Desperado
Es gibt mal wieder Abschnitte im Leben was einen innehalten lässt. Man lässt die letzten Jahre Revue passieren und stellt meistens ernüchternd fest, was man verpasst, welche Chance man nicht wahrgenommen hat, oder auch welche Abzweigung vielleicht die falsche war?!
Wie enthusiastisch man auch immer gewesen sein mag oder welche Ziele man wirklich erreicht hat, man vergisst sie leider viel zu oft. Es ist typisch für uns Menschen, dass wir über unsere Fehler und Verfehlungen unglücklich sind, anstatt sich über die geleisteten Erfolge auf die eigene Schulter zu klopfen.
Die ersten 10 Lebensjahre spielen wir meistens, die nächsten 10 orientieren wir uns, bis zum 30 Lebensjahr stoßen wir an unsere Grenze, gerade was Liebe und Beruf angeht, tja und ab dem 40 beginnen wir uns zu fragen: War das jetzt alles? Und wenn nicht, was kommt noch, oder was kann ich noch erreichen? Wofür ist es noch nicht zu spät? Oder ganz pessimistische Männer verzweifeln, weil sie meinen wirklich alles verpasst zu haben.
Stimmt es: Das man niemals auslernt? Das es niemals zu spät ist, sich zu ändern, und na ja vielleicht andere gleich mit? Welche Punkte in einer selbstgestrickten Biographie sind es, auf die es im Leben ankommt? Fassen wir das mal zusammen und das Ergebnis lautet: Herzlichen Glückwunsch, Sie befinden sich in der Midlife-Crisis! Man könnte den Zustand auch als „nicht glücklich“ einstufen, wenn man die Situation analytisch dramatisiert.
Der deutsche Autor Daniel Haas, der auch als Kolumnist bei „Spiegel Online“ tätig ist, schickt in seinem Roman „Desperado – Abenteuer eines Glücksuchers“ seine Protagonisten „Martin“ auf eine Odyssee in der er das persönliche Glück für sich sucht. Eine aberwitzige und ironisch erzählte Suche nach einer erfüllenden Perspektive beginnt.
Inhalt
Martins leben lief eigentlich in geregelten Bahnen für Ihn, keine ehelichen Verpflichtungen, keine Kinder, stattdessen lebte er als Dauersingle in der Metropole Berlin, vom Beruf Werbetexter und das recht gut. Also worüber sich Sorgen machen? Das Leben ist schön, oder?!
Das Alltagsleben besteht aus Arbeiten, von irgendwas muß ja schließlich seine Freizeit bezahlen können, Party machen und ab und an auch mal eine Affäre für das männliche Selbstbewusstsein. Für Außenstehende weckt das ziemliche Vergleichsmöglichkeiten mit verschiedenen postmodernen Soap-Serien im Vorabendprogramm. Thats life?!
Kritisch wird es erst dann, wenn man mehrmals mit brutalen, rhetorischen gut gestellten Fragen, auf seine Ziele und seine Biographie aufmerksam gemacht wird. Freier und schmerzhafter Fall auf den harten Asphalt des Lebenslaufes, der beste Freund von dem man es nicht erwartet hat, macht Karriere und scheffelt mehr Geld als man selbst in einigen Jahren nicht verdient, die heimlich geliebte Kollegin verliert ihr einsames Herz an jemand anderen und selbst die eigene Mutter hat Energie wie ein Kraftwerk und erzählt von Plänen und Perspektiven!
Man fühlt sich wie der letzte und einsame Mohikaner, und auf einmal fühlst Du Dich alt. Stop! Halt. Nein..nicht fühlen, Du bist schon alt! Und es kommt noch schlimmer, was hat denn selbst erreicht, auf was kann man zurückschauen? Woher bekommt man, möglichst schnell eine interessante Biographie?
Irgendwas hat man doch zwischen all den Partys und Affären nicht auf die Reihe bekommen. Wie wäre es mit ein wenig Abwechslung und das ausprobieren von verschiedenen Lebensmodellen, wenn nicht jetzt – wann dann?
Martin stürzt sich in exzessive Selbstversuche, mit einer brachialen und kompromisslosen Entschlossenheit, die ihn und auch seinen Freunden und Kollegen in ein kreatives Chaos stürzen lassen.
Lebe Deine Leben als wäre jeder Tag der letzte?! Eine gefährliche, aber abwechslungsreiche Idee die Martin nun versucht einzuholen. Am Spieltisch verliert er einen großen Teil seines Mobiliars, na ja weniger ist manchmal mehr, und so trennt man sich eben schnell vom unnötigen, materiellen Ballast.
Tiere sind doch die einzig wahren wirklichen Freunde und so wird Martin zum Tierfreund, aber ebenso nur für kurze Zeit, denn was ist ein richtiger Mann ohne Waffen? Flugs wird ein Maschinengewehr zu Hause aufgebaut, schließlich muß man sich ja auch zu schützen wissen.
Martins Suche nach Glück wird zu seinem Lebensinhalt, irgendwas muß er ja nachweisen und sich beweisen, so kurz vor dem 40 Geburtstag! Martin wird ein Gangster der „kurzen“ Prozess macht, ein Dandy der einen arroganten Lebensstil pflegt, er wird zum Star, zum Banausen....aber wer ist Martin wirklich? Gibt es ein Happy End am Ende der Lebensmodelle was ihn seiner Erfüllung näher bringt und seine Freunde endlich zur Ruhe?!
Kritik
Der Autor Daniel Haas ist ein ironisches Schlitzohr und kann in einem Roman gleich mehrere Geschichten erzählen.
Den Protagonisten und Berufschaoten Martin schließt man schnell in sein Herz, so verrückt und zugleich interessant kann man eigentlich auch gar nicht sein. Auf der Suche nach dem Schlüssel zum Glück begegnet er skurrile Gestalten und entdeckt an sich Seiten die sich ihm in seinen ganzen 40 Lebensjahren noch nicht einmal vorgestellt haben.
Der Autor erzählt auf amüsante, spannende und unterhaltsame Art wie Martin feststellt, dass seine Oberflächigkeit oder seine Angst vor Risiken und Verantwortung ihn nicht davor schützen über sich selbst nachzudenken.
Daniel Haas erzählerischer Stil ist provokant, sarkastisch und rasiermesserscharf. Er konfrontiert den Leser, besonders die männlichen mit ihrem alten Ego und erfüllten oder nicht erfüllten Lebensträumen.
Wir Menschen sind immer auf der Suche, ruhe- und rastlos durchstreifen wir die Jahre unsere Lebens und träumen von ganz individuellen Zielen, mag es Reichtum, Macht, Geld oder Liebe sein. In unserem Leben fehlt immer irgendwas. Wir waren schon vor Jahrtausenden Jäger und Sammler, nur die Ziele haben sich etwas verändert, oder wir uns?
Fakt ist; „Desperado – Abenteuer eines Glücksuchers“ ist ein brillanter, amüsanter Roman, es gibt Momente in denen der Leser vielleicht vergisst, dass er in einem überfüllten Wartezimmer sitzt und lauthals loslacht. Der Humor spielt die wesentliche, inhaltsvolle Rolle und zugleicht wirft der Autor mit einem Augenzwinkern, einen ironischen Blick auf unsere gesellschaftliche kleine Welt in denen materieller Besitz gegenüber anderen Werten wie Ethik, Mitgefühl und Liebe, immer eine Pinocchio-Nasenlänge voraus sind.
Martin ist ein naiver Charakter, aber ein sympathischer, ein Freund für den man stahlharte Nerven benötigt, ansonsten wäre man schnell dazu bereit zu sagen. „Ich muß mal eben weg“ (für immer). Die Suche nach dem Glück und seine Anstrengungen sind nachvollziehbar, doch man sieht sowieso nur das was man möchte, oder?! Wie auch Daniel Haas ironisch gesellschaftliche Werte und Meinungen systematisch provokant erzählt, zugleich hält er uns doch mal einen „Spiegel“ vors Gesicht, mal größer, mal kleiner, je nach Selbstbewusstsein.
Fazit
„Desperado – Die Abenteuer eines Glückssuchers“ ist bedingungslos zu empfehlen. Der Humor ist fantastisch, die Story flott, die Protagonisten teilweise verrückt, aber sympathisch! Also was will man mehr? Ein Buch was man vor Lachen verschlingt und dessen Situationskomik man von den Lachfalten und Grübchen nicht übersehen kann.
Ich hoffe mehr von dem Autor zu lesen, nicht nur die Kolumnen die bei „Spiegel Online“ erscheinen, sondern noch andere Romane und Erzählungen.
Danke schön für die humorvollen und nicht lächerlichen Stunden.
Autor
Daniel Haas hat lange als Werbetexter, Drehbuchlektor und freier Journalist gearbeitet, bevor er 2004 zu SPIEGEL ONLINE kam. Er ist Redakteur im Kulturressort mit Schwerpunkt Literatur und Medien und verfasst unter anderen die Kolumne „Verstehen Sie Haas?“. Der Autor lebt in Berlin.
Michael Sterzik
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