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Freitag, 26. Mai 2023

Der letzte Auftrag - Titus Müller


Das geteilte Berlin war in der Vergangenheit ein Karussell der östlichen und westlichen Geheimdienste. Inmitten des Kalten Krieges und Jahre später als Michail Gorbatschow von Perestroika und Glasnost wurde der Fall der Berliner Mauer und der Zusammenschluss beider deutscher Staaten zu einem Symbol der Freiheit. 

 

Diese Reformen veränderten die perspektivischen, idealistischen Grundsätze von Meinungs- und Pressefreiheit und sie ließen die DDR in ihren Grundfesten erschüttern. „Wir sind das Volk“ – den Parteigrößen der DDR, war es sehr wohl bewusst, dass es nicht ewig so weitergehen konnte. Die Nato  - Europa und die wirtschaftlichen Verbindungen mit den USA haben den Kommunismus in die Schranken verwiesen. Alle wussten sie es, alle verdrängten die Tatsache, dass man Menschen auf Dauer nicht in ein staatliches Gefängnis einsperren kann, und der Schrei nach Freiheit nicht innerhalb der Staatsgrenzen der DDR blieb. 

 

Im dritten Band der hervorragenden Trilogie von Titus Müller – Der letzte Auftrag – springt die Handlung ins Jahr 1989. Der Widerstand der DDR gewinnt deutlich an Kraft und wieder einmal spielt die ehemalige Spionin Ria Nachtmann eine Rolle. 

 

1989. Ria Nachtmann hat ihre große Liebe geheiratet und sich als Spionin zur Ruhe gesetzt. Ihre Tochter Annie verfolgt derweil einen gewagten Plan: Sie will eine Doku des DDR-Widerstands drehen und sie in den Westen schmuggeln. Als sie und ihr Freund Michael dabei versehentlich zwei Männer einer KGB-Geheimoperation filmen, gerät alles außer Kontrolle. Der in Dresden stationierte russische Agent Wladimir Putin hängt sich an ihre Fersen. Mutter und Tochter stehen bald zwischen allen Fronten und müssen erkennen, dass es um nichts weniger geht als um den Sturz der DDR-Regierung und die Zukunft Deutschlands. (Verlagsinfo)

 

Titus Müller jongliert in „Der letzte Auftrag“ mit vielen historischen Themen, dem Widerstand und den innenpolitischen Krisen in der DDR, das letzte Aufbegehren der Staatsorgane und letztlich auch, die ersten Weichenstellungen eines Wladimir Putin, der als Außenagent in Dresden schon längst verstanden hat, die Weichen für seine persönliche Zukunft zu stellen.

 

Als KGB-Agent, und als Jurist erkennt er die Möglichkeiten sein Russland neu zu gestalten und kompromisslos und konsequent entwickelt er sich zu einer Machtfigur. Sein geheimdienstliches Netzwerk erweist sich als ein „Sesam öffne Dich“. 

 

Ria Nachtmann spielt allerdings in diesem Roman nur eine Nebenrolle. Sie nutzt ihre alten Kontakte zum BND, um ihrer Tochter und ihrem Freund dabei zu helfen, den Widerstand in der DDR zu unterstützen. Dass der Apfel nicht weit vom Stamm fällt und Annie sich in Schwierigkeiten befindet, liegt auf der Hand. Sie ist nicht weniger impulsiv und einfallreich wie ihre im Westen lebende Mutter. 

 

Es gibt viele weniger geheimdienstliche Aktivitäten als in den beiden Bänden zuvor. Hier übernehmen die politischen und sozialen Brennpunkte die Handlung. Ein Erich Honecker, die noch immer in seiner DDR-Blase lebt und sich seinen Rücktritt stellen muss. Die Kommunalwahlen der DDR, die zweifelsfrei keinesfalls „frei“ sind, und dessen Ergebnisse schon vor der eigentlichen Wahl feststanden. Und es gibt auch Menschen innerhalb der Politik und des Staatsschutzes, die sich jetzt die elementare Frage stellen: wozu das alles noch? Müssen die Demonstrationen mit Waffengewalt beendet werden. Die Grenzen und Reisewege nach Prag wieder geschlossen werden? Es ist der Anfang vom Ende und der Beginn der Wiedervereinigung. 

 

Titus Müller romantisiert das Schicksal seiner Figuren nicht. Es gibt keine Herz-Schmerz-Story zwischen feindlichen Agenten, oder anderen Menschen. Die Emotionen zeigen sich in der Wut, der Verzweiflung, der Angst und auch der Hoffnung von Menschen, denen es bewusst wird, dass es zu einem Wendepunkt kommt. Diese Flucht nach vorne – das ist die Botschaft des Buches – der Schrei nach Freiheit. 

 

Interessant ist die Perspektive und die Erklärung der Figur Wladimir Putins. Glaubt man den Quellen, so schildert Titus Müller diesen erzählerischen Part als sehr authentisch. Doch es geht hier nicht in eine persönliche Analyse über. Der Autor zeigt nur auf, wie der Plan des Mannes aussieht, der Jahrzehnte später für einen Krieg in Osteuropa verantwortlich ist. 

 

Spannend und unterhaltsam ist die Story, wenn auch diese nicht an die beiden vorherigen Teile dieser tollen Reihe herankommen. 

Mit dieser Reihe beweist sich Titus Müller als ein sehr, sehr guter Historiker, der unserer Vergangenheit eine Stimme gibt. Ich würde mich freuen, wenn Titus Müller ggf. eine weitere Reihe schreiben würde, z.B. wie kommen die Stasi-Mitarbeiter mit ihrer Vergangenheit klar? Welche posttraumatischen Erlebnisse dürften diese haben? Gerade in dem Bewusstsein, dass sie gedroht, gefoltert und ggf. auch getötet haben? Wie machen sich solche Erlebnisse in einem Leben in „Freiheit“ bemerkbar? 

 

Fazit

 

Der Schrei nach Freiheit – aufs Papier gebracht. Ein historisches Echo, dass wir noch heute hören. Eine Grenzerfahrung, die eine Tragödie war, und deren Auswirkungen noch immer spürbar sind. 

 

Eine Reihe – die man gelesen haben sollte – wenn man sich für die Deutsch-Deutsche Geschichte interessiert. 

 

Michael Sterzik


Mittwoch, 11. Mai 2022

Das zweite Geheimnis - Titus Müller


Die DDR gehört zur deutsch-deutschen Geschichte. Ein marxistisches, kommunistisches System, dass im Kalten Krieg zwischen den damaligen Großmächten, der USA und der Sowjetunion, eine wesentliche Rolle spielte. Der Klassen- und Systemfeind der BRD steht stellvertretend für eine koordinierte und systematische Kontrolle ihrer Bevölkerung. Mit allem Mitteln wurden alle Register gezogen, alles an kriminelle Energie aufgewendet, um ein idealistisches, politisches System durchzusetzen. So, oder so war es zum Scheitern verurteilt – auch die Führung wusste es, sie bediente sich gerne aus dem Warenkorb des Westens und verdrängte den Schrei nach Freiheit – der immer lauter wurde. Jetzt 33 Jahre später gibt es noch immer den Schatten dieses Staates in den Köpfen vieler Bewohner. Es wird noch Generationen benötigen, bis Vorurteile, Vorbehalte und Klischees aus dem Weg geräumt sind. Wer waren diese Menschen, die systemtreu Verbrechen verübten? „Das zweite Geheimnis“ von Titus Müller ist der zweite Band der Trilogie, die dieser furchtbaren Beziehung zweier Bruderstaaten eine Stimme gibt.

„Die fremde Spionin“ – spielt kurz vor dem Mauerbau – der vorliegende spielt im Jahr 1973 – die Weltfestspiele der Jugend werden in der DDR ausgetragen. Diese „Tor“ zum Westen ist auch für die DDR ein Versuch, an Prestige zu gewinnen. Mit dem Wohle der Jugend, der sportlichen Fairness und der Freiheit hat es weniger zu tun. Titus Müller erzählt die Geschichte von Ria Nachtmann und ihrer Familie konsequent weiter. Die ehemalige Spionin reaktiviert sich selbst, nachdem ihr Schwager, ein Grenzsoldat auf der Flucht angeschossen und nun inhaftiert wurde. Auch ihr innerer Drang sich an dem Regime zu rächen ist nicht gänzlich verschwunden, aber die Liebe zu einem westdeutschen Journalisten und die Schwierigkeiten mit ihrer Tochter Annie lassen sie ein zweites Mal zwischen die Fronten der beiden deutschen Lände kommen.

Zwölf Jahre nach dem Mauerbau führt Ria Nachtmann ein weitgehend angepasstes Leben in Ostberlin. Niemand würde vermuten, dass sie einst als Spionin für den Bundesnachrichtendienst aktiv war. Nur eines hat die Jahre überdauert: ihre Liebe zu Jens, einem westdeutschen Journalisten. Doch Verbindungen mit dem Klassenfeind sind streng verboten. Als Ria ein geheimes Treffen arrangiert, wird sie bereits beobachtet. Ein gefährliches Katz-und-Maus-Spiel beginnt ...(Verlagsinfo)

Titus Müller gibt dieser Epoche eine bildgewaltige, auch brutal ernste Atmosphäre. Themen wie Folter in der Haft, Verhör- und Beschattungstechniken, die erpresserische Manipulation von Freunden und Familienmitglieder, der Verrat usw. spielen wichtige Rollen in dem vorliegenden Roman. Natürlich wird auch das Doping thematisiert und sowieso die Hintergründe und Methoden dieses Systems angesprochen. Für viele Leser sind diese geschichtlichen Aspekte und Details schwer zu verstehen. Sie sind nicht nur spannend und unterhaltsam, insgesamt sind diese auch emotional aufwühlend. Besonders die erzählerische Perspektive einer Stasi-Agentin die verbissen Rita jagt, um diese zu entlarven – ist unglaublich intensiv beschrieben.

Titus Müller erzählt auch von Spionage und Gegenspionage – von gefährlichen Unternehmungen und Situationen, die ggf. Lebensgefährlich sind, aber mit Sicherheit zu einer langen Haftstrafe führen könnten. Neben der Stasi-Agentin, lässt auch Rias Schwager – der verräterische Grenzsoldat, ein ehemaliger Offizier tief in seine Seele blicken. Seine Verzweiflung, sein Begreifen seines eigenen Versagens lassen auch die Szenen um Rita etwas in die zweite Reihe driften.

Neben der Unterhaltung sind die Charaktere erstklassig konzipiert. Haupt- und Nebenakteure bilden ein komplexes Gesamtkonstrukt, das jeglicher Erwartungshaltung entsprechen sollte. Wie schon im ersten Band kommen auch historische Ereignisse und Personen.

Die Guillaume-Affäre, der wohl politisch bedeutsamste Spionagefall wird, hier erzählt. Günter Guillaume war einer der engsten Mitarbeiter im Bundeskanzleramt unter Willy Brandt. Ein DDR-Agent im Kanzleramt. Das Leben schreibt eben doch die besten Geschichten.

„Das zweite Geheimnis“ ist atmosphärisch ungemein gut. Beim Lesen entstehen allerhand Fragen, auf die Titus Müller noch keine Antwort gibt. Wer waren diese Menschen bei der Stasi – die linientreu Verbrechen begingen? Was machen diese wohl zu Zeit und wie gehen diese mit ihrer Vergangenheit um. Diese Trilogie wird viele Menschen dazu animieren, hinter den eisernen Vorgang der DDR zu schauen. Sie werden erstaunt sein, sie werden überrascht sein, sie werden sich erschrecken.

Titus Müller erzählerischer Stil ist großartig. Konzentriert entwirft er gleich mehrere Spannungsbögen und jongliert damit fehlerfrei. Der dritte Roman dieser Reihe erscheint im Mai 2023 und wird im Jahre 1989 spielen – der Fall der Berliner Mauer, der das Ende der DDR einläutet und wenig später zur Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten führt.

Im Nachwort geht Titus Müller auf die historischen Ereignisse ein und bietet dem Leser damit viele, sehr interessante Hintergrundinformationen.

Fazit

„Das zweite Geheimnis“ ist ein Echo der deutsch-deutschen Vergangenheit. Spannende Unterhaltung mit viel Emotionen, die unter die Haut gehen. Diese Trilogie gehört zu den wichtigsten Romanen in diesem Jahr. Pageturner.

Michael Sterzik

 

Donnerstag, 5. Mai 2022

Die fremde Spionin - Titus Müller


1989 – ein historischer Tag – das Tag der Deutsch-deutschen Wiedervereinigung. Zwei getrennte Staaten – oftmals sind auch Familien getrennt und Freunde. Vereint in der Vergangenheit – getrennt durch zwei politische Ideale und Wertvorstellungen. Das Wort „Freiheit“ hat hier unterschiedliche Bedeutungen. Eine kriminelle, unmenschlich erzwungene Kontrolle von Menschen, eine definitive Manipulation des Zusammenlebens und der politischen Meinung und des Verständnisses für ein Miteinander. Die DDR war ein politisches System, das gefoltert und getötet hat – ein Regime der Lüge, der Propaganda und des Verdrängens. Eine Spaltung durch das Land, durch die Stadt Berlin und letztlich auch eine Disharmonie, die auch jetzt nach 33 Jahren noch spürbar ist in Ost und West.

Titus Müller hat in seinem Roman: „Die fremde Spionin“ dem Kalten Krieg, der baldigen Trennung der beiden deutschen Staaten eine besondere Atmosphäre eingefangen. Eine Geschichte in der Geschichte – Fiktion in Fakten, die authentisch verarbeitet wurden. Eine tolle Figurenzeichnung, in der auch historische Personen auftreten und somit der ohnehin schon intensiven Story noch den letzten Schliff gibt.

Für die Generation, die nach 1989 geboren ist, ist der vorliegende Roman ein erschreckender Bruchteil der deutschen Geschichte. Der Kalte Krieg der Geheimdienste ist auch eine Auseinandersetzung zwischen Wertevorstellungen – dass merkt man spürbar schnell und fängt dabei auch die Zerrissen- und inneren Unsicherheit der Menschen auf, die in der damaligen DDR gelebt haben.

Ria ist zehn Jahre alt, als ihre Eltern von der Staatssicherheit abgeholt werden. Sie wird von ihrer kleinen Schwester getrennt und in einer Adoptivfamilie untergebracht. Seither führt Ria in Ostberlin ein scheinbar angepasstes Leben. Erst als der BND sie als Informantin rekrutiert, sieht sie ihre Chance gekommen. Mithilfe des westlichen Geheimdienstes will Ria sich an der DDR rächen und endlich ihre Schwester wiederfinden. Doch dann erfährt sie im Sommer 1961 von einem ungeheuerlichen Plan, der ihr Schicksal und die Zukunft beider deutscher Staaten für immer verändern könnte …(Verlagsinfo)

Rache und Vergeltung ist die Motivation der Hauptfigur Ria, aber das ist noch bei weitem nicht alles. Der Hass geht tiefer, der Unmut nicht frei leben, reden und handeln zu können sitzt tief und ist für die junge Frau Fluch und Segen zugleich.

Als Spionin des BND verfügt sie über großes Talent, aber gerät trotzdem als Mitarbeiterin des Ministeriums für Außenhandel der DDR zwischen den Fronten in Lebensgefahr. Die durchdringende Spannung die Titus Müller hier spürbar und fesselnd transportiert ist großartig. Es ist ein authentisches Spiegelbild – nicht nur der Geschichte, sondern auch der Lebenseinstellung, des Gefühls und dem Schrei nach Freiheit – der 1989 dann doch die Berliner Mauer zu Einsturz bringt.

Doch Titus Müller erzählt nicht nur von idealistischen Gefechten, sondern schildert auch den Alltag der Menschen in der DDR. Ein gut strukturiertes Gesamtbild, dass allerdings den Fokus „Den Bau der Berliner Mauer“ nicht verliert. Damit kommen dann historische Persönlichkeiten wie Walter Ulbricht, Erich Honecker und John F. Kennedy zu Wort.

Es ist auch kein klassischer Spionageroman – aber Titus Müller beweist auch hier erzählerische Tiefe und erzählt von Verhörtechniken, von toten Briefkästen und der Handhabung von Minikameras u.ä. Werkzeugen.

Die Dialoge sind brillant – besonders wenn die Hauptakteurin Rita Nachtmann Situationen und Gefühle beschreibt, ist die Dramatik der Ereignissee absolut authentisch. Im vorliegenden Band: „Die fremde Spionin“ findet sich keine künstliche Theatralik wieder. Spannung hin oder her – die sensible Stimmung, das alltägliche Grauen, die Verzweiflung und auch das Aufgeben der Menschen werden hier genauso erzählerisch dicht beschrieben – wie die Hoffnung auf Freiheit, die innere Rebellion, die gesellschaftliche Anpassung an ein verlogenes System.

Man mag sich fragen, warum die Menschen sich so instrumentalisiert haben lassen – Titus Müller beantwortet diese Frage nicht – die Gründe dafür liegen auf der Hand, aber sind nicht so einfach zu begreifen, schon gar nicht in Romanform.

„Die fremde Spionin“ spiegelt vieles positives, wie auch negatives aus dieser Zeit. Ein wichtiges Buch, das aufwühlt, das aufklärt, ohne abwertend zu wirken.

Fazit

„Die fremde Spionin“ ist ein nachhaltiges, geschichtliches Echo zweier deutscher Staaten, die getrennt worden sind. Ein Zeitzeugnis, das unterhaltsam aufklärt, warum wir heute sind, wie wir sind. Großartig.

Michael Sterzik