Was geht in den Köpfen von Serienmördern vor? Welche Rituale zwingen den Mörder zu seinem persönlichen Modus Operandi? Diese psychologischen Hintergründe zu analysieren, die Methodik ist in der Kriminalistik noch relativ neu und ist bei Beamten ggf. ein polarisierendes Thema. Muss man die Motive und Hintergründe, die im Kopf des „Bösen“ rotieren, verstehen, um ggf. die nächsten Schritte des Täters vorauszusehen? Kann man den Täterkreis so weit einengen, dass der Querschnitt alle potenziellen Verdächtigen sich reduziert? Diese operative Fallanalyse, so umstritten sich auch sein mag – ist interessant und deren Akzeptanz wird nicht nur in Deutschland immer höher. Die Analyse eines Kriminalfalls ist komplex – es zählt nicht nur sich in den Gedankenpalast eines Täters hineinzudenken, sondern auch den Tatort und deren Spuren zu interpretieren. Ebenfalls stellt ein erfahrener Profiler in der Zeugenbefragung andere Fragen, wie ein Kriminalbeamter und selbst die Betrachtung des Opfers und dessen Persönlichkeit kann helfen den, oder die Täter zu ermitteln.
Axel Petermann ist Kriminalist, und ein ausgebildeter und
erfahrender Profiler, der in Bremen und darüber hinaus an vielen Ermittlungen
bei bekannten Mordfällen beteiligt war. Als Dozent der Kriminalistik gibt er
sein Wissen an verschiedenen Hochschulen der Polizei an junge Beamten weiter.
Petra Mattfeldt ist eine sehr bekannte Autorin, die auch
unter vielen Pseudonymen erfolgreiche Bücher veröffentlicht hat.
Beide haben nun ihren ersten gemeinsamen Roman „Im Kopf des
Bösen – Der Sandmann“ veröffentlicht. Der echte Kriminalfall basiert auf einer
Reihe von Morden, die vor 100 Jahren stattgefunden haben. Interessanter Aspekt
also, dass die Autorin und der Schnüffler diese Ereignisse in unsere Zeit
transportiert haben.
Einen Teddybären fest an sich gedrückt, liegt der Junge wie
schlafend auf einem Feld. Doch er ist tot, erfroren. Bereits sechs Jungen
wurden auf diese Weise gefunden, die Körper drapiert und ohne Anzeichen von
Gewalteinwirkung. Die gebildete Sonderkommission ist ratlos, der Druck der
Medien hoch. Als kurz darauf das siebte Opfer des »Sandmanns«, wie die Presse
den Täter nennt, überlebt und im Koma liegt, hat die ambitionierte Fallanalytikerin
Sophie Kaiser zum ersten Mal eine heiße Spur. Sophie, die durch ihr
Asperger-Syndrom Zusammenhänge anders bewertet als andere, entdeckt eine
Ähnlichkeit mit einer Reihe von Fällen, die Jahrzehnte zurückliegt. Damals
überlebten einige der entführten und wieder freigelassenen Jungen, konnten sich
aber an nichts erinnern. Hängen die Verbrechen zusammen? (Verlagsinfo)
Der Story merkt man sehr schnell an, dass der Schwerpunkt
sich auf die Fallanalyse der Ermittlungen bezieht. Dieser konzentrische Kreis
dreht sich auch um die beiden führenden Beamten, die sich gut ergänzen.
Auffällig ist dabei allerdings, dass man in diesem Genre
mehr und mehr beobachten kann, dass solch ein Duo immer einen sehr
eigenwilligen Protagonisten trägt. In diesem Fall ist es die Fallanalytikerin
Sophie Kaiser, die selbstbewusst und nervend ambitioniert ermittelt. Die junge
Kriminalbeamtin hat eine leichte Ausprägung des Asperger-Syndroms und kann mit
ihrer Insellösung – die Sichtweise und detailreiche Analyse des Tatorts eine ganz
andere Perspektive sehr hilfreich sein. Allerdings ist der persönliche und
soziale Umgang eine ganz andere Herausforderung.
Als Partner an ihrer Seite fungiert Kommissar Leonhard aus
Lübeck, der von Sophies eigenartigen, aber erfolgreichen Methoden fasziniert
ist. Sein Fall bezieht sich auf einen erweiterten Suizid, der im Zusammenhang
mit dem Sandmann stehen könnte. Was hat diese Familientragödie, bei der vier
Erwachsene und drei Kinder getötet worden sind, mit einer Mordserie zu tun, die
sich über viele Bundesländer erstreckt?
Irgendwie ist es anscheinend ein Trend, dass ein
Kriminalbeamter das Asperger-Syndrom hat und seine „Krankheit/Talent“ sich als
nützlich erweist!?
„Im Kopf des Bösen – Der Sandmann“ ist ein Krimi – wenig,
bis gar keine Actionmomente. Die Spannung wird erzeugt, doch die Methoden der
Fallanalytik, die sich wie ein komplexes Puzzle durch die Handlung bewegt. Wenn
Sophie mit den Fotos der getöteten Kinder redet, oder sie zusammen mit Leonhard
die fast schon minutiöse Tat rekapituliert – erzeugt diese eine unterhaltsame
Spannung, die fesselt.
Man merkt, dass Axel Petermann hier der führende Part
gewesen sein muss, um die Handlung zu erzählen. Petra Mattfeldt hat dies
hervorragend umgesetzt. Bis auf wenige Situationen ist dieser Roman sehr
authentisch. Sophies Aktionismus kann man ggf. als eine wilde Räuberpistole
bezeichnen. Aber schließlich steht die Unterhaltung im Vordergrund. Der historische
Kriminalfall wird sehr gut aufgearbeitet und die beiden Autoren zeigen auf, dass
die Dynamik des Täters in dessen eigener Vergangenheit zu finden ist. Stellt also
die These auf – können Missbrauchsopfer zu späteren Täter werden?
Fazit
Gekonnte Fachexpertise meets Unterhaltung und fertig ist
eine spannende, fesselnde Story. Hochklassiger True Crime Thriller.
Michael Sterzik
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