Samstag, 10. Juli 2021

Das Buch des Totengräbers - Oliver Pötzsch

 


Einer von Oliver Pötzsch Lieblingscharakteren ist der Tod in seinen verschieden Buchreihen. Er ist beides – Haupt- wie auch Nebenfigur. Immer präsent – aber immer niemand, der sich gerne zu erkennen gibt. Ist eben halt „Alles Sense“.

„Das Buch des Totengräbers“ – der neueste Titel von Oliver Pötzsch, schleudert den Leser nicht zwischen Henkerstöchtern und Dr. Faustus – nicht ins Früh- oder Spätmittelalter, doch es bleibt historisch.

Wien – 1893. Eine Weltstadt, die sich seiner Zeit sehr konträr in vielen Themen bewegt. Eine Metropole stehend auf der Schwelle zu einer „modernen“ Welt – und mit kleinen Schritten geht’s dann in die Industrialisierung. Viel länger, viel schwerfälliger ist allerdings der kulturelle und gesellschaftliche Wandel – alte Dogmen, alte Traditionen – und fangen wir mal gar nicht davon von alten Werten zu sprechen, die Clubs der alten, elitären Vereinigungen weigern und wehren sich, auch wenn sie schon längst wissen, dass ihre Zeit abläuft.

Morde gab es allerdings auch immer – die Mordwaffen verändern sich, die Methoden nicht, die Motive – wählen sie sich bitte eines aus den 7 Todsünden…eines passt immer. Das Täterprofil wandelt ja eh durch die Menschheitsgeschichte.

1893: Augustin Rothmayer ist Totengräber auf dem berühmten Wiener Zentralfriedhof. Ein schrulliger, jedoch hochgebildeter Kauz, der den ersten Almanach für Totengräber schreibt. Seine Ruhe wird jäh gestört, als er Besuch vom jungen Inspektor Leopold von Herzfeldt bekommt. Herzfeldt braucht einen Todes-Experten: Mehrere Dienstmädchen wurden ermordet – jede von ihnen brutal gepfählt. Der Totengräber hat schon Leichen in jeder Form gesehen, kennt alle Todesursachen und Verwesungsstufen. Er weiß, dass das Pfählen eine uralte Methode ist, um Untote unter der Erde zu halten. Geht in Wien ein abergläubischer Serientäter um? Der Inspektor und der Totengräber beginnen gemeinsam zu ermitteln und müssen feststellen, dass sich hinter den Pforten dieser glamourösen Weltstadt tiefe Abgründe auftun …(Verlagsinfo)

Oliver Pötzsch hat mit seinem neuesten Titel“ Das Buch des Totengräbers“ eine nicht neue, aber optimierte Autorenwelt betreten. Und dieser Entwicklungsschritt zeigt sich in der Konzeption der tollen, originellen und vielseitigen Figuren in dem vorliegenden Roman. Dazu reichen drei Hauptfiguren – Leopold von Herzfeldt, der Totengräber Augustin Rothmayer und der Wolf im Schafspelz Julia.

Alle drei sind skurril, geheimnisvoll und auf ihrer Art und haben eine kleine monopolistische Ausprägung. Obwohl hier noch ein paar menschliche Ecken und Kanten fehlen – aber warten wir mal die charakterliche Entwicklung in den nachfolgenden Romanen ab. Brillant aber auch die facettenreiche Nebenfiguren, die ebenfalls doch erdacht und aufgestellt wurden.

Die Dialoge sind toll und spiegeln die manchmal zu kleine anmutende, kulturelle und religiöse Welt wieder. Der Antisemitismus spielt hier keine tragende Rolle, aber lässt sich auch nicht einfach so ignorieren. Die Atmosphäre einer Stadt im Wandel beschreibt Oliver Pötzsch großartig. Die österreichische Metropole zeigt sich nicht immer von einer strahlenden Seite. Das Vergnügen auf dem Prater – leidenschaftliche südamerikanischer Tango in dunklen Wirtshäusern, und auch das Leben und Sterben inmitten dieser Stadt lässt tief, sehr detailliert blicken. Dazu gehören auch sittenlose Prostitution und verruchte Varietés

„Das Buch des Totengräbers“ ist ein fiktionales Werk, mit vielen, aber nicht ausschließlich historischen Personen. Wie Oliver Pötzsch Talent literarisch Bilder in die Köpfe der Leser zu projizieren ist professionell.

Die Spannung in dem Roman ist gut – aber bewegt sich auf einen schmalen Grad und diese driftet hin und wieder ab. Die Ermittlungsarbeit – egal ob wir von einer klassischen Methodik sprechen, oder die Wissenschaft an die Tür der Ermittlungsbeamten klopft – steht oftmals im Fokus und verdrängt die Perspektive des Täters und der Opfer. Genau das spürt man dann auch bei der Entwicklung des Spannungsbogens.

Fazit

„Ach Du lieber Augustin, Augustin …alles ist hin!? Ist es nicht – es ist alles in allerbester Ordnung und „Das Buch des Totengräbers“ ist die Eröffnung einer großartigen Saga mit der Oliver Pötzsch  alles richtig gemacht hat.

Ein Roman, der auch als Hörbuch ggf. mit einem Wiener Dialekt außerordentlich viel Spaß macht. Unterhaltung auf allerhöchstem Niveau. Prädikation. Ein Titel den man unbedingt lesen sollte.

Michael Sterzik


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