Unsere Geschichte – die Geschichte Deutschlands wird in
dem vorliegenden Roman „Land im Sturm“ des Münchner Autors Ulf Schiewe
thematisiert. Welche beschwerlichen und auch gefährlichen Wege mussten unsere
Ahnen gehen? Familiengeschichten sind, taucht man tiefer in die Recherchen ein,
immer überraschend und vor allem zeigen diese: „Wer waren wir?“ und die spätere
Ableitungen: „Wer sind wir nun“ – welche Spuren haben vergangene Generationen hinterlassen?
Die deutsche Geschichte ist nicht so unspektakulär, gar langweilig wie man
oftmals vermutet und Ulf Schiewe lädt die Leser ein, eine Familie an die 1000
Jahre literarisch durch die historischen Epochen zu begleiten. Diese Familie
ist fiktiv, es gibt also keine historischen und authentischen Hintergründe,
oder Quellenangaben. Nicht zu den Personen – aber die Ereignisse und die
Situationen, in denen sich die Protagonisten bewegen sind authentisch.
Ulf Schiewe ist bekannt dafür, dass er vorbildlich und
exakt für seine historischen Romane recherchiert. In dem Roman „Land im Sturm“
versteht es der Autor hervorragend, die faktischen Ereignisse als Bühne für seine
fiktiven Figuren aufzubauen. Aufgeteilt ist der Roman in fünf Abschnitte –
Kurzgeschichten einer Familie, die an der Schlacht bei Augsburg gegen die
Ungarn und an dem schicksalshaften Kreuzzug gegen die Wenden teilnehmen. Der
dritte Part spielt gegen Ende des 30jährigen Krieges und Generationen später
beginnt sich Preußen gegen Napoleon und die französische Besatzungsmacht aufzulehnen.
Letztlich mündet dann alles in die beginnende Industrialisierung – auf der
Schwelle zu unseren Ur-ur-Großeltern. Jeder Part ist ungefähr 200 Seiten stark.
Aufgrund dieser kurzen Kapitel ist zwar die Handlung intensiv, nicht aber die
Charaktertiefe. Doch in sich sind diese Abschnitte spannend erzählt.
Erzählerischer Stil und Ausdruck sind exzellent
umgesetzt. Leider enden diese Kapitel so schnell wie sie angefangen haben und
vieles was noch hätte passieren können, bleibt der Fantasie des Leser
überlassen. Rückblickend tauchen die Ahnen auf dieser epochalen Ereignisstrecke
wenig auf. Einzig und alleine, die Namen und ein altes ungarisches Schwert wechseln
über Generationen die familiären Hände.
Diese historische Reise auf der Überholspur ist
kurzweilig, aber das Konzept sieht ggf. vor, dass sich der Leser selbst
entscheiden kann, welches Zeitfenster aus der Vergangenheit für ihn interessant
sein könnte. Was jeder später für sich geschichtlich entdecken könnte, dass
liegt ganz bei dem Leser.
Die einzelnen Kapitel sind erzählerisch durchaus
unterschiedlich. Atmosphärisch stellen die ersten drei Geschichten, die
letzteren beiden weit in den Schatten. Die letzten beiden, spielen die
schriftstellerische Stärke und zu erzeugende Spannung nicht aus. Nicht
uninteressant und absolut auch nicht unwichtig für die Entwicklung und
Reformierung unseres Landes, doch die Atmosphärische Stimmung lässt nach.
Eine wichtige Botschaft des Buches ist es, aufzuzeigen,
dass jeder Sturm, jeder Orkan des Lebens, einer ganzen Generation auch endlich
ist. Ja, es müssen Opfer gebracht werden, aber wir lernen hoffentlich daraus.
Wir zerstören – bauen es aber umso stabiler wieder auf. Wir leiden, lieben und
lernen – das ist das Leben. Umso wichtiger ist es zu begreifen, dass eine
literarische Reise uns auch immer wieder die Möglichkeit vor Augen führt,
andere Perspektiven und Motive nachvollziehen zu können.
Ulf Schiewe ist inzwischen ein erfahrener Autor. Er hat
nicht nur erzählerisches Talent, sondern platziert auch geschickt alltägliche
Gegenstände aus den ganz verschiedenen Zeitzonen. Auch gesellschaftliche
Normen, Stände und Erwartungshaltungen, soziale Strukturen usw. werden so
anschaulich und packend erzählt, dass es zu einem vergnüglichen
Geschichtsunterricht wird.
Fazit
„Land im Sturm“ sind großartige Doppelstunden
Geschichtsunterricht. Spannend, unterhaltsam, lehrreich. Es gibt keine
Nebengeschichten und nur wenig Nebenfiguren – fokussiert auf einer durchdachten
Haupthandlung, ist der Roman stark. Kritisieren kann ich bis auf die manchmal
langatmigen letzten Kapitel wenig. Ein Glossar, ein Nachwort, eine Zeittafel,
vielleicht noch Quellenangaben vermisse ich ein wenig – aber ändert nichts
daran, dass „Land im Sturm“ mehr ist wie ein seichtes Lüftchen im historischen
Genre.
„Land im Sturm“ ist ein schneller Galopp durch 1000 Jahre
deutscher Geschichte. Unterhaltsame Spannung mit hohem Tempo und exzellent
erzählt.
Michael Sterzik
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen