Diese Grenzgänger haben es nicht leicht – in der Mitte zwischen Gesetz und Verbrechen – zwischen harter Arbeit
und der Versuchung schnell zu Geld zu kommen, und dann ist da noch der moralische Kompass, das blöde Gewissen, das sich meldet und der Wunsch vielleicht doch aus dem Schatten der Unterwelt auszutreten, um eine Familie zu gründen. Also so unkompliziert ist es nicht über seinen Schatten springen zu wollen.
Die preisgekrönte, in Österreich lebende Autorin Alex Beer hat nun ihren zweiten Kriminalroman der Reihe um den Meisterdieb und ehemaligen Gauner Felix Blom veröffentlicht – Der Schatten von Berlin.
Berlin, 1879: Der ehemalige Gauner Felix Blom und seine Geschäftspartnerin Mathilde Voss stehen kurz vor dem Bankrott. Da kommt den beiden Detektiven ein lukrativer Auftrag sehr gelegen: Sie sollen herausfinden, wer in die Gruft eines kürzlich verstorbenen Archäologie-Professors eingedrungen ist. Der Sarg wurde aufgebrochen, jedoch nichts gestohlen. Kurz darauf wird ein Kleinganove brutal ermordet, und die Fälle scheinen miteinander verbunden zu sein. Die Spur führt ausgerechnet zu Bloms einstigem Mentor, dem gerissenen Gangsterboss Arthur Lugowski. Felix und Mathilde ahnen nicht, dass sie bald zwischen die Fronten rivalisierender Banden geraten und Blom den Fall nicht nur mit legalen Mitteln lösen kann …(Verlagsinfo)
Der zweite Band dieser Reihe gehört mit den zu besten Kriminalromanen, die ich je gelesen habe. Alex Beer bezaubert den Leser mit einer atmosphärischen Stimmung, die einen von der ersten bis zur letzten Seite völlig einnimmt. Sei es, das historische Stadtbild Berlin, oder Hinterhöfe und ärmeren Viertel in denen Menschen mit Charakter, aber wenig Geld leben – so stimmungsvoll eine Bühne zu erschaffen, dass habe ich schriftstellerisch selten erlebt. Man spürt hier deutlich das historische Flair und den Atem vergangener Zeiten. Vorab sei zu sagen, dass die Story nicht fiktiv ist, sondern auf wahren Begebenheiten konzipiert ist.
Aber was wären die Schauplätze ohne die Figuren, die diese mit Leben füllen. So stimmungsvoll und intensiv diese sind, so finden wir diese erzählerische Tiefe auch wieder, wenn man sich mit den Figuren beschäftigt. Der „Held“ dieser Reihe ist „Felix Blom“ – aber auf ihn konzentriert sich die Handlung nicht zwangsläufig. Der sympathische und schlitzohrige, ehemaliger Dieb, der vor kurzer Zeit aus dem Gefängnis Moabit entlassen wurde, hat in dem ehemaligen Freudenmädchen Mathilde Voss eine souveräne Kollegin gefunden. Diese Zigarrenrauchende und manchmal burschikose, junge Frau – tritt sehr selbstbewusst auf und weiß sich durchaus in der dominanten Welt der Männer durchzusetzen. Sie ist die Stimme der Vernunft in diesem ungleichen Duo. Ihre Vergangenheit wird nicht allzu rückblickend thematisiert – doch zeigt es sich, dass sie noch etwas zu verarbeiten hat.
Felix Blom ist hervorragend konzipiert. Sehr auf sein Aussehen bedacht, und ein großer Genießer von Schnupftabak hat dieser nicht nur schnelle Finger, sondern ist auch ein schneller Denker. Er ist ein Schlitzohr und sein eigener Schatten liebäugelt doch allzu gerne wieder mit den Gedanken und der Versuchung lange Finger zu machen.
Alex Beer hat ebenso viel Wert darauf verwendet, den Nebenfiguren eine erzählerische Seele zu geben. Großartig ist die Darstellung des alten, aber herzensguten Gangsterboss Lugowski gelungen, der ganz schnell noch schneller sympathisch um die Ecke kommt – aber auch andere um die Ecke bringen kann, wenn es nötig sein sollte. Die Seite des Gesetzes ist auch durch zwei Kommissare gut besetzt. Ein alter Erzfeind von Felix Blom und sein Kollege, der gerade einen Kulturschock erlebt, da er jahrelang in Afrika gelebt hat.
Insgesamt ist der zweite Band ein absolutes Lesevergnügen. Die Story ist sehr spannend, abwechslungsreich und auch mal emotional gestaltet. Die Dialoge sind brillant – und alles in allem wirkt es fein abgestimmt. Inhaltlich keine erzählerischen Längen, oder Szenen die sich später als überflüssig erweisen.
Von der Vergangenheit der handelnden Personen erfährt man nicht viel – man vermisst es auch allerdings nicht. Alex Beer erzählerischer Stil hebt sich sehr positiv hervor – kurz – knapp – präzise, auf das wesentliche konzentriert und inhaltlich so vielseitig und atmosphärisch, dass man am Ende sich verzweifelt fragt: Wann es weitergeht mit Felix Blom.
Fazit
Spannende Schattenspiele – vielseitige Figuren. Unterhaltung auf allerhöchstem Niveau. Unbedingte Leseempfehlung.
Michael Sterzik
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