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Der zweite Weltkrieg ist
schon lange vorbei. Generationen später zeugen noch immer Museen, Mahnmale,
Bücher und Filme, historische Dokumentationen von Augenzeugenberichten für ein
Schaudern. Ist die NS-Zeit die Erbsünde unserer Generation? Verfolgt man in den
Medien den aufkeimenden Rechtsextremismus in Europa überkommt den meisten von
uns ein seichtes Unwohlsein, noch kein wirkliches Gefühl der Angst, dafür ist
unsere gelebte und geliebte Komfortzone ausgezeichnet.
Es gibt sie – die Angst vor
Veränderung, die Intoleranz gegenüber andersdenkenden und fühlenden Kulturen,
es gibt Vorurteile für manche „Rassen“ und es gibt einen ausgeprägten Hass den
Flüchtlingen und „Gutmenschen“ entgegenbringen! Das allerdings die meisten Verbrechen
– auch gerne schwerwiegende Gewaltdelikte von „deutschen“ begangen werden, ist
für diese „rechts“ lebende Gesellschaft in unserem Kreis völlig undenkbar.
Geradezu verleumderisch – oder die Lügenpresse versucht uns zu manipulieren und
Mama Merkel ist sowie an allem Schuld.
Drehen wir das Rad der Zeit
in Richtung Vergangenheit. Damals – der Wiederaufbau, die neu erbaute
Bundesrepublik Deutschland in den 60er Jahren, dass Wirtschaftswunder, der
„Boom“ unserer Gesellschaft vollzog sich nach Jahren des Krieges, des Elends
mit Hunger und Krankheiten recht fix. Doch wie reagierten die Menschen auf die
ersten Prozesse – z.B. den Frankfurter Auschwitzprozess der durch
Generalstaatsanwalt Fritz Bauer durchgeführt wurde.
Die bekannte Drehbuchautorin
Annette Hess thematisiert in ihrem ersten Roman: „Deutsches Haus“ dieses sensible
Thema, dass ihre Protagonisten zwanzig Jahre später ein- und überholt. Ihre
Hauptfigur ist eine junge Frau. Eva ist Dolmetscherin für Polnisch und wird
inmitten des vorweihnachtlichen familiären Trubels gebeten, für de
Staatsanwaltschaft, die Aussagen der KZ-Überlebenden zu übersetzen.
Das „Weltbild“ der jungen
Frau bricht damit Stück für Stück in sich zusammen. Die Verbrechen der Nazis in
Auschwitz lassen ihre moralischen und ethischen Säulen in sich zusammenbrechen.
Warum hat hier keiner aufbegehrt? Warum haben wir solch ein Leid zugelassen?
Was ging in diesen Menschen vor, die so unschuldig aussehend und lächelnd auf
der Anklagebank sitzen!? Selbst ihr Verlobter und ihre Eltern reden ihr zu,
diese Tätigkeit vor Gericht zu beenden. Die Vergangenheit soll ruhen – sagen sie
ihr immer wieder.
Die Naivität dieser jungen
Frau wird massiv gestört. Die Fragen, die sie an ihre Eltern stellt, verlaufen
zum größtenteils in Schweigen....und Eva recherchiert selbst, welche Werte ihre
Eltern früher gelebt haben und wo sie gelebt haben. Es öffnet sich ein Korridor
der Angst – links und recht öffnen sich die Türen zu weiteren schrecklichen
Erkenntnissen und Wahrheiten, die es ihr unmöglich machen passiv zu bleiben.
Anette Hess katapultiert den
Leser mitten in die Sechzigerjahre, ohne Netz und doppelten Boden, ohne
Notausgang. Die Atmosphäre des Romans ist beklemmend. Und immer gibt es ein
Fingerpointing auf dass: „Vergessen wir doch die Vergangenheit“, auf das
spießige Leben im warmen Wohnzimmer, auf die Fassade, die nur durch Schweigen,
Verdrängung und Schuld gestützt wird.
Die Autorin hält sich ein
einer düsteren und authentischen Dramaturgie. Ihr Erzählstil vermittelt den
Schrecken der Überlebenden wie ein brutal geführter Schwertstreich.
Doch zeigt Annette Hess nicht nur die
überwölkten Seiten, sondern zeigt auch, dass die Menschen
„überlebt“ haben, in dem sie sich lieben, vertrauen, und weiter positiv nach
vorne schauen.
Gibt es eine kollektive, oder
individuelle Vergebung? Die Nebenfiguren, die Annette Hess hier auffährt, sind
weder schuldig, noch unschuldig. Waren sie alle nur tumbe Befehlsempfänger,
oder waren sie böse, weil sie die „Macht“ über Leben und Tod hatten?!
Annette Hess verurteilt nicht
offensiv. Sie konfrontiert aber absolut straight den Leser mit den Schrecken
und der Schuld und nicht zuletzt wird dem Leser die Verdrängung vor Augen
geführt – und diese daraus entstehende Emotion ist brutal und kompromisslos
nachhaltig.
Offensiv spricht sie noch die Themen
„Antisemitismus“ an und der aufkeimenden Hass gegenüber den Gastarbeitern aus
Südeuropa, die mit dafür Sorgen, dass wir unsere Komfortzone bekommen haben.
„Das Deutsches Haus“ ist eine
vergangene Gegenwartsliteratur. Ein nachhaltiges Nachdenken, dass wir
aufbegehren sollen - Courage zeigen wenn
nötig, einstehen für ein offenes, und tolerantes Deutschland.
Auf den Buchrücken steht: „Dieser
Roman kommt genau zur richtigen Zeit“ – ein Zitat der Schauspielerin Iris
Berben. Dem stimme ich zu.
Fazit
Der Titel „Deutsches Haus“ ist das
Echo unserer Vergangenheit. Ein Roman, der unter die Haut geht, mit dem wir uns
auch noch in unserer Komfortzone zurücklehnen und schweigend und nachdenklich
innehalten. Großartig und Prädikat – ein Buch das man unbedingt lesen sollte.
Michael Sterzik
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