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Mittwoch, 6. April 2022

Das Mädchen und der Totengräber - Oliver Pötzsch

 


Nach dem ersten Band der erfolgreichen Krimireihe: Das Buch des Totengräbers von Oliver Pötzsch, ist nun der zweite Band dieser großartigen Reihe – Das Mädchen und der Totengräber – veröffentlicht worden. Wieder spielen die beiden Figuren, der jüdische, leicht versnobte Leopold von Herzfeldt und der belesene und gebildete Totengräber Augustin Rohtmayer eine wesentliche Rolle, auch wenn die Figur des Wiener Totengräbers verdrängt worden ist von der Polizeifotografin Julia Wolf.

Oliver Pötzsch ist ein begnadeter Erzähler. Der Unterhaltungswert dieser Reihe ist dermaßen hoch, dass man sich fragt: Wie könnte denn eine Steigerung aussehen? Der vorliegende Roman splittet sich im Storytelling auf und hat so habe ich es empfunden sehr gute erzählerische Parts, aber auch Situationen, die zu intensiv bzw. langatmig erzählt wurden.

Den Wiener Charme, die Lebensart um das Jahr 1894 hat Oliver Pötzsch hervorragend eingefangen und präsentiert dem Leser ein authentisches Stadtbild, sowie ein eindrucksvolles, soziales Spiegelbild der Gesellschaft. In Wien, kurz vor der Jahrhundertwende vollzieht sich ein Wandel in der Kultur, der Rollenverteilung von Mann und Frau, der Wahrnehmung des Adels und natürlich bildet sich ein gefährlicher Nationalismus. Diese einzelnen Faktoren bilden dann ein Gesamtbild der österreichischen Haupt- und Regierungsstadt, deren Stimmung man sich nicht entziehen kann.

Der Autor befasst sich stark mit dem Thema der „Ägyptologie“ – deren Forschung, aber nicht im Fokus liegt, sondern die Ausschlachtung der Mumien mit ihren „Schätzen“. Man könnte sagen, dass nicht nur die Totenruhe massiv gestört wird, sondern diese faszinierende morbide Wahrnehmung dieser Epoche vergewaltigt wirkt. Ein „gesellschaftlicher“ Trend – ein who ist who der elitären Form.

Wien 1894: Totengräber Augustin Rothmayer wird von Inspektor Leopold von Herzfeldt um einen ungewöhnlichen Gefallen gebeten: Der kauzige Totengräber vom Wiener Zentralfriedhof, der jede Spielart des Todes kennt, soll ihm alles über das Konservieren von Verstorbenen erzählen. Es geht um Leopolds neuen Fall: Im Kunsthistorischen Museum wurde ein Sarkophag mit einer Leiche gefunden. Doch es handelt sich nicht um eine jahrtausendealte Mumie. Der Tote ist ein berühmter Professor für Ägyptologie, dessen Leichnam erst vor Kurzem nach altem Ritus präpariert wurde. Schnell wird spekuliert, der Professor sei einem uralten Fluch zum Opfer gefallen. Doch weder Rothmayer noch von Herzfeldt glauben an eine übersinnliche Erklärung. Sie sind sich sicher: Es war Mord! (Verlagsinfo)

Oliver Pötzsch läutet einen Personenwechsel der Hauptpersonen ein. Der charismatische, geheimnisvolle Augustin Rothmayer wird von Julia Wolf verdrängt. Das ist auch der massivste Kritikpunkt von mir. Das Engagement von Julia, die gerne investigativ und fast schon aggressiv Ermittlungen vornimmt, wirkte auf mich zu offensiv und ließ die Aura von Geheimnissen und etwas Mystik wie im ersten Teil verschwinden. Dazu nervt Julia Wolf mit ihrem Mutter-Theresa-Stil.

Dagegen wirkt der Part eines Mörders, der tötet und seine Opfer verstümmelt, sehr spannend – obgleich er starke Verwandtschaften zu dem britischen Jack the Ripper aufzeigt.

Herrlich sind die Dialoge gestaltet. Die sind nicht nur spannend, informativ, sondern auch witzig, ohne lächerlich, oder gezwungen zu wirken. Ausgenommen auch hier die Figur der Julia Wolf.

Augustin Rothmayer spielt eine Nebenrolle und selbst der Titel: „Das Mädchen und der Totengräber“ ist absolut deplatziert und hat mit der eigentlichen Handlung nichts zu tun. Schade, denn eine Nebenrolle steht ihm wirklich nicht – verschenktes Potenzial, oder kommt da noch was!?

Ich habe viele Romane, fast alle von Oliver Pötzsch gelesen – allerdings ist der Showdown in der, der Piefke Leopold von Herzfeldt Regie führt – mit das stärkste, was Oliver Pötzsch je verfasst hat. Man kann ihn spitzbübisch förmlich grinsen sehen – nicht nur Leo – der hier zum Löwen wird.

Insgesamt ist der Unterhaltungswert – die Spannung – die Atmosphäre großartig gelungen und es war ein Vergnügen, diesen Titel zu lesen. Ich hoffe nur, dass Augustin Rothmayer im nächsten Band aus seinem erzählerischen Grab aufersteht.

Fazit

Die Unterhaltung ist so süß wie einer Sachertorte und königlich spannend. Mörderischer Wiener Charme und man wünscht sich gerne eine Zeitmaschine.

Unbedingt lesen.

Michael Sterzik

 

Sonntag, 31. Oktober 2021

Der letzte Tod - Alex Beer


Historische Kriminalromane sind im Genre „Krimi/Thriller“ inzwischen stark vertreten. Gemordet wurde halt auch in der Vergangenheit und das nicht zu wenig. Eine historische Bühne kann für den Autor atmosphärisch wirkungsvoll verwendet werden. Dieses Ambiente überträgt sehr schnell die Stimmung einer ganzen Bevölkerung und kann somit politisch, kulturell, wie auch mit sozialen Aspekten reizend eingebaut werden. Nebenschauplätze und Nebenfiguren wird hier eine Bühne gebaut, die ggf. für die Story von größerer Bedeutung sein können, als wenn eine Story in unserer Zeit spielt. Das Interesse an einer Zeitreise in vergangene Epochen ist noch immer von großem Interesse.

Alex Beer lässt seinen neuesten, historischen Kriminalroman vor fast genau 100 Jahren spielen. 1922 – ist Wien nach dem Krieg noch immer schwer gezeichnet. Eine Inflation, die Lebensmittelknappheit, die Verbreitung von Krankheiten steigern die Wut der Bevölkerung auf die Amts- und Würdenträger der Stadt. Damit ist die Atmosphäre der Handlung sehr schnell präsent und bildet ein hervorragendes Stimmungsbild der Bevölkerung.

Wien im September 1922: Die Inflation nimmt immer weiter Fahrt auf, die Lebenshaltungskosten steigen ins Unermessliche, und der Staatsbankrott steht kurz bevor. Unterdessen haben Kriminalinspektor August Emmerich und sein Assistent Ferdinand Winter es mit einem grausigen Fund zu tun: Auf dem Gelände des Wiener Hafens wurde in einem Tresor eine mumifizierte Leiche entdeckt. Und dabei bleibt es nicht, denn der Mörder tötet nach einem abscheulichen Muster, und er hat sein nächstes Opfer schon im Visier. Doch damit nicht genug: Ein alter Feind aus Emmerichs Vergangenheit taucht wieder auf – und er trachtet dem Ermittler nach dem Leben …(Verlagsinfo)

Der Autor Alex Beer legt viel Wert darauf, seinen Kriminalroman so perfekt zu inszenieren, wie es ggf. möglich ist. Das fängt wie oben beschrieben bei dem gewählten Schauplatz an und setzt sich weiter fort, wenn wir die Haupt- und Nebenfiguren betrachten.

Besonders die Hauptfigur, der Ermittlungsbeamte August Emmerich trägt vieles, ggf. alles dazu bei, die Story nicht nur spannend, sondern auch emotional zu erzählen. Seine (Un)Sensibilität ist für ihn Fluch und Segen zugleich. Er ist der Schrecken aller Nachbarn, aller Vorgesetzten und manchmal auch seiner eigenen Familie.

Es ist schwer zu sagen, ob der Kriminalfall nun spannender ist, wie das manchmal katastrophale, aber unterhaltsame Auftreten des eigensinnigen Inspektors. Sehr förderlich ist die angespannte Atmosphäre in der Stadt Wien. Selbst einen feinen Humor hat Alex Beer eingebaut , z.B. wenn sich August Emmerich mit seiner Nachbarin unterhält, die mit ihrer Zankerei Bürgerkriege entfachen könnte. Der Roman ist kein touristischer Guide für Wien, aber vermittelt doch viel Wissenswertes um die Hauptstadt Österreichs. Leider wiederholt sich Alex Beer mit einigen Informationen, das wirkt oft so künstlich eingebaut und damit fehl am Platze.

Spannend ist „Der letzte Tod“ – auch in seinen Nebengeschichten – und damit nimmt das persönliche Leben des August Emmerich, der eigentlichen Haupthandlung die Luft weg. Ein alter Feind, ein altes Trauma, alte Verletzungen – lassen ihn nicht zur Ruhe kommen. Selbst seine persönliche Suche herauszufinden, wer seine Eltern waren, warum er als Findelkind in einem Heim aufgewachsen ist – raubt der eigentlichen Storyline die Präsenz.

Was ich sehr vermisst habe, ist das viel zu wenig der sprachliche Dialekt verwendet wurde. Im Buch ggf. nicht viel von Bedeutung, denke ich allerdings an ein „Hörbuch“ so würde dies der Atmosphäre mehr wie guttun. Das Stimmungsbarometer würde explosionsartig ansteigen. Aber nun gut.

Authentisch ist die Handlung allemal – aber wenig originell. Nichts was man ggf. von anderen Titeln bekannter Autoren schon versucht hätte.

Fazit

Schön, dass die privaten Schlachtfelder eines Ermittlungsbeamten im Vordergrund stehen!? Ein souveräner, manchmal sehr schwacher Kriminalroman, der letztlich doch nur über eine tolle Atmosphäre und seiner Figuren überzeugt. Der Unterhaltungswert ist nicht nachhaltig genug. Ein netter Krimi mit zu wenigen Fokussierungen, oder mit viel zu viel privaten Herausforderungen. Kann man sehen wie man will.

Michael Sterzik