Nach dem Debüt „Zerschunden“ von Michael Tsokos
und Andreas Gößling ist nun mit „Zersetzt“ eine Fortsetzung des
True-Crime-Thrillers veröffentlicht worden.
Der Thriller „Zerschunden“ endete mit einem
fulminanten und dramatischen Cliffhanger, doch der vorliegende Band „Zersetzt“
erzählt die Geschehnisse um den Rechtsmediziner Dr. Fred Abel aus der Abteilung
Extremdelikte des BKA, 10 Monate vor dem ersten Teil.
Hut ab vor den Autoren, denn marketingtechnisch
verspricht diese Entscheidung einen großen Erfolg. Schließlich wird auch das
Schicksal von Dr. Fred Abel in „Zersetzt“ mit keinem Wort erklärt werden
können. Also wird der Leser zu dem dritten Band greifen, um die Geschehnisse in
der Zeitlinie von „Zerschunden“ weiter verfolgen zu können. Raffinierte Idee.
„Zersetzt“ ist wie sein Vorgänger auch, ein
realistischer Thriller, bei der das Autorenduo viel Wert darauf gelegt hat, die
Ereignisse so realistisch wie möglich zu erzählen. Die Hauptgeschichte, wie
auch die Nebengeschichten, Schauplätze sowie die handelnden Personen haben
einen reellen Hintergrund. Für zartbesaitete Leser können die Szenen, die von
Folter, Vergewaltigung und Mord handeln, etwas morbide Unterhaltung sein. Fakt
ist allerdings – Das „Zersetzt“ so mörderisch spannend ist und den Stempel
„True-Crime-Thriller“ einen neuen Maßstab aufdrückt.
Der vorliegende Band gliedert sich in drei
Handlungssträngen. In dem Hauptplot wird Dr. Fred Abel vom Innenministerium nach
Transnistrien geschickt, einem Miniland, dass nur mit der Gnade des Kreml eine
Daseinsberechtigung besitzt. Er soll hier unter Aufsicht des dortigen Geheimdienstes
zwei Leichen identifizieren, die die Söhne eines Oligarchen sein könnten. Beide
Leichen weisen die Folgen schwerster Folter auf. Der osteuropäischer Geheimdienst allerdings
versucht, das Ergebnis dieser Obduktion für seine Zwecke zu missbrauchen.
Die weiteren beiden Nebenhandlungen sind gut
eingebaut und nicht minder spannend. Indessen die zugefügten Grausamkeiten
durch einen psychopathischem Mörder und Vergewaltiger erschreckend zu lesen
ist. Gerade in dem Bewusstsein: Verdammt, dass ist wirklich so passiert –
spielen sich emotionale Szenen ab, die dem Leser einiges abverlangen und unter
Garantie, wird das Buch hier nicht aus den Händen gelegt werden können. Besonders
die Passagen in der das Grauen und die Ängste durch die Perspektive des Opfers
erzählt werden. Brutal und emotional packend dargestellt.
Die dunkle und spannend anhaltende Atmosphäre
ist meisterlich gelungen. Die Autoren Michael Tsokos und Andreas Gößling haben
allerdings, diesmal die Zügel etwas fester angezogen, denn es geht deutlich
brutaler zugange als in „Zerschunden“.
Der Personenkreis um den Rechtsmediziner Dr.
Abel ist übersichtlich geordnet und natürlich findet man hier die gleichen
Charaktere wie schon im ersten Band vor. Allerdings liegt natürlich die
Gewichtung der Haupthandlung auf den breiten Schultern von Dr. Fred Abel.
Sympathisch, ehrgeizig und voller versteckter Talente wird in diesem Band vieles
von ihm abverlangt, nicht nur psychisch, sondern gerade physisch muss sich Dr.
Abel einem anderen Kaliber stellen und
das kann verdammt mörderisch sein. Auch wenn der gute Dr. Abel manchmal dem
Leser vorkommt, wie ein kleiner Bruder von 007 James Bond – bekommt er doch
immer die Kurve und verliert auch nicht an Sympathie oder Tiefe. Seine
Verletzlichkeit und manchmal auch seine ungesunde Naivität lassen in
vortrefflich menscheln.
So komplex die Handlung in „Zersetzt“ auch sein
mag, verliert die Spannung niemals an Intensität. Hinzu noch lobend zu
erwähnen, dass der Leser einen prägnanten und lehrreichen Einblick in den
Bereich der Rechtsmedizin bekommt.
„Zersetzt“ ist großartig. Authentisch und von grausamer
Realität – ein Pageturner, der im Genre True-Crime-Thriller Maßstäbe setzt.
Ein Roman für diejenigen, die die menschlichen
Abgründe fürchten und dennoch faszinierend finden. Perfekte Unterhaltung auf allerhöchstem
Niveau.
Michael Sterzik
April 16