John Grisham – Der Anwalt
Wer beginnt an der Universität Jura zu studieren hat die Gerechtigkeit im Blick. Voller Ideale und guten Vorsätzen spricht man gerne von Gerechtigkeit. Vor Justitia sind alle Menschen gleich, ob arm oder reich, jung oder alt, egal welchen sozialen Stand oder Beruf man ausübt! Schaut man hinter die Bühne der Gerichte mit ihren Gesetzen und Regeln, so sieht man eine ganz andere Welt in der nichts nur „Gut“ oder „Böse“ zu sein scheint, es gibt viele Abstufungen, Ausnahmen und Interpretationen von Recht und Gerechtigkeit, sei es nun für die Opfer wie auch für die Täter!?
Als junger Student an der Universität wird man intellektuell aufs höchste gefordert, die Anforderungen sind brutal und die Quote der Jurastudenten die schon im Studium oder Examen scheitern sind weit über jeglichen Durchschnitt. Wer das Glück oder Unglück hat in einer Kanzlei zu arbeiten, wird ausgenutzt, unter Druck gesetzt und nicht selten ist ein Arbeitstag 14 oder mehr Stunden lang.
Der Preis für Erfolg kann manchmal ein Pakt mit dem Teufel sein, und viele Studenten schlagen hart auf den Boden der Tatsachen auf, wenn sie merken das Gesetze durchaus interpretierbar sind. Ethik und Moral präsentieren sich dann zum Schlussverkauf.
John Grisham schildert in seinen neuesten Roman „Der Anwalt“ erschienen im Heyne Verlag (Hardcover) die Rechtswissenschaftliche Knochenmühle, die Arbeitsbedingungen und Anforderungen in einer amerikanischen Kanzlei in der, der junge Anwalt Kyle McAvoy an seine Grenzen getrieben wird.
Inhalt
Kyle McAvoy, erfolgreicher und vielversprechender Jurastudent hat eigentlich eine brillante Karriere vor sich. Schon jetzt kurz vor seinem Studienabschluss hat er mehrere Angebote hoch renommierter und bekannter Kanzleien bekommen die für ihn Prestige und Geld und Absicherung bedeuten und damit eine Zukunft garantieren können die vielversprechend ist.
Doch als er unerwarteten Besuch von einem FBI Agenten bekommt, der ihn mit seinen „Jugendsünden“ vor fünf Jahren konfrontiert, bekommt Kyles Traumgebilde tiefe Risse. Vor ca. fünf Jahren wurde gegen Ihn und drei seiner Studentischen Freunde wegen einer angeblichen Vergewaltigung ermittelt. Es kam aber nicht zur Anklage und die Geschichte geriet in Vergessenheit, so hat Kyle diese Nacht geistig total verdrängt. Doch der ermittelnde Beamte zeigt Kyle ein belastendes Video der Nacht, was zwar viel Raum für etwaige Interpretationen lässt, dennoch aber so viel Schmutz aufwirbeln könnte, dass an eine juristische Karriere nicht mehr zu denken wäre.
In eine Ecke ohne Ausweg gedrängt offenbart sich der mutmaßliche Erpresser nicht als FBI Agent, sondern als ein skrupelloser Verbrecher dessen Ziel es ist, Kyle in einer der wichtigsten und einflussreichsten Kanzleien als Spion einzusetzen, um dort einen Prozess zwischen zwei Rüstungskontrahenten zu beobachten und natürlich um wichtige Dokumente auszuspionieren und an ihm weiterzuleiten.
Im Grunde hat Kyle keine Chance die ihm als Alternative verbleibt. Lässt er sich nicht erpressen, wird das Video veröffentlicht und er kann sich von seiner vielversprechenden juristischen Karriere verabschieden, lässt er sich ein Dokumente und Informationen weiterzuleiten die als streng geheim und sowieso als vertraulich gelten, so verstößt er gegen alle ausgesprochenen und unausgesprochenen ethischen und moralischen Grundsätzen und Idealen an die bisher geglaubt hat.
Unter Protest und mit noch viel mehr schlechten Gefühl akzeptiert er die Forderungen des Erpressers. Als er in der Kanzlei „Scully & Pershing“ zusammen mit anderen Elite-Studenten eintritt, verändert sich seine einst so beschauliche Welt in ein wahre Spionage Geschichte. Kyles Wohnung wird verwanzt, sein Auto mit einem GPS-Sender versehen und sein Telefon, sowie seine Mails werden kontrolliert. Und immer sind es zwei oder mehr mysteriöse Männer die ihn egal wo er sich befindet observieren.
Sein neuer Job fordert ihn und seine Freunde täglich aufs Neue. Jeder Mitarbeiter möchte sich möglichst schnell bei den Partnern profilieren um die Karriereleiter behände empor zu klettern, sie nehmen natürlich ihre Ausbeutung in Kauf und geben sich damit in den brutalen Mühlen einer modernen Kanzlei in der Rücksichtslos nicht das Gesetz und das Recht vertreten wird, sondern es nur um Macht, Ansehen und vor allem Geld geht. Kyle arbeitet sich gut in der Kanzlei ein und je näher er den Prozess kommt, desto mehr erhöht sich der Druck der Erpresser, sowie sein eigenes Schuldbewusstsein.
Wird Kyle einen Ausweg finden, ohne dass seine Freunde die ebenfalls mit der eventuellen Veröffentlichung alles verlieren können, gefährdet werden?! Die Eskalation wird drastischer, erst Recht als einer seiner Freunde ermordet wird....
Kritik
John Grisham, der Autor des Romans „Der Anwalt“ ist selbst ein erfolgreicher Anwalt gewesen, bevor er sich ganz dem Schreiben verpflichtete. Das der Autor weiß wovon er schreibt, fällt dem Leser sofort in den ersten Kapiteln auf.
Voller Ideale und Ideen begeben sich die jungen Studenten auf der Suche nach einer glorreichen und möglichsten vielversprechenden Anstellung in die Ausbeutung bekannter und mächtiger Kanzleien. Dort verlieren die Anwälte sozusagen ihre „Unschuld“ und lernen Streß und Egoismus kennen der nur das Ziel hat die Partner der Kanzlei mächtiger und reicher zu machen.
Anschaulich und sehr realistisch beschreibt der Autor die unmenschliche Erwartungshaltung deren sich ein Junganwalt stellen muss. Das es hier „Opfer“ gibt unter den Studenten, dass hier Stress und Schlafmangel im Vordergrund stehen, verschweigt der Autor keinesfalls. Als Leser hat man den Eindruck, dass der Autor mit allen Vorurteilen und Halbwahrheiten hier aufräumen möchte, und das gelingt ihm wirklich recht anschaulich, also von wegen „Justitia“ ist blind!
Nur ein kleiner Bruchteil der ehemaligen Studenten wird vielleicht Jahre später in die Elite der „Partner“ aufgenommen, ein größerer Anteil wird dem Druck nicht standhalten können und wird sich beruflich umorientieren, oder seinen Idealen hinterher jagen.
„Der Anwalt“ beginnt absolut spannend und packend. In den ersten Kapiteln wird Kyles Erpressung geschildert und ein Teil seiner Vergangenheit aufgerollt, so dass der Leser einen wirklich guten Einstieg bekommt. Danach ebbt die Handlung deutlich ab. Ein Spannungsbogen entsteht überhaupt nicht, zwar wird Kyle unter Druck gesetzt, aber nicht so immens das die Handlung dramatisch wird.
Kyle versucht verzweifelt seinen Hals aus der Schlinge zu ziehen, sucht Hilfe bei einem Freund der ebenfalls wie er, in der besagten Nacht ein mutmaßlicher Täter gewesen sein könnte, doch wirklich erfolgreich sind sie dabei nicht das Problem zu ihren Gunsten zu lösen. Von Seite zu Seite, von Kapitel zu Kapitel zieht sich die Story weiter fort, und man hofft, dass sich die Handlung langsam entfaltet und endlich mal Spannung erfolgt. Man wartet vergeblich!
Einzig und allein die Schilderungen des täglichen Ablaufes in einer Kanzlei mit all ihren Anforderung, ihren Fallen und unmenschlichen Bedingungen sind interessant dargestellt. Hier hat sich John Grisham ein wenig verrannt und ist meilenweit vom eigentlichen Weg abgedriftet.
Außer Kyle zeigt kein Protagonist wirklich „Profil“, weder in der Vergangenheit oder in der tatsächlichen Gegenwart. Die Anzahl der Protagonisten bleibt überschaubar, die Handlung wird zumeist aus der Perspektive von Kyle geschildert was der Abwechslung offensichtlich nicht wirklich gut tut. Mit jedem Kapitel häufen sich die Fragen immer mehr, so das man gegen Ende quasi auf einen wirklichen Berg steht, allerdings völlig alleine, denn die Fragen werden keinesfalls beantwortet.
Der „Showdown“ ist mehr wie enttäuschend, von einigen Charakteren liest man nichts mehr, sie verschwinden einfach, und dabei waren sie nicht wirklich unwichtig. Auch Kyls Spionage-Job bleibt im Hintergrund, sicherlich seine Wut und seine Hilflosigkeit treiben immer mal wieder an die Oberfläche, aber worum es wirklich um diesen Prozess geht bleibt unvollständig.
Fazit
„Der Anwalt“ von John Grisham ist nur bedingt zu empfehlen. Wer hinter die Kulissen einer mächtigen Kanzlei blicken möchte und sich über die Arbeitsbedingungen Aufschluss verschaffen möchte, für den wird der vorliegende Roman mit Sicherheit von großem Interesse sein. Wer allerdings eine abwechslungsreiche und spannend erzählte Story erwartet, wird hier bitter enttäuscht.
John Grisham Stil ist hier unverkennbar. Er ist noch immer ein wirklich guter Autor, aber dieser Roman ist inhaltlich interpretiert der schwächste. Selten habe ich ein Ende erlebt das so viele Fragen einfach offen lässt. Selbst wenn man annimmt das es eine Fortsetzung geben könnte, so wüsste ich nicht wo und vor allem wie der Autor diese Geschichte zu Ende erzählen möchte?!
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