Sonntag, 9. Juli 2023

Im Kopf des Bösen - Der Sandmann - Petra Mattfeldt und Axel Petermann

Was geht in den Köpfen von Serienmördern vor? Welche Rituale zwingen den Mörder zu seinem persönlichen Modus Operandi? Diese psychologischen Hintergründe zu analysieren, die Methodik ist in der Kriminalistik noch relativ neu und ist bei Beamten ggf. ein polarisierendes Thema. Muss man die Motive und Hintergründe, die im Kopf des „Bösen“ rotieren, verstehen, um ggf. die nächsten Schritte des Täters vorauszusehen? Kann man den Täterkreis so weit einengen, dass der Querschnitt alle potenziellen Verdächtigen sich reduziert? Diese operative Fallanalyse, so umstritten sich auch sein mag – ist interessant und deren Akzeptanz wird nicht nur in Deutschland immer höher. Die Analyse eines Kriminalfalls ist komplex – es zählt nicht nur sich in den Gedankenpalast eines Täters hineinzudenken, sondern auch den Tatort und deren Spuren zu interpretieren. Ebenfalls stellt ein erfahrener Profiler in der Zeugenbefragung andere Fragen, wie ein Kriminalbeamter und selbst die Betrachtung des Opfers und dessen Persönlichkeit kann helfen den, oder die Täter zu ermitteln.

Axel Petermann ist Kriminalist, und ein ausgebildeter und erfahrender Profiler, der in Bremen und darüber hinaus an vielen Ermittlungen bei bekannten Mordfällen beteiligt war. Als Dozent der Kriminalistik gibt er sein Wissen an verschiedenen Hochschulen der Polizei an junge Beamten weiter.

Petra Mattfeldt ist eine sehr bekannte Autorin, die auch unter vielen Pseudonymen erfolgreiche Bücher veröffentlicht hat.

Beide haben nun ihren ersten gemeinsamen Roman „Im Kopf des Bösen – Der Sandmann“ veröffentlicht. Der echte Kriminalfall basiert auf einer Reihe von Morden, die vor 100 Jahren stattgefunden haben. Interessanter Aspekt also, dass die Autorin und der Schnüffler diese Ereignisse in unsere Zeit transportiert haben.

Einen Teddybären fest an sich gedrückt, liegt der Junge wie schlafend auf einem Feld. Doch er ist tot, erfroren. Bereits sechs Jungen wurden auf diese Weise gefunden, die Körper drapiert und ohne Anzeichen von Gewalteinwirkung. Die gebildete Sonderkommission ist ratlos, der Druck der Medien hoch. Als kurz darauf das siebte Opfer des »Sandmanns«, wie die Presse den Täter nennt, überlebt und im Koma liegt, hat die ambitionierte Fallanalytikerin Sophie Kaiser zum ersten Mal eine heiße Spur. Sophie, die durch ihr Asperger-Syndrom Zusammenhänge anders bewertet als andere, entdeckt eine Ähnlichkeit mit einer Reihe von Fällen, die Jahrzehnte zurückliegt. Damals überlebten einige der entführten und wieder freigelassenen Jungen, konnten sich aber an nichts erinnern. Hängen die Verbrechen zusammen? (Verlagsinfo)

Der Story merkt man sehr schnell an, dass der Schwerpunkt sich auf die Fallanalyse der Ermittlungen bezieht. Dieser konzentrische Kreis dreht sich auch um die beiden führenden Beamten, die sich gut ergänzen.

Auffällig ist dabei allerdings, dass man in diesem Genre mehr und mehr beobachten kann, dass solch ein Duo immer einen sehr eigenwilligen Protagonisten trägt. In diesem Fall ist es die Fallanalytikerin Sophie Kaiser, die selbstbewusst und nervend ambitioniert ermittelt. Die junge Kriminalbeamtin hat eine leichte Ausprägung des Asperger-Syndroms und kann mit ihrer Insellösung – die Sichtweise und detailreiche Analyse des Tatorts eine ganz andere Perspektive sehr hilfreich sein. Allerdings ist der persönliche und soziale Umgang eine ganz andere Herausforderung.

Als Partner an ihrer Seite fungiert Kommissar Leonhard aus Lübeck, der von Sophies eigenartigen, aber erfolgreichen Methoden fasziniert ist. Sein Fall bezieht sich auf einen erweiterten Suizid, der im Zusammenhang mit dem Sandmann stehen könnte. Was hat diese Familientragödie, bei der vier Erwachsene und drei Kinder getötet worden sind, mit einer Mordserie zu tun, die sich über viele Bundesländer erstreckt?

Irgendwie ist es anscheinend ein Trend, dass ein Kriminalbeamter das Asperger-Syndrom hat und seine „Krankheit/Talent“ sich als nützlich erweist!?

„Im Kopf des Bösen – Der Sandmann“ ist ein Krimi – wenig, bis gar keine Actionmomente. Die Spannung wird erzeugt, doch die Methoden der Fallanalytik, die sich wie ein komplexes Puzzle durch die Handlung bewegt. Wenn Sophie mit den Fotos der getöteten Kinder redet, oder sie zusammen mit Leonhard die fast schon minutiöse Tat rekapituliert – erzeugt diese eine unterhaltsame Spannung, die fesselt.

Man merkt, dass Axel Petermann hier der führende Part gewesen sein muss, um die Handlung zu erzählen. Petra Mattfeldt hat dies hervorragend umgesetzt. Bis auf wenige Situationen ist dieser Roman sehr authentisch. Sophies Aktionismus kann man ggf. als eine wilde Räuberpistole bezeichnen. Aber schließlich steht die Unterhaltung im Vordergrund. Der historische Kriminalfall wird sehr gut aufgearbeitet und die beiden Autoren zeigen auf, dass die Dynamik des Täters in dessen eigener Vergangenheit zu finden ist. Stellt also die These auf – können Missbrauchsopfer zu späteren Täter werden?

Fazit

Gekonnte Fachexpertise meets Unterhaltung und fertig ist eine spannende, fesselnde Story. Hochklassiger True Crime Thriller.

Michael Sterzik



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