Unsere Nation ist nicht nur berühmt und berüchtigt in
der Vergangenheit etwas kriegerisch unterwegs gewesen zu sein, auch
haben deutsche Rüstungskonzerne mit ihren Waffenproduktionen längst
schon einen hohen Stellenwert bei befreundeten Nationen. Unser Ruf in
dieser Richtung ist also auch aktuell kein schlechter.
"Die Händler des Todes" haben aber mit Sicherheit nicht immer eine weiße
Weste. Bei so viel Geld, das die Konten wechselt, sind eventuell
ideologische und ethische Beweggründe sekundär und wenig von Interesse.
Viel mehr Interesse liegt hier schon bei den Geheimdiensten. Deren
Wissen mag nicht immer synchronisiert mit der Regierung sein. Schauen
wir uns die aktuellen Nachrichten der letzten Wochen oder Monate an, so
kann man dieser Presse doch den einen oder anderen kritischen Kommentar
entnehmen.
Ebenso ein aktuelles Thema in unserem Land ist die militärische
Beteiligung an einigen Brandpunkten, bei der man kaum oder nur sehr
wenig von Entspannung reden kann. Afghanistan, Irak, Südafrika - hier
kämpfen und sterben deutsche Soldaten in ihrem humanitären Einsatz. Doch
welchen psychologischen und physischen Druck die jungen Männer und auch
Frauen ausgesetzt sind, kann man wohl nur realistisch nachvollziehen,
wenn man einer von ihnen selbst gewesen ist.
Nicht wenige Soldaten haben Schwierigkeiten, das Erlebte aufzuarbeiten
und sich in unserer "friedlichen" Gesellschaft wieder einzugliedern. Zu
tief sitzen die Bilder des Grauens in ihren Köpfen fest, zu wenig
Vertrauen in unserer Akzeptanz und Verständnis.
In ihrem neuesten Roman "Die Marionette" erzählt die Autorin von
Waffengeschäften, verlorenen Idealen und zerstörten Träumen, von
Kriegseinsätzen, die traumatische Störungen hervorrufen, und Menschen,
die wie ein Stück Papier zerreißen.
Inhalt
In Afghanistan wird eine Bundeswehr-Patrouille zum Ziel eines
Guerilla-Angriffes der Taliban. Ihr Konvoi wird aufgerieben und die
Soldaten bis auf wenige, darunter eine Frau, lassen in diesem Hinterhalt
ihr Leben. Schwer verletzt und in ihrer Heimat zurück, stellt die
überlebende Soldatin Katja Rittmer kritische Fragen, auf die sie
zunächst keine Antwort enthält. Warum wurde sie durch deutsche Munition
verletzt und ihre Kameraden getötet? Wie gelangen diese hochmodernen und
tödlichen Waffen in die Hände ihrer Feinde?
Als ein deutscher Rüstungskonzern beschuldigt wird, illegale
Verhandlungen und Lieferungen von deutschen Waffen vorzunehmen, werden
von Seiten der Regierung Untersuchungen gestartet. Eric Mayer, ein
BND-Agent und früherer Soldat einer deutschen Eliteeinheit, der KSK,
führt die offiziellen Ermittlungen durch.
Der Rüstungskonzern reagiert prompt und übergibt der jungen und
erfolgreichen Rechtsanwältin Valerie Weymann die Aufgabe, die Interessen
der Firma zu schützen und zu vertreten. Eric Mayer und Valerie Weymann
kennen sich und ihr Verhältnis wird zunehmend schwieriger, da beide
Seiten den Druck enorm steigern und Ergebnisse sehen wollen. Nicht
zuletzt die Geheimdienste möchten diese prekäre Situation entschärfen.
Auch Katja Rittmer, die die Mörder ihrer Kameraden und ihres Verlobten
zur Rechenschaft ziehen will. Und diese "Mörder" sind nicht die Taliban,
sondern die Verantwortlichen des Waffenhandels - diese werden von Katja
Rittmer erbarmungslos gejagt - und die Elite-Soldatin hinterlässt eine
Schneise der Verwüstung und der Angst ...
Kritik
Schon in ihrem ersten Roman "Machtlos" in denen ebenso die Hauptrollen
von der Juristin Valerie Weymann und dem Top-Agenten des BND, Eric
Mayer, grandios besetzt wurden, war die Spannung solide und fesselnd.
Alex Berg setzt nun diese Reihe fort und hat das Tempo um einige Stufen
erhöhen können.
Die Autorin bedient sich dabei aktuellen und brisanten Themen, die durch
die Medien immer wieder an die Öffentlichkeit getragen werden. Doch
leider werden diese zu wenig objektiv betrachtet und ins richtige Licht
gerückt. "Die Marionette" von Alex Berg ist ein Politthriller, der
sensationell authentisch recherchiert wurde.
Ohne wirklich anzuprangern oder sich in Klischees zu verwickeln, erzählt
Alex Berg geschickt von Interessen, die gewahrt werden wollen, egal ob
es sich nun um die engsten Regierungsmitglieder handelt oder um mächtige
Großkonzerne, die mit ihren Kontakten und Geschäften ein nicht
ungefährliches Spiel inszenieren. Doch politische Interessen kennen nur
wenig bis gar keine Grenzen und so spielen die Geheimdienste eine
ernstzunehmende und wesentliche Rolle in dem vorliegenden Roman.
Neben der Spannung präsentiert die Autorin dem Leser noch solide Action
und viel sehr gut recherchiertes Hintergrundmaterial, welches zum
Nachdenken anregt. Durch die zwischenmenschlichen Komplikationen ihrer
beiden Charaktere Eric Mayer und Valerie Weymann wirft die Autorin noch
das Grundelement "Liebe" aufs Spielfeld. Doch diese Nebenschauplätze
sind eher im Hintergrund angesiedelt und haben wenig Einfluss auf den
Hauptpart ihrer Erzählung. Beide Charaktere sind sich ähnlich und stoßen
und ziehen sich in einem immer wiederkehrenden Rhythmus an oder auch
ab. Beide sind auf ihre Art Einzelgänger und scheuen sich davor, sich
selbst und ihr Verhalten vor anderen zu reflektieren. Ihre Charaktere
werden hier aufbauend auf die Erlebnisse in "Machtlos" weiterentwickelt.
Besonders realistisch und eindringlich lässt uns die Autorin einen Blick
in das Opfer und zugleich die Täterin Katja Rittmer werfen. Ihre
physischen Verletzungen sind eher kleinere Schrammen im Verhältnis zu
ihren traumatischen Erlebnissen und Verlusten, die sie niemals wieder
ablegen kann. Katja Rittmer fühlt sich in Stich gelassen, unverstanden,
isoliert und abgeschoben und ihre idealistischen Träume haben sich als
brutale, unauslöschliche Erinnerungen offenbart. Sie ist nicht anderes
als eine Marionette, deren Fäden immer mal wieder von einem anderen
Puppenspieler gezogen werden.
Andere Puppenspieler sind hier zum Beispiel der Vorstandsvorsitzender
des Waffenkonzerns oder ein amerikanischer Senator mit guten Kontakten
zum CIA. Sicherlich gibt es hier Verwandtschaften zu realen Personen und
manchmal eröffnet sich ein erzählerisches Klischee, aber gemessen an
der Kernbotschaft des Themas und der Spannung ist das nicht weiter der
Rede wert.
Damit kommen wir zur eigentlichen Hauptrolle - dem Thema: humanitäre
Einsätze, die dann faktisch doch Kampfeinsätze sind, in denen getötet
und gestorben wird. Das sich Deutschland an diesem Krieg aktiv
beteiligt, ist nicht mehr wegzudiskutieren. Ebenso auch die
Verwicklungen unserer Geheimdienste in militärische Interventionen und
Aktionen, die, man muss es doch offen aussprechen, eine wichtige und
maßgebliche Rolle spielen. Das leider in unsere Welt Themen wie diese
eher stiefmütterlich behandelt werden, ist der Macht der Medien zu
verdanken oder vielleicht doch den Interessen von Regierungen und
Geheimdiensten!?
Das Szenario, dass deutsche Waffen einen Bundeswehrkonvoi vernichten,
ist überhaupt nicht undenkbar oder unrealistisch. Über die
Waffenlieferungen Dritter, über Geheimdienste und Kontakten in gewissen
Schurkenstaaten oder Mitglieder der Achse des Bösen mal abgesehen, ist
das allzu real. Dafür muss man nicht gleich an die Irak-Iran-Kriege
denken, es reicht schon, sich mit den aktuellen Krisenherden zu
beschäftigen.
Beim Lesen des Romans "Die Marionette" ist die menschliche Tragödie, die
sich dort zeigt, die intensivste. Mit viel Sensibilität und Blick über
den Tellerrand hinaus, erzählt die Autorin von Dramen, die sich
tagtäglich in Familien abspielen, ohne dass wir es wissen wollen oder
wir uns einfach ins Tagesgeschäft flüchten. Die Seelenlandschaft der
Katja Rittmer ist ein emotionales Minenfeld, in der jeder Schritt über
kurz oder lang vernichtende und verletzliche Spuren hinterlässt.
Fazit
"Die Marionette" ist ein großartiger Politthriller. Mit aktuellen Themen
gestützt, deren Brisanz uns leider in der Realität noch nicht
klargeworden ist. Doch "Die Marionette" ist nicht nur ein Zurücklehnen
und Genießen von Spannungsmomenten - nein, sie bringt uns die Erlebnisse
und die posttraumatischen Erlebnisse unserer Söhne, Töchter, Brüder und
Väter wieder näher und damit einer Verantwortung, der wir uns stellen
müssen.
Stefanie Baumm oder auch ihr Pseudonym, Alex Berg, hat hier einen
sensationell guten Thriller geschrieben und sich damit freigeschwommen.
"Die Marionette" ist nicht nur zu empfehlen, weil er einfach spannend,
sondern auch weil er komplex und wieder eine Steigerung ihres Könnens
ist. Ich bin gespannt auf ein Wiedersehen mit Eric Mayer und Valerie
Weymann und noch gespannter, welches aktuellen Themas sich die Autorin
nun bedient.
Autorin
Alex Berg, geboren 1963, hat viele Jahre für norddeutsche Tageszeitungen
als freie Journalistin geschrieben, bevor sie ihre ersten
Spannungsromane verfasste. Mit ihrem Thriller "Machtlos" gelang Alex
Berg ein hoch spannender und brisanter Auftakt zu der Reihe um die
Hamburger Staatsanwältin Valerie Weymann und den BND-Agenten Eric Mayer.
Hinter dem Pseudonym Alex Berg verbirgt sich die Autorin Stefanie
Baumm. Mehr Informationen unter
www.alexberg.de
Taschenbuch: 384 Seiten
ISBN-13: 978-3426508992
www.droemer-knaur.de