Die Bibel – ist sie nun ein historisches Zeitzeugnis, oder eine Sammlung von paranormalen, blutigen und dramatischen Überlieferungen? Sowohl als auch. Die Protagonisten der Bibel im neuen und alten Testament sind historische Persönlichkeiten, über die die theologischen Wissenschaftler inzwischen vieles recherchieren und nachvollziehen konnten. Bei weitem allerdings nicht alles – die Quellenlage ist sagen wir ambitioniert. Überlieferungen, Notizen usw. sind über die Jahrtausende natürlich nicht erhalten geblieben. Die Evangelien sind in römischer Zeit von Kaiser Konstantin nach seinen Wünschen veröffentlicht worden. Ganze Passagen wurden bewusst nicht ins Neue und Alte Testament aufgenommen, weil diese lange vorher mit Absicht vernichtet wurden. Dieses menschliche Kalkül lädt zu vielen Diskussionen, Vermutungen und Verschwörungen ein. Ein radikaler Schritt – man könnte auch von Manipulation sprechen.
Aber kommen wir zu den historischen Personen zurück. Jesus – seine Apostel, seine Mutter Maria u.a. Menschen – die zu „Heiligen“ wurden. Somit müssen wir unterscheiden – zwischen Fakten und Fiktion. Es entstehen zahlreiche Konflikte um Glauben oder Unglauben – zwischen einer historischen, wissenschaftlichen Wahrheit und einer Sammlung von Legenden und Überlieferungen. Der Vatikan hütet viele Geheimnisse, auch diejenigen, die die Kirche gefährlich werden könnten, wenn man sich mit der Glaubwürdigkeit, oder der Unfehlbarkeit von Kirchenfürsten und Päpsten beschäftigt. Die katholische Kirche ist voller Sünde; Missbrauch an Kindern und Jugendlichen, Geschäfte mit der Mafia, u.a. – gerade in unserer aktuellen Zeit. Nichtsdestotrotz ist der Vatikan nicht ohne Einfluss in der Politik gewesen und agiert noch immer hinter vielen staatlichen Kulissen.
Im vorliegenden Titel von Steve Berry – Opus – thematisiert der Autor die Figur und das Wirken von Jesus Mutter Maria – eine ambivalente Figur, und weitere Themen wie z.B. der Missbrauch von Priestern, oder die Vernichtung der Katharer usw. Viele Themen – alle allerdings auch gut recherchiert und erklärt.
Nicholas Lees Job ist so einzigartig wie die Artefakte, die er beschützt: Für die UNESCO bewahrt er das kulturelle Erbe der Welt vor Kriminellen. Doch als ein Teil des weltberühmten Genter Altarbilds zerstört wird, führt ihn die Spur ausgerechnet in ein Nonnenkloster. Noch ahnt Lee nicht, was auf ihn zukommt, aber die Verschwörung reicht bis in die höchsten Kreise des Vatikans. Wieso sollte das Kunstwerk zerstört werden? Enthält es wirklich verschlüsselte Hinweise auf ein Jahrtausendes altes Geheimnis, das die katholische Kirche in ihren Grundfesten erschüttern könnte? (Verlagsinfo)
Die Spannung des Romans entwickelt sich über die Thesen der Kirchen- und Kunstgeschichte. „Opus“ spielt in der Gegenwart – katapultiert den Leser aber auch immer durch die Jahrhunderte voller historisch belegten Ereignissen, die auch von allerlei Sünden und Geheimnissen getragen werden. Dass versteckte Botschaften sich auf, oder in Motiven bekannter Künstler verstecken, ist belegt. Deren Bedeutung, oder Botschaften sind allerdings noch lange nicht final analysiert. Wer sich schon mit den Romanen von Dan Brown beschäftigt hat, wird unweigerlich auf Parallelen stoßen. Maria – Die Mutter Gottes – ist sie nun eine historische Person, oder nicht? War sie eine Jungfrau und frei von Sünde – oder eine fehlbare, ja auch sterbliche Frau?! Wo und wie hat sie nach der Kreuzigung ihres Sohnes Jesus gelebt?
Und die alles entscheidende Frage – warum ist ihr Schicksal dem Vatikan so wichtig?
Der Vatikan zeigt sich im vorliegenden Roman nicht von seiner besten, heiligen Seite, sondern agiert sehr weltlich. Es gibt außer dem Vatikan – noch andere religiöse Interessengruppen und Vereinigungen, die mit der Kirche in Rom nicht unbedingt und kompromisslos paktieren, oder deren Gesetze und Geheimnisse achten. Diese Inkonsequenz lässt die Kirchenfürsten und ihre persönlichen Interessen aufhorchen.
Die große Stärke des Romans liegt an den verwendeten Themen der Kirchenkunst und deren Geschichte. Spione von Königen und Kardinälen, die zu Geheimnisträgern werden, einer Kirche, die für ihr Überleben tötet – leider nicht Fiktion, sondern eine Faktenreiche Sammlung einer höchst interessanten Vergangenheit, die noch immer Auswirkungen auf die Gegenwart haben.
Die Figuren sind interessant, aber spielen ihr Potenzial nicht aus und sind leider oberflächlich in der Story eingebaut. Die Vermengung von verschiedenen Themen, von einer radikalen Kirche, sündenbehaftete Priester, selbstbewussten und wehrhaften Nonnen, bewaffneten Dominikanern und noch mehr Interpretation von Kunstwerken gelingt ganz gut, wenn man aus der Perspektive der Spannung verfolgt. Aber auch wenn die Recherche von Steve Berry solide ist, so geht er manchmal einen recht freien Weg in seiner Sichtweise.
Geholfen hätten einige Illustrationen dieser Kunstwerke, um die Story fassbarer zu machen. Unweigerlich geht man dann als interessierter Leser selbst ins Netz und auf eine Recherchereise.
Als Thriller gesehen, ist der vorliegende Roman manchmal zu harmlos. Es gibt Actionszenen, und das Ende ist abwechslungsreich, doch irgendwie konnte sich der Autor nicht entscheiden – Spannung, und (oder) wissenschaftliche, kulturelle und religiöse Themen?!
Fazit
Ein Roman für Leser, die gerne von Kirchengeheimnissen und Geheimbünden mehr wissen möchten. Eine versteckte Symbolik in Bildern – nicht neu – aber spannend und informativ erklärt. Gut zu empfehlen.
Michael Sterzik
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