Dienstag, 29. November 2022

Die Henkerstochter und die schwarze Madonna - Oliver Pötzsch

Der vorliegende Titel ist inzwischen schon der 9. Band der Reihe um die „Henkerstochter“ und die Familie Kuisl/Fronwieser.

Seit dem ersten Band ist viel passiert. Jahre sind vergangen und mit diesen Zeitstrahl sind inzwischen auch die Figuren dieser historischen Kriminalreihe viel älter geworden. Die Henkerstochter Magdalena hat zusammen mit dem ehemaligen Bader und jetzigen Arzt Simon eine Familie mit drei Kindern gegründet. Ihr Ehemann hat in München eine eigene Praxis eröffnet, die von den Mitbürgern ganz gut angenommen worden ist. Der alte Henker Jakob Kuisl geht auf die 70 Jahre zu. Er ist alt geworden, sein Haar und Bart wird grauer, und seine körperliche Stärke sowie seine bärenstarke Gesundheit wird schwächer denn je.

Der Unterhaltungswert ist auch im aktuellen Band nicht weniger hoch. Oliver Pötzsch konzentriert sich auf historische Ereignisse und seine unterschiedliche Handlungsorte wirken immer einladend. Altötting und die riesige Festung Burghausen sind die Schauplätze dieser Story. Wer die alte Burg selbst mal besucht hat, wird sich gut an die imposante Architektur und die ganz eigene Atmosphäre erinnern.

Wie schon in den vorherigen Bänden zuvor spielt die bayrische Politik eine nicht unerhebliche Rolle. Kurfürst Max Emanuel und der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Leopold geben eine kurze Vorstellung, wobei Max Emanuel, den man kennenlernen durfte, sich als talentierter Politologe entpuppt.

1681: Trotz seines fortgeschrittenen Alters macht der Schongauer Scharfrichter Jakob Kuisl noch einmal eine große Reise mit der Familie, eine Wallfahrt nach Altötting. Zur gleichen Zeit sich hochrangige Gäste im berühmten Pilgerort: Kaiser Leopold I. von Österreich und der Bayerische Kurfürst Max Emanuel wollen im Angesicht der Schwarzen Madonna ihre »Heilige Allianz« schmieden und sich im Kampf gegen die Türken verbünden. Doch dann wird ein Mann ermordet, und Kuisl ahnt, dass die Allianz verhindert werden soll. Zusammen mit seiner Tochter Magdalena und dem Rest der Familie macht er sich auf die Suche nach dem geheimnisvollen Mörder. (Verlagsinfo)

Der 9. Band umfasst eine ansehnliche Anzahl von Ermittlern – fast schon eine eigene, bayrische Sonderkommission aus Kuisl`s und Fronwiesers. Das Gleichgewicht zwischen brachialer Muskelkraft und einer hohen Intelligent ist somit auch hergestellt. Flankiert von viel Emotionen – allen voran eine gewisse Naivität, dicht gefolgt von dem Talent, mit dem Kopf durch alle Wände gehen zu wollen. Konflikte sind also vorprogrammiert, ebenso ein altes Geheimnis, dass Jakob Kuisl seiner Tochter anvertrauen will.

Die Spannung ist wie gewohnt vorhanden, teilt sich aber auf in viele Nebengeschichten auf. Jede Hauptfigur hat sprichwörtlich eine Aufgabe übertragen bekommen – nein nicht vom Autor – sondern von anderen Figuren auferlegt. Zählt man also die Familienmitglieder durch, kommt man auf eine beträchtliche Summierung von Nebengeschichten. Die Hauptstory teilt sich somit in vielen Einzelfragmenten auf. Spannung also vorhanden – aber etwas von einer authentischen Realität entfernt.

An Dramatik fehlt es auch nicht – die steigert sich mit der Anzahl der Leichen, die der Mörder hinterlässt. Doch auch Jakob Kuisl und sein Enkel Paul tragen viel zu dabei, dass alle in Schwierigkeiten kommen. Und Simon Fronwiesers Mundwerk ist traditionell viel lockerer, als es für ihn selbst gut ist.

Das Motiv des mörderischen Attentäters ist etwas sehr gewagt und allzu fantastisch vorgestellt und Rache und Neid sind sowieso nie gute Ratgeber.

Emotional nimmt uns Oliver Pötzsch allemal mit. Allein das Schicksal von Jakob Kuisl gibt einem das Gefühl sich ggf. bald von ihm verabschieden zu müssen. Mit der Vergrößerung der Familie Kuisl/Fronwieser ergeben sich erzählerisch viele Möglichkeiten. Ein Generationswechsel des Henkers, vielleicht auch des Arztes usw. laden den Autor dazu die Reihe ggf. noch endlos fortsetzen zu können. Genau das ist der Schwachpunkt des Romans – zu viele involvierte Familienmitglieder, zu viele Nebenplots lassen die eigentliche Story qualitativ etwas untergehen und damit auch ein Stück weit die Atmosphäre. Die perspektivischen Wechsel der Erzähler sind für mich auch in Anzahl zu viel und damit ist manchmal weniger Action und Nebenhandlung besser für die eigentliche Geschichte.

Die ersten Romane dieser Reihe waren überschaubarer und wirkten nicht so überladen wie der vorliegender. Leider haben damit die Charaktere Jakob Kuisl und seine Tochter nur einen untergeordneten Fokus und eine sekundäre Gewichtung.

Viel Historisches erfährt der Leser auch nicht – keine Themen, die sich um den Beruf und die Tätigkeit eines Henkers beschäftigen und selbst der Beruf eines Arztes und seine Diagnosen und Behandlungsmöglichkeiten werden zu wenig thematisiert. Auch um die politische Lage und die Bedrohung durch die Türken wird fast kein Wort verloren.

Als Figur hat mit sehr der Kurfürst Max Emanuel gefallen – ein Charakter, der sehr tiefgehend dargestellt wurde und hoffentlich auch einen Platz im 10. Band finden wird. Insgesamt allerdings wäre es vorteilhaft, den Kreis der Hauptfiguren etwas auszudünnen.

Fazit

Ein fürstlicher, spannender historischer Roman, der es schafft den Unterhaltungswert hochzuhalten. Band 10 kann kommen und dieser könnte auch den Abschluss bilden. Diese historische Kriminalreihe muss man lesen sonst hat man etwas verpasst.

Michael Sterzik



Keine Kommentare: