Sonntag, 23. Juni 2019

Ein richtig falsches Leben - Jakob Bodan


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Viele von uns kennen leider die nationalen und internationalen Terroranschläge aus den letzten Jahren. Es ist ein Jahrzehnt des Terrors – mit einer ganz anderen strukturellen, organisierten Brutalität. Selbst die Strategie und Taktik der Terroristen sind eine ganz andere Dimension, als die, die wir in Deutschland durch die RAF (Rote Armee Fraktion) in den 70er, 80er und späten 90er Jahren fürchten gelernt haben. 1998 hatte sich die RAF mit diesen Worten aufgelöst: 

„Vor fast 28 Jahren, am 14. Mai 1970, entstand in einer Befreiungsaktion die RAF. Heute beenden wir dieses Projekt. Die Stadtguerilla in Form der RAF ist nun Geschichte. (Quelle Wikipedia)

Die Ideologie dieser deutschen Terroristen kann man über die drei Generationen dieser Gruppe, nur schwerlich folgen. Ein Stück Auflehnung gegen den Imperialismus, eine Anklage, dass wir die nationalistische Vergangenheit nicht aufgearbeitet wurde, ein Freiheitskampf, eine Rebellion gegen den Faschismus und wenn wir mal ehrlich sind – es war für viele Mitglieder der RAF eine Selbstverwirklichung, eine Bühne die Macht und Einfluss über Studenten und weitere Mitglieder bot. Politische und gesellschaftliche Beweggründe standen hier oftmals in der hinteren zweiten Reihe. Doch es gab auch einen wahren Personenkult um einige Mitglieder der RAF – Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin und Horst Mahler, der nicht zuletzt durch deren Suizid in „Stammheim“ zur Legende wurde. 

Die letzten „Überlebenden“ Terroristen befinden sich noch heute im Untergrund. Insgesamt kamen in den Terrorjahren 24 Mitglieder der RAF ums Leben – durch Suizid, Hungerstreik und Schusswechsel mit polizeilichen Behörden. 

Im Jahre 1992 erklärte der damalige Justizminister Kinkel, dass der Staat für eine Versöhnung bereit wäre und man darüber nachdenken müsse, die letzten inhaftierten Mitglieder der RAF zu entlassen. Im Juni 2011 wurde mit Birgit Hogefeld das letzte ehemalige Mitglied der RAF aus der Haft entlassen. 

Im vorliegenden Roman von Jakob Bodan: „Ein richtig falsches Leben“ thematisiert der Autor, die Ideologien, die Lügen, die Wahrheiten und das „(Über)leben der letzten lebenden Mitglieder im Untergrund. Nach dem Zusammenbruch der DDR sind diese nun auf sich alleine gestellt und nun? 

Jakob Bodan setzt der detailreich mit diesem Thema auseinander. War der bewaffnete Kampf gegen das deutsche Regime, doch nur ein Krampf? War alles umsonst? Was wurde letztlich bewegt, oder durch die Morde der RAF verändert? 

Verlogene Ideologien in einem letztlich verlorenen Leben. 

Ein spannungsgeladener Gesellschaftsroman um die Morde der dritten Generation der RAF: Die dritte Generation der RAF wollte das Ende der DDR rächen. Ihre Anschläge – auf Alfred Herrhausen und andere – wurden niemals aufgeklärt. Bis heute leben die Mörder im Untergrund. Aber wie sie leben ... 

Frederic hält es nicht mehr aus. Constanze könnte ihm zu einem neuen Leben verhelfen. Doch sie ist die Tochter eines Attentatsopfers. Und wären da nicht das Gift der Wahrheit und das Zwielicht der Politik. Frederic wird zum Gejagten in einem Spiel, in dem all zu viele Seiten die Wahrheit für immer totschweigen wollen. (Verlagsinfo) 

„Ein richtig falsches Leben“ von Jakob Bodan ist ein Gesellschaftsroman. Tiefgründig, realistisch und erschreckend sentimental, manchmal auch verzweifelt sarkastisch und mitfühlend tragisch. 

Die Summe eines gelebten Schicksals mit wirren Ideologien geprägt, mit Waffen ausgestattet um für die „Gesellschaft“ zu morden kann bitter enden. 
Der Roman beschreibt das Seelenleben der im Untergrund lebenden Terroristen und dieses ist so ironisch und sarkastisch beschrieben, dass letztlich Wahrheiten zu Lügen wurden und umgekehrt. 

Das tragische ist auch, dass eine lebenslängliche Freiheitsstrafe – deren Leben hätte mehr Ruhe geben können und die Aussicht auf eine Leben nach der Haftstrafe. Und nun ? Flucht – Überfälle – Angst – Vorsichtig sein, keine Familie, oder Freunde weil man immer auf der Hut sein muss. War es das alles wert? 

Schuld und Sühne – die Suche nach Vergebung, nach Erklärung – alles dies bietet der Roman: „Ein richtig, falsches Leben“. Ebenfalls beschreibt der Roman auch die Schattenseiten der damaligen Regierung und der polizeilichen Systeme und Geheimdienste. Eine Eskalationsspirale die auch von den damaligen Staatsorganen munter gedreht wurde. 

„Ein richtig falsches Leben“ konzentriert sich ausschließlich auf die Charaktere. Eine junge Mutter, die alleinerziehend noch immer traumatisiert nach den Gründen sucht, warum ihr Vater und dessen Hund erschossen worden sind. Ein Ex-Terrorist, der in Frankreich erfolgreich seine Marmelade verkauft und völlig verzweifelt ist und der jungen Frau sehr nahe kommt – die Aussicht auf ein „richtiges“ Leben? Dann gibt es noch weitere Terroristen, die im Untergrund leben und die ihr Leben durch Überfälle finanzieren. 

Dann die andere Seite der Medaille! Was wissen noch hochrangige Geheimdienstler, Politiker und Reporter? Sind diese Mitschuldig durch ihr Schweigen, Vertuschung und ggf. Manipulationen? 

Der Autor Jakob Bodan erzählt aus der Perspektive des Ex-Terroristen, der erfolgreiche Kompositionen seiner Marmelade verkauft und der jungen Frau, die er kennenlernt und die den gewaltsamen Tod ihres Vaters noch lange nicht verarbeitet hat. Die Dialoge sind überwiegend prägnant und kurz, allerdings auch durchdrungen von vielen Emotionen – die Verzweiflung steht da deutlich vorne. Allerdings nicht das Einsehen und wenn schon, dann halt noch verklärt und sich selbst belügend. 

Fazit

„Ein richtig falsches Leben“ von Jakob Bodan ist gesellschaftskritisch aus der Perspektive der (Über)Lebenden dargestellt. Spannend allemal – nachhaltige Stimmung und ein Aufschlag auf den Boden der Tatsachen mit bleibenden Schäden - für Täter und Opfern. 

Michael Sterzik

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