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Samstag, 3. Juni 2023

Liar - Seve Cavanagh


Es gibt Justizthriller, deren Story sich nicht auf die Tat konzentriert, sondern auf den Schlagabtausch im Gerichtssaal. Verteidigung gegen den Staatsanwalt – die Geschworenen sind das Schlüsselelement und entscheiden oftmals auch zwischen Leben und Tod. Das amerikanische Rechtssystem im Gerichtssaal inkludiert auch viel Theater, viel Dramatik und die Knöpfe der Emotionalität, die man bei den Geschworenen oftmals aktiviert, entscheiden zwischen Schuld und Unschuld.

Was ist Lüge und was ist Wahrheit? Nicht immer einfach – und es gibt ein sattes Minenfeld an Halbwahrheiten, perspektivischen Grauzonen und schmerzhaften Tatsachen, denen man sich nicht stellen möchte – aber ausweichen ist auch keine Option.

Hier wird manipuliert und Verteidigung und Staatsanwalt bauen sich lange vor Prozessbeginn eine Strategie auf – ein fast schon minutiöses Drehbuch. Das größte Risiko ist die Unwissenheit – die versteckten Lügen der Zeugen, die Wahrheiten, die sich ggf. vor den polizeilichen Behörden noch nicht offenbart hatten, die aber jetzt auftauchen könnten. Ein Rotstift – der das Drehbuch einäschern könnte.

Der Autor des vorliegenden Titels: „Liar“ – Steve Cavanagh ist Jurist. Seine Schwerpunkte Strafrecht und Prozessführung machten ihn zu einem erfolgreichen Bürgerrechtsanwalt. Er weiß also sehr genau, wovon er schreibt.

Leonard Howells durchlebt einen Albtraum: Seine Tochter Caroline wurde entführt und dabei lebensgefährlich verletzt. Nur einem Mann traut Howell zu, sie zu retten: Eddie Flynn. Eddie weiß, wie es ist, eine Tochter zu verlieren. Und als ehemaliger Betrüger und jetziger Spitzenanwalt kennt er alle Tricks, um seine Gegner hinters Licht zu führen. Doch als die Lösegeldübergabe scheitert und Leonard Howells selbst unter Verdacht gerät, sind plötzlich zwei Leben in Gefahr. Irgendjemand zieht im Hintergrund die Fäden in einem Spiel, das vor vielen Jahren begann. Und in dem Eddie bald nicht mehr weiß, wer die Wahrheit sagt, und wer lügt ...(Verlagsinfo)

Inzwischen gibt es 7 Bände um den ehemaligen Trickbetrüger und jetzigen New Yorker Anwalt Eddie Flynn. „Liar“ ist der dritte Band – die Titel kann unabhängig voneinander lesen.

Kommen wir also zurück zum Thema „Justizthriller“. Seve Cavanagh beweist als Autor ein hohes Talent. Seine unkonventionelle Art eine nachhaltige Spannung zu erzeugen, ist brillant. Seine Trickkiste, die er bei seiner Figur Eddie Flynn öffnet, ist ebenfalls eine kleine Schatztruhe. Eddie Flynn ist und bleibt ein Trickbetrüger, aber ein ehrlicher, der vor Ort alle seine Tricks sehr gezielt einzusetzen vermag: theatralische Überzeugungskraft, Ablenkung und Irritation und zum Schluss weiß selbst der Zeuge, der Angeklagte, der Richter und der Staatsanwalt nicht mehr, was hier eigentlich passiert. Eddie Flynn zieht seine persönliche Show durch.

Sei es drum – er hat ein starkes Verständnis für die Wahrheit, verfügt über einen genialen Verstand und er ist und bleibt ein talentierter Trickser.

Das Tempo der Handlung ist ausgewogen. Der Fall ist recht kompliziert und jede Partei verstrickt sich selbst in diesem Netz voller falschen Verdächtigungen, voller schauspielerischer Manipulation und letztlich auch Überraschungen die plötzlich da sind.

Es zieht sich ein wenig hin, bevor man Eddie Flynn in den Gerichtssaal  begleitet. Da die Story sehr, sehr komplex ist, muss man sich stark konzentrieren und sehr aufmerksam lesen, um auch nur zu erahnen, wie das Verbrechen wirklich stattgefunden hat. Trotzdem ist man am Ende sehr, sehr positiv überrascht über das Konstrukt, dass sich Steve Cavanagh ausgedacht hat. Gerade vor Gericht zeigt sich die Klasse der Protagonisten und der komplexen Handlung.

Auch die anderen Figuren brillieren in Ihrer Darstellung und manchmal auch in ihrer Verwandlung. Special Agent Harper ist wieder mit von der Partie und auch Eddie Flynns Freund und Mentor Richter Harry Ford hat eine wichtige Nebenrolle. Starke Figuren, die viel dazu beitragen, der Story eine Tiefe zu geben. Auch die Ermittlungsarbeit, die wie ein Puzzle aufgebaut ist, wirkt sich stark auf die Intensität aus. Es folgen immer wieder neue Elemente, die alles wieder gekonnt auf einen neuen Ausgangspunkt setzen.

Der Trick des Erfolges ist der Trick eine Atmosphäre zu schaffen, der das „Böse“ vielfältig zeigt, aber den Wahrheiten ebenfalls viel Perspektive gibt.

Fazit

Das Gesicht der Lüge und der Wahrheit – so spannend erzählt, dass sich wünscht im Gericht zu sein. Perfekte Unterhaltung dank toller und vielseitiger Figuren.

Michael Sterzik

Donnerstag, 1. Juni 2023

Die Verborgenen - Linus Geschke

Was wissen wir über die Menschen in unserer unmittelbaren Umgebung? Kennen wir all ihre Geheimnisse, all ihre Sünden? Was wissen wir über die Wünsche, die Sehnsüchte und Hoffnungen unserer Lieblingsmenschen? Diese „Verborgenen“ Emotionen sind ein Teil eines jeden Menschen. Wir alle haben Empfindungen, die man gleichwohl auch als besagte „Leichen im Keller“ bezeichnen könnte. 

 

Wie be- und verurteilen wir die Menschen, die wir meinen, so gut zu kennen? Sind wir so tolerant wie man es erwartet, wie wir es selbst von uns erwarten? Wir sind alle Schauspieler und wir übernehmen die Regie für unser eigenes Leben. Wir manipulieren, verbiegen, verbergen Wahrheiten und Lügen vor uns selbst und vor anderen. Niemand kennt uns so gut, wie wir selbst. 

 

Das führt selbstverständlich zu Konflikten in Freund- und Partnerschaften, wenn vielleicht nur ein Bruchteil dessen, was wir verschleiern wollen, an die Oberfläche treibt. Diese persönlichen Offenbarungseide können alles zerstören und diese leidenschaftlichen Tsunamis können auch viele andere Menschen mitreißen.

 

Selbst in unseren Wohnungen und in unseren Häusern verstecken wir Teile unserer Vergangenheit und Gegenwart. Das kann vieles sein; Gegenstände, Tagebücher, Urkunden, Schmuck, Erinnerungen usw. – es gibt kein Haus und keine Wohnung, in denen nichts vor den Augen anderer versteckt wird. 

 

Stellen wir uns nun vor, dass, wenn wir schlafen, jemand im Schatten, in der Dunkelheit stehend uns beobachtet. Wir sind schutzlos ausgeliefert und ahnen nichts von einer Gefahr in unmittelbarer Nähe. Stellen wir uns vor, wir verlassen unsere Wohnung und jemand schleicht durchs Haus und sucht systematisch unsere materiellen Schwächen. Vielleicht bedient sich die Person an unserem Essen, duscht und kleidet sich mit unseren Sachen ein? Ein unvorstellbarer Gedanke – aber leider auch Realität. 

 

Es gibt diese Menschen, die in Häusern in verstaubten Dachböden und dunklen Kellern hausen und nur darauf warten, dass die Räumlichkeiten und Bewohner schlafen, oder diese das Haus verlassen. Diese Eindringlinge werden als „Phrogs“ bezeichnet, abgeleitet von englischen „frog“ (Frosch). Sie bleiben nicht lange an einem Ort, sie ziehen bald weiter, vielleicht wenn es langweilig wird, sie alles entdeckt haben, oder die Bewohner ahnen, dass sie ggf. nicht mehr alleine sind. 

 

Linus Geschke hat all diesen Themen eine Bühne in dem vorliegenden Roman: „Die Verborgenen“ gegeben.

 

Sven und Franziska Hoffmann haben alles, wovon sie einst träumten: eine wunderbare Tochter und ein traumhaftes Haus an der Küste. Alles könnte perfekt sein. Doch dann dringt jemand heimlich in ihr Haus ein. Der ungebetene Gast bedient sich an ihrem Essen, stöbert in ihren Schränken und steht neben ihren Betten, wenn sie schlafen. Als dann noch Gegenstände verschwinden und fremde Fußspuren im Keller auftauchen, bezichtigen sich die Eheleute gegenseitig. Je merkwürdiger die Vorgänge in ihrem Haus werden, desto mehr bröckelt die makellose Fassade der perfekten Familie. Und genau das ist es, was der Eindringling will …(Verlagsinfo)

 

Linus Geschke beweist mal wieder sein vielseitiges Talent. „Die Verborgenen“ ist kein Actionkracher, es ist ein eindrucksvoller und hoch unterhaltsamer Psycho-Thriller. Die Spannung liegt erst verborgen in diesem Haus der Familie, liegt versteckt hinter der Fassade jedes einzelnen Bewohners. Und genau hier fängt die atmosphärische Raffinesse an. Sven, Franziska und ihre Tochter Tabea lassen tief in ihr innerstes Selbst blicken. Sie alle nehmen eine erzählerische Perspektive ein, wie auch „Die Verborgenen“ selbst. Lügen, Wahrheiten, gespielte Emotionen und kriminelle Entgleisungen, Hass, Wut und auch die Liebe – all diese idealisierten Gefühle spielen über die Personen ausgedrückt die wesentliche Rolle. 

 

Tiefer und tiefer tauchen wir in die Psyche dieser Menschen ein und diese präsentieren uns viele verschiedene Abstufungen ihrer perspektivischen Wahrheit. 

Wir fangen unbewusst damit an, diese Menschen zu ver- und zu beurteilen, wir empfinden Sympathie und Antipathie, nur um wenig später festzustellen, dass alles verborgen ist – auch unser empfundenes Bild dieser Figuren. Auch in die Psyche der „Verborgenen“ dringen wir ein – aber langsamer. 

 

Die Spannung schleicht sich langsam, aber stetig in unsere Köpfe. In den einzelnen Kapiteln kommen immer mehr und mehr Wahrheiten auf den Flur der „Wahrheiten“. Diese sammeln sich in einem Kessel voll von brodelnden Gefühlen, der bald mit einer zerstörerischen Wucht explodieren wird. 

 

Lüge und Wahrheit – sind zwei Geschwister in diesem Roman. Sie zanken sich in jedem Kapitel, doch einen strahlenden Finalisten wird es nicht geben. Selbst ein Happy End –  ist nicht frei von Schuld. 

 

„Die Verborgenen“ ist komplex und komplett psychologisch aufgebaut. Linus Geschke beschreibt diesen Roman, als sein „Herzstück“ – ist es auch – ein Roman mit Verstand und Gefühl konzipiert. 

 

Es gibt nicht viel Kritik. Das Ende wird mit Überschallgeschwindigkeit erzählt, und leider bleiben hier die Charaktere der Familie etwas im „Abseits“ sehen. Einen insgesamt vollendeten Abschluss in Hinblick auf eine kleine Aussicht dieser Figuren auf die Zukunft wäre der Story dienlich gewesen. 

 

„Die Verborgenen“ ist eine abgeschlossene Geschichte. Einen weiteren Teil wird es nicht geben. Ich hoffe allerdings, dass Linus Geschke – den Psycho-Thriller für sich entdeckt hat. Intelligent und facettenreich – mit viel Gefühl, das manchmal lauter ist als der Schuss einer Waffe und auch vernichtender sein kann. 

 

Fazit

 

Eine intelligente Offenbarung von Wahrheit und Lüge, hinter der Fassade von Menschen. Perfektes Spiel, bei dem jeder gewinnt und verliert. Unbedingt lesen. 

 

Michael Sterzik



  

Samstag, 22. April 2023

Der Morgen - Marc Raabe


Die Wahrheit – aus verschiedenen Perspektiven ist diese für die unterschiedlichen Menschen nicht immer gut. Sie kann verletzen, sie kann befreien und ebenfalls eine Bürde sein. Die Wahrheit ist eine variabel in einer Gleichung voller unbekannten Faktoren. Interpretierbar und man kann sie auch in jegliche Richtung verbiegen.

Letztlich drängt sie sich immer ans Licht und nur der Zeitpunkt könnte eine Überraschung sein. Die Wahrheit ist in der Realpolitik aus verschiedenen Standpunkten heraus gesehen nicht unschuldig. Und auch in Gesetzen und Vorschriften wirkt sie manipulierbar und äußerst angespannt.

Im neuesten Thriller von Marc Raabe geht es um die Wahrheit verschiedener Personen, in unterschiedlichen Berufen, um eine Freundschaft, eine Schuld und Rache. Marc Raabe jongliert mit vielen Themen wie z.B. die mediale Manipulation von Fakten, dem Einfluss von journalistischer Berichterstattung und um öffentliche Personen für die, die „Wahrheit“ Angriff oder Verteidigung darstellt.

Dabei beweist die Handlung eine hohe Aktualität von brisanten Themen und Marc Raabe geht originelle Wege mit seinen Figuren. Auch wenn der „Bundeskanzler“ in Person hier eine gewisse Nebenrolle spielt, so wird es nicht politisch. Hier wird dieser als „Mensch“ gezeigt, der aber seinen als öffentliche Person, politischen Anzug immer trägt. Aber ist er „Unantastbar“ wenn die Vergangenheit ggf. ans Licht kommt, so nachvollziehbar wie jugendliche Handlungen auch sein mögen? Als öffentliche Person werden alle Nuancen der Vergangenheit, der Gegenwart und einer geplanten Zukunft transparenter als man glauben mag.

Im morgendlichen Schneegestöber an der Berliner Siegessäule steht ein verlassener Kleinlaster. Auf der Ladefläche findet die Polizei eine halbnackte tote Frau. Jemand hat ihr mit roter Farbe etwas auf den Körper geschrieben - die Privatadresse des Bundeskanzlers.
Am Tatort trifft die unerfahrene und ehrgeizige Kommissar-Anwärterin Nele Tschaikowski auf den berüchtigten Ermittler Artur Mayer. Was sie nicht wissen: Das ist kein Zufall.( Verlagsinfo)

Das Ermittlerduo bestehend aus Art Mayer und Nele Tschaikowski ist ambivalent. Der erfahrende alte Wolf und der junge Nachwuchs. Beide starke Charaktere mit unkonventioneller Methodik eine Ermittlung durchzuführen. Die Figuren sind stark und tiefgehend erzählt. Die Vergangenheit von Art spielt eine große dramatische Rolle und verbindet den Kriminalfall und alte Freunde und Feinde. Die Wellen, die der junge Art und seine Freunde auslösen, erreichen sehr schnell die Gegenwart und dieser emotionale Tsunami könnte ihr Leben auf immer verändern.

Die Dialoge sind herausragend gut und Marc Raabe versteht es auch dadurch, die Stärken und Schwächen seiner toll aufgestellten Figuren sympathisch und authentisch darzustellen. Die Verletzlichkeit aller Charaktere unterstreicht nur noch mehr die gegenwärtige Spannung. Diese ist hoch – sie dreht und wendet sich, und viele Szenen kommen überraschend daher. Marc Raabe spart auch nicht den gegenwärtigen journalistischen Einfluss zu beschreiben. Wo fängt die Pressefreiheit an – wo hört sich auf – da wären wir also wieder beim Kernthema: der „Wahrheit“.

Loyalität und steht eine Freundschaft außerhalb der Gesetze? Genug Zündstoff um gesellschaftliche Themen genauer zu hinterfragen Der Balanceakt von Marc Raabe gelingt sehr gut – so spannend, tiefgründig und unkonventionell erzählt – damit gehört der Titel „Der Raabe“ zu einem Roman, den man unbedingt lesen sollte.

Er ist auch der Auftakt einer neuen Serie und beide Hauptfiguren haben viel Potenzial für weitere Storys.

Fazit

Ein Meisterwerk, das mit aktuellen Themen eine Spannung erzeugt, die fast beispiellos ist. Originelle Story, die eine perfekte Unterhaltung bietet. Prädikat: Ein must-read-Titel.

Michael Sterzik

Dienstag, 14. März 2023

Brennender Zorn - Line Holm und Stine Bolther


Das ist schon nicht ganz einfach mit der Vergangenheit, vieles kann man verdrängen, ignorieren, ausblenden, und sich doch in Sicherheit wiegen, dass es niemals an die Öffentlichkeit kommt, oder sowieso einen einholt. Doch die Realität beweist, dass es oftmals ganz anders ist. Und Jahre, womöglich Jahrzehnte später geht diese stille Zeitkapsel dann mit einem Knalleffekt hoch, und es ist laut, unangenehm, unfreundlich und verdammt unpassend.

Schicksal – oder ist diese eine Methode des Universums uns daran zu erinnern, dass es universelle Gesetzmäßigkeiten gibt und uns die lange Nase zeigt?

Es passiert immer wieder, dass ein alter „Cold Case Fall“ gelöst, oder der Täter durch Zufall überführt wird. Ja, sicherlich wird nicht alles aufgeklärt, aber die Schatten der Vergangenheit werden immer mal wieder ausgeleuchtet.

In dem vorliegenden Band „Brennender Zorn“ geht es um ein Verbrechen, das über 70 Jahre zurückliegt, also faktisch im Zweiten Weltkrieg geschehen sein musste. Ein Kriegsverbrechen, oder nur ein Mord und kann man das Opfer und den Tathergang noch rekonstruieren? Der erste Handlungsstrang verspricht also eine mysteriöse Spannung. Zurück in unsere Zeit, mit aktuellen Themen, die auch in Dänemark mit einer gewissen Brisanz zu sehen sind. Die Kritik am Staat, seinem Rechtssystem, seinen polizeilichen Behörden, inmitten einer sowie politischen unruhigen Zeitenwende. Die Gewaltbereitschaft in der Bevölkerung ist ansteigend, die personelle Besetzung bei der Polizei fällt immer schwächer aus. Die Behörden sind nicht planlos, nur manchmal bis an die Grenzen unterbesetzt. Die Willkür der Bürger wird geweckt, viele nehmen sich das Recht heraus: Staatsanwalt und Richter spielen zu können und zu wollen und bewegen sich mitunter jenseits aller Gesetze und reden wir doch erst gar nicht von einem moralischen Kompass.

In Jütland wird das Skelett einer jungen Frau gefunden. Sie starb durch einen Schuss in den Nacken. Die Tat liegt über siebzig Jahre zurück, Polizeihistorikerin Maria Just übernimmt die Ermittlungen. Währenddessen wird der Leiter des Dezernats für Gewaltverbrechen in Kopenhagen überfahren und beinahe getötet. Die Polizei steckt in einer tiefen Krise, und in diesem aufgeheizten Klima soll Kommissar Mikael Dirk herausfinden, wer den Anschlag auf seinen Chef verübt hat und das Land destabilisieren will. Als es zu einem weiteren Attentat kommt, erhält Mikael unerwartete Hilfe von Maria. Wer profitiert davon, wenn die Polizei ihr Gewaltmonopol verliert, und was verbindet die tote junge Frau mit den Tätern von heute? (Verlagsinfo)

Vergangenheit und Gegenwart im Staate Dänemark. Vor 70 Jahren war Europa vom Krieg überschattet und eine gewisse grausame Eigendynamik entwickelte sich. Rache, Vergeltung, alte Rechnungen und totale Willkürlichkeit einzelner militärischer und paramilitärischer Gruppen und aus Opfern konnten so auch Täter werden.

„Brennender Zorn“ ist der zweite Band um die Polizeihistorikerin Maria Just und dem Kriminalbeamten Mikael Dirk. Der erste Band „Gefrorenes Herz“ war als Debütroman schon sehr gelungen, doch der vorliegende ist vielseitiger, die Charakter intensiver dargestellt, die Kombination von historischer Gegenwart und aktuellen Herausforderungen ausgewogener.

Beide Handlungen sind auf ihre Art brillant erzählt. Das die gegenwärtige die Innenpolitik aufgreift und auch die Machtkämpfe der Politiker thematisiert werden, ist ebenfalls hoch spannend. Die beiden Autorinnen schildern ihre Story sehr authentisch und ziehen keine Grenze zwischen Gut und Böse – oder Opfer und Täter. Diese „Neutralität“ verspricht eine spannende Realität und katapultiert allerlei Themen aufs Podium. Rechtspopulismus, die Wut und Anspannung innerhalb der Gesellschaft, die verzweifelte Hilflosigkeit der Ermittlungsbehörden und letztlich die verschiedenen Interessen einzelner Politiker.

Die beiden Hauptfiguren Maria Just und Mikael Dirk sind „erwachsener“ geworden und agieren einzeln wie auch vereint sehr nachvollziehbar. Das beider Privatleben immer mal wieder in kleinen Szenen aufgeweckt wird unterstreicht nur die sowieso allgegenwärtige Spannung. Es gibt wenig Nebenpersonen – eine tragende ist die des Kollegen von Mikael, der im ersten Teil in Notwehr einen Menschen töten musste, um beider leben zu retten. Die Spannungen zwischen diesen beiden schaukeln sich hoch und sind auch nach Band 2 noch lange nicht am Ende. Dies ist auch für mich einer der wenigen Kritikpunkte, denn diese nun platzierte Nebenfigur hätte man mehr einbeziehen müssen.

Mikael steht im absoluten Fokus der Handlung und immens unter Druck. Als inzwischen Leiter für das Dezernat für Gewaltverbrechen muss er nun „Zähne“ zeigen, koordinieren, leiten und Entscheidungen treffen. Spannung also innerhalb von diversen Spannungen. Auch zwischenmenschlich geschieht also auf verschiedenen Ebenen, mehr als vergleichbar in Band 1 es der Fall war.

Am Ende und es ist nicht das Ende dieser Reihe – gibt es eine ganze Reihe von etwaigen Wahrscheinlichkeiten und Alternativen, die ggf. den zu erwartenden dritten Band noch spannender gestalten könnte.

Sehr lobenswert auch, dass der Leser einen Blick in die Vergangenheit Dänemarks werfen kann, die allerdings ähnliche Herausforderungen hatten, wie andere europäische Länder, die unter deutscher Besatzung waren.

Fazit

Par exellence - einer der spannendsten Kriminalromane in diesem Jahr und eine Reihe, die man nicht verpassen sollte. Alles richtig gemacht.

 

Michael Sterzik

Samstag, 4. Februar 2023

Tanz mit dem Tod - Christian v. Ditfurth


Das Berlin der 1930 Jahre, war politisch, kulturell und sozial gesehen ein gefährlicher, unruhiger Ort. Als Machtzentrum liefen hier alle Fäden des anfänglichen, dritten Reiches zusammen. Die NSDAP, die SA, die SS – sie alle formierten sich, um ihrem Führer dienlich zu sein und um ein neues Deutschland zu erschaffen. Dafür waren diesen alle Mittel recht, sie scheuten nicht vor Mord zurück, ihre Weltordnung musste durchgesetzt werden. Ein totalitärer, verbrecherischer Staat, der in den 30-Jahren gebildet wurde, und der 1939 den zweiten Weltkrieg entfachen sollte. Die deutsche Bevölkerung war depressiv, verunsichert, in ihren Augen gedemütigt und hatte kein Ziel vor Augen. Eine hohe Arbeitslosigkeit herrschte vor, Veteranen des 1. Weltkrieges und demoralisierte Politiker waren sich uneins – einzig und allein einte sie die Verzweiflung und die Suche nach einem „Schuldigen“ für die Situation Deutschlands.

Es gab schon damals Widerstand in der Bevölkerung, sie sahen schon das schreckliche Antlitz eines neuen Krieges vor Augen, doch sie spielten fast alle mit, sie verrieten sich, ihre Mitmenschen, ihre Moral und Gerechtigkeit und Gesetzte wurden vielmehr zu Richtlinien, die nicht mehr die Kraft hatten, sich aufzulehnen.

Das vorliegende Buch von Christian v. Ditfurth „Tanz mit dem Tod“ spiegelt, die atmosphärische Angst der Menschen, aber nicht der Angst, sondern auch das verbrecherische Denken und Handeln.  

Berlin-Wedding, November 1932: Sieben SA-Männer stürmen eine Kneipe und erschießen Kurt Esser, Redakteur des KPD-Blatts »Rote Fahne«. Dem jungen Kriminalpolizisten Karl Raben gelingt es, den Anführer der Mörder, Gustav Fehrkamp, zu stellen. Doch kaum ist Hitler 1933 an der Macht, kommt Fehrkamp auf freien Fuß. Raben hat fortan nur noch einen Gedanken: Gerechtigkeit. Für sein Vorhaben geht er einen Pakt mit dem Teufel ein und arbeitet für die gerade gegründete Geheime Staatspolizei. Damit ist sein Leben in der Hand von Gestapo-Chef Reinhard Heydrich. Genauso wie das seiner Frau Lena, die jüdischer Herkunft ist. Wie kann ein Polizist für Gerechtigkeit sorgen, wenn das Unrecht die Macht ergreift?»Tanz mit dem Tod« ist der fulminante Auftakt einer historischen Krimireihe in Berlin. In den folgenden Bänden jagt Karl Raben Essers Mörder in den Zeiten des Aufstiegs und des Untergangs des Nationalsozialismus und löst den letzten Fall in der gerade gegründeten Bundesrepublik.(Verlagsinfo)

In der Geschichte begegnen wir einen Zeitgeist mit vielen Facetten und Christian v. Ditfurth öffnet die Büchse der Pandora und konfrontiert uns mit der Überlegung: „Wie hätten wir gehandelt“ – wären wir angepasste Mitläufer gewesen, oder Widerständler, denen jeden Tag bewusst ist, dass sie in Lebensgefahr sind?

Der Hauptcharakter Karl Raben vermischt sich in beidem. Sein Gerechtigkeitssinn lässt es zu, einen Pakt mit dem Teufel zu schließen. Um den Roman geschichtlich zu intensiv wie möglich zu erzählen, begegnen wir den Schlüsselgestalten des Nazi-Regimes, Heydrich, Himmler, Röhm, Göbbels – die zusammen und gegeneinander um die Gunst des „Führers“ kämpfen, und natürlich auch eine Machtposition einzunehmen. Es ist erschreckend zu lesen, wie sehr diese Figuren die Menschen um sich manipulieren, verängstigen und wie Schachfiguren auf einem politischen Schachspiel ausnutzen. Kraftvoll, sensibel und verzweifelt kämpfend zeigen sich Karl Raben und seine Frau Lena, die sich mal anpassen, müssen, um nicht in den Mühlen des Regimes zerfetzt zu werden.

Christian v. Ditfurth zeichnet ein trauriges, aber reelles Bild dieser Zeit. Man braucht etwas an Zeit, um sich mit dem erzählerischen Stil des Autors zu akklimatisieren. Und auch wenn eine gewisse Hoffnungslosigkeit in jedem Kapitel zu finden ist – berühren einen die Dialoge der beiden Eheleute Karl und Lena – die auch nicht ohne Humor sind. Gerade der Part von Lena, ist aufmüpfig, frech und frisch und sehr, sehr selbstbewusst – doch auch sie kommt an ihre Grenzen.

Das „Richtige“ tun in einer Diktatur? Sich dem „Bösen“ bedienen, um eine andere „Bösartigkeit“ zu eliminieren? Heiligt der Zweck diese Mittel – der Roman gibt keine Antworten darauf. Alles in allem ist einer der Hauptdarsteller die „Dramatik“.

Die Ideologie der Nazis, die aus dem Quadrat Heydrich, Himmler, Goebbels und Röhm spricht, lässt einen schaudern. Allein dieser machtvolle Personenkult, der diese umgibt – und keiner sieht hinter den Kulissen und erkennt die Gefahr!? Erschreckend.

Das Buch besitzt durchaus Längen, da konnte der historische Kern des Autors, den Unterhaltungskünstler einfach mal ausstechen. Insgesamt aber animiert das Ende und des Romans den Leser sehr, auch zum zweiten Band zu greifen, wenn dieser veröffentlicht wird. Christian v. Ditfurth verleiht seinen Figuren eine so inhaltliche und charakterliche Tiefe, dass es ein Vergnügen ist, mit diesen zu leiden und zu leben.

Fazit

Der Pakt und der politische Tanz mit vielen Teufeln – ein spannendes Buch mit einem nachhaltigen, erzählerischen Echo.

Michael Sterzik



Samstag, 24. Dezember 2022

Rachejagd - Gequält - Stevens & Suchanek


Ein Gewaltverbrechen – der Täter wird verhaftet, vielleicht flüchtet er auch noch, das Opfer überlebt, vielleicht körperlich unversehrt – doch die Psyche dieses Menschen lässt sich nicht einfach wieder auf den Ursprungszustand zurücksetzen. Also zurück auf „0“ – alles verdrängt, vergeben, vergessen – findet mal so gar nicht statt. Viele Menschen erholen sich nicht – trotz aller therapeutischen Behandlungen, mit der man versucht die verletzte Seele zu reparieren. Posttraumatische Störungen können sich immer wieder einstellen – ein Geräusch, ein Geruch, eine situative Ähnlichkeit und schon findet man sich wieder in einer schrecklichen Zeitschleife gefangen, die mitunter eine seelische Qual ist.

Depressionen, Schamgefühl, Hilflosigkeit und vielleicht trägt man sich auch damit sein Leben zu beenden, um endlich dem Schmerz und der Angst zu entfliehen. Ein Überleben kann schrecklicher für das Opfer sein, wie der physische Tod.

Das Autorenduo Stevens & Suchanek greifen diese Themen in ihrer neuen Trilogie auf. Im Heyne Verlag ist nun der erste Band „Rachejagd – Gequält“ veröffentlicht worden.

Vor drei Jahren wurde Journalistin Anna Jones zusammen mit ihrer Freundin Natalie entführt und von ihrem Peiniger Edward Harris auf vielfache Art gequält. Anna konnte fliehen, Natalie starb. Diese Schuld verfolgt Anna bis heute. Als sie einen blutbefleckten Brief erhält, wird schnell klar: Edward Harris ist zurück. Nick Coleman, Annas Jugendliebe und FBI-Agent, nimmt die Ermittlungen auf. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Zane Newton, der Profilerin Lynette McKenzie und Nick versucht Anna herauszufinden, was Harris vorhat. Ein perfides Spiel beginnt, bei dem nichts so ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Ein Spiel, das nicht nur für Anna tödlich enden könnte. Ein Spiel, das nur ein Ziel hat: Rache.(Verlagsinfo)

Der erste Band ist eine rasante Jagd nach dem Täter, nach einer Aufarbeitung, nach einem „Warum“, einer Rache und Vergeltung. Doch wofür das alles? Bringt es die Toten zurück? Kann es den Schmerz der Vergangenheit auflösen? „Rachejagd – Gequält“ ist viel Action, viele Irrungen, Wendungen, Überraschungen, denen man begegnet, allerdings ist es manchmal etwas zu übertrieben und Logik und eine vernünftige, nachvollziehbare Strategie sich dieser Bedrohung zu stellen gibt es nicht.

Spannend und unterhaltsam ist dieser Roman – aber weit davon entfernt, realistisch zu sein. Es ist ein wenig wie „Gute Zeiten – schlechten Zeiten“ , wobei die schlechten Zeiten dramatisch überwiegen.

Die Action steht hier als Platzhirsch auf der erzählerischen Bühne. Klassische Ermittlungsarbeit des FBI wird nicht thematisiert. Die Ermittlungsgruppe, eine hochintelligente Profilerin, ein IT-Nerd, ein FBI-Agent zwischen Liebe, Vernunft und Pflicht, und ein ehemaliges Just-in-Time-Opfer, die wirklich anstrengend ist. Dieses Quartett soll also den Fall lösen – ohne weitere Hilfe von Behörden etc.? Schöne Räuberpistole, die sich hier vorstellt. Die Charakterzeichnung der Figuren ist ein großer Kritikpunkt, denn sind nicht mehr als oberflächlich entworfen, mit dem einen oder anderem Klischee kombiniert. Einzig und allein die Profilerin zeigt ein gewisses Profil und scheint auch ein Profi zu sein – allerdings ist dilettantisch in die Story eingebaut.

Die Story wird aus mehreren Perspektiven erzählt, leider viel zu wenig aus Sicht des Täters, das hätte der Spannung und vor allem der Tiefe gutgetan. Es wäre ein Duell auf Augenhöhe – hier ist nur ein actionreicher Schlagabtausch – schnell – hart – und vor allem stark übertrieben und unrealistisch.

Es kommt halt auch immer darauf an, mit welcher Erwartungshaltung man ein Buch aufschlägt. Ein intelligenter Thriller ist „Rachejagd – Gequält“ niemals – Popcornunterhaltung auf Papier. Unterhaltsam, locker und leicht – aber mag einen auch zu packen.

Kommen wir zum letzten und allergrößten Kritikpunkt. Was hat eine „Liebesgeschichte“ in einem derartigen Actionthriller verloren? Die Figuren „Nick“ und „Anna“ , eine Jugendliebe, die sich jetzt auch Jahre später noch nicht erwachsen anfühlt. Unweigerlich denkt man dabei, dass die beiden beim Untergang der Titanic zu dämlich gewesen wären, dass es auch nur einer auf diese Tür im eisigen Meer geschafft hätte. Verliebt sein – ja oder nein – eine Komödie in mehreren Akten – Ausgang ungewiss. Wertung: Absolut überflüssig.  

Die Reihe könnte trotzdem gut werden – weil die Geschichte einer Rache und Vergeltung interessant konzipiert ist. Die Frage nach dem: Warum? Weshalb? Wieso?  - rettet den Roman und motiviert den Leser mindestens auch nach Band 2 zu greifen.

Fazit

Unterhaltsam und spannend und die dunkle Seite ist interessanter und vielseitiger, vor allem nicht so langweilig wie die „Guten“. Hier gibt es viel Luft nach „oben“. Der zweite Band muss hoffentlich logischer und ruhiger sein. Mehr psychologische Raffinessen bitte – als sein oder Nichtsein, oder mache ich das jetzt, oder auch nicht.

Michael Sterzik

Dienstag, 1. November 2022

Buchtipp: Blutmond - (ein Harry Hole Roman) von Jo Nesbo


Jo Nesbo hat mit seiner Figur des Kommissars Harry Hole einen sehr polarisierenden, ambivalenten und starken Charakter in das Genre Krimi/Thriller katapultiert. 

Hochintelligent - dabei aber auch menschlich "schwach". Immer auf einem schmalen Grat balancierend zwischen Glück und Tragödie. 

Ende November erscheint ein neuer Titel um diesen Charakterkommissar. 

Harry Hole hat alle Brücken hinter sich abgebrochen. In Los Angeles trinkt er sich als einer der zahllosen Obdachlosen fast zu Tode. Hin und wieder hilft er Lucille, einer älteren Filmdiva, die einem Drogenkartell eine Million Dollar schuldet.

Zur gleichen Zeit werden in Oslo zwei Mädchen ermordet. Beide feierten auf der Yacht eines stadtbekannten Immobilienmaklers. Kommissarin Katrine Bratt fordert Harry Hole an, doch die Führungsetage der Polizei hat kein Interesse an dem Spezialisten für Mordserien. Der Makler hat weniger Skrupel und bietet Hole als privatem Ermittler ein Vermögen, um seinen Ruf zu schützen.

Hole willigt ein, denn er sieht eine Chance, Lucille freizukaufen, und sucht sich ein Team, bestehend aus einem Kokain-dealendem Schulfreund, einem korrupten Polizisten und einem schwer an Krebs erkrankten Psychologen. Die Zeit läuft, während über Oslo ein Blutmond aufzieht. (Verlagsinfo) 


;Michael Sterzik 


  • Kriminalroman Thriller
  • Ullstein Hardcover
  • Hardcover mit Schutzumschlag
  • 560 Seiten
  • Blodmåne
  • Aus dem Norwegischen übersetzt von Günther Frauenlob.
  • ISBN: 9783550201554
  • Erscheint: 24.11.2022
  •  
  • Aus der Reihe "Ein Harry-Hole-Krimi"
  • Band 13


Montag, 20. Juni 2022

Blutland - von Kim Faber und Janni Pedersen


Nach den beiden Titeln: „Winterland“ und „Todland“ des dänischen Journalistenpaares, folgt nun mit „Blutland“ der abschließende Band der Trilogie.

Die Autoren verstehen ihr Handwerk und wissen wie und worüber sie schreiben. Sie wissen, wie man eine unterhaltsame Spannung erzeugt und vor allem auch gewissen Überraschungsmomente einbaut. Der vorliegende Roman befasst sich nicht mit geheimdienstlichen Altlasten, oder akute Bedrohungen durch rechtsextreme Terroristen. Diesmal spielt die Vergangenheit zwar auch eine wesentliche Rolle – doch dreht sich jetzt alles um einen alten Kriminalfall, der durch einen neuen Mord wieder reanimiert wird. Diese Reihe um Juncker & Kristiansen gehört zu den derzeit besten skandinavischen Titeln aus dem Genre Krimi/Thriller.

Die Bestie im Menschen – es gibt sie! Sie ist manchmal zahm, man kann sie kontrollieren, zähmen – doch sie kann auch mit Gewalt ausbrechen und fürchterliche Taten vollbringen. Brutal – unmenschlich – rücksichtslos und vernichtet ggf. Existenzen und Leben. Kennen wir den Menschen, mit dem wir ggf. seit Jahren leben, vielleicht zusammenarbeiten, mit dem wir befreundet sind? Manchmal so nah, und doch so fern. Wenn Masken fallen – was bleibt dann übrig?

Martin Juncker ist gerade zur Kopenhagener Polizei zurückgekehrt, da entbrennt in der dänischen Hauptstadt ein Kampf zwischen Neonazis und Rechtsradikalen auf der einen Seite und autonomen Gruppen und Einwandererbanden auf der anderen. Dabei wird ein Neonazi erstochen, und Junckers frühere Partnerin Signe Kristiansen übernimmt die Untersuchung des Mordes. Kurz darauf wird die Leiche einer Frau in einem Naturschutzgebiet gefunden: erdrosselt und sexuell missbraucht. Martin ermittelt in diesem Fall, und zum ersten Mal seit langer Zeit arbeitet er wieder mit Signe zusammen. Denn die beiden vermuten, dass die Taten von demselben Mann verübt wurden – einem eiskalten Killer, der es vermag, auch die erfahrensten Polizisten auf die falsche Fährte zu locken.(Verlagsinfo)

Ich hoffe, dass der dritte Band nicht der abschließende ist. Man soll ja bekanntlich aufhören, wenn es am besten ist – aber ein „Ende“ wäre zu verfrüht.

Die Charaktere sind gewachsen in den Storys. Sie sind gereift, aber lange nicht vollkommen und perfekt. Sie begehen Fehler, sind egoistisch, belügen sich und andere usw. Eine große Anzahl auf dem persönlichen Sündenregister – doch sympathisch findet man sie dennoch. Mal mehr – mal weniger.

Die Handlung bzw. die Sexualdelikte in denen Juncker & Kristiansen ermitteln zeigen die „Bestie“ im Menschen. Verbrechen – bei denen die Frauen, die vergewaltigt worden sind, den Tod vorziehen? Nicht nur der Körper ist vergewaltigt – die Seele auch und das mit irreparablen Schäden. Ein Schrecken, den das Buch direkt in die Köpfe der Leser transportiert, und das schonungslos.

Der dritte Band ist auch der spannendste, obwohl die Abgrenzungen eher verschwimmen. Nicht nur die Spannung gehört zum Lesevergnügen, denn auch die Charaktere übernehmen den zweiten Part. Haupt- und Nebenfiguren sind ausgewogen und genau so aufgestellt, dass sie sich weder behindern noch andere verdrängen. Der Fokus liegt bei Martin Juncker – auch sein Privatleben hat seine Kapitel, doch die Dramatik liegt bei diesem Kriminalfall, der auch ganz ohne den Nebendarsteller Kommissar Zufall zurechtkommt.

Zufälle klammern wir also nun aus – allerdings gibt es sehr gute Überraschungsmomente, die die beiden Autoren sich hier sehr raffiniert ausgedacht haben.

Alle Kapitel sind geschlossen – alles ist erzählt? Wenn, dass der Fall ist – so sollte man sich dennoch das Autorenpaar gedanklich notieren. Durch ihre berufliche Vergangenheit, wissen sie genau, welche „Knöpfe“ sie bei dem Leser drücken müssen, um diesen zu unterhalten.

Fazit

Wenn Masken fallen – was bleibt übrig? Vergangenheit und Gegenwart im schrecklichen Einklang. Eine Sinfonie des (Über)Lebens. Eine Thriller- Reihe, die man unbedingt lesen sollte. Prädikat: Pageturner

Michael Sterzik 

Sonntag, 10. April 2022

Der böse Hirte - Jeffery Deaver

 

Sekten – es gibt in der Geschichte viele, teils schreckliche Beispiele von „Meistern“, „Führern“, „Idolen“ usw. die „gefallenen“ Menschen, einen Himmel versprechen. Der Fall auf den Boden der Tatsachen kann allerdings höllisch und schmerzlich böse ausgehen. Was geht in den Menschen vor, die sich nach Liebe, Verständnis und Geborgenheit sehnen, und ein Teil ihres Lebens faktisch für eine Vereinigung aufgeben, sich unterordnen? Sekten gehen methodisch und manipulativ vor, sie erschaffen eine Illusion, die abhängig machen soll. Meistens soll die Psyche des zukünftigen, oder gegenwärtigen Mitglieds konditioniert werden, darauf abzielen alle gegenwärtigen gesellschaftlichen Verbindungen abzubrechen, oder zumindest stark einzuschränken. Mitunter kostet das auch finanziell einen Beitrag, wovon der „Meister“, oder sein Gefolge partizipiert. Worte und Leitsätze werden zum Gesetz – eine Hörigkeit kann entstehen, eine Gehirnwäsche, die die Logik, die Vernunft gänzlich ausschalten dürfte.

Die Belletristik ist voll von tatsächlichen, oder halb fiktiven Erfahrung- und Erlebnisberichten, die neben der Aufklärung das brisante Thema natürlich auch den finanziellen Erfolg mitbringen. Im Genre Krimi/Thriller gibt es auch ebenfalls unzählige „fiktive“ Roman, deren Story sich mehr oder minder an Fakten orientiert.

Der erfolgreiche Bestsellerautor Jeffery Deaver erzählt in deinem gerade, erschienen Roman „Der böse Hirte“ von einer Sekte, die eine „Unsterblichkeit“ verspricht. Der Schlüssel zum ewigen Leben in greifbarer Nähe?

Damit wird die „Colter Shaw“ Reihe nun mit einem zweiten Band fortgesetzt.


Colter Shaw spürt vermisste Personen auf, mit den ausgesetzten Belohnungen verdient er seinen Lebensunterhalt. Doch dann nimmt ein Auftrag eine tragische Wendung und Shaw muss herausfinden, wie es dazu kommen konnte. Seine Suche nach Antworten führt ihn zu einer undurchsichtigen Organisation, die sich als Selbsthilfegruppe ausgibt. Shaw tritt der Gruppe bei – denn er hat den Verdacht, dass diese weitaus perfidere Ziele als Trauerbewältigung verfolgt. Alles deutet darauf hin, dass es sich um eine gefährliche Sekte handelt, die alles dafür tun würde, ihre Geheimnisse zu bewahren. Und bald werden die ersten Mitglieder misstrauisch …
(Verlagsinfo)

Colter Shaw ist kein „Heiliger“ aber nahe dran. Einen starken Ehrenkodex und ist wohl der Mister Spock im Genre „Thriller und Krimi“. Logische, mathematische Wahrscheinlichkeitsrechnungen, die gefährliche Situationen prozentual analysieren und bewerten. Wer seine Vita kennt, weiß, dass Colter Shaw durch seinen Vater als Überlebenskünstler, Spion, Agent, Attentäter ausgebildet worden ist. Diese Ausbildung in Kombination mit seinem Charakter und zack fertig ist der Vorzeige-Ermittler. „Der böse Hirte“ spaltet sich auf in zwei Storys. Natürlich die der kriminellen Sekte und als Nebenschauplatz ermittelt Colter Shaw noch immer privat, um den Mord an seinem Vater aufzuklären.

Dabei lernt man nun auch die Mutter von Colter Shaw kennen – tja und die DNA lügt nicht. Die Hauptstory handelt natürlich von der Sekte – deren Organisation, und seinem Anführer, der Hörigkeit der Mitglieder und von seinen „Mitgliedern“, die entweder die Botschaften ihres Leuchtfeuers für bare Münze nehmen, oder rationell denkenden Menschen, die durchaus skeptisch sind.

„Der böse Hirte“ ist durch und durch spannend. Die Story hat so viele unterhaltsame und vielfältige Spannungsmomente, die überzeugen. Das können auch Dialoge sein, oder die Schilderung und Interpretation der teilnehmenden Charaktere. Langweilig ist der vorliegende, zweite Band mit dem Prämienjäger Colter Shaw bei weitem nicht.

Der Spannungsbogen hält – es gibt keine stoppenden Passagen, oder überzeichnete Situationen, die unrealistisch und künstlich geschildert werden. Colter Shaw beherrscht allerdings jegliche Situation, aber er lässt sich auch gerne helfen, wenn er das Ziel vor Augen hat. Der Prämienjäger ist zwar ein Einzelgänger, aber kein Einzelkämpfer, er ist auch kein Mörder, aber auch kein Pazifist. Gewalt wird eingesetzt – so wenig wie möglich – so viel wie nötig. Dabei wirkt er auch nicht unbedingt sympathisch. Er ist auch kein „Macher“, sondern handelt überlegt, rationell und vor allem logisch.

Interessant ist der Showdown, der auch gleich in mehreren Steps aufgeteilt ist. Faszinierend sind die Beziehungsebenen zu beobachten zwischen dem „Meister“ und seinen Mitgliedern, die zwischen Hoffnung, Angst, Enttäuschung und Wut immer mal wieder wechseln.

Fazit

Colter Shaw ist die Reinkarnation von Mr. Spock im Genre „Thriller“ und ist faszinierend. Logisch -. Dass hier hoffentlich noch einige Folgebänden entstehen sollten.

Samstag, 12. Februar 2022

Natrium Chlorid von Jussi Adler Olsen


Das Sonderdezernat Q mit Carl Mørck und Assad bewegt sich nun in seinen neunten, spannenden Kriminalfall. Die Reihe des dänischen Bestsellerautors Jussi Adler Olsen ist ein Spannungsgarant in dem Genre Krimi. Schon längst hat die erfolgreiche Reihe, die sich mit alten Cold Case Fällen beschäftigt, einen gewissen Kultstatus erarbeitet. Selbst die filmische Umsetzung ist bestens gelungen, was nicht selbstverständlich ist. Literatur und Film überzeugen absolut über ihre vielseitigen, und geheimnisvollen und manchmal schrulligen Protagonisten. Das nordische Ensemble ist mit den letzten Titeln gewachsen, und die Figuren reihen sich mühelos in Story und Beziehungsebenen ein.

Der Begriff „Natrium Chlorid“ steht schlicht und ergreifend für „Kochsalz“. In der Story begegnen den Ermittlern auch an vergangenen und gegenwärtigen Tatorten diese Substanzen und schnell wird es klar, dass hier eine gewisse Symbolik eine wegweisende Bedeutung spielt. Das „Salz“ in dieser Tatortsuppe führt das Team zu einem Serienmörder, der schon seit Jahrzehnten effektiv mordet.

An ihrem 60. Geburtstag begeht eine Frau Selbstmord. Ihr Tod führt zur Wiederaufnahme eines ungeklärten Falls aus dem Jahr 1988, der Marcus Jacobsen mit seinem besten Ermittler Carl Mørck zusammengeführt hat. Carl, Assad, Rose und Gordon ahnen nicht, dass der Fall das Sonderdezernat Q an die Grenzen bringt: Seit drei Jahrzehnten fallen Menschen einem gerissenen Killer zum Opfer, der tötet, ohne dass ihm ein Mord nachgewiesen werden kann. Er wählt Opfer und Todeszeitpunkt mit Bedacht und Präzision. Dreißig Jahre lang konnte niemand ihn stoppen. Und während die Corona-Maßnahmen die Ermittlungsarbeiten zusätzlich erschweren, bewegt der alte Fall sich auf Carl zu wie eine Giftschlange, die Witterung mit ihrer Beute aufgenommen hat …(Verlagsinfo)

Der Mörder präsentiert sich recht schnell in dem vorliegenden Band. Und seine Erzählperspektive ist im Vergleich zu den weiteren erzählenden Personen recht stark ausgeprägt. Die Handlung orientiert sich an einer gewissen Aktualität und damit ist „Corona“ auch hier in dieser Story angekommen. Und das auch nicht gerade wenig. Das Corona auch Polizeibeamten in ihren Dienst, ihn ihren Ermittlungen bremst, ist logisch, doch ich empfand diese Erklärungen und Anspielungen als zu präsent. Es nervte denn letztlich doch sehr und brachte inhaltlich die Story auch überhaupt nicht weiter.

Auch vergangene Situationen und Erlebnisse holen die Beamten des Sonderdezernats Q ein. Assad, der jetzt seine traumatisierte Familie in Dänemark hat, kämpft mit den Mühlsteinen der Bürokratie. Gegen Carl Mørck wird intern ermittelt. Damit sind die Nebengeschichten gesetzt und führen das Team am Ende an einen gewissen Scheideweg, der zwar nicht überrascht, von dem aber die Zukunft dieser Ermittlungseinheit und seinen Personen abhängen wird.

„Natrium Chlorid“ von Jussi Adler Olsen ist ein spannender Roman und vielleicht auch der einzige ohne wirkliches Tempolimit, denn die Ereignisse überschlagen sich.

Eine Tradition setzt sich souverän fort – die Running Gags von Assads „Versprechern“ lassen einen schmunzeln. Was leider etwas untergeht, ist die erzählerische Perspektive von Carl Mørck, auch seine Gedankenmodelle waren immer in den letzten Bänden dieser großartigen Reihe originell.

Originell verwendet Jussi Adler Olsen allerdings aktuelle medialen Themen. Ethik, Moral, Verantwortung, die Schnelllebigkeit und Brisanz von Einschaltquoten, Auflagen usw. Die Popularität hat Ihre Grenzen und tobt sich auch gerne an schwächeren Personen unserer demokratischen Gesellschaft aus. Hier entstehen irreparable Schäden, aber lesen sie am besten selbst.

Die Brücke zur Vergangenheit – zu dem ersten Band ist ausschlaggebend und nicht undramatisch. Aber die Quadratur des Kreises ist noch abgeschlossen und Carl Mørck wird im nächsten Band wohl seinen persönlichsten Cold Case-Fall erleben.

Assad, Rose und Gordon tendieren zwischen Neben- und Hauptfiguren, aber die beiden erstgenannten bekommen nicht ihre alte, bekannte Bühne zurück. Schade.

Fazit

Schnelle Story, dramatische Entwicklungen und ein Ende, dass einen zwingt, den nächsten Roman dieser hervorragenden Reihe lesen zu müssen. Es fehlt ein wenig die Ausgewogenheit – aber noch ist alles im positiven Rahmen.Damit empfehle ich diesen Roman „Natrium Chlorid“ gerne weiter.

Michael Sterzik

 

Samstag, 8. Januar 2022

Bloodles - Grab des Verderbens - Douglas Preston und Lincoln Child


Die Thriller des amerikanischen Autorenduos Preston & Child überzeugen durch eine spannende Storyline, seinen sehr bizarren Charakteren und den wissenschaftlichen Themen, die sich die beiden talentierten Autoren bedienen.

Apropos Wissenschaft – reden wir einmal über die zeitlichen Perspektiven der Wissenschaft. Gehen wir in 100 Jahren Schritten epochal in der Geschichte zurück. Was wir heute im Bereich der Technik – der Physik, der Chemie, der Naturwissenschaft für Erkenntnisse und Wissen erlangt haben, wäre noch vor 200 Jahren im Bereich des Paranormalen, des Unmöglichen angesiedelt gewesen. Unsere wissenschaftlichen Grenzen verschieben sich immer wieder, und viele Forschungen auf ganz verschiedenen Gebieten können wir noch nicht vollumfänglich erklären. Entweder sind wir dazu intellektuell noch nicht bereit, sind zu vorsichtig, oder haben noch Vorbehalte moralische und ethische Grenzen außer Kraft zu setzen.

Der vorliegende Roman „Bloodless – Grab des Verderbens“ ist der 20. Band der Aloysius Pendergast – Reihe. Diese Figur ist inzwischen zu einer Kultfigur geworden. Hochintelligent, charismatisch, unabhängig – dazu noch extrem distanziert und exzentrisch – und immer umgibt ihn eine geheimnisvolle Aura. Das Besondere an diesem Charakter ist auch seine menschliche Fehlbarkeit, seine Verletzlichkeit, die bei all seiner Überlegenheit – seine Achillesferse ist. Flankiert und unterstützt wurde dieser Spezialagent des FBI von ganz unterschiedlichen Partnern. Im vorliegenden Band ist es der indianisch stämmige Agent Coldmoon, der auch in den letzten Romanen eine Nebenrolle spielte.

In den Straßen von Savannah im Süden der USA tauchen Leichen auf, die vollkommen blutleer sind. Kein Wunder, dass eine alte Legende der Stadt plötzlich nicht nur wohligen Grusel verursacht: Geht etwa tatsächlich der »Vampir von Savannah« um? Special Agent Pendergast und sein Partner Agent Coldmoon werden mit dem bizarren Fall betraut und erkennen bald, dass es einen Zusammenhang mit einer nie aufgeklärten Flugzeug-Entführung aus dem Jahr 1971 gibt. Doch weder Pendergast noch Coldmoon ahnen, dass hinter beiden Fällen etwas steckt, das unfassbar viel böser ist als ein Vampir. Und längst ist nicht mehr sicher, ob die FBI-Agents Jäger oder Gejagte sind. (Verlagsinfo)

„Bloodless – Grab des Verderbens“ ist spannend, aber nicht der stärkste Band diese sonst hervorragenden Reihe. Die Wissenschaft spielt ja immer eine wesentliche Verwendung, allerdings ist sie hier etwas sehr bizarr. Man könnte fast meinen Aloysius Pendergast ist im Marvel-Universum angekommen. So zwischen Fakten und Fiktion ist die Story wirklich am stark am Rande der Authentischen. Zwischen S.F. und Fantasy – Thriller und Krimi ist es arg überzeichnet, fast schon abstrus.

Neben Pendergast treffen wir auch auf Agent Coldmoon und Constance Green. Ihre Rolle als hilfreiche Assistenten ist etwas deplatziert. Agent Coldmoon ist überflüssig und Constance Greens Rolle ist zu klein geraten. Gerade ihr Charakter, so alt und tiefgründig beschrieben, beinhaltet so viel Potenzial, dass die Autoren noch lange nicht ausgeschöpft haben. Schade – ist das vielleicht ein Indiz, sie in einer eigenständigen Reihe zu implementieren. Es wäre interessant zu sehen, wie sie sich durch eine Story ohne Pendergast bewegt. 

Ich finde es ja immer ansprechend, wenn sich Autoren mit wissenschaftlichen Themen beschäftigen, über die man nachdenkt, und die vielversprechend auf einen wirken, sodass man ggf. mehr darüber erfahren möchte. An dieser Stelle muss ich jedoch sagen, wird es mir zu fremd und passt nicht in das Gesamtbild dieser Reihe.

Die Spannung ist solide – nicht mehr, und weniger und erfüllt den Unterhaltungswert. Wobei zu sagen ist, dass der Ausblick auf den nächsten Band interessanter und spannender ist, wie die eigentlich Storyline des vorliegenden Romans.

Nebenschauplätze und Nebenfiguren gibt es zu wenig und Agent Coldmoon würde ich empfehlen sprichwörtlich zu versetzen und nicht mehr in nachfolgende Titel einzubauen.

Fazit

„Bloodless – Grab der Verderbens“ ist leider etwas blutleer und die Spannung ist abwechslungsreich wie ein stillgelegtes Grab. Es ist Zeit – neue Wege zu gehen. Es wäre zu schade, dass eine Kultfigur sich selbst in Pension schickt.

Michael Sterzik




 

Sonntag, 12. Dezember 2021

Bluttat - Thomas Enger und Jorn Lier Horst


Nach dem beiden vorherigen Titeln: „Blutzahl“ und „Blutnebel“ ist dies der dritte Band des erfolgreichen Autorenduos.

Der Verlag sagt, man könne die Bücher der Reihe unabhängig voneinander lesen. Allerdings empfehle ich dies nicht. Die Figuren; die Reporterin Emma Ramm und der Kriminalbeamte Alexander Blix sind zu komplex aufgebaut – als Einzelcharakter und im Zusammenspiel der beiden. Interessant ist dabei zu beobachten, dass diese nicht unbedingt miteinander harmonieren. Ihre gemeinsame Vergangenheit beeinflusst sie beide in ihrem Denken und Handeln und das nicht nur positiv. Auch ihre Charaktere sind eher sehr konträr zueinander. Was beide allerdings gemeinsam haben, ist ihre Hartnäckigkeit und ihr Talent komplexe Zusammenhänge zu analysieren, zu erkennen – wo andere nicht einmal ansatzweise in diesem Tempo mithalten können.

Beide vorherigen Teile waren sehr spannend, sehr originelles Storytelling und eine teils sehr, sehr düstere Atmosphäre. Der Unterhaltungswert in einer Top-Liga, wenn man sich im Genre Thriller orientiert. Neben der Spannung war in den letzten Titel die Emotionalität mächtig stark in die Handlung eingefügt.      

Vorab sei zu sagen, dass die Spannung und die Emotionalität noch viel stärker in dem Titel „Bluttat“ ausgeprägt sind. Ein weiteres Kriterium stellt allerdings alles Bisherige in den beiden Vorgängertitel in den Schatten.                               

Eine rätselhafte Mordserie beschäftigt die Ermittlerin Sofia Kovic. Sie zieht ihren Partner Alexander Blix ins Vertrauen – und nur ihn, denn sie fürchtet, die Osloer Polizei könnte eine Rolle in diesem blutigen Spiel einnehmen. Wenig später wird Kovic Opfer eines Mordanschlags und grausam hingerichtet. Hat sie mit ihren Nachforschungen in ein Wespennest gestochen? Vier Tage danach stehen Blix und die Kriminalreporterin Emma Ramm im Zentrum der Ermittlung, denn Alexander hat einen Mann erschossen, während Emma der blutigen Tat beiwohnte. Wie konnte es dazu kommen? Wem kann Blix vertrauen? Und hat er womöglich den Falschen getötet? (Verlagsinfo)

„Bluttat“ beginnt spannend – geht spannend weiter und diese findet auch kein Ende. Erst am Ende, beim Beenden der letzten Seiten findet man seinem Atem und Puls wieder in einem Normalzustand wieder. Doch die Spannung ist nichts gegen die angespannte Dramatik und die Emotionsexplosionen, bei denen man wahrlich in der ersten Reihe sitzt. Hier begegnen wir spannendem Top-Niveau. Analysiert und interpretiert man alle drei Teile dieser Reihe – so ist der vorliegende mit großem Abstand der Beste. Hochklasse, wie die beiden Autoren es schaffen eine solch tiefgehende Dramaturgie zu entwickeln, und diese mit viel Tragik in einem Feuerwerk von Tränen, Blut, Tod und Schmerz hochgehen zu lassen. Die Reihe ist als Trilogie entworfen, aber es könnte unter Umständen noch weitergehen – denn der Schwachpunkt dieser Reihe ist genau das – ein plötzliches „Ende“.  Damit bilden sich eine ganze Menge an Fragen, deren Antwort man sich als Leser zwar individuell stellen kann, wenn man sich diese selbst beantwortet – aber dieses Vakuum ist etwas unbefriedigend.

Eine Emotionalität entwickelt sich, da man den Schmerz der Protagonisten nachempfinden kann. Das reiht sich in die Komponente „Tragik“ ein. Die Story ist authentisch und keine überzeichnete „Räuberpistole“. Der Kriminalfall ist der Mantel der Story, ein persönlicher Verlust und viele egoistische Fehler bilden den Kern.

Originell aufgebaut ist die Handlung, mit zeitlichen Rückblenden, die allerdings die gegenwärtige Story noch spannender darstellen. Das Tempo der Handlung befindet sich auf der Überholspur, die Ereignisse überschlagen sich nicht – aber gehen Hand in Hand.

Emma Ramms Rolle in diesem Spiel ist eher untergeordnet, obwohl sie es zum Teil auch ist, die die Eskalationsspirale anstößt. Das Schicksal von Alexander Blix ist der absolute Fokus.

Diese Reihe gehört mit zu den aktuell stärksten, skandinavischen Thrillern. Der dritte Band ist einer der absolute, tragischste und traurigste Thriller den ich je gelesen habe.

Fazit

„Bluttat“ ist ein harter, emotionaler Thriller. Die Spannung ist so präsent, dass das diese einen nachhaltig umzingelt, ohne Chancen auszubrechen. Ein Pageturner – eine Reihe, die so authentisch ist, dass das Ende schmerzt.

Michael Sterzik