Freitag, 7. September 2018

Land im Sturm - Ulf Schiewe


Unsere Geschichte – die Geschichte Deutschlands wird in dem vorliegenden Roman „Land im Sturm“ des Münchner Autors Ulf Schiewe thematisiert. Welche beschwerlichen und auch gefährlichen Wege mussten unsere Ahnen gehen? Familiengeschichten sind, taucht man tiefer in die Recherchen ein, immer überraschend und vor allem zeigen diese: „Wer waren wir?“ und die spätere Ableitungen: „Wer sind wir nun“ – welche Spuren haben vergangene Generationen hinterlassen? Die deutsche Geschichte ist nicht so unspektakulär, gar langweilig wie man oftmals vermutet und Ulf Schiewe lädt die Leser ein, eine Familie an die 1000 Jahre literarisch durch die historischen Epochen zu begleiten. Diese Familie ist fiktiv, es gibt also keine historischen und authentischen Hintergründe, oder Quellenangaben. Nicht zu den Personen – aber die Ereignisse und die Situationen, in denen sich die Protagonisten bewegen sind authentisch.

Ulf Schiewe ist bekannt dafür, dass er vorbildlich und exakt für seine historischen Romane recherchiert. In dem Roman „Land im Sturm“ versteht es der Autor hervorragend, die faktischen Ereignisse als Bühne für seine fiktiven Figuren aufzubauen. Aufgeteilt ist der Roman in fünf Abschnitte – Kurzgeschichten einer Familie, die an der Schlacht bei Augsburg gegen die Ungarn und an dem schicksalshaften Kreuzzug gegen die Wenden teilnehmen. Der dritte Part spielt gegen Ende des 30jährigen Krieges und Generationen später beginnt sich Preußen gegen Napoleon und die französische Besatzungsmacht aufzulehnen. Letztlich mündet dann alles in die beginnende Industrialisierung – auf der Schwelle zu unseren Ur-ur-Großeltern. Jeder Part ist ungefähr 200 Seiten stark. Aufgrund dieser kurzen Kapitel ist zwar die Handlung intensiv, nicht aber die Charaktertiefe. Doch in sich sind diese Abschnitte spannend erzählt.

Erzählerischer Stil und Ausdruck sind exzellent umgesetzt. Leider enden diese Kapitel so schnell wie sie angefangen haben und vieles was noch hätte passieren können, bleibt der Fantasie des Leser überlassen. Rückblickend tauchen die Ahnen auf dieser epochalen Ereignisstrecke wenig auf. Einzig und alleine, die Namen und ein altes ungarisches Schwert wechseln über Generationen die familiären Hände.

Diese historische Reise auf der Überholspur ist kurzweilig, aber das Konzept sieht ggf. vor, dass sich der Leser selbst entscheiden kann, welches Zeitfenster aus der Vergangenheit für ihn interessant sein könnte. Was jeder später für sich geschichtlich entdecken könnte, dass liegt ganz bei dem Leser.

Die einzelnen Kapitel sind erzählerisch durchaus unterschiedlich. Atmosphärisch stellen die ersten drei Geschichten, die letzteren beiden weit in den Schatten. Die letzten beiden, spielen die schriftstellerische Stärke und zu erzeugende Spannung nicht aus. Nicht uninteressant und absolut auch nicht unwichtig für die Entwicklung und Reformierung unseres Landes, doch die Atmosphärische Stimmung lässt nach. 

Eine wichtige Botschaft des Buches ist es, aufzuzeigen, dass jeder Sturm, jeder Orkan des Lebens, einer ganzen Generation auch endlich ist. Ja, es müssen Opfer gebracht werden, aber wir lernen hoffentlich daraus. Wir zerstören – bauen es aber umso stabiler wieder auf. Wir leiden, lieben und lernen – das ist das Leben. Umso wichtiger ist es zu begreifen, dass eine literarische Reise uns auch immer wieder die Möglichkeit vor Augen führt, andere Perspektiven und Motive nachvollziehen zu können.

Ulf Schiewe ist inzwischen ein erfahrener Autor. Er hat nicht nur erzählerisches Talent, sondern platziert auch geschickt alltägliche Gegenstände aus den ganz verschiedenen Zeitzonen. Auch gesellschaftliche Normen, Stände und Erwartungshaltungen, soziale Strukturen usw. werden so anschaulich und packend erzählt, dass es zu einem vergnüglichen Geschichtsunterricht wird.

Fazit

„Land im Sturm“ sind großartige Doppelstunden Geschichtsunterricht. Spannend, unterhaltsam, lehrreich. Es gibt keine Nebengeschichten und nur wenig Nebenfiguren – fokussiert auf einer durchdachten Haupthandlung, ist der Roman stark. Kritisieren kann ich bis auf die manchmal langatmigen letzten Kapitel wenig. Ein Glossar, ein Nachwort, eine Zeittafel, vielleicht noch Quellenangaben vermisse ich ein wenig – aber ändert nichts daran, dass „Land im Sturm“ mehr ist wie ein seichtes Lüftchen im historischen Genre.
„Land im Sturm“ ist ein schneller Galopp durch 1000 Jahre deutscher Geschichte. Unterhaltsame Spannung mit hohem Tempo und exzellent erzählt.

Michael Sterzik

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