Die Maurin – Lea Korte
Andalusien im Süden Spaniens ist durch die Straße von Gibraltar nur 14 Km entfernt und stand von allen Regionen des Landes am längsten unter islamischer Herrschaft. Noch immer sieht man dort Zeugnisse wie eindrucksvolle, architektonische Häuser, Moscheen und nicht zuletzt die weltberühmte Alhambra, eine bedeutende Stadtburg in Granada und vielleicht das schönste Beispiel des Maurischen Stils in der islamischen Kunst. Noch heute ist gehört Burganlage als Weltkulturerbe zu einer der imposantesten Attraktionen in Europa.
Unter der Herrschaft der Kalifen war Granada, ein blühendes und reiches Land gewesen. Wissenschaften und auch die Kunst waren wie das Handwerk weltberühmt und galten in ganz Europa als Vorbild. Die Mauren bauten Schulen für die Einwohner der Städte, Krankenhäuser, Freizeitcentren und Bibliotheken. Im christlichen Europa war solch ein Luxus gänzlich unbekannt.
Die Volksgruppen wie Mauren, Christen und auch Juden lebten untereinander in relativer, friedlicher Eintracht. Der Koran predigt nicht umsonst den Respekt gegenüber anderen Religionen und Ansichten und ist damit toleranter als es das Christentum in seinen starren und intoleranten Ideologien jemals war.
Die Katholischen Könige sahen in der Herrschaft Granadas unter den Mauren eine Gefahr und die Eskalationsspirale drehte sich unaufhörlich. Einzelne Städte, ganze Regionen wechselten ständig zwischen Mauren und Christen. König Ferdinand II. und Isabella I. von Spanien gingen mit aller Schärfe und unbeschreiblicher Brutalität gegen die jüdische und muslimische Bevölkerung vor. Ihre Vorstellung von einem Spanien unter ihrer Herrschaft ging über die Grenzen hinaus, noch heute nennt man diese Epoche „Reconquista“. Die Einrichtung der Inquisition gehörte mit zu den dunklen Kapiteln des spanischen Königshauses.
Die deutsche Autorin Lea Korte, die selbst in Südspanien lebt hat in ihrem neuesten, historischen Roman „Die Maurin“ (Verlag Knaur), die Geschichte der fiktiven Zahra as-Sulami innerhalb dieser Epoche geschrieben.
Inhalt
Granada – 12. Juli 1478. Die sehr junge Zahra as-Sulami, Tochter einer ehemaligen Sklaven und eines maurischen Edelmannes, führt ein wohlbehütetes und geordnetes Leben. Doch Zahra besitzt die Neugierde und den Mut und findet sich mit dem ihr zugewiesenen, sittsamen und eintönigen Leben nicht immer ab. Ihr strenger Vater ist der Berater des amtierenden Sultans und lässt seiner Familie gerne spüren wer innerhalb der Familiengrenzen das eigentliche sagen hat.
Doch drei Tage der Woche kann sich Zahra von ihrer Familie lösen und verbringt diese als Vertraute und Hofdame der Sultanin Aischa in der Alhambra. Zahra genießt das Vertrauen von Aisaha, die sich als Zweitfrau des Sultans eher als Gefangene, als dessen Frau sieht. Zahra bekommt einen Eindruck der Intrigen am Hof und auch die Politik und die sich langsam entwickelnden Feindseligkeiten zwischen Christen und Mauren bleiben ihr nicht lange verborgen.
Als am Hofe zwei Botschafter von Königin Isabella I. von Spanien zur Unterredung auftauchen, bekommt Zahra von Aischa den Auftrag als Spionin die Verhandlungen zu beobachten. Es ist ihre erste Begegnung mit Gonzalo Fernandez de Cordoba, einem Vertrauten der Spanischen Königin und dem Feldherren Juan de Gongora. Als die anfangs friedlichen Verhandlungen eskalieren und ein kleiner Schwerkampf zwischen Yazid, Zahras ältern Halbbruder und dem Botschafter Juan entbrennt.
Nur mit Mühe können die beiden Kontrahenten getrennt werden und es ist der Anfang vom Ende der Maurischen Herrschaft über Granada. Hassan der Emir von Granada. Das Land wird überzogen mit dem Schrecken des Krieges und nicht wenige Dörfer wechseln die Seite, je nachdem ob die Mauren oder die Christen gewonnen oder verloren haben. Die Gefangenen werden egal auf welcher Seite zu Sklaven der Sieger und sind damit einer brutalen Willkürlichkeit ausgesetzt.
Auch Zahra und ihre Familie werden in die Machtkämpfe und kriegerischen Auseinandersetzungen verwickelt. Die Religion spaltet nicht nur das Land das in voller Blüte stehen könnte, sondern auch ganze Familien. Die Familie des Sultans ist längst nicht einig: Aisha die zweite, verstossene Frau des Sultans Hasan, strebt an, ihren Sohn Muhammad, auch genannt Boabdil der Unglückliche, der Unglücksbringer auf den Thron des Emirats zu bringen. Zahra wird von Aisha auf die heikle Mission geschickt, Boabdil aus seinem Exil zu befreien und sicher nach Granada zu führen. Für kurze Zeit hat Zahra die Möglichkeit selbst über Schicksal zu bestimmen und die temperamentvolle junge Frau, kann die von ihrem Vater geplante Hochzeit und seinen Zwängen entfliehen.
Zahras Familie steht auf beiden Seiten des Krieges, wenn auch nicht offensichtlich. Raschid ihr Bruder ist ein besonnener Mann, der wie auch Gonzalo auf spanischer Zeit sich für den Frieden einsetzt der Wohlstand und respektvolles Miteinander voraussetzt. Raschid ist selbst mit der Jüdin Deborah verheiratet, die sich immer wieder sorgt, wenn Raschid vom Sultan oder von seinem Vater auf eine gefährliche Mission geschickt wird. Yazid, Zahras Halbbruder hingegen ist ein verblendeter Kriegstreiber, ein intoleranter junger Mann der seine Worte gern durch das Wort unterstreicht. Auch Zahras Vater, der einer der engsten Ratgeber des Sultans ist, muß immer wieder innerhalb seiner Familie Auseinandersetzungen schlichten und auch zum Wohle des Landes zu handeln. An seiner Seite agiert Zahras Mutter Leonor, eine gütige und sanfte Frau, die selbst das Leiden der Sklaverei kennt, aber aus Liebe zu ihrem Ehemann zum Islam konvertiert ist.
Zahra die es immer mal wieder schafft ihren Leben einen Sinn von Selbstverwirklichung zu geben, gerät dabei in den Krieg zwischen die Maurischen und Kastillischen Fronten. Die religiösen und kulturellen Grenzen beider Völker lernt sie praktisch kennen und immer wieder kreuzen sich ihre Wege mit dem spanischen Adligen Gonzalo und seinem Bruder Jaime, die beide eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf sie ausüben. Zahra findet zwischen den beiden Kulturen doch noch ihr Glück, aber ihre Liebe und ihr Drang zur Selbstbestimmung bringen nicht nur sie und ihre Familie in die größte Gefahr.
Kritik
1492 wurde das Alhambra-Edikt der katholischen Könige – Ferdinand und Isabella von Spanien in Kraft gesetzt. Die Juden und Mauren mussten das Land verlassen sofern sie nicht gewillt waren zum Christentum überzutreten. Erst 1992 entschuldigte sich der noch heutige amtierende König Juan Carlos I. für das brutale und rücksichtslose Vorgehen seiner königlichen Vorgänger die so viel Leid über die Bevölkerung gebracht haben.
Wer mit „Die Maurin“ von Lea Korte, einen seichten Liebesroman erwartet, der voller Klischees und Vorurteilen aufwartet, wird enttäuscht sein. Die Autorin schildert eine ungemein realistisches und farbenprächtiges Drama des Maurisch-Kastilanischen Krieges. Ihr Perfektionismus für Recherchearbeit ist vorbildlich und viele Autor(innen) historischer Romane sollten sich ebenfalls die Mühe machen, zu berichten wie vielleicht annährend so gewesen sein könnte. Lea Korte wirft den Leser schon auf den ersten Seiten mitten ins Geschehen und stößt ihn mit Gewalt in die kulturelle und religiöse Welt beider Volksgruppen.
So verschieden auch der maurische, bzw. islamische Glaube auch den Christen vorkommen mag, der Hass und die Vorurteile die es nicht schaffen sich auf einen Konsens zu einigen, werden in jedem Kapitel ersichtlich. Doch ebenso schafft es die Autorin anhand von historischen Persönlichkeiten, die hier in der Überzahl sind, zu beschreiben, dass es ebenfalls auf beiden Seiten vernünftigen Menschen gab, die sich für Toleranz und Frieden zwischen den Völkern einsetzten.
Betrachten wir die Protagonisten in dem Roman „Die Maurin“ so ist es auch hier zu loben das einzig und allein Zahra und ihre Familie fiktiv sind. Die Autorin erzählt die Konflikte im Süden von Spanien anhand von Fakten und streut lässt dabei Zahra als aktive Beobachterin den Konflikt erzählen. Zahra Figur ist recht realistisch, auch wenn sie manchmal etwas viel er- und überlebt, aber die Autorin schafft es dann immer wieder kleinere Klippen mit spannenden und abwechslungsreichen Szenen zu umschiffen.
Lea Korte sich sehr mit dem Land und seiner kulturellen wie auch kriegerischen Vergangenheit beschäftigt hat, nimmt zu keiner Seite eine Stellung. Als neutrale Berichterstatterin erzählt sie von Fanatismus und das streben nach Macht beider Völker und nimmt kein Blatt vor dem Mund, wenn sie beschreibt wie egoistisch die Herrscher Politik und Religion einsetzen um ihre Macht zu vergrößern. Das Wohl der Menschen steht an letzter Stelle und Toleranz gegenüber anders Gläubigen kennen sie nicht.
Doch die Autorin beschreibt auch solche intensiven Szenen wo Menschlichkeit siegt, wo Vernunft sich durchsetzt und Verstand und Gefühl miteinander in Einklang stehen. Auch wenn in diesem Roman „Sinn und Sinnlichkeit, die Liebe nicht zu kurz kommt, so ist „Die Maurin“ viel, viel mehr als ein klassischer Liebesroman der auf der historischen Bühne spielt. Nicht nur die weibliche Zielgruppe wird hier Gefallen finden. Leo Korte beschreibt die Schlachten und Kämpfe so detailreich, dass es spannender nicht sein kann.
Das Tempo der Geschichte ist steigend und das ist auch gut so. Die Dramatik nimmt in jedem Kapitel zu, so das der Leser den Konflikt beider Völker begleiten kann und nicht aus dem Auge verliert, um was im eigentlichen geht. Die einzelnen Erzählstränge sind abwechslungsreich und erzählen aus der jeweiligen Perspektive der Protagonisten, allen voran natürlich Zahra. „Die Maurin“ versetzt den Leser direkt in die Handlung, so dass man sich nur schwer lösen mag, und der Wunsch entsteht, mehr über diese Zeit und dessen kriegerischen Konflikt zu erfahren.
Fazit
„Die Maurin“ ist ein absolut empfehlenswerter Roman der gedanklich lange anhält. Eindrucksvoll realistisch erzählt ist „Die Maurin“ ein Plädoyer für Menschlichkeit und Toleranz gegenüber anders Gläubigen. Ein Mahnmal die Kultur, die Lebensweise eines Landes mitsamt seinen Bewohnern zu achten, versuchen zu verstehen, anstatt mit Waffengewalt anderen Völkern seinen Willen aufzuzwingen.
Abwechslungsreich und sensibel, zugleich temperamentvoll und ehrgeizig erzählt uns Leo Korte die Vergangenheit einer Region die praktisch uns Europäern vor der Haustür liegt. Nie war die Vergangenheit der südlichen spanischen Region spannender und nachhaltiger erzählt worden. Lehrreich und historisch korrekt ein überaus imposantes Werk was aufzeigt was Menschlichkeit und Respekt ermöglichen können, aber ebenso Fanatismus und religiöse Vorurteile.
„Die Maurin“ ist ein historischer Roman der gelesen werden, denn außer Liebe und Verständnis, ist er ein Zeugnis und ein erhobener Zeigefinger für eine Epoche die in der Vergangenheit liegt, aber dennoch nicht in Vergessenheit geraten darf.
Autorin
Lea Korte, geboren 1963, wanderte nach Abschluss ihres Studiums nach Spanien aus, wo sie zuerst in Katalonien und später im Baskenland und in Valencia als Übersetzerin und Autorin lebte. Zusammen mit ihrem französischen Ehemann und ihren beiden Kindern lebt sie heute in Südspanien.
Michael Sterzik
1 Kommentar:
Na ich glaube das wandert dann mal auf meinen SUB was ;o)...
Tolle Rezi, aber das hab ich ja schon gesagt.
Liebe dich
Dein Drache
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