Donnerstag, 13. Juli 2023

Sünde - Megan Campisi

 


Die Sünden auf sich nehmen –  klingt irgendwie merkwürdig, dass vor dem Tod eines Menschen deren Sünden von jemand anderen aufgenommen werden können!? Der Begriff „Sündenfresser“ oder „Sündenesserin“ war mir gänzlich fremd. Die Recherche verschiedener Quellen erklärt es dann mit der Einnahme einer rituellen Mahlzeit, um die Sünden einer sterbenden, oder verstorbenen Personen spirituell auf sich zu nehmen. Das würde damit also die Seele der verstorbenen Person reinigen und von der Sünde freisprechen. Diese Rituale wurden am häufigsten in Wales, oder an deren Grenzen praktiziert.

Dieses Ritual verfügt aber auch über ein spezielles System. Je nach Sünde – präsentiert sich dann auch die jeweilige Speise. Das kann ein Brot sein, Gemüse, oder Obst, aber auch ein deftiger Braten steht hier auf dem Speiseplan.

Der vorliegende, historische Roman von Megan Campisi – „Sünde“ verarbeitet das Thema in einer spannenden und sprachlich ausdrucksstarken Geschichte.

England, 16. Jahrhundert: Als Anna Owens beim Stehlen eines Brotlaibs erwischt und verhaftet wird, ahnt sie nicht, dass die Suche nach der nächsten Mahlzeit künftig ihre geringste Sorge sein wird. Die Waise wird dazu verurteilt, eine Sündenesserin zu werden. Von der Gesellschaft geächtet und zum Schweigen verdammt, ist es fortan Annas Aufgabe, Sterbenden die letzte Beichte abzunehmen und deren Sünden so in sich aufzunehmen. Als ausgerechnet die Zofe der Königin schwer erkrankt, wird Anna an deren Sterbebett gerufen. Dabei kommt ihr ein Gerücht zu Ohren – ein Gerücht über ein ungeheuerliches Verbrechen, das bald weitere Tode fordert und auch für Anna zur Gefahr wird …(Verlagsinfo)

„Sünde“ kann für viele Leser eine sprachliche Herausforderung sein. Megan Campisi hat ihren ganz eigenen erzählerischen Stil, an dem man sich erstmal gewöhnen muss. Atmosphärisch zeigt sich der Roman insgesamt von einer sehr düsteren Seite. Die Einleitung kann man vielleicht auch mit dem Wort „Hoffnungslos“ beschreiben. Die Welt und die Zukunft der jungen Waise Anna Owens verflucht sie zu einem Leben der Stigmatisierten, ähnlich wie der eines Henkers, Abdeckers usw. wird sie zu einer Ausgestoßenen. Hunger wird Ihre kleinste Sorge sein – die soziale Ausgrenzung ihre größte. Sie geht nach ihrer Verurteilung zur „Sündenesserin“ in die praxisnahe Ausbildung bei Ruth, die das gleiche Schicksal hat.

Spannend wird „Sünde“ durch das Schicksal der Hauptfigur, nicht unbedingt durch das verhängnisvolle Geheimnis, mit dem sie konfrontiert wird. Ihre Welt spiegelt ihr alles an Neid, Angst, Misstrauen, Gier und tiefen Augenglauben wieder – und sie steht mitten drin, ohne einen Ausweg zu finden. Durch ihren „Fluch“ sieht sie viel Leid, viel Angst, sie lernt viele kleinere und größere Geheimnisse kennen. Zugleich lernt sie gezwungenermaßen auch, das Leben und dessen begrenzte Zeit zu schätzen.

Ihre Figur trägt die ganze Story auf ihren schmalen, jungen Schultern und das macht sie wirklich gut.

Erzählt wird ihre Geschichte aus ihrer eigenen „Ich-Perspektive“, sodass der Leser unmittelbar in ihrem Kopf und in ihren Gedanken steckt.

Megan Campisi`s Debüt ist gelungen. Erzählerisch ist Ihre Sprache und der Fokus auf nur eine Person etwas befremdlich. Ebenso gibt es keine Nebengeschichten, oder Personen, die die Story mittragen. Etwas eindimensional und ausbaubar in jedem Fall. Ich bin gespannt auf die nächsten Bücher der Schriftstellerin.

Fazit

„Sünde“ ist damit ein kleiner Geheimtipp. Eine dunkle Welt des Aberglaubens, der Negativität – aber alles in einer spannenden, persönlichen Atmosphäre.

Michael Sterzik

 

 

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