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Montag, 22. Oktober 2018

Vollendet - Die Flucht - von Neal Shusterman

Der Titel „Vollendet – Die Flucht“ von Neal Shusterman wurde in Deutschland schon 2012 veröffentlicht. Nach dem Erfolg der beiden Jugendbuchtitel: „Scythe“ von Neal Shusterman, lässt der Verlag Fischer die Reihe „Vollendet“ neu aufleben. Der Autor, der grundsätzlich moralische Themen in seinen Titeln diskutiert, lässt in dem vorliegenden Roman das Thema „Organspende“ drastisch und dystopisch darstellen. 

In unserer heutigen Zeit, führt die Organspende noch immer zu intensiven Diskussionen. Fakt ist: Es gibt zu wenige Spender. Die Statistiken zeigen, dass die Bereitschaft mit den eigenen Organen nach dem Tode Leben und Hoffnung zu spenden, rückläufig ist. Schon längst ist Deutschland in einer Stiftung „Eurotransplant“ vertreten, in der sich einige europäische Länder organisiert haben. 

Der amerikanische Autor Neal Shusterman thematisiert die moralische und ethische Fragestellung einer Abtreibung um diese dann dramatisch in eine Organspende umzuwandeln? Na verstanden? Hört sich schrecklich an, oder? Ist es auch – in einer nahen Zukunft haben sich die Abtreibungsgegner und die Befürworter auf eine Alternative geeinigt. Die Medizin hat große Fortschritte gemacht, noch gibt es keine Unsterblichkeit, noch gibt es Krankheiten die zum unausweichlichen Tod führen. Doch die Wissenschaftler und Ärzte überlisten den Tod mit einer Organspende etwas makaber, das Thema Abtreibung ist faktisch einfach nur umgangen worden. Die Eltern können ihre Kinder in den Lebensjahren 13 – 18 Jahren nachträglich „abtreiben“. Nett umschrieben nicht man das nicht „Tod“ – sondern freundlicherweise wird man „umgewandelt“. Die zur Abtreibung bestimmt Person spendet all ihre Körperteile und Organe und (über)leben“ weiter. 

Das damit natürlich nicht alle Jugendlichen einverstanden sind, dürfte auf der Hand liegen. Auch der Gedanke, dass sich die Eltern unbeliebten Nachwuchs legal entledigen, ist in sich völlig abgedreht krank. Schlechte Noten? Pubertäre Rebellion? Scheidungskinder – und zack schon wird man von den Eltern „abgetrieben“ und findet sich in einem Erntecamp wieder, in dem man als menschliches Puzzle zerstückelt wird.  

Neal Shusterman erzählt in „Vollendung  - Die Flucht“ die Handlung aus drei Perspektiven junger Menschen, die zur Umwandlung gespendet wurden. Ein „Problemkind“, dass in der Schule nicht durch gute Noten, sondern Prügeleien auffällt, dann ein Waisenmädchen das talentiert aber nicht gut genug das Klavier beherrscht und deswegen aus wirtschaftlichen Gründen „gespendet“ wird. Zu guter Letzt noch ein 13-jähriger Junge, der von seiner religiösen Familie, als Opfer (Zehnt-Opfer-Fest) seiner Bestimmung folgen darf.

Der Autor zeigt ein drastisches Zukunftsbild, mit Moral- und Ethischen Werten, die fragwürdig ist. Was ist ein Leben wert? In diesem Fall nicht viel. Vielen Leben retten, ja klar - aber der Preis erscheint unmenschlich hoch. Die Grundidee wirft eine Welle von Fragen auf, alle Fragen und abzweigende Themen werden leider vom Autor nicht gänzlich beantwortet. Immer wieder gibt es Aspekte die Neal Shusterman anreißt und den Leser dann im Regen stehen lässt. Das ist der größte inhaltliche Schwachpunkt – die Welt um die drei Flüchtlinge, die es schaffen müssen bis zum 18 Lebensjahr in einem Stück zu überleben, ist vollumfänglich nicht gut und ausführlich erzählt. 

„Vollendet – Die Flucht“ ist der Auftakt zu einer Reihe, die vier Bände umfassen soll. Vielleicht werden also die nächsten Bände, die aufkommenden Fragen beantworten können. Es wäre jedoch vorteilhaft bei einem so verstörenden Thema, die komplexe Welt, die Neal Shusterman beschreibt etwas detailreicher zu beschreiben. Es gibt auch keine ausführliche Erklärung der Vergangenheit? Was ist passiert? Welche technische Evolution fand stand? Was ist mit anderen Ländern? In welcher Zeit spielt der Roman eigentlich? Welche gesellschaftlichen Probleme, oder kulturelle gibt es? Man könnte diesen Fragenkatalog noch endlos weiter führen. Antworten dazu gibt es in Band 1 nicht.

Man merkt, dass sich Neal Shusterman als Autor seit 2012 weiterentwickelt hat. Analysiert man die beiden späteren Scythe-Bände, so präsentiert sich ein viel detailreiches Bild. Stil, Ausdruck und Sprache sind deutlich anspruchsvoller und vielschichtiger. 

Spannend ist „Vollendet – Die Flucht“ nicht unbedingt. Man hat den Eindruck, dass die Flucht dieser „Wandler“ (so nennt man die Flüchtlinge, die umgewandelt werden sollen) niemals endet. Dazu gibt es dann Dialoge, die langatmig und manchmal die Geschichte nicht nach vorne bringen. Es gibt wenig bis gar keine Nebengeschichten und Charaktere, die überzeugen. Auch die drei Hauptdarsteller sind etwas sehr blass dargestellt und von ihrer Vergangenheit erfährt man zu wenig, sodass die charakterliche Tiefe nicht ausgebaut ist.

Emotional lässt mich die Handlung einfach kalt, sie berührt mich zu keinem Zeitpunkt. Die Erwartungshaltung bei einem so beängstigenden, verstörenden Thema, scheint zu hoch zu sein. Für Jugendliche Leser allemal geeinigt, aber für Erwachsene, deren Lebenserfahrung und Komplexität größer ist, ist „Vollendet – Die Flucht“ ein unvollendeter Roman. Er hätte groß werden können – dafür ist die erzählte Welt allerdings viel zu klein. 

Michael Sterzik

@fischerverlag 








Dienstag, 22. November 2016

Die Spiegelstadt - Justin Cronin

Nach den beiden Teilen der Passage-Reihe: „Der Übergang“ und „Die Zwölf“, ist nun der dritte und abschließende Teil: „Die Spiegelstadt“ im Goldmann Verlag erschienen.

Diese Dystopische Reihe um den Untergang und die Auferstehung der menschlichen Zivilisation gehört zu den derzeitig besten Umsetzungen, die es auf den Buchmarkt gibt. Erinnern wir uns, was in den letzten beiden Romanen geschehen ist. Ein Virus breitete sich aus und infizierte Menschen mutierten zu Vampirähnlichen Kreaturen, deren Verstand fast faktisch aussetzte. Die Kreaturen überrannten die Städte, die überlebenden sammelten sich in kleinen Städten und bauten diese zu schwer bewaffneten Festungen aus. Die Menschheit ordnete sich vollkommen neu, eine soziale Infrastruktur sorgte für latente Sicherheit und zu guter Letzt, konnten die 12 Hauptträger des Virus vernichtet werden. 

Der dritte Band „Die Spiegelstadt“ knüpft fast nahtlos an den Zweiten. Die Virals, wie sie die Überlebenden nennen, sind verschwunden. Doch die Angst und Bedrohung, dass diese nach Jahren wieder auftauchen, ist allgegenwärtig. Nicht ohne Grund – es gibt noch den einen – Zero genannt – der das Virus in sich trägt. Dieser Vater der Zwölf ist der Ursprung und seine menschliche Seite verspürt noch immer Rache und Wut. Einst war er ein begnadeter Wissenschaftler, aber nach einer unerfüllten, tragischen Liebe ist sein Ziel, die Reste der Menschheit auszulöschen.

Ein Großteil des Romans handelt von „Zero“ – es ist eine intensive Biografie, die einen manchmal sehr berührt. Ein Mensch mit vielen Fehlern, aber auch außergewöhnlichen Talenten und wie so oft in sich an kleinen Dingen gescheitert.
Es ist nicht möglich mit diesen Antagonisten keine Sympathie zu empfinden, denn „böse“ war er zu diesem Zeitpunkt nicht. Verzweifelt, ängstlich, ermüdet vom Leben und nun eine tragische Gestalt ohne Hoffnung auf innere und äußere Vergebung?!

Die Spannung in „Die Spiegelstadt“ entsteht durch die eindringlichen Dialoge und einer symbolischen und tiefgründigen Charakterzeichnung der Figuren.  Die Spannung bleibt in jedem Augenblick der Story enthalten, einige Dialoge und Szenen ziehen sich zwar inhaltlich in die Länge, doch mindern diese keineswegs das Lesevergnügen. Das Szenario umfasst viele Genre in sich: Fantastik, Horror, Thriller....alles zusammen ein fantastischer Mix, der überzeugt.

„Die Spiegelstadt“ kann allerdings als Einzeltitel nicht gelesen werden, ohne die Basis des ersten und zweiten Teils ist der vorliegende Band nicht zu begreifen.

Diese Trilogie ist ein Stoff aus Albträumen, Ängsten und einer wirklich nicht unrealistischen Idee. Eine Verfilmung als Serie wäre gut vorstellbar – allerdings müssten die Charaktere auch sorgsam ausgewählt werden, diese sind der Dreh- und Angelpunkt der gesamten Handlung.

Der Abschluss ist ein Feuerwerk an Action – rasant – intensiv – stark. Besonders der Epilog geht unter die Haut, denn die Geschichte ist grandios beendet.

Justin Cronin hat mit diesem Werk für sich ein kleines, literarisches Denkmal gesetzt.

„Die Spiegelstadt“ von Justin Cronin ist Formvolllende Endzeitliteratur mit einem brillanten Suchtfaktor.

Michael Sterzik