Donnerstag, 27. November 2008

Der Tag, an dem Deutschland entstand - Tillmann Bendikowski

Nächstes Jahr im September 2009 jährt sich die Varusschlacht. Schirmherrin wird Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel sein. In Kalkriese wo Archäologen und Geschichtsforscher vermuten, dass es sich um den Ort der legendären Schlacht zwischen drei Römischen Legionen unter dem Staathalter Varus und Aufständischen germanischen Stämmen unter der Führung Arminius dem Cherusker handeln soll, laufen schon die ersten Vorbereitungen. In Detmold hingegen steht das berühmte „Hermannsdenkmal“, ein heroisches Standbild das uns daran erinnern soll, dass Arminius oder auch Hermann uns von dem römischen Joch befreit hat und ein strahlender, selbstloser Held Deutscher Geschichte ist?!

 Doch weder wissen wir mit absoluter Gewissheit die genaue Lokalität der Schlacht, auch wenn in Kalkriese Unmengen von Münzen, Waffen, Rüstungsteile und selbst Knochen mit eindeutigen Kampfspuren gefunden worden sind, noch können wir den genauen Ablauf der Schlacht rekonstruieren.

In Laufe der Jahrhunderte verblass die Erinnerung an die Schlacht am Teutoburger Wald und den Quellen des Tactius und dem römischen Konsul Cassius Dio und damit auch der Mythos von der Befreiung und der Einigkeit „Deutschlands“.

Viele Jahre später, zu Beginn des 16 Jahrhunderts wurde aus Arminius dem Cherusker, Hermann der Befreier Germaniens, und wurde als Held gefeiert. Um Arminius ranken sind viele Legenden und Mythen und gerade zum kommenden Varusjahr wird es noch viel mehr Geschichten um seine Person und der legendären Schlacht geben.

Dr. Tillmann Bendikowski, Historiker und Journalist hat sich mit der Konfrontation zwischen dem Staathalter Varus und Cheruskischen Fürsten Arminius befasst, und wirft auch einen detailierten Blick auf die Entwicklung des Mythos, der Person und der Legende von dem späteren Hermann der als Sinnbild für die Befreiung und Entstehung Germaniens immer noch über dem Teutoburger Wald sein Schwert in Pose gen Himmel richtet.

Inhalt

Im September des Jahres 9 n. Chr. soll es angeblich fürchterlich geregnet haben. Wir können das nicht mehr nachweisen, vielleicht war es auch eine Ausrede um die Katastrophe angesichts des Verlustes von drei römischen Legionen mit über 20000 Soldaten des Imperiums im fernen Germanien?! Es war keine Feldschlacht, die römischen Legionen wurden auf dem Weg in ihr Winterlager durch Hinterlist und Verrat in einem zermürbenden Guerillakrieg der drei Tage anhielt vernichtend geschlagen.   

Was vor 2000 Jahren wirklich geschah, darüber geben antike Quellen nur wenig Auskunft. Das schlechte Wetter dürfte für eine Berufsarmee wie die der Römer vielleicht hinderlich aber nicht verantwortlich für die Niederlage gewesen sein. Ausschlaggebend war die Person des Cheruskerfürsten Arminius der lange Jahren in Diensten Roms stand, und durch seine Militärische Ausbildung die Taktik und Strategie der Römischen Militärmacht entgegenwirken konnte. Er kannte alle Schwachstellen der Legionen und hinzu kamen noch seine geografischen Kenntnisse des zu durchquerenden Gebietes.

Der Sieg des Arminius hatte zur Folge, dass die Römer ihre Eroberungspolitik für Germanien aufgaben, aber auch der Fürst der Cherusker hatte wenig Glück nach seinem Erfolg. Zwar konnte er seine Stellung innerhalb der Fürsten ausbauen, doch auch ihm kosteten später die anschließenden Fehden und kleineren Auseinandersetzungen das Leben.

Wann immer es den Deutschen um Freiheit, Rech und Einheit geht, brachten sie gerne den Prozess der Verherrlichung Hermann des Cheruskers in Gang, auch wenn es damals noch viel weniger bekannte antike Quellen und Indizien rund um diese Schlacht gab.

Dem historischen Arminius wurde eine Karriere zuteil von dem viele Römer und andere Offiziere nur träumen konnten. Politisch und Militärisch wurde er hoch geschätzt von Varus der als Staathalter Germanien befrieden und reorganisieren sollte. Die germanischen Stämme waren alles andere als einig. Stammesinterne und übergreifende Konflikte waren an der Tagesordnung und längst waren sich die einzelnen Fürsten nicht einig wie sie den Römern begegnen sollten. Arminius wußte sehr wohl welche Strategie ihn persönlich zu einem Erfolg verhelfen sollte, so oder so sicherte er sich ab und spielte auf beiden Seiten gleichwohl seine Trümpfe aus. Ein nicht ungefährliches Pokerspiel, aber zeitweise wie man ja weiß recht erfolgreich.

Germaniens Nachbar war unmittelbar Gallien und damit ein angrenzendes Sicherheitsrisiko. Die ganze Provinz die von Julius Cäser erobert wurde, sollte von den Barbaren geschützt werden, nichts anderes waren die Germanen aus Römischer Sicht. Für das römische Imperium waren diese Menschen ohne jede Kultur, ohne etwaige Landwirtschaft oder Bodenschätze, und die tiefen, dichten Wälder machten das Land noch unheimlicher. Es gab nichts was die Römer in Verbindung mit Zivilisation und Kulturellen Erbe sahen.

Octavian, oder auch Kaiser Augustus wie er sich später nannte berief Quinctilius Varus zu dem neuen Staathalter der Provinz Germaniens. Mit seinem 55 Jahren war Varus ein erfahrener Politiker und Offizier der schon in Syrien für „Ruhe“ gesorgt hatte, allerdings mit militärischer Härte und Rücksichtslosigkeit, aber ebenso konnte er ein feinfühliger Diplomat sein.

Unmittelbar nach der Schlacht war der Ruf des verstorbenen Varus zweifellos in Takt. Er etwas später wurde sein Ruf zweifelhaft und wurde gezielt diffamiert, angesichts politischer Streitigkeiten wurde im persönliches Versagen vorgeworfen.

Theodor Mommsen nannte Varus einen Mann von stumpfen Geist und trägem Körper, ohne Begabung und militärischer Erfahrung.

Fakt ist doch, dass Kaiser Augustus die Sicherung der wichtigsten Rheingrenze keinem „Nobody“ anvertrauen würde, sondern jemanden der schon Erfolge vorweisen konnte.

Nach der Schlacht musste das Gelände kilometerweit von Leichen und Verwundeten bedeckt gewesene sein. Es ist anzunehmen, das sich Varus zusammen mit einigen seiner Offiziere ins Schwert gestürzt hat. Gefangene wurden nur von den Germanen gemacht um sie den Germanischen Göttern zu opfern. Und mit einem Freitod konnte man wenigstens noch seine soldatische Ehre retten. Der Kopf des Varus wurde nach Rom geschickt, wo ihm noch eine Bestattung in allen Ehren zuteil wurde.

Das Imperium hatte drei Legionen verloren, ein neuntel seiner militärischen Größe. Augustus sandte seinen späteren Nachfolger Germanicus an die Ufer des Rheins um die Grenzen zu sichern und ggf. und um die gefallenen Kameraden zu beerdigen, was dann auch genauso geschehen ist.

Doch auch Tiberius gelang es nicht das Grenzgebiet zu Gallien zu sichern, zu hoch waren die menschlichen Verluste, zu hoch das Risiko das die Truppe den Feldzug nicht mehr befürwortet.

Rom behandelte das Drama um die drei verlorenen Legionen verständlicherweise sehr schweigend. Von Germanischer Seite war nicht zu befürchten, dass die Niederlage schriftlich dokumentiert wurde, und der Römische Senat hatte wenig Interesse am Gegenteil. So fiel dieser Part in einen tiefen Winterschlaf.

Erst Jahrhunderte später sollte ein deutsche Humanist, Ulrich von Hutten bei einem Studienaufenthalt in Rom auf die ersten Bücher und antiken Schriften des Tacitus stolpern. Dieser stellte Arminius als den Befreier Germaniens dar, der das Römische Reich durch seinen Sieg in den Grundfesten erschüttert hat. Für von Hutten war das ein willkommenes Geschenk und er publizierte die Botschaft des Tacitus noch ein wenig heroischer und in einem noch viel hellerem Lichte.

Die Befreiungtat des fürstlichen Cheruskers passte sehr gut ins Gesamtbild Deutschland, somit wurde auch der Name „Hermann“ geboren. In den Jahrhunderten später entstanden zwischen 1750 und 1850 mehr als 200 Schauspiele, Opern usw. Das Bild, die militärische Macht Roms wurde negativiert, und eine Idealisierung Arminius/Hermanns geboren.

Die Begeisterung sollte mit dem nationalen Denkmal in Detmold seinen Höhepunkt erreichen. 1875 wurde das Hermansdenkmal eingeweiht und es war ein willkommenes Symbol für die Zuversicht und dem Selbstbewusstsein.

In den kommenden Jahren wurde es auch ein Symbol für die Stärke und die Kampfkraft auf den Schlachtfeldern des ersten Weltkrieges und später auch das der Nationalsozialisten.

Kritik

Dr. Tillmann Bendikowski hat mit „Der Tag an dem Deutschland entstand“ ein sehr erzählerisch dichtes und verständliches Buch geschrieben. Sicherlich sieht man rückblickend auf die Varusschlacht, könnte man meinen das Arminius den Grundstein für „Deutschland“ als geeinigter Staatenverbund gelegt hat. Doch war das nur ein kleiner Anstoß der dann den Stein in den nächsten Jahrhunderten ins Rollen gebracht hat um Epochen mit seinen Generationen einen Staat zu schmieden.

Das Buch ist in zwei Teilen gegliedert, erster und stärkerer Part erzählt die Konfrontation vor zwei Jahrtausenden zwischen dem Staathalter Roms Varus und seinen Gegenspieler dem cheruskischen Fürsten Arminius der mit seiner bunt zusammengewürfelten Armee drei Legionen gänzlich vernichten konnte. Die Handlung bzw. der Ablauf der Schlacht ist von dem Autor spannend und anhand gut recherchierter Quellen fabelhaft wiedergegeben.  

Der Mythos von Arminius als volksnaher Held wird analytisch und detailiert in Frage gestellt und anhand von Quellennachweisen die sich im Anhang befinden ausgeräumt.

Das Buch versteht sich nicht als Roman, es ist ein reines Sachbuch, dass ohne fiktive Erzählungen auskommt. Wissenschaftlich fundiert werden hier Irrtümer die über Jahrhunderte hinweg selbstbewusst gepflegt wurden aufgearbeitet, fast schon auseinander genommen. Das ein relativ junges Deutschland „Helden“, Ideale, Idole benötigte um sich angesichts verlorener Kriege das nötige Selbstbewusstsein einzureden ist pathetisch und hat die Realität nicht wirklich gut reflektiert. Doch Propaganda war schon immer ein wichtiger Ansatz für jegliches Politikum im Staate. Im ersten und zweiten Weltkrieg wurde Varus als Feindbild mit dem Franzosen, einer unserer Erbfeinde verglichen und die Rolle des „Hermanns“ spielten natürlich die Deutschen Truppenverbände. Ein Vergleich der sichtlich hinkt.

Unser Historisches Gedächtnis mag manchmal einer Amnesie ganz gut tun, doch ist es wichtig. dass wir uns unserer Rolle bewusst sein müssen und nicht Historische Fakten wie es uns gerade passt zu verzerren versuchen. Nun jährt sich nächstes Jahr die Schlacht des Varus, und an mindestens drei Standorten wird es Kundgebungen, Feiern und Informationsveranstaltungen geben, doch was daraus gemacht wird, wissen wir nicht?! Wird Hermann der Cherusker, dessen Denkmal über dem Teutoburger Wald in Detmold wieder zum Wahrzeichen mutiert?  Oder wird man den antiken Quellen gerecht, und bleibt so bei der historischen Wahrheit? Brauchen wir wieder einen „Held“ zu dem wir aufschauen uns identifizieren können?

Fazit

Die Frage wie wir im kommenden Jahr dem Jubiläum begegnen werden, kann auch das Buch „Der Tag an dem Deutschland entstand“ nicht beantworten. Aber viele andere, auch sehr wichtige Fragen sehr wohl und damit so finde ich, ist das Buch wertvoll und eine Bereicherung um die Literatur die sich jetzt zeitgleich mit der Varusschlacht befasst. Dr. Tilmann Bendikowski hat fundiert ge- und beschrieben und das Buch kann ich sehr empfehlen für alle die, die jetzt oder auch in einem Jahr vor dem Denkmal in Detmold stehen oder sich die Fundstücke der Legionäre in Kalkriese anschauen. Ein Stück Geschichte wird erzählt, nicht übertrieben oder ins phantastische abdriftet, sondern aufräumt mit einer Heldengestalt die letztlich ein ganz normaler, auch nach Macht strebender Mensch gewesen ist.

 Autor

 Dr. Tillmann Bendikowski, Historiker und Journalist, ist Leiter der Medienagentur Geschichte in Hamburg. Er verfasste Beiträge für Printmedien und Hörfunk, betreut Forschungsprojekte  und übernimmt die Realisierung historischer Ausstellungen.

 

 

 

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