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Samstag, 29. Januar 2022

Never - Die letzte Entscheidung - von Ken Follett


Die atomare Bedrohung und Abschreckung funktioniert (noch). Die Großmächte, allen voran die USA, Russland und China verfügen über ein Arsenal von Atomwaffen, die unsere Welt, gleich mehrfach in die Apokalypse bomben kann.

Wir haben dieses Damoklesschwert einer atomaren Vernichtung in den letzten Jahren verdrängt. Zu viele kleinere und größere Kriege, Terroranschläge, Naturkatastrophen usw. haben uns fast schon vergessen lassen, dass wir per „Knopfdruck“ unseren blauen Planeten in eine nuklear verseuchte Wüstenlandschaft verwandeln könnten. Müssen wir uns, wenn wir die aktuellen politischen und militärischen Entwicklungen beobachten, Sorgen machen? Die Antwort ist ein schnelles, konkretes und kompromissloses Ja. Eine Abrüstung dieser Vernichtungswaffen ist zurzeit indiskutabel. Die Militäretats jeglicher Länder wurden aufgestockt. Es ist noch keine Mobilmachung, aber wir stehen kurz davor.

Ken Folletts neuer Titel – „Never – Die letzte Entscheidung“ ist ein Gegenwartsroman mit einem großen Schreckenspotenzial. Es ist auch definitiv keine Panikmache oder eine überspitzte fiktive Story. Der Roman ist faktisch, authentisch, schlüssig, eine Aneinanderreihung von menschlichen Fehlentscheidungen, und des Versagens. Ein „Wargames“ um Macht und Einfluss. Ken Follett zeigt uns, dass die Staatsoberhäupter der Großmächte in diesem Fall die USA und China in eine Eskalationsspirale getrieben werden, die gleich dem Motto Angriff ist die beste Verteidigung reagieren.

In der Sahara folgen westliche Geheimdienstagenten der Spur mächtiger Drogenschmuggler. Die Amerikanerin Tamara und ihr französischer Kollege Tab gehören zu ihnen. Für ihre Liebe riskieren sie ihre Karriere – und im Einsatz für ihr Land ihr Leben. Nicht weit entfernt macht sich die junge Witwe Kiah mit Hilfe von Schleusern auf den Weg nach Europa. Als sie sich gegen Übergriffe verteidigen muss, hilft ihr ein Mitreisender. Doch er scheint nicht zu sein, was er vorgibt.

In China kämpft der hohe Regierungsbeamte Chang Kai gegen die kommunistischen Hardliner. Er hat ehrgeizige Pläne, und er befürchtet, dass die Kriegstreiberei seiner Widersacher das Land und dessen Verbündeten Nordkorea auf einen Weg leitet, der keine Umkehr zulässt.

In den USA führt Pauline Green, die erste Präsidentin des Landes, ihre Amtsgeschäfte souverän und bedacht. Sie wird alles tun, was in ihrer Macht steht, um zu verhindern, dass die USA in einen unnötigen Krieg eintreten müssen. Doch wenn ein aggressiver Akt zum nächsten führt, wenn alle diplomatischen Mittel ausgereizt sind, die letzte Entscheidung gefallen ist – wer kann dann noch das Unvermeidliche verhindern? (Verlagsinfo)

Alles oder nichts !? Das Tempo des Romans ist gedrosselt, die kleineren und größeres Krisenherde in Nord- und Südkorea, im Tschad in Afrika deuten zwar darauf hin, dass die Zündschnur brennt, aber noch kann man das Schreckgespenst eines dritten Weltkrieges, eines Atomkrieges bannen. Wenn wir diese Entwicklung später betrachten, verstehen wir auch besser, warum sich der Autor vom Ersten Weltkrieg inspirieren hat lassen. Die Parallelen sind deutlich – niemand will einen Weltkrieg, aber Schritt für Schritt und Stück für Stück rutschen wir in eine Katastrophe.

„Never – Die letzte Entscheidung“ ist geschickt konstruiert und orientiert sich tatsächlich an der Gegenwart. Eine Präsidentin der USA, die innenpolitisch unter enormen Druck steht. Das kommunistische China - der politische Kampf zwischen älteren, erzkonservativen Nationalisten und Modernisierern, die mit Vernunft und Verantwortung sich alten Dogmen und Fahrgefühlen entgegenstellen. Terrorzellen im Tschad, die von Spionen ausfindig gemacht werden und dabei immerwährend in Todesgefahr sind. Jede Geschichte ist für sich spannend und außerordentlich komplex.

Der Roman ist für Ken Follett kein typischer. Jede Figur ist nicht nur realistisch interpretiert, ist weder besonders heroisch, oder handelt aus edlen Gründen. Es sind Menschen, die in Tragödien geschubst werden, die zu Entscheidungen gedrängt werden, dass unter einen auffallenden Zeitdruck.

Das Buch ist mit knapp 880 Seiten ein großes Werk. Bei aller spannenden Brisanz der Haupthandlungen sind die Nebengeschichten allerdings recht fehl am Platze. Das Privatleben einzelner Personen, die pubertäre Entwicklung der Präsidententochter, die Eheprobleme, oder dem Erfolgsdruck einer charmanten chinesischen Schauspielerin spielen auf dieser Bühne – in der die Vernichtung der Menschheit auf dem Spiel steht, keine Rolle. Ja klar, diese Nebengeschichten dienen dazu, den Leser nach spannenden Ereignissen wieder etwas zu „erden“ – aber letztlich sind diese deplatziert.

Die klassische Rollenverteilung gibt es in diesem Roman auch nicht. Eine Präsidentin der USA, eine CIA-Agentin, die erfolgreich ist, eine junge Afrikanerin, die von einem Leben in Europa träumt – allesamt starke Figuren, auch die der männlichen in nichts nachstehen.

Besonders gut gelungen ist das politische Katz-und-Maus-Spiel. Das Abwägen von politischen Entscheidungen, von Verantwortungen, von Reaktionen auf tägliche neue Entwicklungen sind nicht nur spannend, sondern auch spektakulär erschreckend dargestellt.

Am Ende schließt man das Buch und hält den Atem an. Der Tanz auf dem Vulkan, das Ende der Menschheit – rückt gedanklich viel näher als man lieb ist. Das Schreckgespenst ist nun weniger ein Albtraum – es ist ein vorherrschendes Thema.

Fazit

Never – Die letzte Entscheidung – ist zweifellos eines der wichtigsten Bücher in diesem Jahr. Eine Botschaft – eine Mahnung und eine Atmosphäre, die unsere Emotionen erschreckend gut explodieren lassen.

Bitte lesen Sie diesem Roman. Es ist wichtig zu verstehen, dass die Weltuntergangsuhr wenige Sekunden vor 12 Uhr steht.

Michael Sterzik