Montag, 10. Oktober 2011

Der dunkle Thron - Rebecca Gable

Die Waringham-Saga:

01 "Das Lächeln der Fortuna"

02 "Die Hüter der Rose"
03 "Das Spiel der Könige"
04 "Der dunkle Thron"


Die Tudors waren ein walisisches Adelsgeschlecht und hatten den Thron Englands von 1485 bis 1603. Der Stammvater dieser Dynastie Owen Tudor war ein einfacher Ritter der durch die heimliche Ehe mit der Witwe des englischen Königs Heinrich V., Katharina von Valois. Er spielte keine unerhebliche Rolle in dem sogenannten Rosenkrieg (1455 - 1485) der Adelshäuser York und Lancaster die um den englischen Thron einen Bürgerkrieg entfachten. Dessen Nachkommen wurden berühmt, allen voran König Heinrich VIII. und später seine Tochter, die jungfräuliche Königin Elisabeth.


Allein das Leben König Heinrich VIII. könnte mehrere Romane mit Leben füllen. Seine Bedeutung als König, als Staatsoberhaupt, ist umstritten, seine Abspaltung von der Kirche Roms und seine sechs Eheschließungen allerdings berühmt. In seiner Regierungszeit kam es zu vielen dramatischen und historischen Veränderungen. Um den Anspruch auf den englischen Thron für sein Geschlecht den Tudors zu gewährleisten, war einer seiner größten Ängste, keinen legitimierten Sohn zeugen zu können, der ihm als König nachfolgt. Seine Exkommunikation und seine Lossagung von der römisch-katholischen Kirche stürzte sein Land in tiefe Verzweiflung und manchmal auch in verheerende Unruhen.


Seine Persönlichkeit ist nicht einfach zu definieren. Er war gebildet, verstand sich selbst als Humanist, sprach mehrere Sprachen, war sehr belesen und ein ausgezeichneter Turnierkämpfer und Sportler. Fatal war wohl, dass er neben zu vielen Beratern und einem enormen Erwartungsdruck seiner Regierung, zu schwach war, um eigene politische Entscheidung zu treffen. Vielleicht stellte er seine eigenen Interessen um seine Nachfolge viel zu sehr über die des englischen Volkes. Fakt ist, dass nicht wenige seiner engsten Freunde und Ratgeber auf dem Tower Hill dem Henker begegneten und den Tod fanden, inkl. zwei seiner Ehefrauen.


Rebecca Gablé, die in bisher drei Bänden, die Lebensgeschichten der Waringhams, einem fiktiven englischen Adelsgeschlecht, erzählte, setzt nun in einem vierten Roman: "Der dunkle Thron“"die Geschichte weiter fort.


Die Handlung spielt in den Jahren 1529 - 1553 und damit inmitten der Herrschaft König Heinrich VIII.



Inhalt


London 1529. Der vierzehnjährige Nicholas of Waringham lernt und lebt im Internat des englischen Humanisten und Rechtsgelehrten Sir Thomas More. Doch Nicholas erweist sich als nicht wirklich begabt und gelehrig. Seit zwei Jahren lebt Nick in diesem Internat und er schätzt und respektiert Thomas More sehr. Sein Einfluss bei Hofe und seine gebildete und weltmännische, aber auch freundliche, und wenn es sein muss, bestimmte Art, imponiert dem jungen Mann. Doch Thomas More ist auch ein Verfechter der römisch-katholischen Kirche und toleriert religiöse Reformen und Meinungen überhaupt nicht. Andersdenkende sind für ihn nur Ketzer, die niemals sein Vertrauen und seine Freundschaft erhalten.


Und genau das ist auch ein Grund, warum der Jurist und Politiker seinen Schützling Nick nach Waringham zurückgehen lässt. Nick soll seinen Vater, der im Verdacht steht, ein Lutheraner und Häretiker zu sein, warnen und zur Rechenschaft ziehen.


Mit einigen Zweifeln und Ängsten im Gepäck erreicht Nick die alte Burg Waringham, die schon bessere Zeiten erlebt hat. Runtergewirtschaftet und baufällig ist das Anwesen nur noch ein Schatten seiner selbst. Zum persönlichen Feind hat Nick, seit den jüngsten Kindertagen, noch seine Stiefmutter und seine Stiefschwester, die er und seine Schwester als Sumpfhexe und Brechnuss bezeichnen.


Als Thomas Cromwell, ein Jurist und aufsteigender Politiker am Hofe des amtierenden Königs Heinrich VIII., Nicks Vater verhaften und in den Tower bringen lässt, scheint sein Schicksal besiegelt zu sein. Nick schafft es durch die Unterstützung seines Paten, Charles Brandon, den Duke of Suffolk, seinen Vater im Tower zu besuchen. Durch die schweren Verletzungen, die Nicks Vater durch die Folter davongetragen hat, stirbt er vor den Augen seines Sohnes.


Nick wird klar, dass sein Vater nur eine Schachfigur auf dem politischen Brett war und er durch eine Intrige des Kardinals Wolsey zu Fall gebracht wurde. Damit ist Nick nun der nächste Lord of Waringham und tritt ein schweres Erbe an. Seine Baronie ist desolat, er hat keine abgeschlossene Ausbildung zu guter Letzt bittet die Königin Katharine von Aragon ihn um einen persönlichen Gefallen. Nick soll ihre einzige Tochter Mary beschützen.


Als Nick sein Erbe antritt, steht er vor einem wirtschaftlichen Scherbenhaufen und seine persönliche Lage sieht nicht viel besser aus. Traditionell stürzt sich der junge Lord in eine folgenschwere Entscheidung, als er die Aufgabe übernimmt, Prinzessin Mary, die Tochter von Katharina von Aragorn und König Heinrich VIII., zu beschützen.


Nick, der durch den Foltertod seines Vaters die Schuld und Verantwortung bei seinem König sieht, stellt sich gegen die Interessen der Krone. Er lehnt sich gegen die Reformen des Königs auf, er ist überzeugt von der geistigen Idee und den Idealen seines Lehrers und Mentors Thomas More. Außerdem, weil die Reformen mit roher Gewalt von dem persönlichen Sekretär seiner Majestät, Thomas Cromwell, durchgesetzt werden.

Als Thomas More dem Supremateid auf den König ablehnt, wird er auf dem Tower hingerichtet. Nick beschließt seiner Verhaftung zu entgehen, flieht in den Untergrund und schleicht sich als einfacher Stallbursche in den Haushalt von Prinzessin Elisabeth und Mary. Von hier aus kann er Mary weiter unterstützen und beschützen, nicht zuletzt durch die Hilfe von Chapuys dem kaiserlichen Diplomaten und Spion. Als Anne Boleyn ihren Kopf verliert und Jane Seymour Königen von England wird, wird das Leben für die beiden Töchter und Halbgeschwister erträglicher. Jane Seymour versöhnt Vater und Töchter und Nick kann sein selbst gewähltes Exil aufgeben und wieder als Lord of Waringham ans Licht der Öffentlichkeit treten. Doch Nicks Leben wird nicht ruhiger, denn noch stellt der König seine Interessen vor die Liebe zu seiner Tochter Mary, die sich inzwischen bedroht fühlt.


Kritik


Der vierte Band und wahrscheinlich auch nicht der Letzte, ist deutlich anders verfasst als die drei Bände, die die Geschichte der Waringhams so brillant erzählen. Die historischen Ereignisse auf der britischen Insel bilden von 1360 bis 1485 den Grundstein der ersten drei Bände der "Waringham"-Saga. Waren die drei Bände zeitlich genau aufeinander folgend, entsteht hier eine erste Lücke, da der Startpunkt von "Der dunkle Thron" das Jahr 1529 ist.


In "Das Lächeln der Fortuna" ist Robin of Waringham die Hauptfigur und kämpft um seinen Besitz. Sein jüngster Sohn John spielt in "Die Hüter der Rose" den maßgeblichen Part und dessen jüngster Sohn Julian übernimmt die Hauptrolle in "Das Spiel der Könige".


Julians Beziehungen zu dem Haus Tudor sind in dem Buch "Das Spiel der Könige" erzählt. Dort waren die Beziehungen zwischen den Adelsgeschlechter Waringham und Tudor noch ohne persönliche Verfeindungen oder Antipathie. Das ist alles schön und gut, doch Nicks Beziehungen zum Königshof sind faktisch nicht die besten. Die Waringhams waren bekannt für ihre Pferdezucht, die weit über die Grenzen der Baronie ging. Doch diese Haupteinnahmequelle ist versiegt, da der König seinen Adligen und Rittern verboten hat, dort Pferde zu kaufen oder ausbilden zu lassen. Das Marktrecht für Waringham ist damit erloschen. Nicks Vater hatte nicht sonderlich viel Interesse seine Ländereien wirtschaftlich auszubauen, um davon leben zu können. Sein Faible für Bücher und die Korrespondenz mit "Ketzern" bilden seinen Lebensmittelpunkt.


Diese kurze Beschreibung der Handlung beschränkt sich nur auf wenige Momentaufnahmen dieser, doch sehr tragischen und gefährlichen Zeit. Anders als in den ersten Romanen wird hier fast gar nicht gekämpft. Also Schwerter und Lanzen werden nicht ins Feld geführt - die Waffen in diesem Roman sind Intrige, Verrat und List und Rache. Es ist ein politischer Krieg um Macht und Einfluss bei Hofe und spiegelt ein sehr realistisches und historisches Bild wieder.


Aber auch wenn hier nicht in wilden Schlachten die Schwerter geschwungen werden, so ist das politische Schlachtfeld nicht minder spannend. Im Gegenteil - Rebecca Gablé hat großartig erzählt, wie dekadent, gefährlich und mit allen legalen wie illegalen Mitteln gekämpft wird. Eine große und vielleicht die zerstörerischste Waffe ist hier die religiöse Überzeugung, die immer mal wieder wechselt und gerade so individuell eingesetzt wird, um seinen Kopf zu retten.


Die Protagonisten in dem vorliegenden Roman sind sehr gut und ausführlich recherchiert. Rebecca Gablé gelingt das Bravourstück, einige lichte Stellen in der historischen Geschichte mit Leben und Handlung zu füllen. Einzelne Charaktere sind leider zu wenig beschrieben oder zu schnell abgehandelt. Dass König Heinrich VIII. mit seinen sechs Ehen permanent selbstgemachten Ärger ins Hause Tudor brachte, kommt in diesem Roman gut zur Geltung. Allerdings hätten einzelne Königinnen mehr Einfluss in die Geschichte bringen müssen. Jede der Damen hat schließlich eine tragische Geschichte für sich zu erzählen - Ein Kinderreim z. B. ist dieser hier: "Divorced, Beheaded, Died, Divorced, Beheaded, Survived." - "Geschieden, Geköpft, Gestorben, Geschieden, Geköpft, Überlebt."


Auch die Feinde unseres Nicholas of Waringham sind zwar gut in Szene gesetzt, aber manchmal zu einseitig. Thomas Cromwell hatte mit Sicherheit nicht nur schlechte Seiten und selbst König Heinrich VIII. war vielleicht ein Opfer seiner Zeit.


Die Charakterzeichnung von Nick dagegen ist fantastisch. Gerade weil sie so viele Ecken und Kanten hat, zeigt sich die Fehlbarkeit und simple Menschlichkeit in seiner Figur. Oftmals begreift man sein persönliches Handeln nicht oder geht sehr deutlich mit ihm ins Gericht. Seine Fehler sind so transparent und offensichtlich, auch hier ist ein Waringham eben ein Waringham und ein Schwur eben ein Schwur. Tradition hin oder her.


Rebecca Gablé bedient sich leider keiner neuen Ideen. Die grobe Handlung ist wie in den anderen Romanen ähnlich aufgebaut. Doch finde ich in "Der dunkle Thron" die Charaktere in dieser dunklen Herrschaft vortrefflich und brillant einbezogen.


Ihr erzählerischer Stil ist ähnlich den Vorgängertiteln. Sie spart sich Nebengeschichten und konzentriert sich auf ihren Hauptplot. Der Roman wird immer aus der Perspektive von Nick erzählt. Das mag ein wenig einseitig sein, doch mindert es nicht im Geringsten die Spannung.



Autorin:


Rebecca Gablé, Jahrgang 1964, in einer Kleinstadt am Niederrhein geboren, studierte nach mehrjähriger Berufstätigkeit Anglistik und Germanistik mit Schwerpunkt Mediävistik in Düsseldorf. Sie wirkte an einem Projekt zur Erforschung anglonormannischer Manuskripte mit. Diese Forschungsergebnisse flossen in ihre weitere literarische Arbeit mit ein. Heute arbeitet sie als freie Autorin und Literaturübersetzerin. Ihr erster Roman "Jagdfieber" wurde 1996 für den Glauser-Krimipreis nominiert. Wenn sie nicht gerade an einem Roman schreibt, reist sie gern und viel, vor allem in die USA und nach England, oft auch zu Recherchezwecken. Außerdem gehört sie dem Autorenkreis historischer Romane "Quo Vadis" an. Neben der Literatur gilt ihr Interesse der (mittelalterlichen) Geschichte, dem Theater und vor allem der Musik, in fast jeder Erscheinungsform. Rebecca Gablé spielt Klavier, Gitarre, Cello und singt seit vielen Jahren in einer Rockband. Mit ihrem Mann lebt sie unweit von Mönchengladbach auf dem Land. (Verlagsinfo)



Fazit


"Der dunkle Thron" ist vielleicht der beste der Autorin. Jedenfalls kristallklar ein echter Pageturner, den man gelesen haben muss. Auch ohne die drei vorangegangenen Bände gelesen zu haben, absolut empfehlenswert.


Ich bin mir fast sicher, dass Rebecca Gablé einen fünften Band veröffentlicht, denn auch Elisabeth hat eine Geschichte zu erzählen.


Wenn es eine Autorin schafft, historische Fakten und Fiktion so wunderbar und gekonnt zu kombinieren, dann mit Sicherheit Rebecca Gablé.


Um es kurzfassen: Großartig und Prädikat mit Platinstatus.



Gebundene Ausgabe: 960 Seiten
ISBN-13: 978-3431038408

www.luebbe.de

Michael Sterzik 

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