„True Crime“ hat sich inzwischen im Genre Krimi/Thriller vollumfänglich etabliert. Das wahre Verbrechen zeigt uns viele Gesichter des Todes. Es führt uns aber auch menschliche Tragödien vor Augen, nicht nur Spuren von Blut oder detailliert beschrieben Leichen. Viele Romane schildern auch die Ermittlungsmethoden, und lassen es zu, dass wir die „Bullen“ (Polizisten) auch als führende, manchmal leidende Menschen sieht. Viele können nicht vergessen, was sie gesehen, oder erlebt haben. Viele opfern sich ggf. auf, um das „Böse in Person“ zu finden, den Eltern eine erlösende Nachricht zu überbringen, oder den Opfern eine Stimme zu geben. Es gibt so vieles, was diese Menschen antreibt.
Lassen Sie uns auch über die Täter sprechen in diesen Romanen.
Es sind nicht die klassischen bösartigen Menschen, deren moralischer Kompass
nicht mehr einwandfrei funktioniert, nicht Täter, denen jegliche Menschlichkeit
fehlt. So einfach sieht das Leben und Sterben nicht aus. Die Täter könnten auch
ehemalige Opfer sein, verlorene Seelen, oder Menschen die töten und verletzen
um sich zu rechnen. Auge um Auge – Zahn um Zahn – eine biblische Rache – ja
auch so etwas kommt vor. Auch das ist „True Crime“.
Die Münchnerin Autorin Christa von Bernuth hat im Verlag
Goldmann den Titel: „Spur 33“ veröffentlicht, der auch auf einer wahren
Begebenheit fungiert.
Ein grausames Verbrechen erschüttert die Stadt am See: Die
angesehene Familie Rheinfeld wird nachts in ihrem Haus regelrecht hingerichtet.
Der Verdacht fällt auf den heranwachsenden Sohn Leon, der erst seine Eltern und
dann sich selbst getötet haben soll. Er war psychisch krank und – zur
Verzweiflung seiner machtlosen Eltern – fasziniert von Waffen. Doch dann stellt
sich heraus, dass Leons enger Freund Ben in den Fall verstrickt zu sein
scheint: die ermittelnden Polizisten entdecken auf seinem Handy ein Video der
drei Leichen. Stimmt seine Aussage, dass er einen Amoklauf verhindern wollte,
den Leon geplant hatte? Oder handelt es sich gar um einen Auftragsmord? Je
tiefer die Ermittler graben, desto unglaubliche Erkenntnisse bringen sie ans
Licht. Bis sie auf Spur 33 stoßen ...(Verlagsinfo)
Interessant an diesem Roman ist nicht nur der Kriminalfall,
nicht nur der Mord an einer Familie, sondern die verschiedenen Perspektiven der
Figuren zeigen uns Menschen in ihrer ganzen Verzweiflung, in einer tiefen
Traurigkeit und Hilflosigkeit. Täter wie Opfer sind keine einfachen,
unsympathischen Figuren. Sie suchen nach einem „Leuchtturm“ in ihrem Leben, ein
führendes Licht, dass ihnen ihren persönlichen Weg zeigen soll. Die Autorin
transportiert absolut perfekt viele Emotionen, die die Figuren sehr
tiefgreifend in ihren denken und handeln darstellen. Die Opfer sind ebenfalls
Täter – ihr Versagen als Elternteil, das Versagen jeglicher Vernunft um auch
schwierige Herausforderungen zu lösen – diese Fehler und Fehleinschätzungen und
führen zu einer Explosion vieler Eskalationsspiralen.
Viel Intensität investiert Christa von Bernuth auch, die
Kriminalbeamten komplex darzustellen. Auch diese Perspektiven machen aus dem
Roman „Spur 33“ viel mehr als nur einen Spannungsroman mit hohem
Unterhaltungswert.
Die Autorin zielt auch darauf ab, dass wir uns mit uns
selbst beschäftigen. Wie hätten wir uns verhalten als: Opfer, Täter, Mitwisser,
als Elternteil, als Polizist, als Freund/in, als Ehepartner usw. Genau diese
verschiedenen Perspektiven verstärkt, die sowieso gegenwärtige Spannung, die
immer präsent sind.
Es ist eine spielerische Manipulation unserer Emotionen –
und das gelingt der Autorin verdammt gut, wenn man als Leser bereit ist, sich
nicht nur berieseln zu lassen, sondern auch „mitzuspielen“. Das gelingt nur
wenigen Autoren. Glückwunsch also.
Was mich etwas gestört hat, dass bei dieser Komplexität,
die Autorin in keinem Nachwort auf diesem Kriminalfall eingeht, oder was sie
selbst dazu bewegt hat, so tief in die Geschichte einzutauchen. Das war etwas
unvollendet.
Fazit
Intelligente Spannung – Tragische Figuren und der Leser als
Voyeur dabei, der angestoßen wird an dieser Handlung teilzuhaben. Prädikat: Ein
Titel, den man lesen sollte – wenn man gerne zu „True Crime Büchern“ greifen
möchte.
Michael Sterzik
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