Montag, 13. April 2009

Todfracht - Derek Meister


Todfracht

Die „Hanse“ war um 1393 eine wirkliche Macht der niederdeutschen Kaufleute, deren Handelswege die Nord- und Ostsee sowie weitere Gebiete bis nach Russland einschlossen. Nicht nur wirtschaftlich war die Hanse von großer Bedeutung, auch politisch und kulturell war sie für die Entwicklung von Städten und ganzen Nationen ein ganz wichtiger Faktor.

In der Ostsee dominierte Lübeck seit seiner Gründung 1143 den Handel bis hoch zum schwarzen Meer und dem Orient. In dieser Blütezeit gab es aber auch Bedrohungen und Konfrontationen durch andere Städte und Nationen. Die Schifffahrtsrouten waren in manchen Zeiten unsicher und die Kaufleute formierten sich zu Konvois um die Übergriffe durch die sogenannten Vitalienbrüder (Piraten) abzuwehren.

Lübeck, auch genannt die „Königin der Hanse“ und auch andere Städte wie Hamburg oder Bremen waren durch die Seeblockade der Vitalienbrüder um 1391 indirekt bedroht. Die Waffe der Piraten war die Blockade und nicht ein direkter Angriff auf eine Hansestadt, die wahrscheinlich gescheitert wäre. Die „Hanse“ versuchte sich bei den Konflikten zwischen Dänemark und den Mecklenburgern zu verhalten, sah aber ein, dass diese über einen längeren Zeitraum kein Bestand hätte.

Mit der Blockade wurde der Im- und Export Zunehmens kompliziert, dass hatte zur Folge das Grundnahrungsmittel wie Salz, Fisch und Fleisch zu sehr hohen Preise gehandelt wurden. Für viele Kaufleute und Lieferanten bedeutete dies nicht nur den Finanziellen Ruin sondern war es auch Lebensbedrohlich. Für ganze Städte die abhängig waren von der „Hanse“ und deren Handelsrouten ging es um die Existenz, und um den Frieden innerhalb der Stadtgrenzen. Eine Blockade könnte auch schnell zu einer Hungersnot führen. Der Alptraum einer jeden Stadt und für die Ratsmitglieder die die moralische und menschliche Verantwortung inne hatten. Doch formierten sich auch neue Absatzwege für einige Kaufleute – Der Schmuggel florierte und so wurden Luxuswaren durch die Blockaden geschleust, vielleicht auch mit Hilfe der Vitalienbrüder.

Lübeck – Brügge – London – ein Städtedreieck von hoher, wirtschaftlicher Bedeutung dessen wichtigster Ware das Salz war. In den kommenden Jahren wurde Lübeck sich seiner Rolle als einer der Mittelpunkte der Hanse immer bewusster und um ihre Vormachtstellung genüge zu tun, statteten Lübecker Kaufleute eine hohe Anzahl von Kriegsschiffen aus, die die Vitalienbrüder besiegen sollten.

Inhalt

Lübeck 1393 – Der Ostseehandel der Hanse ist durch die Bedrohung und die Blockade der Vitalienbrüder fast zum erliegen gekommen. Den Städten an der Ostseeküste droht eine Hungersnot, auch die Königin der Hanse – Lübeck ist bedroht wenn die Gefahr weiterhin bestehen bleibt.

Der bärbeißige Kaufmann Rungholt und sein Freund und Kapitän Marek sind zufällig am Lübecker Hafen, als sie plötzlich von einem Schiff, der „Fronica“ einen Schrei hören, einen Schmerzensschrei oder schlimmeres. Im Frachtraum finden die Leiche eines offensichtlich ermordeten Mannes und eine völlig verstörte Frau, scheinbar die Ehefrau des getöteten. Cyrielle die ihren eigenen Worten nach aus Burgund stammt ist verängstigt und weiß nun ohne ihren Mann nicht wohin. Rungholt nimmt sich der schönen und jungen Frau an und beherbergt sie in seinem Haus.

Alheyd. Rungholts Frau durchschaut ihren oftmals jähzornigen Ehemann. Rungholt ist langweilig. Nach anfänglichen auch finanziellen Problemen läuft seine neue Brauerei recht gut. Trotz der Krise oder gerade vielleicht deswegen, verkauft der Patrizier große Mengen seines Bieres, so das, dass Geld wieder fließt. Doch ist dem dicklichen Kaufmann Rungholt der keine Herausforderung hat, langweilig und der „Bluthund“ wie ihn seine Frau und andere hinter vorgehaltener Hand kennen, fragt sich was es mit dem Mord an den Mann, der wohl ein Engländer war, auf sich hat.

Als wenig später in einer Sickergrube die Leiche einer jungen Dirne gefunden wird, zwingt ihn der ehemalige Richter Kerking in diesem Mordfall zu ermitteln. Rungholt mal wieder mit seinen Sünden konfrontiert, dachte er doch, dass die Vergangenheit ihn nicht mehr einholen könne, sieht sich gezwungen die Ermittlungen aufzunehmen.

Im Laufe seine Ermittlungen fällt Rungholt auf, dass die Morde professionell ausgeübt wurden und es sich um einen Kaufmann handeln muss, der entweder selbst getötet oder die Morde in Auftrag gegeben hat. Um welche geheimnisvolle Fracht handelt es sich die nicht nur ihn selbst in Gefahr bringt, sondern auch seinen Schwiegersohn Daniel der in England unterwegs, durch Rungholts Ermittlungen selbst in Todesgefahr gerät.

In Lübeck kommt es zu weiteren Zwischenfällen: Auf Rungholt wird ein Attentat verübt und auch Cyrielle befindet sich in Gefahr. Die Zeit drängt Rungholt noch aktiver zu werden, damit das Morden in der Hansestadt aufhört, er muss herausfinden welche Fracht derart kostbar ist, dass jemand keine Skrupel kennt um nicht nur einen Mord zu begehen...

Kritik

„Todfracht“ von Derek Meister ist der vierte historische Kriminalroman um den jähzornigen Patrizier Rungholt der in Lübeck spielt.

Nach seinen letzten Roman „Knochenwald“ in dem Rungholt in Bayrischen Lande ermitteln mußte, ist nun Ort der Handlung wieder die freie Hansestadt Lübeck.

Hintergrund ist neben dem Kriminalfall wieder ein historisches reelles Ereignis. Um 1393 war die Ostsee wirklich ein gefährliches Gewässer für die vielen Handelsschiffe die Deutsche wie auch andere europäische Häfen ansteuerten. Die Vitalienbrüder arbeiteten entweder auf eigene Rechnung oder aber auch manches Mal hatten diese sogenannte Kaperbriefe, ausgestellt von verschiedenen Ländern oder Städten die z.B. unliebsame Konkurrenten auf diesen Weg das Handelsleben erschwerten.

Das Nahrungsmittel und andere Gebrauchsgüter rarer wurden und für manche Städte sich schon einer drohenden Hungersnot entgegensahen ist nachzuvollziehen. Der Seehandel war halt deutlich schneller und auch ungefährlicher, als wenn den langen und umständlichen Weg über Land sucht. Zölle und sonstiger Abgaben, Bedrohung durch Räuber und natürlich auch die begrenzten Mittel zum Transport machten solche Unternehmungen eher kostspielig und waren zu aufwendig.

Derek Meister gibt nicht nur Rungholt seine persönliche und bekannte Bühne – Lübeck – wieder, sondern auch ist die Spannung dieser Erzählung wieder gestiegen. Mit von der Partie ist wie immer Marek, Rungholts Freund und Kapitän, sowie Rungholts eigene Familie. Ebenso spielt Kerking, der ehemalige Richter Lübeck eine wichtige und tragende Rolle. Als Erzfeind des bärbeißigen Patriziers spielt er seine Rolle wie gewohnt und bietet auch einen Ausblick auf die kommenden Geschichten. Schließlich besitzt er etwas was Rungholt mit seiner blutigen Vergangenheit konfrontiert und ihn an seine „Sünden“ denken lässt, dabei war er doch so sicher das alles hinter sich gelassen zu haben.

„Todfracht“ spielt ca. sechs Monate nach den Ereignissen in München. Rungholt ist wieder recht guter dinge und sehr positiv gestimmt. Die Brauerei läuft und damit auch seine Einnahmen. Seine Tocher Mirke, inzwischen Mutter ist verheiratet mit Daniel, Rungholts ehemaligen Schüler und arbeitet inzwischen recht erfolgreich für seinen Schwiegervater. Doch Rungholt fühlt in sich eine Leere und da kommen doch diese Ermittlungen zum eintönigen Leben wie gerufen.

Von Beginn an entwickelt sich die Handlung mit doch viel Überraschungen und Wendungen, auch an den Protagonisten gemessen. Derek Meister bietet wie gewohnt ein farbenprächtiges und umfangreiches Bild. Seine Schilderungen und Beschreibungen der alltäglichen Szenen auf den Straßen Lübeck bilden nicht nur gut recherchierte Details, sondern auch lehrreiche Unterhaltung an sich. Hier werden mittelalterliche Alltagsgegenstände sowie Gesetze und Traditionen zu der damaligen Hansezeit spannend erzählt. Hier wird nichts romantisiert und tragisch verklärt, sondern anhand von Meisters vielseitigen Stil vieles so beispielhaft erzählt, dass man förmlich meint, selbst durch die Straßen, den Gassen und dem Lübecker Hafen Rungholt auf der Jagd nach den Verbrechern zu folgen.

Doch gibt es diesmal auch familiäre Unterstützung von Daniel, dem ehemaligen Schüler Rungholts der im ersten Teil „Rungholts Ehre“ eine tragende Rolle einnahm. Daniel bringt für Rungholt einen Brief auf die britische Insel, aber kaum hat er diesen dem Empfänger übergeben, wird er mit in die gefährlichen Ermittlungen einbezogen und wie Rungholt auch, muß sich Daniel seiner Haut wehren.

Zwar ist „Todfracht“ ein Historischer Krimi, so fällt es dem Leser doch schwer selbst Schlüsse zu ziehen, dass ist auch nicht notwendig, denn die Geschichte wird von Kapitel zu Kapitel spannender. Auch gibt es Szenen in denen Rungholt wieder zum Schwert greifen und sich verteidigen muß, für Actioneinlagen ist also auch hier gesorgt.

Das der ehemalige Richter Kerking wieder seinen Part als Erzfeind Rungholts beansprucht bekommt der Geschichte sehr, sehr gut. Durchtrieben, aber auch raffiniert und egoistisch schmiedet dieser seine eigenen Intrigen und nicht nur einmal kann der Leser die Streitereien der beiden Patrizier verfolgen, die auch schon mal in eine handfeste Schlägerei münden. Kerking gehört zur „Familie“ Rungholts – Ein Widersacher, Konkurrent und Intimfeind der Rungholt auf seiner intriganten Art das Leben schwer macht.

Für Humor und Romantik ist ansatzweise auch gesorgt. Auch Rungholt ist nur ein Mensch und ist emotionalen Minenfeldern genauso ausgeliefert wie ein Mensch im 21 Jahrhundert.

Auch sonst erfährt man wieder etwas mehr von Rungholts Umfeld und auch seine Zukunftspläne die vielleicht auch in einen weiteren Roman eine Rolle spielen könnten, begeistern. Die Figur des Rungholts ist auch in diesem Roman nicht anders wie in den ersten drei Teilen zuvor. Aus seinen Schatten kann er nicht treten und auch wenn er jähzornig, aufbrausend und gemütlich ist, so hat er auch ein sehr (verletzbares) Herz und möchte ungeduldig seine Ziele lieber gestern erreichen als übermorgen. Sympathisch wirken auch seine nächsten Angehörigen die es nicht leicht haben, aber Rungholt doch zu schätzen wissen. Rungholt ist und bleibt nicht nur schwergewichtig an Gestalt, sondern ist auch ein emotionales Schwergewicht, der vielen Lesern schnell ans Herz wachsen wird.

Fazit

„Todfracht“ von Derek Meister ist der viere Band um den Patrizier und Ratsmitglied Rungholt. Neben einer spannenden und unterhaltsamen Jagd in der mittelalterlichen Kulisse Lübecks, gibt es auch viele lehrreiche Erklärungen. Im Anhang erklärt uns Derek Meister Mittelalterliche Alltagsgegenstände und deren Bedeutung. Und wer Lübeck schon kennt, findet auf den ersten Seiten eine kleine skizzierte Stadtkarte Lübecks deren Straßen und Gassen noch immer den gleichen Namen tragen wie vor knapp 800 Jahren.

„Todfracht“ ist ein kleines, besonderes und beachtenswertes Werk was Historische Elemente, gepaart mit viel Spannung und reichlich Abwechslung, den Leser ent- und verführen wird.

Als Anmerkung sei noch zu erwähnen, dass „Todfracht“ ein sich abgeschlossener Roman ist, dieser also unabhängig von den anderen drei Teilen gelesen werden kann. Ich empfehle aber unbedingt, die Romane nach der Reihe zu lesen, da man dann die Protagonisten und ihre vielen kleinen, liebevollen Eigenarten erst dann wirklich nachvollziehen und erklären kann.

Prädikat: Unbedingt lesen und für einige Stunden ins hanseatische Mittelalter eintauchen.

Michael Sterzik





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