Seit dem ersten Band ist viel passiert. Jahre sind
vergangen und mit diesen Zeitstrahl sind inzwischen auch die Figuren dieser
historischen Kriminalreihe viel älter geworden. Die Henkerstochter Magdalena
hat zusammen mit dem ehemaligen Bader und jetzigen Arzt Simon eine Familie mit
drei Kindern gegründet. Ihr Ehemann hat in München eine eigene Praxis eröffnet,
die von den Mitbürgern ganz gut angenommen worden ist. Der alte Henker Jakob
Kuisl geht auf die 70 Jahre zu. Er ist alt geworden, sein Haar und Bart wird
grauer, und seine körperliche Stärke sowie seine bärenstarke Gesundheit wird
schwächer denn je.
Der Unterhaltungswert ist auch im aktuellen Band nicht
weniger hoch. Oliver Pötzsch konzentriert sich auf historische Ereignisse und
seine unterschiedliche Handlungsorte wirken immer einladend. Altötting und die
riesige Festung Burghausen sind die Schauplätze dieser Story. Wer die alte Burg
selbst mal besucht hat, wird sich gut an die imposante Architektur und die ganz
eigene Atmosphäre erinnern.
Wie schon in den vorherigen Bänden zuvor spielt die
bayrische Politik eine nicht unerhebliche Rolle. Kurfürst Max Emanuel und der
Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Leopold geben eine kurze Vorstellung,
wobei Max Emanuel, den man kennenlernen durfte, sich als talentierter
Politologe entpuppt.
1681: Trotz seines fortgeschrittenen Alters macht der
Schongauer Scharfrichter Jakob Kuisl noch einmal eine große Reise mit der
Familie, eine Wallfahrt nach Altötting. Zur gleichen Zeit sich hochrangige
Gäste im berühmten Pilgerort: Kaiser Leopold I. von Österreich und der
Bayerische Kurfürst Max Emanuel wollen im Angesicht der Schwarzen Madonna ihre
»Heilige Allianz« schmieden und sich im Kampf gegen die Türken verbünden. Doch
dann wird ein Mann ermordet, und Kuisl ahnt, dass die Allianz verhindert werden
soll. Zusammen mit seiner Tochter Magdalena und dem Rest der Familie macht er
sich auf die Suche nach dem geheimnisvollen Mörder. (Verlagsinfo)
Der 9. Band umfasst eine ansehnliche Anzahl von Ermittlern
– fast schon eine eigene, bayrische Sonderkommission aus Kuisl`s und
Fronwiesers. Das Gleichgewicht zwischen brachialer Muskelkraft und einer hohen
Intelligent ist somit auch hergestellt. Flankiert von viel Emotionen – allen
voran eine gewisse Naivität, dicht gefolgt von dem Talent, mit dem Kopf durch
alle Wände gehen zu wollen. Konflikte sind also vorprogrammiert, ebenso ein
altes Geheimnis, dass Jakob Kuisl seiner Tochter anvertrauen will.
Die Spannung ist wie gewohnt vorhanden, teilt sich aber auf
in viele Nebengeschichten auf. Jede Hauptfigur hat sprichwörtlich eine Aufgabe
übertragen bekommen – nein nicht vom Autor – sondern von anderen Figuren
auferlegt. Zählt man also die Familienmitglieder durch, kommt man auf eine
beträchtliche Summierung von Nebengeschichten. Die Hauptstory teilt sich somit
in vielen Einzelfragmenten auf. Spannung also vorhanden – aber etwas von einer
authentischen Realität entfernt.
An Dramatik fehlt es auch nicht – die steigert sich mit der
Anzahl der Leichen, die der Mörder hinterlässt. Doch auch Jakob Kuisl und sein
Enkel Paul tragen viel zu dabei, dass alle in Schwierigkeiten kommen. Und Simon
Fronwiesers Mundwerk ist traditionell viel lockerer, als es für ihn selbst gut
ist.
Das Motiv des mörderischen Attentäters ist etwas sehr
gewagt und allzu fantastisch vorgestellt und Rache und Neid sind sowieso nie
gute Ratgeber.
Emotional nimmt uns Oliver Pötzsch allemal mit. Allein das
Schicksal von Jakob Kuisl gibt einem das Gefühl sich ggf. bald von ihm
verabschieden zu müssen. Mit der Vergrößerung der Familie Kuisl/Fronwieser
ergeben sich erzählerisch viele Möglichkeiten. Ein Generationswechsel des
Henkers, vielleicht auch des Arztes usw. laden den Autor dazu die Reihe ggf.
noch endlos fortsetzen zu können. Genau das ist der Schwachpunkt des Romans – zu
viele involvierte Familienmitglieder, zu viele Nebenplots lassen die
eigentliche Story qualitativ etwas untergehen und damit auch ein Stück weit die
Atmosphäre. Die perspektivischen Wechsel der Erzähler sind für mich auch in
Anzahl zu viel und damit ist manchmal weniger Action und Nebenhandlung besser
für die eigentliche Geschichte.
Die ersten Romane dieser Reihe waren überschaubarer und
wirkten nicht so überladen wie der vorliegender. Leider haben damit die
Charaktere Jakob Kuisl und seine Tochter nur einen untergeordneten Fokus und
eine sekundäre Gewichtung.
Viel Historisches erfährt der Leser auch nicht – keine
Themen, die sich um den Beruf und die Tätigkeit eines Henkers beschäftigen und
selbst der Beruf eines Arztes und seine Diagnosen und Behandlungsmöglichkeiten
werden zu wenig thematisiert. Auch um die politische Lage und die Bedrohung
durch die Türken wird fast kein Wort verloren.
Als Figur hat mit sehr der Kurfürst Max Emanuel gefallen –
ein Charakter, der sehr tiefgehend dargestellt wurde und hoffentlich auch einen
Platz im 10. Band finden wird. Insgesamt allerdings wäre es vorteilhaft, den
Kreis der Hauptfiguren etwas auszudünnen.
Fazit
Ein fürstlicher, spannender historischer Roman, der es
schafft den Unterhaltungswert hochzuhalten. Band 10 kann kommen und dieser
könnte auch den Abschluss bilden. Diese historische Kriminalreihe muss man
lesen sonst hat man etwas verpasst.
Michael Sterzik
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