Freitag, 24. Februar 2023

Spur 33 - Christa von Bernuth


 „True Crime“ hat sich inzwischen im Genre Krimi/Thriller vollumfänglich etabliert. Das wahre Verbrechen zeigt uns viele Gesichter des Todes. Es führt uns aber auch menschliche Tragödien vor Augen, nicht nur Spuren von Blut oder detailliert beschrieben Leichen. Viele Romane schildern auch die Ermittlungsmethoden, und lassen es zu, dass wir die „Bullen“ (Polizisten) auch als führende, manchmal leidende Menschen sieht. Viele können nicht vergessen, was sie gesehen, oder erlebt haben. Viele opfern sich ggf. auf, um das „Böse in Person“ zu finden, den Eltern eine erlösende Nachricht zu überbringen, oder den Opfern eine Stimme zu geben. Es gibt so vieles, was diese Menschen antreibt.

Lassen Sie uns auch über die Täter sprechen in diesen Romanen. Es sind nicht die klassischen bösartigen Menschen, deren moralischer Kompass nicht mehr einwandfrei funktioniert, nicht Täter, denen jegliche Menschlichkeit fehlt. So einfach sieht das Leben und Sterben nicht aus. Die Täter könnten auch ehemalige Opfer sein, verlorene Seelen, oder Menschen die töten und verletzen um sich zu rechnen. Auge um Auge – Zahn um Zahn – eine biblische Rache – ja auch so etwas kommt vor. Auch das ist „True Crime“.

Die Münchnerin Autorin Christa von Bernuth hat im Verlag Goldmann den Titel: „Spur 33“ veröffentlicht, der auch auf einer wahren Begebenheit fungiert.

Ein grausames Verbrechen erschüttert die Stadt am See: Die angesehene Familie Rheinfeld wird nachts in ihrem Haus regelrecht hingerichtet. Der Verdacht fällt auf den heranwachsenden Sohn Leon, der erst seine Eltern und dann sich selbst getötet haben soll. Er war psychisch krank und – zur Verzweiflung seiner machtlosen Eltern – fasziniert von Waffen. Doch dann stellt sich heraus, dass Leons enger Freund Ben in den Fall verstrickt zu sein scheint: die ermittelnden Polizisten entdecken auf seinem Handy ein Video der drei Leichen. Stimmt seine Aussage, dass er einen Amoklauf verhindern wollte, den Leon geplant hatte? Oder handelt es sich gar um einen Auftragsmord? Je tiefer die Ermittler graben, desto unglaubliche Erkenntnisse bringen sie ans Licht. Bis sie auf Spur 33 stoßen ...(Verlagsinfo)

Interessant an diesem Roman ist nicht nur der Kriminalfall, nicht nur der Mord an einer Familie, sondern die verschiedenen Perspektiven der Figuren zeigen uns Menschen in ihrer ganzen Verzweiflung, in einer tiefen Traurigkeit und Hilflosigkeit. Täter wie Opfer sind keine einfachen, unsympathischen Figuren. Sie suchen nach einem „Leuchtturm“ in ihrem Leben, ein führendes Licht, dass ihnen ihren persönlichen Weg zeigen soll. Die Autorin transportiert absolut perfekt viele Emotionen, die die Figuren sehr tiefgreifend in ihren denken und handeln darstellen. Die Opfer sind ebenfalls Täter – ihr Versagen als Elternteil, das Versagen jeglicher Vernunft um auch schwierige Herausforderungen zu lösen – diese Fehler und Fehleinschätzungen und führen zu einer Explosion vieler Eskalationsspiralen.

Viel Intensität investiert Christa von Bernuth auch, die Kriminalbeamten komplex darzustellen. Auch diese Perspektiven machen aus dem Roman „Spur 33“ viel mehr als nur einen Spannungsroman mit hohem Unterhaltungswert.

Die Autorin zielt auch darauf ab, dass wir uns mit uns selbst beschäftigen. Wie hätten wir uns verhalten als: Opfer, Täter, Mitwisser, als Elternteil, als Polizist, als Freund/in, als Ehepartner usw. Genau diese verschiedenen Perspektiven verstärkt, die sowieso gegenwärtige Spannung, die immer präsent sind.

Es ist eine spielerische Manipulation unserer Emotionen – und das gelingt der Autorin verdammt gut, wenn man als Leser bereit ist, sich nicht nur berieseln zu lassen, sondern auch „mitzuspielen“. Das gelingt nur wenigen Autoren. Glückwunsch also.

Was mich etwas gestört hat, dass bei dieser Komplexität, die Autorin in keinem Nachwort auf diesem Kriminalfall eingeht, oder was sie selbst dazu bewegt hat, so tief in die Geschichte einzutauchen. Das war etwas unvollendet.

Fazit

Intelligente Spannung – Tragische Figuren und der Leser als Voyeur dabei, der angestoßen wird an dieser Handlung teilzuhaben. Prädikat: Ein Titel, den man lesen sollte – wenn man gerne zu „True Crime Büchern“ greifen möchte.

Michael Sterzik

 

Keine Kommentare: