Der Ursprung des bösen (Jean Christophe Grangé)
Inhalt
Mathias Freire leidet unter einer rätselhaften Krankheit: Sobald er in
Stress gerät, verliert er das Gedächtnis. Und wenn er das Bewusstsein
wiedererlangt, ist er ein anderer: Ein neues Ich hat sich formiert, mit einer
neuen Vergangenheit, einem neuen Lebensschicksal.
Währenddessen sucht die Polizei nach dem Täter einer Serie von
Ritualmorden, die allesamt in der Nähe Freires verübt wurden, ohne dass man
diesem etwas nachweisen kann.
Und wenn nun doch er der Mörder ist? Freire gerät zunehmend in Panik.
Auf sein Gedächtnis ist kein Verlass. Also muss er einen anderen Weg finden, um
seine Vergangenheit zu rekonstruieren. Doch die Suche nach seiner wahren
Identität wird schon bald zu einem entsetzlichen Albtraum, aus dem es kein
Entrinnen zu geben scheint. Ein Albtraum, der in einem dunklen Geheimnis um
Freires Herkunft begründet liegt … (Verlagsinfo)
Kritik
Der französische Autor Jean Christophe Grangé ist bekannt für seine
skurrilen und manchmal auch verwirrenden Geschichten. Der Autor beweist aber
dennoch sein Faible für spannende und abwechslungsreiche Dramatik. Auch in
seinem neuesten Roman „Der Ursprung des Bösen“ lässt er seine Hauptfigur Mathias
Freire buchstäblich mehrmals am Rande des Wahnsinns zurück.
Obwohl manchmal die Logik in der Handlung schlicht und ergreifend nicht
vorhanden ist, überzeugt der Roman einzig und alleine durch die beiden
Hauptfiguren: Mathias Freire, einen nicht mehr ganz jungen, aber sympathischen
Psychologen mit eindrucksvollem Charisma und seine Teilzeit-Verbündete die
psychisch labile und traumatisierte Ermittlerin Anais Chatelet.
Es ist nicht einfach sich ein Bild zu machen über Mathias Freire, dass
geht nicht nur der Figur selbst so, sondern auch der Leser wird hin- und
hergerissen sein, ob er nun der gesuchte und wahnsinnige Mörder ist, der seine
Morde gemäß Szenen der griechischen Mythologie selbstgerecht und vor allem
wenig dezent platziert. Die Suche nach sich selbst wird für den jungen Arzt, zu
einer wahrhaftigen Odyssee mit unüberschaubaren Risiken. Seine Vergangenheit
die er infrage stellen muss, seine Gegenwart, die augenscheinlich nichts weiter
ist, als eine perfekt inszenierte Lebenslüge, und eine Zukunft in der er sich
selbst hinter den Mauern eine psychiatrischen Klinik für Geisteskranke
vermutet, allerdings nicht als Arzt. Ach ja, und da wären noch zwei mysteriöse
Killer, die mit roher Waffengewalt gezielt einen seiner Patienten erschossen
haben und die ihn ebenso gerne exekutieren möchten.
Auf der anderen Seite, der des Gesetzes, steht die Einzelgängerin Anais
Chatelet. Eine junge Frau aus großartigen, vermögenden Verhältnissen kommend,
die es eigentlich überhaupt nicht nötig hat, jeden Tag das Gesicht des Bösen zu
jagen. Doch ihr eigenwilliger Charakter ist seid ihrer Kindheit traumatisiert,
als sie feststellen musste, dass ihre Mutter geisteskrank war und ihr Vater ein
Anhänger der chilenischen Diktatur, in deren Namen und Weisung ein
berühmt-berüchtigter Folterknecht gewesen ist. Eiskalt und vor allem brutal und
tödlich.
Alleine schon, wegen diesen beiden großartigen konzipierten Figuren ist
der Roman von Grangé empfehlenswert. Innerhalb der Geschichte, gibt es
unzählige Irrungen, Wendungen und auch Überraschungen, die den Leser grandios
unterhalten. Doch gerade diese Vielzahl an Ereignissen ist manchmal zu hoch
dosiert. Der Mittelteil der Geschichte ist eine Tour de France durch Städte und
Persönlichkeiten, durch Gefahren, Verfolgungsjagden und Flucht, die scheinbar
unendlich zu werden scheint.
Der Autor sorgt hier für spannende Momentaufnahmen, doch die
eigentliche Stärke der Geschichte, ist die Jagd des Mathias Freire nach seiner
eigenen Identität. Phasenweise wird der Leser hier in das „Jason Bourne
–Universum versetzt aus der Feder von Robert Ludlum. Die Geschichte wird aus
der Perspektive der zwei Hauptfiguren erzählt und wirkt nahezu perfekt
authentisch. Jean Christophe Grangé hat zweifelsohne das Talent sich in die
ganz verschiedenen Charaktere reinzuversetzen und diese ihre persönliche
Wahrnehmung erzählen zu lassen.
Für actionreiche Szenen ist ausreichend gesorgt, aber die Stärke des
Romans ist nicht die Struktur der Story, sondern die innerliche Verzweiflung
und die Suche der eigenen Identität. Zwar weiß die junge Kommissarin, wer sie
ist, aber mehr als einmal kommen ihr Zweifel an der Un(Schuld) des Mathias
Freire, zu dem sie sich hingezogen fühlt und dabei großartig alle Türen
einschlägt, die sich ihr präsentieren. Geduld und Sensibilität gehören damit
nicht zu ihren ausgeprägten Eigenschaften.
Bei Mathias Freire spielt sich das Leben noch viel dramatischer ab und
er erkennt Talente, die er sich anfänglich überhaupt nicht erklären kann und
die fast bis zum Schluss des Roman nicht abschließend aufgelöst werden.
Die Atmosphäre, die der Autor entwickelt ist grandios.
Ein großes Manko in „Der Ursprung des Bösen“ ist die Logik und die
Vernunft. Intuition hin oder her, die Handlungen von Mathias Freire so spannend
sie auch sind, so unrealistisch und nicht denkbar sind sie dennoch. Ebenso die
wenig rationellen und eher gefühlsbetonten Entscheidungen von Anais lässt man
hier lieber unkommentiert.
Fazit
„Der Ursprung des Bösen“ von Jean Christopher Grangé ist ein
spannender, fast schon mysteriöser Thriller mit hohem Unterhaltungswert, aber
auch inhaltlichen Schwächen.
In jedem Fall ist das Ende wenig befriedigend und vor allem gemäß der
hochkonzentrierten und langen Handlung enttäuschend. Es wäre vorteilhaft
gewesen, die über 800 Seiten in zwei Bände zu platzieren. Die Möglichkeit wäre
mit Sicherheit eine Option gewesen, um die Handlung und vor allem den Schluss
der Geschichte entweder abzuschließen oder gar in einem anderen Roman, wieder
aufzunehmen.
Es ist, was es ist – Ein solider und guter Roman des französischen
Autors mit hohem Unterhaltungswert, allerdings auch mit potentiell nicht
erbrachten Möglichkeiten.
Über den
Autor:
Jean-Christophe
Grangé, 1961 in Paris geboren, war als freier Journalist für verschiedene
internationale Zeitungen (Paris Match, Gala, Sunday Times, Observer, El Pais,
Spiegel, Stern) tätig. Für seine Reportagen reiste er zu den Eskimos, den
Pygmäen und begleitete wochenlang die Tuareg. "Der Flug der Störche"
war sein erster Roman und zugleich sein Debüt als französischer Topautor im
Genre des Thrillers. Jean-Christophe Grangés Markenzeichen ist Gänsehaut pur.
Frankreichs Superstar ist inzwischen weltweit bekannt für unerträgliche
Spannung, außergewöhnliche Stoffe und exotische Schauplätze. Viele seiner
Thriller wurden verfilmt. In Deutschland bereits erschienen sind seine Romane
"Der Flug der Störche", "Die purpurnen Flüsse", "Der steinerne
Kreis", "Das Imperium der Wölfe", "Das schwarze Blut"
und "Das Herz der Hölle."
Michael Sterzik
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