewillt mit Waffengewalt zu durchzusetzen.

Als ein Anschlag auf die Reisenden vorgenommen wird und diese in Notwehr die Tochter des Anführers der Schützentrachtler töten, wird die Schicksalsgemeinschaft zu Gejagten und steht zwischen allen Fronten. Es bleibt ihnen nur die Flucht nach vorne, durch die Weiten der erbarmungslosen Wüste.


Kritik

Michael Wallner erzählt in "Die Zeit des Skorpions" von einer düsteren Zukunft, die vielleicht gar nicht so abwegig ist. Schon jetzt werden die Rohstoffe unverhältnismäßig teuer und fragt sich der eine oder andere, wohin dieser Weg noch führen kann. Der Autor schildert mit dramatischen Emotionen in Rückblenden, wie es zu den Naturkatastrophen kam und wie sich einzelne Staaten hinsichtlich der Krise verhielten.

Die Tuareg auf geheimer Mission nehmen in der Handlung eher die Rolle des Richters und Lehrers ein. Leider erfährt man nicht viel über ihre Vergangenheit und ihre Motivation zu helfen. Trotzdem sind sie der Schlüssel zur Geschichte, die Kreuzung, an der alle einzelnen Erzählstränge zusammenlaufen. Neben ihrer Ritterlichkeit und Weisheit sind sie auch mystisch mit der Wüste verbunden und retten sich und ihre Verbündeten dadurch immer wieder.

Die Schützentrachtler, besessen von alten, längst schon überholten Traditionen, übernehmen den Gegenpart. Sie verachten alles Fremde und sehen sich immer als benachteiligt an, leider ohne darüber nachzudenken, vielleicht etwas toleranter zu sein und sich wirklich der Wüste mit den neuen Lebensbedingungen anzupassen. Ihre Wut macht sie blind dafür, richtige Entscheidungen zu treffen.

Europa befindet sich im Krieg, und die beiden Gegner sind die nordischen Länder unter General Noradt Finsokker und die mitteleuropäische Fraktion unter Erich Rexeisen. Die beiden charismatischen Männer kämpfen um die fruchtbaren Länder in Europa, jeder kriegerische Schlagabtausch endet mit tausenden von Toten. Das Kräfteverhältnis scheint im Gleichgewicht zu sein, doch beide Staaten sind nicht gewillt, miteinander zu verhandeln.

Der Vatikan spielt seine Sonderposition aus und ist zusammen mit den beiden Tuareg der neutrale Spieler in diesem Kampf um die letzten Wasserreservoirs in Mitteleuropa. Sollte sein Plan gelingen, so kann die Wüste zwar nicht besiegt, aber aufgehalten werden.

Zwischen diesen ganzen Gruppen sieht es eher so aus, als spielte das junge Mädchen Tonia eher eine Neben- als eine Hauptrolle, und das ist auch fast der Fall. Sie koordiniert ungewollt diese Interessengruppen, kann sie aber nicht kontrollieren oder lenken. Sie war einfach am falschen Platz zur falschen Zeit, und ihr jugendliches Alter macht alles noch komplizierter, als sie sich in einen der Tuareg verliebt. Diese Liebesgeschichte wirkt manchmal leicht deplatziert, findet aber doch ein positives Ende. Zu viel Romantik hätte dieser ernsten und spannenden Geschichte auch nicht gutgetan.

Gut durchdacht und mit zunehmender Spannung schildert Michael Wallner seine Geschichte. Besonders den Rückblenden und Erklärungen zur Vergangenheit, aber auch dem aktuellen Kriegsverlauf widmet der Autor besondere Zuwendung. "Die Zeit des Skorpions" erinnert ein wenig an den Film "Waterworld" und einige Passagen wie die Verwertung der toten Körpern weisen Ähnlichkeiten auf. Der Roman ist im Grunde ein Jugendroman, aber auch junge Erwachsene werden ihren Lesespaß daran haben. Neben einer spannenden Handlung und einer seichten Priese Romantik kommt auch die Action nicht zu kurz - die Tuareg verstehen zu kämpfen, und sogar der Vatikan hat die Vokabel "Pazifismus" faktisch über Bord gehen lassen.


Fazit

"Die Zeit des Skorpions" ist ein sehr spannender Jugendroman mit einer beklemmenden Geschichte, die zum Nachdenken, vielleicht zum Umdenken anregt. Der Kampf um die wahren Bodenschätze wie Energie und Wasser hat schon längst begonnen; noch ist daraus kein Orkan entstanden, aber sollte dieser in den nächsten Jahrzehnten entfacht werden, so könnte er sich als globaler Killer in mehrerlei Hinsicht erweisen.

Detailreich und mit einem faszinierenden, erzählerisch dichten Stil dargeboten, hat mich der Öko-Thriller "Die Zeit des Skorpions" sehr positiv überrascht. Es ist ein Roman, der zur Diskussion anregen wird, über den gesprochen und nachgedacht werden wird; hoffentlich nicht nur in der noch jungen Generation, die ihren Einfluss auf die Zukunft richten kann.


Der Autor

Michael Wallner wurde 1958 in Graz geboren. Er hat als Schauspieler und Regisseur an verschiedenen Theatern gearbeitet und lebt seit 1997 als Roman- und Drehbuchautor in Berlin, Italien und dem Schwarzwald. Sein Luchterhand-Bestseller "April in Paris" wurde in mehr als 20 Länder verkauft.

320 Seiten, gebunden
Empfohlen ab 12 Jahren
ISBN-13: 978-3-570-16001-5

http://www.cbj-verlag.de

Michael Sterzik

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