Freitag, 18. April 2025

Einsteigen Warum das Bahnfahren immer noch die schönste Art zu reisen - Titus Müller


Ist Bahnfahren immer schrecklich, weil man vielleicht vergeblich auf den Zug wartet, der Zug zu spät kommt und man seinen Anschlusszug nicht mehr erreicht, oder weil die Mitreisenden nur nerven, vielleicht ist auch noch die Toilette defekt oder das Bistro verlangt Preise jenseits unserer Vorstellungskraft? Das ist sicher alles richtig, und als professioneller Bahnreisender habe ich in den letzten dreißig Jahren wohl so ziemlich alles an Katastrophen mit der Bahn erlebt. Aber auch das ist nur die halbe Wahrheit, denn es gab auch schöne Erlebnisse, Züge, die mich tatsächlich pünktlich an mein Ziel brachten, tiefsinnige, ernste und lustige Gespräche mit meinen Sitznachbarn. Und bei rund 250 Stundenkilometern im ICE kann man beim Blick auf die Landschaft durchaus ein Gefühl der Entschleunigung bekommen. Und manchmal auch eine meditative Soziologie des Lebens selbst.

 

Es gibt viele Vorteile, ebenso viele Nachteile und jeder muss für sich selbst entscheiden, wie und mit welchem Stress oder Vergnügen er Hunderte oder gar Tausende von Kilometern zurücklegen möchte. 

 

Titus Müller hat mit seinem neuesten Buch “Einsteigen“ - Reisen mit der Deutschen Bahn eine Lanze gebrochen. Als Autor reist er vor allem mit der Bahn von Lesung zu Lesung, von Interview zu Interview und erzählt von seinen Erlebnissen mit der Bahn in Europa, in den USA und natürlich in Deutschland. Es ist eine kleine Liebeserklärung und lässt Bahnkritiker darüber nachdenken, ob wirklich alles so dramatisch ist, wie es immer dargestellt wird. Um es vorweg zu sagen: Nein, das ist es nicht.

 

Für Bestsellerautor Titus Müller ist das Bahnreisen immer noch die schönste Art zu reisen. In Einsteigen erzählt er von eigenen Erlebnissen rund um das Zugfahren, nimmt uns mit in einen Nachtzug nach Venedig, begegnet Eisenbahn-Enthusiast:innen und erkundet, wie das Bahnfahren unser Lebensgefühl, unser Miteinander und übrigens auch unsere Zeitmessung beeinflusst hat. Mit feinem Humor, entwaffnender Menschenkenntnis und erzählerischer Raffinesse ermuntert er uns, sich auf die unwägbaren Begegnungen und Erfahrungen beim Bahnfahren einzulassen, denn im Zug sitzen wir selten allein. So kann jede Bahnreise zum Genuss werden - und unsere ewige Sehnsucht sowohl nach Verbundenheit als auch nach der Ferne stillen. (Verlagsinfo) 

 

Das kleine Buch ist großartig, und vielleicht ist Titus Müller mit diesem Titel zum Botschafter aller Eisenbahnen geworden. Mit viel Gefühl, noch mehr Humor und entwaffnender Ehrlichkeit erzählt er von seinen Erlebnissen und Begegnungen im Zug. Er öffnet seine Schranken und schenkt dem Leser eine Fahrkarte für unterhaltsame Stunden, die uns zeigen, dass Reisen uns immer auch das Gefühl gibt, selbst Ausgangspunkt und Ziel zu sein. 

 

Im Zug reisen Menschen unterschiedlichen Alters, Herkunft, Religion, Wissens usw. - und wo sonst haben wir die Möglichkeit, mit ihnen in einen heiteren Dialog zu treten? Die Sehnsucht des Autors, „Menschen“ zu beobachten, kennen zu lernen und vielleicht einen weiteren Blickwinkel zu bekommen, beschreibt er in vielen Erlebnissen, die wir auch haben könnten oder noch haben werden.

„Einsteigen“ hat auch etwas mit „Aussteigen“ aus dem Alltag zu tun. Mit den anderen Reisenden bilden wir eine Zweckgemeinschaft, eine Gruppe von Brüdern und Schwestern, eine Gruppe, die vielleicht nicht nur das gleiche Ziel vor Augen hat, sondern auch das gleiche Schicksal? Alles ist möglich und eine Reise kann sehr abenteuerlich sein. Man weiß, wo man hin will - aber die gedanklichen Umwege, die man nimmt, die kennt man nicht. 

 

Titus Müller lässt auch Vergleiche mit anderen Ländern zu, das ist sehr interessant und zeigt auch deutlich die Defizite auf, die wir in Deutschland haben. Aber auch hier geht es nicht um perfekte Technik auf Schienen - auch hier stehen die Menschen im Mittelpunkt, die uns helfen, von A nach B zu kommen.

 

Fazit

 

Nehmen Sie sich Zeit, steigen Sie ein in dieses Buch und begleiten Sie Titus Müller auf seinen Reisen. Vielleicht treffen wir ihn im Abteil, im Bistro oder auf dem Bahnsteig. Wir Menschen reisen immer - das liegt in unserer Natur, und wir lernen dabei immer dazu. Das ist großartig.

 

Michael Sterzik 

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