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Samstag, 9. November 2024

Die Henkerstochter und das Vermächtnis des Henkers - Oliver Pötzsch


Der zehnte und vielleicht letzte Band dieser historischen Reihe von Oliver Pötzsch ist ein wirklich gelungener Abschluss dieser Familiengeschichte. In den letzten 10 Bänden haben wir die Möglichkeit gehabt, in chronologischer Reihenfolge eine umfassende Geschichte zwischen dem Tod und dem Leben zu verfolgen. Als Henker war Jakob Kuisl gezwungen, im Namen des Gesetzes Menschen zu töten - ein Schritt, der in psychologischer Hinsicht immer wieder Spuren in der Seele hinterlässt. Parallel verfolgen wir den Werdegang von Simon Frohnwieser, der sich entschied, Medizin zu studieren und zu praktizieren, um Leben zu retten. Die Henkerstochter heiratete einen Arzt - ein gesellschaftlicher Übergriff, wenn man bedenkt, dass dies in einer an Ständen und Berufsgruppen orientierten Gesellschaft nur in Ausnahmefällen akzeptiert wurde. Die Zahl der Figuren wuchs stetig, Kinder, Verwandte, Freunde und Bekannte wurden zu Haupt- und Nebenfiguren. Oliver Pötzsch gab all diesen Figuren nicht nur eine unverwechselbare Stimme, sondern entwickelte sie auch charakterlich weiter.

Aber alles hat ein Ende und das ist auch gut so - auch wenn ich diese Romanfiguren vermissen werde, ist es ein guter Zeitpunkt aufzuhören. 

Diese Reihe zeichnet sich durch die historischen Details aus, die Oliver Pötzsch fabelhaft recherchiert hat. Ereignisse, Situationen, Berufsbeschreibungen und auch Handlungsorte hat er nach historischen Quellen perfekt in fiktive, spannende und vor allem unterhaltsame Romane umgesetzt.

1683: Das Reich ist in Gefahr, denn das osmanische Heer steht kurz vor Wien und ein vernichtender Krieg scheint unausweichlich. Auch um den alten Henker Jakob Kuisl steht es schlecht, körperliche Schmerzen und Sorgen plagen ihn. Umso erstaunter ist er, als er einen Brief von seinem früheren Weggefährten Nepomuk erhält, der ihn bittet, nach Passau zu kommen, um bei der Bergung eines Schatzes zu helfen. Jakob Kuisl tritt diese letzte große Reise in der Hoffnung an, mit seinem Anteil des Schatzes seiner Familie das Bürgerrecht zu erkaufen. Doch als der Henker in der Stadt an der Donau ankommt, macht er eine schreckliche Entdeckung: Sein Freund wurde auf entsetzliche Weise ermordet. Schnell erfährt Kuisl, dass er nicht der Einzige ist, den Nepomuk nach Passau gebeten hat: Vier frühere Kameraden haben ebenfalls Briefe erhalten. Und so schließen sich die fünf alten Söldner zusammen, um herauszufinden, wer Nepomuk getötet hat – und warum ...(Verlagsinfo) 

Jakob Kuisl war nicht immer Henker - er war zwar Spross einer Henkersfamilie, aber auch Soldat im Dreißigjährigen Krieg. Dass der alte Henker natürlich posttraumatische Erinnerungen an Mord, Verstümmelung und Totschlag hat, wird in diesem Roman deutlich. Dass der griesgrämige, aber liebenswerte Großvater nicht immer ein guter Mensch war, erkennt dann auch seine Enkelin. Ein Opfer des Krieges ist immer auch die Unschuld - und unschuldig war er ganz sicher nicht. Vieles aus der unrühmlichen Vergangenheit des alten Henkers wird nun ans Licht gezerrt. Alte Erfahrungen reißen neue und alte Wunden auf. Die alten Kriegskameraden - ebenso desillusioniert, zum Teil immer noch gewalttätig - katapultieren die Vergangenheit in seine unmittelbare Gegenwart.

Tod und Leben - auch hier im ewigen Kampf. Für den Enkel des Henkers spielt die Belagerung des osmanischen Heeres vor Wien, der als Soldat seiner eigentlichen Berufung folgt, eine wesentliche Rolle. Zur gleichen Zeit sind Simon und seine Frau als Leibarzt des Kaisers und seiner schwangeren Frau für das Leben der beiden verantwortlich. Der Leser trifft auf eine ganze Reihe faszinierender Persönlichkeiten - die als Nebenfiguren ein gewisses Standing haben und die Geschichte auf eindrucksvolle Art und Weise vertiefen.

Spannend ist die Geschichte um einen historischen Schatz - eine alte Sage, die bekanntlich einen wahren Kern hat. Jakob Kuisl wird zum „Jäger des verlorenen Schatzes“. 

Auch dieser Roman ist mit zahlreichen Actionsequenzen und anderen Spannungsmomenten gespickt, die keine Langeweile aufkommen lassen. In einigen Dialogen spiegelt sich aber auch der feine Humor von Oliver Pötzsch wieder. Historisch gesehen ist der Roman absolut grandios. Auch wenn der aktuelle Krieg kaum thematisiert wird.

Viele Erzählstränge und Schicksale finden in diesem Band ein sehr gutes Ende. Zwar lässt der Autor noch einige Türen offen - und vielleicht bekommt die eine oder andere Figur aus dieser Reihe in Zukunft ein eigenes Buch. Potenzial ist auf jeden Fall vorhanden. 

Die Geschichte konzentriert sich auf das Schicksal von Jakob Kuisl und drängt damit leider viele andere Figuren in den Hintergrund. Ich hätte gerne die Gedanken einiger weiterer - auch der Nebencharaktere - gelesen. 

Dennoch ist „Die Henkerstochter und das Vermächtnis des Henkers“ einer der stärksten Bände dieser Reihe. Und mit jedem Ende - öffnet sich auch eine neue Tür - aber diese Tür muss Oliver Pötzsch irgendwann selbst aufstoßen. 

Fazit

Das ist der grandiose Abschluss einer grandiosen Reihe, die unbedingt in chronologischer Reihenfolge gelesen werden sollte. 

Eine historische Geschichte, die in eine tolle atmosphärische Geschichte verpackt ist, die ein pures Lesevergnügen auf höchstem Niveau garantiert.

Michael Sterzik