Samstag, 13. Oktober 2012

Der Ursprung des Bösen - Jean Christophe Grangé


Der Ursprung des bösen (Jean Christophe Grangé)

Inhalt

Mathias Freire leidet unter einer rätselhaften Krankheit: Sobald er in Stress gerät, verliert er das Gedächtnis. Und wenn er das Bewusstsein wiedererlangt, ist er ein anderer: Ein neues Ich hat sich formiert, mit einer neuen Vergangenheit, einem neuen Lebensschicksal.
Währenddessen sucht die Polizei nach dem Täter einer Serie von Ritualmorden, die allesamt in der Nähe Freires verübt wurden, ohne dass man diesem etwas nachweisen kann.
Und wenn nun doch er der Mörder ist? Freire gerät zunehmend in Panik. Auf sein Gedächtnis ist kein Verlass. Also muss er einen anderen Weg finden, um seine Vergangenheit zu rekonstruieren. Doch die Suche nach seiner wahren Identität wird schon bald zu einem entsetzlichen Albtraum, aus dem es kein Entrinnen zu geben scheint. Ein Albtraum, der in einem dunklen Geheimnis um Freires Herkunft begründet liegt … (Verlagsinfo)

Kritik

Der französische Autor Jean Christophe Grangé ist bekannt für seine skurrilen und manchmal auch verwirrenden Geschichten. Der Autor beweist aber dennoch sein Faible für spannende und abwechslungsreiche Dramatik. Auch in seinem neuesten Roman „Der Ursprung des Bösen“ lässt er seine Hauptfigur Mathias Freire buchstäblich mehrmals am Rande des Wahnsinns zurück.

Obwohl manchmal die Logik in der Handlung schlicht und ergreifend nicht vorhanden ist, überzeugt der Roman einzig und alleine durch die beiden Hauptfiguren: Mathias Freire, einen nicht mehr ganz jungen, aber sympathischen Psychologen mit eindrucksvollem Charisma und seine Teilzeit-Verbündete die psychisch labile und traumatisierte Ermittlerin Anais Chatelet.

Es ist nicht einfach sich ein Bild zu machen über Mathias Freire, dass geht nicht nur der Figur selbst so, sondern auch der Leser wird hin- und hergerissen sein, ob er nun der gesuchte und wahnsinnige Mörder ist, der seine Morde gemäß Szenen der griechischen Mythologie selbstgerecht und vor allem wenig dezent platziert. Die Suche nach sich selbst wird für den jungen Arzt, zu einer wahrhaftigen Odyssee mit unüberschaubaren Risiken. Seine Vergangenheit die er infrage stellen muss, seine Gegenwart, die augenscheinlich nichts weiter ist, als eine perfekt inszenierte Lebenslüge, und eine Zukunft in der er sich selbst hinter den Mauern eine psychiatrischen Klinik für Geisteskranke vermutet, allerdings nicht als Arzt. Ach ja, und da wären noch zwei mysteriöse Killer, die mit roher Waffengewalt gezielt einen seiner Patienten erschossen haben und die ihn ebenso gerne exekutieren möchten.

Auf der anderen Seite, der des Gesetzes, steht die Einzelgängerin Anais Chatelet. Eine junge Frau aus großartigen, vermögenden Verhältnissen kommend, die es eigentlich überhaupt nicht nötig hat, jeden Tag das Gesicht des Bösen zu jagen. Doch ihr eigenwilliger Charakter ist seid ihrer Kindheit traumatisiert, als sie feststellen musste, dass ihre Mutter geisteskrank war und ihr Vater ein Anhänger der chilenischen Diktatur, in deren Namen und Weisung ein berühmt-berüchtigter Folterknecht gewesen ist. Eiskalt und vor allem brutal und tödlich.
Alleine schon, wegen diesen beiden großartigen konzipierten Figuren ist der Roman von Grangé empfehlenswert. Innerhalb der Geschichte, gibt es unzählige Irrungen, Wendungen und auch Überraschungen, die den Leser grandios unterhalten. Doch gerade diese Vielzahl an Ereignissen ist manchmal zu hoch dosiert. Der Mittelteil der Geschichte ist eine Tour de France durch Städte und Persönlichkeiten, durch Gefahren, Verfolgungsjagden und Flucht, die scheinbar unendlich zu werden scheint.

Der Autor sorgt hier für spannende Momentaufnahmen, doch die eigentliche Stärke der Geschichte, ist die Jagd des Mathias Freire nach seiner eigenen Identität. Phasenweise wird der Leser hier in das „Jason Bourne –Universum versetzt aus der Feder von Robert Ludlum. Die Geschichte wird aus der Perspektive der zwei Hauptfiguren erzählt und wirkt nahezu perfekt authentisch. Jean Christophe Grangé hat zweifelsohne das Talent sich in die ganz verschiedenen Charaktere reinzuversetzen und diese ihre persönliche Wahrnehmung erzählen zu lassen.

Für actionreiche Szenen ist ausreichend gesorgt, aber die Stärke des Romans ist nicht die Struktur der Story, sondern die innerliche Verzweiflung und die Suche der eigenen Identität. Zwar weiß die junge Kommissarin, wer sie ist, aber mehr als einmal kommen ihr Zweifel an der Un(Schuld) des Mathias Freire, zu dem sie sich hingezogen fühlt und dabei großartig alle Türen einschlägt, die sich ihr präsentieren. Geduld und Sensibilität gehören damit nicht zu ihren ausgeprägten Eigenschaften.
Bei Mathias Freire spielt sich das Leben noch viel dramatischer ab und er erkennt Talente, die er sich anfänglich überhaupt nicht erklären kann und die fast bis zum Schluss des Roman nicht abschließend aufgelöst werden. Die Atmosphäre, die der Autor entwickelt ist grandios.

Ein großes Manko in „Der Ursprung des Bösen“ ist die Logik und die Vernunft. Intuition hin oder her, die Handlungen von Mathias Freire so spannend sie auch sind, so unrealistisch und nicht denkbar sind sie dennoch. Ebenso die wenig rationellen und eher gefühlsbetonten Entscheidungen von Anais lässt man hier lieber unkommentiert.

Fazit

„Der Ursprung des Bösen“ von Jean Christopher Grangé ist ein spannender, fast schon mysteriöser Thriller mit hohem Unterhaltungswert, aber auch inhaltlichen Schwächen.

In jedem Fall ist das Ende wenig befriedigend und vor allem gemäß der hochkonzentrierten und langen Handlung enttäuschend. Es wäre vorteilhaft gewesen, die über 800 Seiten in zwei Bände zu platzieren. Die Möglichkeit wäre mit Sicherheit eine Option gewesen, um die Handlung und vor allem den Schluss der Geschichte entweder abzuschließen oder gar in einem anderen Roman, wieder aufzunehmen.

Es ist, was es ist – Ein solider und guter Roman des französischen Autors mit hohem Unterhaltungswert, allerdings auch mit potentiell nicht erbrachten Möglichkeiten.


Über den Autor:

Jean-Christophe Grangé, 1961 in Paris geboren, war als freier Journalist für verschiedene internationale Zeitungen (Paris Match, Gala, Sunday Times, Observer, El Pais, Spiegel, Stern) tätig. Für seine Reportagen reiste er zu den Eskimos, den Pygmäen und begleitete wochenlang die Tuareg. "Der Flug der Störche" war sein erster Roman und zugleich sein Debüt als französischer Topautor im Genre des Thrillers. Jean-Christophe Grangés Markenzeichen ist Gänsehaut pur. Frankreichs Superstar ist inzwischen weltweit bekannt für unerträgliche Spannung, außergewöhnliche Stoffe und exotische Schauplätze. Viele seiner Thriller wurden verfilmt. In Deutschland bereits erschienen sind seine Romane "Der Flug der Störche", "Die purpurnen Flüsse", "Der steinerne Kreis", "Das Imperium der Wölfe", "Das schwarze Blut" und "Das Herz der Hölle."


Michael Sterzik

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