Deutschland zehn Jahre nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges: Eigentlich könnte die ehemalige Wundärztin Magdalena mit ihrem geliebten Eric ein glückliches Leben in Frankfurt führen, wo er sich als Kaufmann etabliert hat. Doch da erfährt sie, dass ihr Mann ihr offensichtlich Nachrichten über ihre verschollene Familie in Königsberg verheimlicht hat. Gründet ihr ganzes Glück auf einer Lüge? Als Eric spurlos verschwindet und Magdalena plötzlich mittellos dasteht, macht sie sich auf nach Königsberg, um das Geheimnis ihrer Familie zu enthüllen und damit auch Erics Vergangenheit auf den Grund zu gehen.(Verlagsinfo)
Chirurgen, Wundärzte und Feldscher
Heidi Rehn über die frühere Medizin und den schmalen Grad zwischen Handwerkskunst und Geheimwissen.
Eigentlich hätte mein Roman "Die Feldscherin" heißen müssen, schließlich geht es darin um eine Wundärztin, die im Tross des kaiserlichen Heeres zu Zeiten des Dreißigjährigen Krieges (1616-1648) gewirkt hat. Und solche Chirurgen oder Ärzte im Dienst der Armee heißen nun einmal historisch korrekt Feldscher(er). Aber wer hätte mit diesem Zungenbrecher viel anfangen können? Vermutlich hätte man Fälscherin verstanden und wäre damit auf eine im besten Wortsinn falsche Fährte geraten.
Warum aber ausgerechnet eine Frau in diesem Beruf? Alles, was mit Krieg und Militär zu tun hat, scheint doch eine männlich besetzte Domäne zu sein, erst recht zu jener Zeit. Gleichzeitig steht die Vorliebe, in historischen Romanen Frauen in den verschiedensten Berufen darzustellen, von vornherein unter Generalverdacht, willkürlich Geschichtsklitterung zu betreiben.
Das Ende eines Mythos
Darauf könnte ich jetzt einfach frech entgegnen: Meine „Heldin“ Magdalena ist natürlich eine ganz besondere Frau. Warum sonst steht sie im Mittelpunkt eines Romans? Außerdem dürfte die Vorstellung, Frauen übten in Mittelalter und früher Neuzeit keine (Handwerks-) Berufe aus, längst widerlegt sein. Frauen arbeiteten ganz selbstverständlich im Kaufmannskontor oder Handwerksbetrieb ihrer Ehemänner und Familien mit, erbten als Witwe oder mangels Söhnen das Geschäft bzw. den Betrieb des Mannes oder Vaters. Gerade in Heilberufen sind Frauen oft anzutreffen, außer als Hebammen oder Wehmütter auch in Badestuben sowie bei Ärzten. An der Schule von Salerno durften sie sogar Medizin studieren. Trotula, die Begründerin der Frauenheilkunde, ist eines der spektakulärsten Beispiele aus dem 11. Jahrhundert. Aus dem späten Mittelalter und der frühen Neuzeit sind in Deutschland gleich mehrere Dutzend Ärztinnen belegt, die zwar nicht Medizin studiert hatten, aber die Erlaubnis zur praktischen Ausübung des Berufes besaßen, weil sie aus Medizinerfamilien stammten. Agatha Streicher (1520-1581) aus Ulm beispielsweise wurde sogar ans Krankenbett Kaiser Maximilians II. gerufen. Wenn es also seit dem Mittelalter immer wieder Ärztinnen gab, warum sollte nicht auch im kaiserlichen Tross zu Zeiten des Dreißigjährigen Krieges eine Frau als Wundärztin zu finden gewesen sein?
Das Leben im Heerestross in Kriegszeiten
Die gesamte Bagage, also der Anhang des kaiserlichen Heeres, wird für die letzten Jahre des Großen Krieges, in denen meine „Wundärztin“ spielt, auf rund 100.000 Menschen geschätzt. Das sind in etwa die Ausmaße einer mittleren (nach damaligen Dimensionen: sehr großen) Stadt. Viele handwerkliche Berufe waren dort vertreten, immerhin mussten die Menschen wie auch die Soldaten tagtäglich mit allem Lebensnotwendigen versorgt werden. Die Männer wurden jedoch vor allem als Soldaten gebraucht, die Trossfrauen konnten sich kaum den Luxus erlauben, tatenlos auf ihre Rückkehr zu warten. Selbstverständlich übten sie Berufe aus wie beispielsweise Händler, Bäcker, Fleischer oder eben Wundarzt. Für viele von ihnen verband sich damit die Chance, ein unabhängiges Leben zu führen – jenseits des Daseins als Trosshure. Dank des ordentlich erlernten Berufes ernährten sie die Familie, fiel der Mann oder Vater doch oft einer der Schlachten zum Opfer oder kehrte als hilfloser Krüppel zurück, unfähig, weiter für den Unterhalt der Seinen zu sorgen. Angesichts der unzähligen Gefechte, aber auch aufgrund der vielen Seuchen (neben Pest und Syphilis vor allem Durchfall, Diphterie („Bräune“) und grippale Infekte) gab es ständig einen großen Bedarf an Wundärzten bzw. Feldschern. Die wenigen noch einsatzfähigen Männer im Tross, die nicht zur Waffe griffen und für solche Aufgaben zur Verfügung standen, hätten den allein gar nicht decken können.