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Dienstag, 8. Oktober 2024

Die weisse Stunde - Alex Beer


Der Erste Weltkrieg ist verloren - Deutschland und Österreich haben wirtschaftliche Probleme. Die Veteranen des schrecklichen Krieges sind traumatisiert, enttäuscht und fühlen sich verraten. Das „alte“ Wien trotzt der neuen Zeit, die, wie wir wissen, noch schrecklicher sein wird, ein Aufbäumen der alten Gesellschaftsschichten, die es desillusioniert auch nicht wahrhaben wollen. Die einfachen Menschen sehen oft keine Motivation, keinen Sinn im Weiterleben. Die Zahl der Selbstmorde steigt. Viele stürzen sich von den Donaubrücken in den Tod. Nicht alle werden identifiziert. Viele Tote werden auf dem Friedhof der Namenlosen begraben.

Aus der Asche des verlorenen Krieges erheben sich die Vorboten des Nationalsozialismus. Die Menschen sehnen sich nach nationalistischem Selbstbewusstsein, nach wiedergewonnener Ehre und nach der Suche nach Schuldigen. 

Glanz und Gloria stehen Verzweiflung und Angst gegenüber. Die sympathische Autorin Alex Beer zeigt uns das historische Wien mit einer tollen Atmosphäre und interessanten Charakteren, die hier leben und sterben.

Wien 1923. Die Stadt gleicht einem Pulverfass, die politischen Lager haben sich radikalisiert, die Hakenkreuzler sind auf dem Vormarsch. Mitten in dieser angespannten Situation geschieht ein aufsehenerregender Mord: Marita Hochmeister, eine stadtbekannte Gesellschaftsdame, wird brutal erschlagen in ihrem Schlafzimmer aufgefunden. Einen Tag später weist ein pensionierter Kriminalinspektor den Ermittler August Emmerich auf eine ungelöste Mordserie hin – damals, vor zehn Jahren, wurden drei Frauen auf ähnlich grausame Weise getötet wie das Opfer. Kann es sein, dass der Mörder zurückgekehrt ist? Und wenn ja, kann Emmerich ihn stellen, bevor er erneut zuschlägt? (Verlagsinfo) 

Die Geschichte ist hervorragend erzählt. Alex Beer nimmt uns mit auf eine Zeitreise - in ein Wien um 1923. Inflation, Arbeitslosigkeit, Kriegsniederlage - es fehlt an vielem, nicht nur an Lebensmitteln oder Medikamenten, sondern auch am Lebenswillen. Historische Schauplätze wie der Friedhof der Namenlosen, die Innenstadt etc. werden sehr anschaulich dargestellt. 

Aber es sind nicht nur die regionalen Beschreibungen, die diesen Roman so gut machen, sondern auch die Perspektiven der Figuren, die von sich und ihrer alltäglichen Umgebung erzählen. Diese Stimmung überträgt sich schnell auf den Leser und lässt alle Situationen und Ereignisse in der Phantasie lebendig werden.

Die Figuren Emmerich und sein Assistent Winter sind in ihrem Zusammenspiel perfekt. Ihr eigener Bußgeldkatalog, der immer wieder bei Flüchen erwähnt wird, das fast väterliche Verhalten Emmerichs, der neben seiner unkonventionellen Ermittlungsarbeit auch Emotionen zeigt. Emmerichs private Situation ist eine kleine Nebengeschichte, die auch in diesem Band kein Ende findet.

Die Handlung ist spannend, aber wenig realistisch - eine kleine Räuberpistole mit hohem Unterhaltungswert. Die Dialoge sind kurzweilig, aber auch immer wieder mit feinem Humor gespickt. Alex Beer legt in ihren Romanen großen Wert auf Authentizität - das merkt man auch hier auf jeder Seite. 

In „Die weiße Stunde“ gibt es nur wenige Nebenhandlungen, dafür aber interessante Nebenfiguren im Umfeld der Ermittler, die auch in den anderen Bänden immer wieder auftauchen und vielleicht auch in einer Fortsetzung ihren Auftritt haben werden.

Alex Beer zeigt auch die Perspektive der verschiedenen Berufsgruppen und das Aufbrechen der alten „Stände“ und das Aufkommen des Geldadels. Viele Traditionen und Moralvorstellungen werden hier beschrieben, vieles ist für uns vielleicht nur schwer nachvollziehbar - z.B. die Rolle der Frauen im Beruf, die damals keine Möglichkeit hatten, sich gegenüber den Männern zu behaupten. 

Es ist ein Vergnügen, diese Serie zu lesen. Alex Beer versteht es hervorragend, historische Themen mit einer spannenden Geschichte zu verbinden.

Fazit

Spannende Zeitreise - die nicht nur Gebäude, sondern auch Menschen ihrer Zeit zu Wort kommen lässt. Unterhaltsam - unbedingt lesenswert.


Michael Sterzik 

Donnerstag, 14. Juli 2022

Verdunkelung - Simon Scarrow


Im dritten Reich durfte es keine Verbrechen geben, und wenn, dann waren die Täter der jüdischen Bevölkerung zuzuordnen. Extreme Gewaltverbrechen wie Mord, Vergewaltigung, schwerer Raub usw. kamen zwar vor, wurden aber von der staatlichen Propaganda instrumentalisiert. Straftäter wurden zum Tode verurteilt und wenn der Täter ein parteitreues Mitglied der NSDAP war, wurde dies unter den Teppich gekehrt. Der Schein einer perfekten Gesellschaft musste gewahrt werden und bleiben. Der Verwaltungsapparat der Nationalsozialisten funktionierte unter Zuwendung von Drohungen und Gewalt. Auch hier zeigte sich das totalitäre System.

Kritik an den Führer, oder negative Äußerungen zur Politik und sowieso zur Partei konnten schnell zu einem Todesfall führen. Wer nicht für „Deutschland“ war – war automatisch ein Staatsfeind. Die Nazis regierten mit einer unerbittlichen Atmosphäre der Angst und Einschüchterungen, der Manipulation und setzte regimetreue Figuren an Schlüsselpositionen, um jeglicher Kritik im Keim zu ersticken – mit allen Mitteln. Sie nahmen es mit der Staatsgewalt sehr genau.

Ab wann der einzelne Mensch ein „einfacher“ Mitläufer, oder wann und wie wurde er zum Mitwisser, und dann ggf. zu einem Täter?! Die Geschichtsbücher und Chroniken sind voll von diesen Beispielen. Nach dem Krieg verdrängten die Menschen ihre Taten, ignorierten Fragen zu ihrer Vergangenheit, gaben vor nichts von alledem gewusst zu haben.

Der britische Autor Simon Scarrow, der auch als Dozent für Geschichte tätig war, hat einen historischen Kriminalroman verfasst: „Verdunklung“ – erschienen im Verlag Piper.

Berlin im Winter 1939. Der Zweite Weltkrieg hat begonnen. Immer weiter schränkt das Nazi-Regime die Freiheit der Bevölkerung ein. Doch in der Hauptstadt wird der sich ankündigende Schrecken der Kriegsjahre von einer tiefgreifenden Angst überschattet. In den kalten Stunden der Verdunkelung, die die diktatorische Regierung zum Schutz gegen Fliegerangriffe ausspricht, zieht ein brutaler Mörder durch die Metropole. Als die Leiche einer jungen Frau gefunden wird, gerät Kriminalinspektor Horst Schenke unter erbarmungslosen Druck. Seine Weigerung, in die Nazipartei einzutreten, bringt ihn in große Gefahr – und als eine zweite Frau ermordet wird, entdeckt Schenke eine Spur, die bis ins Zentrum der Macht führt. Seine Stunden scheinen gezählt ...(Verlagsinfo)

„Verdunklung“ ist extrem gut erzählt. Der Autor konzentriert sich nicht ausschließlich auf den Kriminalfall, sondern spaltet seine spannende Story in einzelne Fragmente, die sich spannungsreich die Hand geben. Ein Handlungsstrang ist der Ermittler Horst Schenke selbst – der nicht der NSDAP angehört und sich nicht der SS angeschlossen hat. In der Kritik und unter Beobachtung seiner Vorgesetzten weiß er, dass er sich entscheiden muss, um nicht unter die Räder des verbrecherischen Systems zu kommen. Trotzdem wäre er gerne als Offizier im Fronteinsatz. Also eine ambivalente Figur, die nicht eindimensional daherkommt.

Ein weiterer Hauptbestandteil ist die Politik selbst. Der Krieg gegen Polen, die ersten Verluste an Soldaten, die ersten Witwen, die sich ggf. prostituieren müssen, das Handelsembargo, das ausländische Waren aus England und Frankreich nicht mehr über die Grenzen lässt. Die einfachen Menschen erleben noch lange nicht den totalen Krieg – aber sie ahnen ggf. schon was die nächsten Jahre an Opfer verlangen. Auch die feindselige Haltung gegenüber der jüdischen Bevölkerung wird in diesem Thema angerissen.

Unterhaltung hin oder her – hier gibt es viel mehr als nur eine spannende Story zu lesen, sondern uns wird ein sehr detaillierter Blick auf die Startphase des Zweiten Weltkrieges gegeben. Die gesellschaftliche und soziale Politik des dritten Reiches wird ebenso viel Raum gegeben wie den Blick in die Verwaltung, des Militärs und der Spionage. Die Botschaft ist allerdings sehr deutlich, die der Autor übermittelt – er gibt uns einen Einblick in einen Verbrecherstaat. Ein Blick hinter der Fassade, die Demaskierung eines Staates.

Die Geschichte wird ebenfalls aus der Perspektive des Täters erzählt, ohne dass erstmal Namen genannt werden. Das steigert die Spannung, auch wenn man bereits ahnen kann, wie sich die Geschichte weiterentwickelt. Trotzdem gibt es eine ganze Reihe von Überraschungen und Wendungen und wieder spielt das verbrecherische System hier tragende Rolle.

Apropos Rollen – die Rolle der Frau, wird hier auch in verschiedenen Szenen erzählt. Eine gefallene Schauspielerin, eine Jüdin, usw. auch diese Einzelschicksale sind grandios erzählt.

„Verdunklung“ ist hoffentlich der erste Band einer Reihe, denn die Figuren sind vielversprechend und tiefgründig aufgestellt. Und unsere Vergangenheit gehört noch immer zu unserer Gegenwart.

Fazit

„Verdunklung“ ist ein helles Licht im Genre historischer Kriminalroman. Tiefgründige Spannung, ambivalente Figuren und sowieso verzichtet man hier auf eine Schwarz/Weiß Interpretation. Ein wichtiger Roman, den ich sehr empfehle.

 

Michael Sterzik

 

Samstag, 9. Juli 2022

Der Schnitter und der Löwe - Toni Garber

 


Von 1618 bis 1648 verwüstete der Dreißigjährige Krieg weite Teil Deutschlands. Der Konflikt begann als Religionskrieg in Europa und endete schließlich als Krieg um verschiedene Territorien. Protestanten und die Katholische Liga kämpften verbissen um die Vorherrschaft auf dem Kontinent Europa. Das Heilige Römische Reich, wie auch die protestantische Union führten einen erbarmungslosen Vernichtungskrieg. Ganze Städte und Dörfer wurden ausgelöscht, die Brutalität der marodierenden Söldner, die auch immer wieder die Seiten wechselten, kannte keine Grenzen.

Ein Menschenleben war in dieser Epoche nichts wert. Viele Menschen wurden in den Anfängen des Krieges geboren und starben inmitten dieser Zeit. Einen „Frieden“ kannten diese nicht. Das Sterben, die Angst, das Töten, der Verlust der Familie und Freunde wurden fester Bestandteil manchen kurzen Lebens. Der Dreißigjährige Krieg ist das Urtrauma der deutschen. Doch auch „ausländische“ Herrscher trachteten nach Macht und Einfluss: Schweden, Spanien, Österreich, Niederlande und Dänemark – verwandelten Europa in eine blutgetränkte Trümmerlandschaft.

Im vorliegenden historischen Roman „Der Schnitter und der Löwe“ kommt auch eine historische Figur vor: die des schwedischen Königs - Gustav ll. Adolf, auch genannt, der Löwe aus Mitternacht. Eine charismatische Figur – ein Anführer, der selbst auf dem Schlachtfeld unter seinen Soldaten kämpft. „Der Schnitter“ ist ein junger Mann, der einen „Dämon“ in sich trägt und vortrefflich mit seinem Sarazenenschwert auf dem Schlachtfeld einen Tanz des Todes aufführt. Respektiert und gefürchtet – vergisst er auf dem Schlachtfeld seine Menschlichkeit und verstümmelt und tötet schnell und effektiv. Erst nach der Schlacht – gelingt es seiner eigenen Persönlichkeit – wieder die Oberhand zu gewinnen. Zurückbleibt ein schwer traumatisierter junger Mann – der sich seiner Taten schämt, aber als Kind des Krieges nichts anderes kennt als die Gewalt.


Heiliges Römisches Reich, 1631
Man nennt ihn den Schnitter, weil er von einem Dämon besessen ist. Er ist jung und dennoch bereits eine Legende unter den Handwerkern des Todes. In den Wirren des Krieges ist der junge Söldner auf der Jagd nach einem Serienmörder, um zu beweisen, dass nicht sein Dämon die Schuld daran trägt. Könnte das Mädchen, das er liebt, das nächste Opfer sein? (Verlagsinfo)

Toni Garber, der sich literarisch in vielen Genres bewegt, konzentriert sich nun, mit seinem aktuellen Roman, auf den historischen Sektor. „Der Schnitter und der Löwe“ ist eine höchst temporeiche Geschichte, der die Leser inmitten des Dreißigjährigen Krieges katapultiert. Toni Garber erzeugt wenig Spannung in seinem Roman – primär interpretiert stehen hier die Grausamkeiten des Krieges im Fokus Es wird getötet, verstümmelt und gestorben – erzählerisch sehr detailreich und auch wenn diese Brutalität auf den Leser verstörend wirken sollte – die Realität des Lebens und Sterbens in diesem Vernichtungskrieg, diesen Schrecken kann man mit Worten wahrscheinlich nicht transportieren.

Dabei versteht es Toni Garber vortrefflich nicht nur vom Töten zu erzählen, sondern erzählen die Protagonisten von einem Leben vor dem Krieg, von zerstörten Familien, von Kleinigkeiten in „früheren“ Leben, an die sich die vernarbten Seelen der Mörder verzweifelt klammern. Es zeigt ein wenig die Menschlichkeit, die in diesem Konflikt faktisch nur wenig Raum eingenommen hat.

Unter Mördern einen „Mörder“ zu suchen und zu finden – ist in etwa so wie eine bestimmte Nadel im Nadelhaufen zu ermitteln. Dieser kleine Kriminalfall ist aber nicht der Mittelpunkt des Geschehens – sondern eher alte Rechnungen, Rache und Aufarbeitungen, die letztlich der Tod abschließt.

Der Roman mit einer Seitenstärke von knappen 300 Seiten lässt nicht viel Raum, um die Figuren eine erzählerische Tiefe zu geben. Schade – denn genug Potenzial wäre vorhanden. Die Hauptfiguren haben zwar Gelegenheit sich zu erklären, aber das gelingt nur sehr oberflächlich. Schade -denn Toni Garber hat großartiges Talent seinen Figuren eine „Seele“ zu geben und auch eine Geschichte zu erzählen, die perfekte Unterhaltung bietet. Es ist ein wenig so, als wäre „Der Schnitter und der Löwe“ ein erster Versuch – ein persönlicher Prototyp, um selbst zu ermitteln, ob er das Genre beherrscht. Toni Garber – sollte sich ruhig auf dieses Genre konzentrieren und sich weiter ausprobieren.

„Der Schnitter und der Löwe“ ist leider kurzweilig, aber verdammt gut und sehr, sehr unterhaltsam erzählt. In puncto erzählerische Qualität hält sich Toni Garber nicht mit Nebensächlichkeiten auf. Seine bildhafte, kompromisslose und vor allem konsequente Sprache vom Töten, Sterben und (Über)leben zu schreiben, ist sehr gut.

Neben dem Tod – kommt auch die Liebe und Dramatik nicht zu kurz, wird aber im Schatten von Gewalt und Angst nicht romantisiert. „Der Schnitter und der Löwe“ ist als Einzelband gedacht – schade eigentlich, denn die Figuren würde ich gerne in weiteren Teilen sehen.

Probieren Sie sich bitte weiter aus, Herr Garber. Ihre Art uns inmitten einer Epoche zu werfen, die Europa geprägt hat, in einer Welt der Grausamkeiten, aber auch der Hoffnung, konnte mich gut überzeugen. Lassen Sie also den Schnitter und seine Freunde die Gelegenheit, sich noch mehr als „Mensch“ zu zeigen – mit allen Risiken und Nebenwirkungen.

Fazit

Ein kurzweiliger, aber sehr, sehr guter Roman – der beispiellos konzentriert den Dreißigjährigen Krieg präsentiert. Schnell – brutal – authentisch und hochunterhaltsam. Ein Roman den ich sehr, sehr empfehlen kann. Unbedingt lesen.

Michael Sterzik

Montag, 23. Mai 2022

Der Verdächtige - John Grisham


Der amerikanische Bestsellerautor und Jurist John Grisham wird auch mit seinem neuesten Werk: „Der Verdächtige“ zum Wiederholungstäter. Lacy Stoltz – bekannt aus dem Titel: „Die Bestechung“ hat hier ihren zweiten Auftritt.

Mit einer kriminellen Bestechung hat die vorliegende Story nicht zu tun, denn nun geht es um den Tatbestand „Mord“. Dass Justitia nicht gerecht ist – sondern auch kriminelle Energie entwickeln kann, ist bekannt. Als Symbol für Gerechtigkeit und Rechtspflege torkelt diese manchmal völlig blind durch die Gerichtssäle und Gesetze.

John Grisham hat in seinen Romanen schon viele Themen verwendet, von Selbstjustiz, über das Pro- und Contra von Todesstrafen usw. Nun steht ein Richter als Verdächtiger vor der Gerichtsaufsichtsbehörde. Ist dieser ein Racheengel, der sich Jahrzehnte später noch immer wegen Beleidigungen, Zurückweisungen und ähnlich mehrere Morde begeht. Als Insider im Rechtssystem verfügt er über Informationen und ein gut aufgestelltes Netzwerk, quasi ein Frühwarnsystem, mit der sich sicher fühlt. Gibt es also den perfekten Mord? Und wenn ja – was muss man tun, um jahrelang über Bundesgrenzen hinweg so eiskalt, gewissenhaft und systematisch zu morden?

„Der Verdächtige“ von John Grisham ist ein solider, spannender Justizthriller, der nicht über die Ermittlungen überzeugt, sondern über einen charismatischen, hochintelligenten Serienmörder.

Lacy Stoltz hat als Anwältin bei der Gerichtsaufsichtsbehörde in Florida schon viele Fälle von Korruption erlebt. Seit sie einer Richterin, die Millionen abkassiert hat, das Handwerk legte, ist sie sogar zu gewisser Berühmtheit gelangt. Doch nun wird sie mit einem Fall konfrontiert, der jenseits des Vorstellbaren liegt: Denn der Richter, gegen den sie ermittelt, nimmt anscheinend keine Bestechungsgelder von Leuten. Er nimmt ihnen das Leben. (Verlagsinfo)

Rache ist der Motivator für den „Verdächtigen“ – alte Rechnungen begleichen, bei denen er erniedrigt, beleidigt, betrogen und nicht wertgeschätzt wurde. Diese persönliche unausgewogene Gerechtigkeit kann er nicht vergessen und nutzt neben seinem mörderischen Talent, auch seine rechtlichen Mittel.

Lacy Stoltz tut sich anfangs sehr schwer, der Tochter eines Opfers zu glauben, doch die Indizien und immer wieder die gleiche Tötungsmethode überzeugen sie, zu ermitteln. Jedes Opfer hatte den Richter gekannt – als Jugendlicher, als junger Anwalt, als Privatmann usw. – ein grausamer Zufall, oder Methode?

Wie schon gesagt, die Ermittlungen sind nicht der Fokus der Handlung. „Der Verdächtige“ nimmt so viel erzählerischen Raum ein, dass er auch mit einer morbiden Atmosphäre ausbaut. Ob der Autor das allerdings genauso so wollte, dass seine Hauptfigur der Lacy Stoltz in die zweite Reihe gestellt wird, sei dahingestellt.

Der Roman ist nicht der stärkste Titel des Autors, aber auch weit davon entfernt, schwach zu wirken. Spannend allemal – wenn auch unlogisch. Dass die Bundesbehörden nicht 1 und 1 zusammenzählen können, hier kein Muster erkennen und nicht konzentriert ermitteln, erschließt sich mir nicht. Die gleiche Methode, das gleiche Mordwerkzeug und niemand fällt es auf, dass es sich hier um einen Serienmörder handeln könnte? Kein polizeiliches System, keinen Kriminalbeamten fällt dies auf – nicht mal dem FBI? Das ist unglaubwürdig und wenn dieser Fall nicht unbedingt fiktiv war, dann war das eine gravierende, historische Ermittlungspanne.

Leider geht John Grisham in keinem Nachwort darauf ein, dass er sich ggf. an realen Fällen orientiert hat. Viele seiner Romane haben ebendiesen Bezug zur Realität.

Fazit

„Der Verdächtige“ ist eine Einladung, die Story zu verfilmen. Eine Miniserie, die überzeugen würde. Ein diabolischer Richter – der letztlich doch seinen eigenen Weg geht.

Michael Sterzik

 

Montag, 18. April 2022

Talberg 1935 - Max Korn

 


Die vorliegende Kriminalreihe ist originell. Eine Ortschaft – drei Zeitzonen – 1935 – 1977 – 2022 – drei Kriminalfälle, die laut dem Autor ineinandergreifen. Aber widmen wir uns in dieser Buchkritik dem ersten Band – Talberg 1935. Ein fiktiver Ort – aber es gibt es ein Dorf Thalberg, der stellvertretend hier als Pate zur Verfügung stand. Dieses in Bayern, nahe Passau gelegenes kleines Dorf kennt der Autor Max Korn recht gut und hat sich inspirieren lassen. Ansonsten sind jegliche Personen und Situationen natürlich nur eine Fiktion des Schriftstellers.

Max Korn erste Band dieser Trilogie ist düster, grausam, fast schon dämonisch zu beschreiben „Sin City“ in Bayern – ein kleines Dorf, in dem die sieben Todsünden fast schon nachbarschaftlich auftreten. Die Atmosphäre um das Jahr 1935, vor allem in einem Dorf, in dem sich jeder kennt, ist absolut düster. Im gesamten Buch gibt es keinen wirklichen Lichtblick. Verzweiflung – Angst – Abhängigkeiten – Neid – lassen hier den Bewohnern wenig bis gar keine positiven Zugeständnisse. Nach dem 1. Weltkrieg und kurz vor dem nächsten Weltenbrand ist das Stimmungsbild so dunkel wie ein Grab.

Der Lehrer Steiner hat einen Turm bauen lassen. Angeblich für Vermessungszwecke. Doch im Wirtshaus erzählen sie sich, er beabsichtige, seine Frau dort hinunterzuwerfen. Aber dann liegt er selber unten, mit zerschmettertem Schädel und leeren Augen. Wer hat seinen perfiden Plan für sich missbraucht? Und wer erbt jetzt den Hof, den der Lehrer nie haben wollte? Seine Frau? Oder der ungeliebte Bruder, dessen Name voreilig ins Kriegerdenkmal gemeißelt worden war? Doch er kehrte zurück, und statt seines Lebens hat er nur einen Arm im Krieg gelassen – und jegliche Menschlichkeit.

Talberg ist ein kleiner abgelegener Ort am äußersten Rand der deutschen Provinz. Fernab der großen Zentren und im Schatten eines gewaltigen Berges gelegen, scheint sich hier über die Jahrzehnte hinweg das Böse immer wieder zu sammeln. Drei Romane spielen zu unterschiedlichen Zeiten in diesem Ort. Vier ortsansässige Familien bestimmen das Geschehen – wechselweise sind sie mal Opfer, mal Täter, mal Ermittler. Und natürlich sind alle Fälle miteinander verbunden …(Verlagsinfo)

„Talberg 1935“ ist schlichtweg ein depressiver Roman. In jedem Kapitel geht es um Macht und Missbrauch, um Erniedrigung, um Lügen und Abhängigkeiten….eine Feudale Herrschaft, die Angst verbreitet und gezielt einsetzt. Alter Aberglaube um Hexen und dunklen Gestalten – lassen neue „Geister“ den Fortschritt und Veränderung bedeuten könnten im Keim ersticken. Diese Beschreibung betrifft nicht nur das ganze sehr überschaubare Dorf, sondern gleich alle Personen mit.

Damit ist die Grundstimmung des Romans wie gesagt eine depressive. Hinzu kommt, dass Max Korn sich treuen Klischees bedient, die also wenig originell sind und die Story mehr wie vorhersehbar ausrücken. Die Charaktere handeln so eindimensional und sind so einfach gestaltet, dass sich eine Tiefgründigkeit oder eine Sympathie gar nicht zeigt.

Der Unterhaltswert, oder eine Spannung ist letztlich da – aber auch nur sehr oberflächlich, trotzdem wird sich der Leser am Ende fragen – wie es mit den einzelnen Familien weitergeht. Jede Familie scheint hier mehr als nur ein paar „Leichen“ im Keller zu haben, es wird Geheimnisse geben – alte Schulden die sicherlich in der Zukunft mit Blut bezahlt werden.

Fazit

Ein Dorf, in dem sich jeder Sünder wohlfühlen dürfte. Eine Versammlung von depressiven Charakteren in einem Ort in dem es scheinbar keine Sonne gibt.

Unterhaltsam ja – und er macht neugierig – aber der zweite Band „Talberg 1977“ muss jetzt ein bisschen optimistischer werden.

Michael Sterzik

 

 

 

 

 

Sonntag, 10. April 2022

Der böse Hirte - Jeffery Deaver

 

Sekten – es gibt in der Geschichte viele, teils schreckliche Beispiele von „Meistern“, „Führern“, „Idolen“ usw. die „gefallenen“ Menschen, einen Himmel versprechen. Der Fall auf den Boden der Tatsachen kann allerdings höllisch und schmerzlich böse ausgehen. Was geht in den Menschen vor, die sich nach Liebe, Verständnis und Geborgenheit sehnen, und ein Teil ihres Lebens faktisch für eine Vereinigung aufgeben, sich unterordnen? Sekten gehen methodisch und manipulativ vor, sie erschaffen eine Illusion, die abhängig machen soll. Meistens soll die Psyche des zukünftigen, oder gegenwärtigen Mitglieds konditioniert werden, darauf abzielen alle gegenwärtigen gesellschaftlichen Verbindungen abzubrechen, oder zumindest stark einzuschränken. Mitunter kostet das auch finanziell einen Beitrag, wovon der „Meister“, oder sein Gefolge partizipiert. Worte und Leitsätze werden zum Gesetz – eine Hörigkeit kann entstehen, eine Gehirnwäsche, die die Logik, die Vernunft gänzlich ausschalten dürfte.

Die Belletristik ist voll von tatsächlichen, oder halb fiktiven Erfahrung- und Erlebnisberichten, die neben der Aufklärung das brisante Thema natürlich auch den finanziellen Erfolg mitbringen. Im Genre Krimi/Thriller gibt es auch ebenfalls unzählige „fiktive“ Roman, deren Story sich mehr oder minder an Fakten orientiert.

Der erfolgreiche Bestsellerautor Jeffery Deaver erzählt in deinem gerade, erschienen Roman „Der böse Hirte“ von einer Sekte, die eine „Unsterblichkeit“ verspricht. Der Schlüssel zum ewigen Leben in greifbarer Nähe?

Damit wird die „Colter Shaw“ Reihe nun mit einem zweiten Band fortgesetzt.


Colter Shaw spürt vermisste Personen auf, mit den ausgesetzten Belohnungen verdient er seinen Lebensunterhalt. Doch dann nimmt ein Auftrag eine tragische Wendung und Shaw muss herausfinden, wie es dazu kommen konnte. Seine Suche nach Antworten führt ihn zu einer undurchsichtigen Organisation, die sich als Selbsthilfegruppe ausgibt. Shaw tritt der Gruppe bei – denn er hat den Verdacht, dass diese weitaus perfidere Ziele als Trauerbewältigung verfolgt. Alles deutet darauf hin, dass es sich um eine gefährliche Sekte handelt, die alles dafür tun würde, ihre Geheimnisse zu bewahren. Und bald werden die ersten Mitglieder misstrauisch …
(Verlagsinfo)

Colter Shaw ist kein „Heiliger“ aber nahe dran. Einen starken Ehrenkodex und ist wohl der Mister Spock im Genre „Thriller und Krimi“. Logische, mathematische Wahrscheinlichkeitsrechnungen, die gefährliche Situationen prozentual analysieren und bewerten. Wer seine Vita kennt, weiß, dass Colter Shaw durch seinen Vater als Überlebenskünstler, Spion, Agent, Attentäter ausgebildet worden ist. Diese Ausbildung in Kombination mit seinem Charakter und zack fertig ist der Vorzeige-Ermittler. „Der böse Hirte“ spaltet sich auf in zwei Storys. Natürlich die der kriminellen Sekte und als Nebenschauplatz ermittelt Colter Shaw noch immer privat, um den Mord an seinem Vater aufzuklären.

Dabei lernt man nun auch die Mutter von Colter Shaw kennen – tja und die DNA lügt nicht. Die Hauptstory handelt natürlich von der Sekte – deren Organisation, und seinem Anführer, der Hörigkeit der Mitglieder und von seinen „Mitgliedern“, die entweder die Botschaften ihres Leuchtfeuers für bare Münze nehmen, oder rationell denkenden Menschen, die durchaus skeptisch sind.

„Der böse Hirte“ ist durch und durch spannend. Die Story hat so viele unterhaltsame und vielfältige Spannungsmomente, die überzeugen. Das können auch Dialoge sein, oder die Schilderung und Interpretation der teilnehmenden Charaktere. Langweilig ist der vorliegende, zweite Band mit dem Prämienjäger Colter Shaw bei weitem nicht.

Der Spannungsbogen hält – es gibt keine stoppenden Passagen, oder überzeichnete Situationen, die unrealistisch und künstlich geschildert werden. Colter Shaw beherrscht allerdings jegliche Situation, aber er lässt sich auch gerne helfen, wenn er das Ziel vor Augen hat. Der Prämienjäger ist zwar ein Einzelgänger, aber kein Einzelkämpfer, er ist auch kein Mörder, aber auch kein Pazifist. Gewalt wird eingesetzt – so wenig wie möglich – so viel wie nötig. Dabei wirkt er auch nicht unbedingt sympathisch. Er ist auch kein „Macher“, sondern handelt überlegt, rationell und vor allem logisch.

Interessant ist der Showdown, der auch gleich in mehreren Steps aufgeteilt ist. Faszinierend sind die Beziehungsebenen zu beobachten zwischen dem „Meister“ und seinen Mitgliedern, die zwischen Hoffnung, Angst, Enttäuschung und Wut immer mal wieder wechseln.

Fazit

Colter Shaw ist die Reinkarnation von Mr. Spock im Genre „Thriller“ und ist faszinierend. Logisch -. Dass hier hoffentlich noch einige Folgebänden entstehen sollten.

Donnerstag, 31. März 2022

Finsterhaus - Johanna Mo


Was unterscheidet einen Kriminalroman von einem Thriller? Sind es die Spannungselemente, die Grausamkeit der Morde, die Psychologie des Täters, oder sind es die klassischen Actionszenen die den Unterhaltungswert steigern?

„Finsterhaus“ ist der zweite Band der Hanna Duncker-Reihe – Autorin ist die schwedische Journalistin und Autorin Johanna Mo. Der erste Band „Nachttod“, ein Kriminalroman, wie der vorliegende auch, überzeugte durch eine spannende, sehr tragische Story. Die Autorin hat dem „Bösen“ die Zähne gezogen und gezeigt, dass jeder zum Mörder werden kann, wenn die Voraussetzungen vorliegen, die Verzweiflung erdrückend ist, eine Tat im Affekt durchführt, oder man einfach zu einem schlechten Zeitpunkt – an einem schlechten Ort ist. Johanna Mo zeigt auf, dass „Mörder“ auch der nette Nachbar sein kann, der langjährige Freund, ein Bekannter usw. Jeder von uns könnte zum Opfer, oder Täter werden, vielleicht auch beides sein, denn die Grenze kann harmonisch sein.

Auch im zweiten Band „Finsterhaus“ erzählt die Autorin eine Story, die absolut authentisch ist. Gerade weil die Emotionen, unsere Wut, unsere Angst, und unsere Liebe uns zu dramatischen Handlungen, zum Mörder machen kann.

Das Besondere an diesen beiden Buchtiteln ist, dass die Perspektive des Opfers in Rückblicken erzählt wird. Die Motivation des „Täters“ und wie es zu dieser Tötung, zu diesem Mord gekommen ist, bleibt bis zur Letzt im dunklen und darauf auch nicht näher eingegangen.

Hanna Duncker ist noch völlig vertieft in die Ermittlungsakte ihres Vaters, als sie der verzweifelte Anruf von Jenny Ahlström erreicht: Jennys Mann und ihr vierzehn Monate alter Sohn sind spurlos verschwunden. Ganz Öland beteiligt sich an einer groß angelegten Suchaktion, während Hanna und ihr Kollege Erik Lindgren nach einem Motiv im Leben des vermissten Vaters fahnden. Eine Spur führt schließlich in ein leerstehendes Haus. Liegt hier der Schlüssel zum Fall? Für Hanna beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. Und es gibt noch ein Rätsel, das sie lösen muss: Warum versucht jemand mit aller Macht zu verhindern, dass sie endlich die Wahrheit über ihren eigenen Vater herausfindet? (Verlagsinfo)

„Finsterhaus“ von Johanna Mo ist leider wenig spannend. Es erinnert einen an einen deutschen Fernsehkrimi, der ungefähr 60min geht und bei dem zwei Kommissare methodisch, altklug und souverän ermitteln. Actionszenen mit wilden Schusswechseln, dramatischen Rettungsversuchen, usw. gibt es bei diesem Titel nicht. Auch Hanna Dunckers persönlicher Kreuzzug – die Schuld – oder die Unschuld ihres Vaters zu beweisen, dümpelt so still vor sich hin, ohne sich auch nur etwas nach vorne zu bewegen. Diese Nebengeschichte steht also völlig neben sich.

Selbst die geschilderte Ermittlungsarbeit ist spannungsarm und absolut überdimensioniert, da nicht wirklich viel passiert. Weder etwas Überraschendes – noch etwas Spektakuläres und selbst Kommissar Zufall hatte wohl zufällig etwas anderes zu tun, als hier aufzutreten. Damit erübrigt sich dann bedauerlicherweise auch eine Entwicklung der Figuren, denn auch diese könnte man hier zur Fahndung ausrufen. Auch in Formung der Charaktere gibt es hier nur ein mangelhaft, denn von Hanna und Erik erfährt der Leser viel zu wenig, um die Figur greifbarer zu machen.

Damit bleiben dann eine Menge Sympathiepunkte auf der Strecke. Einzig und allein zum Opfer, und ggf. zu dem einen oder anderen Verdächtigen könnte man unter Anstrengung etwas empfinden. Die Beziehungen unter den Protagonisten sind interessant – ausgeschlossen dabei sind die Ermittlungsbeamten, die noch immer im Nebulös wirken.

Hauptfiguren dieses Krimis sind die Emotionen – Angst, Liebe, Vertrauen, Neid, Rache usw. betreten oftmals die Bühne, aber ohne wirklich laut zu sein. „Finsterhaus“ ist ein stiller, ein viel zu ruhiger Krimi, dessen Unterhaltungswert faktisch ebenso leise ist.

Das ist alles in allen sehr, sehr schade, da die Autorin absolut talentiert ist, aber sich selbst im Weg steht. Man hat das Gefühl, sie spielt ihr „Können“ nicht aus. Es wird noch einen dritten Band geben, „ Dunkelwald“ – März nächsten Jahres. Die Erwartungshaltung ist definitiv gesunken, aber dennoch muss ich wissen, wie es mit ihr weitergeht.

Michael Sterzik


Mittwoch, 23. März 2022

Geheimdienstmorde - Christopher Nehring

 


Wer Krimis und Thriller liest, oder natürlich auch Filme sieht, wird unweigerlich mit dem Thema „Geheimdienstmorde“ konfrontiert. James Bond mit der Lizenz zum Töten, ist mit tödlicher Sicherheit das Paradebeispiel eines Agenten/Spions der im Auftrage des britischen Geheimdienstes töten darf. Wenn das auch weniger „geheim“ ist. Es tummeln sich medial viele (Anti)Helden auf den Kinoleinwänden oder im heimischen TV-Stream. Allerdings sprechen die gegenwärtigen Fakten sich dafür aus, dass selbst noch in unserer zivilisierten Zeit Geheimdienste munter morden. Manchmal wird dieser „nasser Job“ erfolgreich realisiert und die Medien bekommen von dieser Geheimdienstarbeit wenig mit, doch es passieren auch Pannen, menschliche Fehler, Zufälle usw. die diese alte Todsünde „Mord“ in die Nachrichten bringen, die dann mitunter Krisen auslösen (können).

Mit der Wahrheit ist das ja so eine komplizierte Angelegenheit. Wen, oder was kann man glauben? Warum greifen Staatsoberhäupter ein und verurteilen Menschen ohne Gerichtsurteil, Verteidigung oder Stellungnahme zum Tode? Wer sind diese Staaten und was sind deren Motive und Motivation.

Der Autor dieses Buches „Geheimdienstmorde“ Christopher Nehring räumt mit vielen Märchen, Legenden und spektakulären Vorurteilen auf. Leider ist die Wirklichkeit schlimmer als wir es uns ggf. vorstellen können, in jeden Fall sind die „Morde“ leiser – der Prozess und die Ausführung können aber genauso dramatisch sein. Das wenig Überraschende dabei ist auch der Gedanke: Über wie viele Opfer reden wir eigentlich? Damit springt dann die Vokabel „Geheim“ auf die Bühne. Wir wissen, so vermute ich nur einen Bruchteil, die Spitze des Eisberges über dieses Thema, aber noch mehr als vor 20 Jahren. Dem Internet, dem mutigen Investigativen Journalismus sei gedankt.

Spektakuläre Morde und Mordversuche im Auftrag von Geheimdiensten beherrschen immer wieder die Schlagzeilen: der Anschlag auf Alexej Nawalny 2020, der „Tiergarten-Mord“ an Zelimkhan Khangoshvili 2019 in Berlin oder die Ermordung Jamal Khashoggis 2018 in Istanbul ... Sie muten wie Relikte aus Zeiten des Kalten Krieges an und erinnern an die fiktiven Welten von James Bond, Jason Bourne oder John Le Carré. Die neue Welle von Geheimdienstmorden in Europa wirft zahlreiche Fragen auf: Sind die uns bekannten Fälle nur die Spitze des Eisbergs? Wer gerät ins Visier von Geheimdiensten, wer sind die Täter? Wie werden die Morde organisiert und was sind ihre Konsequenzen? Der ebenso erschreckende wie spannende Bericht des Geheimdienstexperten Christopher Nehring bringt Licht in eine mysteriöse Welt im Schatten der Mächtigen. Nehring rekonstruiert über 120 Fälle, vom Zweiten Weltkrieg bis in die Gegenwart, und deckt die mörderische Seite der Geheimdienste vieler Nationen wie Russland, USA, Israel, Saudi-Arabien und Nordkorea auf. Dabei bringt er Verblüffendes zu Tage: zum Beispiel, dass die Welt der Geheimdienste ungeschriebenen Gesetzen unterliegt, dass Giftmorde von höchster symbolischer Bedeutung sind und Emotionen als Mordmotiv eine viel größere Rolle spielen, als man vermuten würde …(Verlagsinfo)

Christopher Nehring befasst und erzählt sehr plakativ und transparent von diesem Thema. Diese Ehrlichkeit birgt aber auch etwas Schreckliches, wenn man von Giftanschlägen liest, von Tötungsbefehlen, einer Desinformationskampagne, der medialen Zerstörung des Opfers, und das Schweigen und Lügen der verantwortlichen Regierungen, die diese Tötung im „legal“ in Auftrag gaben.

Russland ist einer dieser Staaten in denen die Ermordung von Journalisten, Regimegegnern, unangenehmen Oligarchen und abtrünnigen Agenten zum traditionellen, mörderischen und selbstverständlichen Prozess gehört. Das ist faktisch bewiesen. Und an dieser Stelle fragt man sich dann, warum haben wir die ganzen Jahre nichts dagegen unternommen? Der Autor beschreibt hinreichend, dass Geheimdienstmorde von der Regierung, dem amtierenden Staatsoberhaupt genehmigt, bzw. auch selbst angeordnet werden. Also lässt man in Mütterchen Russland gerne Regimekritiker und laute Journalisten endlich mundtot machen. Erschreckend, wenn man darüber näher nachdenkt.

Es ist ein kaltblütiges und paranoides Politikverständnis und es kommt noch schlimmer, wenn liest, warum und mit welcher Motivation der Geheimdienst mordet: Angst – Hass – Rache – dürften wohl die offensichtlichsten Argumente sein. Eine Psychologie des Mordens die verstört. Im Grunde lassen wir uns, als durch Emotionen dazu leiten jemanden ins Jenseits zu befördern.

Es ist spannend und informativ zu lesen und die Welt der Geheimdienste ist mit dem Kapital dann auch präsenter, aber auch wenig sympathischer. Der Mossad tötet aus Rache, die Amerikaner köpfen damit verantwortliche Personen, die sich dem Terror zugewendet haben und die Russen, na ja…die Morden einfach, weil sie ein Regime der Angst sind und Angst in die Köpfe der Menschen bringen wollen.

Besonders erschreckend sind die wortwörtlichen Dialoge, die sich herausreden, entschuldigen, argumentativ andeuten, oder schlichtweg Verräter als Dreckspack titulieren. Oder noch schlimmer – wir stellen das Mordopfer als Kriminellen dar, als Bestie, als Verbrecher usw. Diskreditierung par excellence.

Wer sich für das übergeordnete Thema also interessiert, wird hier spannend und informativ bedient. Kurzweilige Informationen – auf Fakten basierend, die kristallklar beschrieben wird. Es ist aber auch ein Titel, über deren Inhalt man dann nachdenkt, gerade darüber, dass es geduldet – selbstverständlich – und noch nicht einmal illegal ist.

Fazit

„Geheimdienstmorde“ von Christoper Nehring zeigt ein drastisches, offensives und ehrliches Bild der Geheimdienste, die mörderisch unterwegs ihre Ziele erreichen wollen. Der Leser springt hier über eine Klinge von Informationen, die erschreckend sind. Man hat es vermutet – doch die Wahrheit ist manchmal spannender als jede fiktive Geschichte. Sehr zu empfehlen.

Michael Sterzik

Donnerstag, 23. Dezember 2021

In ewiger Freundschaft - Nele Neuhaus


Freundschaft – neben der Liebe ist diese für uns überlebenswichtig, denn sie bindet uns auf sehr positiv an Menschen, denen wir vertrauen, für die wir (fast) alles tun würden. Loyalität und eine vertrauliche Atmosphäre fordern wir ein und wird natürlich auch von uns selbst eingefordert. Unerschütterlich geben wir uns, und können doch auch brutal enttäuscht werden, wenn wir merken, dass die Grundfesten der Freundschaft instabil sind. Verrat – die andere Seite, die dunkle der Medaille Freundschaft.

Um eine Freundschaft – genau darum handelt der 10 Band der Krimi-Reihe „Bodenstein-Kirchhoff. Seit 2006 und 2007 die ersten beiden Bände erschienen sind, ist viel geschehen. Nele Neuhaus lässt ihre Protagonisten wie eine Familie wirken. Auch hier entstehen „Freundschaften“ – allerdings auf einer anderen, eher beruflichen Basis. Gerade wegen dieser Beziehungsebenen gelingt es der Reihe eine authentische Atmosphäre zu schaffen. Die beiden Kommissare Oliver von Bodenstein und Pia Sander sind überaus fein aufeinander abgestimmt. Ihr Revier ist der Taunus – eine bildgewaltige Wohlfühloase im Rhein-Main-Gebiet. Kontrastreiche Landschaftsformen, eine kulturelle Vielfalt, die dazu einlädt, die vielen Städte und Dörfer zu besuchen. Schon die alten Römer waren begeistert von den Thermal-und Mineralquellen, die man ebenfalls vorfindet.

Neben diesem malerischen Ambiente sind die Romane allesamt spannend erzählt und beinhalten immer wieder aktuelle zeitgenössische Themen. Selbst das Privatleben der beiden Ermittler ist auf einem spannenden Niveau und lässt auch zu, dass beide Fehler machen, überreagieren und so hin und her menscheln, dass man sie gleich sympathisch findet.

In dem vorliegenden Band lässt Nele Neuhaus uns einen Blick in die komplexe Verlagswelt werfen. Dass damit natürlich Nele Neuhaus einen entsprechenden Heimvorteil hat, liegt auf der Hand – schließlich ist das ja genau ihr eigener Tatort.

Eine Frau wird vermisst. Im Obergeschoss ihres Hauses in Bad Soden findet die Polizei den dementen Vater, verwirrt und dehydriert. Und in der Küche Spuren eines Blutbads. Die Ermittlungen führen Pia Sander und Oliver von Bodenstein zum renommierten Frankfurter Literaturverlag Winterscheid, wo die Vermisste Programmleiterin war. Ihr wurde nach über dreißig Jahren gekündigt, woraufhin sie einen ihrer Autoren wegen Plagiats ans Messer lieferte – ein Skandal und vielleicht ein Mordmotiv? Als die Leiche der Frau gefunden wird und ein weiterer Mord geschieht, stoßen Pia und Bodenstein auf ein gut gehütetes Geheimnis. Beide Opfer kannten es. Das war ihr Todesurteil. Wer muss als nächstes sterben?  Pia und Bodenstein jagen einen Täter, der ihnen immer einen Schritt voraus zu sein scheint ...(Verlagsinfo)

„In ewiger Freundschaft“ ist mit Sicherheit einer der stärksten Bände der Reihe. Was anfänglich wie eine Flucht, oder ein Vermisstenfall wirkt, wird im schnellen Tempo eine rotierende Eskalationsspirale. Die Dynastie dieses Verlagshauses tragen eine dunkle Vergangenheit huckepack. Das ist auch nicht überraschend – vielmehr werden dem Leser im weiteren Verlauf der Geschichte viele Ereignisse, Situationen und Verbindungen über den Weg laufen, die eine perfekte Dramaturgie bilden.

Sehr fein und detailliert beschrieben ist auch die Ermittlungsarbeit, obwohl ich hier die zwischenmenschlichen Spannungen, die sich ergeben, wenn man eben nicht immer eine Meinung ist, kritisiere. Mir ging das alles viel zu leicht – eingespieltes Team, hin oder her.

Der Humor kommt auch nicht zu kurz, dafür sorgt der Ex-Mann und Rechtsmediziner, der im besagten Verlag seine Kriminalromane veröffentlicht. Raten Sie mal, welche Personen er sich als Vorbild nimmt? Großartig! Nicht jeder ist mit seiner literarischen Alten-Ego-Biographie zufrieden.

Die privaten Minenfelder von Bodenstein, die an mancher Stelle einfach hochgehen, sind nicht nur authentisch, sondern auch spannend ausgemalt. Man darf gespannt sein, wie sich das Privatleben des bodenständigen Bodensteins entwickelt. Vielleicht „Zurück in die Zukunft“.

Die Auflösung des Kriminalfalls verwundert dann doch am Ende und ist so total genial konzipiert. Der Epilog ist sensibel und fast schon als Familienfeier zu bezeichnen, wenn sich Fakten und Fiktion miteinander vermengen.

Fazit

So muss ein Krimi sein – genauso abwechslungsreich, tiefgründig, überraschend und originell. Ein Buch, das wieder mal zeigt, dass Nele Neuhaus ihre Tatorte literarisch und spannend erzählen kann. Perfekt

Michael Sterzik

 

 

Samstag, 6. November 2021

Teufelsnetz - Max Seeck


Das Internet vergisst nichts  - Die Informationen verbreiten sich in Sekundenschnelle: Beiträge werden geteilt, verlinkt, kommentiert, lokal gespeichert usw. Das Informationsnetzwerk beschränkt sich nicht mehr auf eine Stadt, oder eine spezielle Region, über Staats- und Ländergrenzen hinweg ist das Internet inzwischen ein globales Dorf geworden. Das kann sich positiv auswirken, diese Transparenz – doch wie bei allem gibt es auch hier eine düstere Seite dieses Informationsspielplatzes.

Influencer und Blogger sind die heimlichen „Stars“ im Netz. Sie geben Trends vor, empfehlen Waren, Dienstleistungen usw. Sie verdienen gut damit – und ihre Stimme und Stimmung haben ein gewisses mediales Gewicht. Das kann sich sehr negativ, manipulativ auswirken. Künstliche Kunst – Improvisation, originelle Ideen, Visionen, Vielfältigkeit – können vergänglich, oder nachhaltig sein, es gibt hier keine Zwischenwelten.

Der finnische Autor Max Seeck verarbeitet das Thema „Social media“ in seinem neuesten Roman „Teufelsnetz“. Erinnern wir uns kurz an seinen ersten Roman der Reihe um die eigensinnige und geheimnisvolle Ermittlerin Jessica Niemi – „Hexenjäger“. Mit diesem sehr originellen Roman, ist der erfolgreiche Autor einen sehr selbstbewussten, konsequenten Weg gegangen. Einfallsreich – eine hohe Spannung – tiefgründige Charaktere und wie erwähnt ist die Story fantastisch gut gewählt und erzählt.

Exemplarisch für diese Reihe ist die düstere Atmosphäre, die alles umgibt und durchdringt. Selbst die hellen Momente, die Lichtblicke in der Handlung erscheinen mit einer durchdringenden, dunklen Aura.

Helsinki 2020: Zwei erfolgreiche Blogger sind spurlos verschwunden. Kurz darauf wird deren Tod in den sozialen Medien gemeldet. Ein geschmackloser PR-Gag? Als eine junge Frau, gekleidet wie ein Manga-Mädchen, am Strand tot angespült wird, vermutet die Kriminalpolizei einen Zusammenhang. Jessica Niemi übernimmt die Ermittlungen, und sie kommt schon bald einem skrupellosen Netzwerk auf die Spur, das offenbar Mädchen an Manga-Fetischisten vermittelt. Zum Sex - und zum Töten ...(Verlagsinfo)

Vielleicht ist das Erfolgsgeheimnis des Autors, dass das „Böse“ so allgegenwärtig ist, so selbstverständlich sein Netz spinnt, auch wenn es weiß, dass es ggf. nicht gewinnen kann. Das ist auch nicht wichtig für das „Böse“ – wichtig ist der Weg des Todes, des Schmerzes, der Tränen und der Verzweiflung.

Max Seeck hat auch in der Ausprägung seiner Charaktere großartiges geleistet. Vielschichtig, menschlich abgründig, mysteriös und geheimnisvoll und das nicht nur auf eine Person konzentriert. Jede agierende Person hat hier etwas zu erzählen, und auch im zweiten Band, sind noch längst nicht alle „Leichen“ aus dem Keller zutage gekommen. Auch in dem gut geschilderten Rückblick in eine frühe, oder spätere Vergangenheit bewegen sich die Protagonisten überhaupt nicht orientierungslos. Das Konzept von Max Seeck geht auf – die gute Zusammenarbeit zwischen einer spannenden Handlung und vielfältigen Charakteren ist absolut ausgewogen. Alles spannend – zielgerichtet und zu keinem Zeitpunkt verspürt man auch nur einen Ansatz von Langeweile. Es gibt auch eine überschaubare Anzahl von Nebengeschichten und Schauplätzen, die nicht überflüssig auf den Hauptpart aufgebaut sind.

Natürlich fokussiert sich die Handlung auf die Chefermittlerin Jessica Niemi. Diese hat ein absolutes Talent dafür, sich in ihrem selbstgebastelten, emotionalen Minenfeld in die Luft zu sprengen. Das war im ersten Band so – im zweiten scheint sich die Lernkurve noch lange nicht abgeschlossen zu haben. Von ihrer Vergangenheit erfahren wir nicht viel mehr, wie sonst schon bekannt, aber sie muss sich selbst damit auseinandersetzen, wie sie hier verwende ich den Begriff „künstlich“ sich nicht mehr hinter einer „künstlichen“ Fassade versteckt.

Die Story ist komplex und fassungslos brillant. Das Tempo ist auch linear ansteigend, allerdings gibt es eine überraschende Spannungsexplosion.

„Teufelsnetz“, erzählt nicht viel von den Gefahren und Herausforderungen des „Netzes“ hier bleibt es allzu oberflächlich, was sich nicht negativ als Breakpoint auf den Spannungsbogen auswirkt. Die Handlung bzw. die Verbrechen sind nicht neu und diesen Trend findet man auch wieder in den vielen Neuerscheinungen im Genre Thriller. Max Seeck versteht es sein Spannungsgerüst erdbebensicher zu konstruieren. Stil, Ausdruck uns Sprache sind erstklassig. Und wir das Thema „Realismus „ansprechen –  die Story ist authentisch genug um entweder schon passiert zu sein, oder es noch geschehen zu lassen. Rekapitulierend noch einmal: Das „Böse“ ist immer da, es versteckt sich, es wartet ab – aber wie auch in diesem Roman – es schlägt unbarmherzig zu. Die Atmosphäre ist morbide faszinierend.

Fazit

Das Netz des Bösen – digital, oder menschlich zeigt sich hier hinter vielen Masken. Realistisch, atemberaubend spannend und tolle Figuren, die vielseitig sind und noch viel zu erzählen haben. Damit ist „Teufelsnetz“ einer der stärksten Thriller in diesem Jahr.

Michael Sterzik

 

Sonntag, 31. Oktober 2021

Der letzte Tod - Alex Beer


Historische Kriminalromane sind im Genre „Krimi/Thriller“ inzwischen stark vertreten. Gemordet wurde halt auch in der Vergangenheit und das nicht zu wenig. Eine historische Bühne kann für den Autor atmosphärisch wirkungsvoll verwendet werden. Dieses Ambiente überträgt sehr schnell die Stimmung einer ganzen Bevölkerung und kann somit politisch, kulturell, wie auch mit sozialen Aspekten reizend eingebaut werden. Nebenschauplätze und Nebenfiguren wird hier eine Bühne gebaut, die ggf. für die Story von größerer Bedeutung sein können, als wenn eine Story in unserer Zeit spielt. Das Interesse an einer Zeitreise in vergangene Epochen ist noch immer von großem Interesse.

Alex Beer lässt seinen neuesten, historischen Kriminalroman vor fast genau 100 Jahren spielen. 1922 – ist Wien nach dem Krieg noch immer schwer gezeichnet. Eine Inflation, die Lebensmittelknappheit, die Verbreitung von Krankheiten steigern die Wut der Bevölkerung auf die Amts- und Würdenträger der Stadt. Damit ist die Atmosphäre der Handlung sehr schnell präsent und bildet ein hervorragendes Stimmungsbild der Bevölkerung.

Wien im September 1922: Die Inflation nimmt immer weiter Fahrt auf, die Lebenshaltungskosten steigen ins Unermessliche, und der Staatsbankrott steht kurz bevor. Unterdessen haben Kriminalinspektor August Emmerich und sein Assistent Ferdinand Winter es mit einem grausigen Fund zu tun: Auf dem Gelände des Wiener Hafens wurde in einem Tresor eine mumifizierte Leiche entdeckt. Und dabei bleibt es nicht, denn der Mörder tötet nach einem abscheulichen Muster, und er hat sein nächstes Opfer schon im Visier. Doch damit nicht genug: Ein alter Feind aus Emmerichs Vergangenheit taucht wieder auf – und er trachtet dem Ermittler nach dem Leben …(Verlagsinfo)

Der Autor Alex Beer legt viel Wert darauf, seinen Kriminalroman so perfekt zu inszenieren, wie es ggf. möglich ist. Das fängt wie oben beschrieben bei dem gewählten Schauplatz an und setzt sich weiter fort, wenn wir die Haupt- und Nebenfiguren betrachten.

Besonders die Hauptfigur, der Ermittlungsbeamte August Emmerich trägt vieles, ggf. alles dazu bei, die Story nicht nur spannend, sondern auch emotional zu erzählen. Seine (Un)Sensibilität ist für ihn Fluch und Segen zugleich. Er ist der Schrecken aller Nachbarn, aller Vorgesetzten und manchmal auch seiner eigenen Familie.

Es ist schwer zu sagen, ob der Kriminalfall nun spannender ist, wie das manchmal katastrophale, aber unterhaltsame Auftreten des eigensinnigen Inspektors. Sehr förderlich ist die angespannte Atmosphäre in der Stadt Wien. Selbst einen feinen Humor hat Alex Beer eingebaut , z.B. wenn sich August Emmerich mit seiner Nachbarin unterhält, die mit ihrer Zankerei Bürgerkriege entfachen könnte. Der Roman ist kein touristischer Guide für Wien, aber vermittelt doch viel Wissenswertes um die Hauptstadt Österreichs. Leider wiederholt sich Alex Beer mit einigen Informationen, das wirkt oft so künstlich eingebaut und damit fehl am Platze.

Spannend ist „Der letzte Tod“ – auch in seinen Nebengeschichten – und damit nimmt das persönliche Leben des August Emmerich, der eigentlichen Haupthandlung die Luft weg. Ein alter Feind, ein altes Trauma, alte Verletzungen – lassen ihn nicht zur Ruhe kommen. Selbst seine persönliche Suche herauszufinden, wer seine Eltern waren, warum er als Findelkind in einem Heim aufgewachsen ist – raubt der eigentlichen Storyline die Präsenz.

Was ich sehr vermisst habe, ist das viel zu wenig der sprachliche Dialekt verwendet wurde. Im Buch ggf. nicht viel von Bedeutung, denke ich allerdings an ein „Hörbuch“ so würde dies der Atmosphäre mehr wie guttun. Das Stimmungsbarometer würde explosionsartig ansteigen. Aber nun gut.

Authentisch ist die Handlung allemal – aber wenig originell. Nichts was man ggf. von anderen Titeln bekannter Autoren schon versucht hätte.

Fazit

Schön, dass die privaten Schlachtfelder eines Ermittlungsbeamten im Vordergrund stehen!? Ein souveräner, manchmal sehr schwacher Kriminalroman, der letztlich doch nur über eine tolle Atmosphäre und seiner Figuren überzeugt. Der Unterhaltungswert ist nicht nachhaltig genug. Ein netter Krimi mit zu wenigen Fokussierungen, oder mit viel zu viel privaten Herausforderungen. Kann man sehen wie man will.

Michael Sterzik

Donnerstag, 23. Juli 2020

Eisenblut - Axel Simon


Es gibt zurzeit viele Krimis auf dem Buchmarkt, die sich in der heutigen Gegenwart abspielen. Im Genre „Historischer Roman“ gibt es noch eine Unterkategorie „Historischer Krimi“ – diese spielen allerdings zumeist im Mittelalter und nicht wie der vorliegende Krimi von Axel Simon – „Eisenblut“  zur Zeit des Kaisers in der Hauptstadt Berlin im Jahr 1988. Ungewöhnlicher Zeitraum – aber auch nicht weniger spannender als die bekannten Krimis.

Der Autor Axel Simon gibt dem Berlin vergangener Tage ein komplexes und authentisches Bild. Es ist eine interessante Zeit – eine die Veränderungen mitbringt. Die technischen Entwicklungen verändern das Leben der Menschen und die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse werden zunehmend alles in Frage stellten, was noch vor kurzen als Status Q galt. Die Atmosphäre hat der Autor wirklich gut eingefangen.

„Eisenblut“ von Axel Simon ist der erste Band einer Reihe um den Privatermittler Gabriel Landow. Dieser ist der jüngere Sohn einer alten ostpreußischen Adelsfamilie – der wegen einem Diebstahl aus der kaiserlichen Armee unehrenhaft entlassen wurde. So mit fristet der Grafensohn ein eher ärmliches, runtergekommenes Leben – zu stolz um wieder zu versuchen Anschluss an seine Familie zu finden – zu exzessiver Lebenswandel und immer wieder nur Gelegenheitsaufträge in seiner eher mies laufenden Detektei. So interessant dieser Charakter auch dargestellt ist – bedient sich der Autor doch einer zweifelsfrei bekannten Charakterkonzeption. Der verlorene Sohn, der talentiert ist, intelligent – aber zu eigensinnig um sich selbst zu reflektieren und Änderungen zu verfolgen. Also ein sympathischer Looser auf der typischen Verliererstraße – immer auf der Suche nach einem Ausweg. Auch wenn „Gabriel Landow“ seinen ersten Auftritt in „Eisenblut“ hat – so erkennt man das o.g. Muster schon nach wenigen Seiten. Schade – aber warten wir mal ab, welche Richtung er seinen Leben ggf. in einem zweiten Teil einschlägt.

Mit den übrigen Charakteren verhält es sich ähnlich. Also nichts neues – nicht originelles was dem Leser hier inhaltlich präsentiert wird.
Die Handlung splittet sich in mehreren Storys auf und auch die dramatische Vergangenheit von Landow, bzw. seiner Familie wird thematisiert.  

Kleine Seitensprung-Schnüffeleien sind der Alltag seiner schlecht laufenden Detektei im miesen Berlin-Kreuzberg im Jahr 1888: Gabriel Landow, schwarzes Schaf seiner ostpreußischen Getreidejunker-Familie, fällt der Erfolg nicht gerade in den Schoß. Aber dann fällt ihm ein Observierter direkt vor die Füße: Aus nachtschwarzem Himmel mitten aufs Sperrgebiet am Tempelhofer Feld. Wahrscheinlich wurde der aus dem Korb eines Militärballons gestoßen. Nur ein kleiner Ministerialbeamter, der allerdings mit einem geheimen Marineprojekt zu tun hatte. Und immerhin der dritte Tote dieser Art in letzter Zeit mit einem Buch der Gebrüder Grimm in der Hand. Aber weshalb die Regierung ausgerechnet Landow mit der Aufklärung betraut, ist auch ihm ein Rätsel. Genauso wie der Brandanschlag auf ihn kurz darauf. Wer sollte am Tod eines kleinen Ermittlers interessiert sein? Wo doch ganz Berlin, ach was, ganz Europa, nur gebannt auf das Sterben des todkranken Kaisers wartet, das einige aus ganz eigenen Motiven herbeisehnen. (Verlagsinfo)

„Eisenblut“ verfügt über eine solide Spannung – aber wirkt auch inhaltlich manchmal völlig verloren. Überfrachtet – zu langsamer Aufbau – keine wirklich zielführender Aufbau. Es entsteht der Eindruck als hätte der Autor Axel Simon sein Romanskript unzählige Male immer wieder überarbeitet. Sprachlich hat der Autor seinen Roman gut gestaltet – toller subtiler Humor, ironisch und manchmal düster.

Spannung – damit meine ich das Lesevergnügen ist eher durchschnittlich. Auch wenn der charakterliche Aufbau der Personen einer Schablone entspricht – so retten diese den Roman und animieren dazu bestimmt auf zu einem zweiten Band zu greifen. Dieser sollte aber inhaltlich mehr überzeugen.

Überzeugen konnte Axel Simon absolut in der authentischen Darstellung von Berlin, was den wenigsten von uns auch aus anderen Romanen bekannt sein dürfte. Interessante Darstellung eines Milieus und seiner Gesellschaft. Großartig beschrieben.

Fazit

„Eisenblut“ von Axel Simon ist etwas verfahren im Aufbau und insgesamt in seiner gesamten Struktur. Mehr Konzentration auf den Grundplot – und bitte Charaktere deren Substanz überzeugen und die man nicht wahrnimmt, als würde man diese schon seit Jahren kennen.

Michael Sterzik

Donnerstag, 24. Oktober 2019

Die Diagramm des Bösen - Axel Petermann und Claus Cornelius Fischer


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Was, oder wer verkörpert das „Böse“? Werden wir zu Killern, zu Mördern durch traumatische Erlebnisse in unserer Kindheit, vielleicht auch über unsere Erziehung – wenn wir wenig Liebe empfangen, sondern nur Hass, Gewalt und die daraus resultierende Angst kennenlernen!? Werden wir schon „böse“ geboren – sind die Erbanlagen, unsere DNA für eine solche Programmierung verantwortlich?! Es gibt inflationäre Forschungsergebnisse und Gutachten, zu solchen Themen. Psychologen, Neurologen sind schon lange auf der Suche nach Auslösern und Botschaftsträgern die den Täter ggf. plötzlich durchknallen lassen, oder  warum sich das „Böse“ in uns, sich seit Kindheitstagen mit entwickelt.

Es gibt keine grundlegenden Wahrheiten dazu – es gibt Wahrscheinlichkeitsrechnungen, Statistiken und wissenschaftliche Interpretationen. Doch es sind die „Bösen“ – die mörderischen Taten die einen Menschen zu einer Bestie machen können.

Im Verlag Knaur haben die beiden Autoren: Axel Petermann und Claus Cornelius Fischer ihren zweiten True-Crime-Thriller – Die Diagramme des Todes“ veröffentlicht.

Du bemerkst mich nicht – dabei habe ich dich längst auserwählt: Ich beobachte dich. Ich sehe nachts durch dein Fenster. Ich folge dir auf der Straße. In die Tiefgarage. In den Fahrstuhl. Ich kann einfach nicht anders; ich muss dir nahe sein. Wenn meine Fantasien nach dir rufen, muss ich nicht einmal an deiner Tür klingeln. Denn dann habe ich bereits aufgehört, dir zu folgen. Ich gehe einfach in deine Wohnung, lege mich in dein Bett, rieche an deiner Wäsche, esse aus deinem Kühlschrank. Ich bin bereits da, wenn du nach Hause kommst. Ich bin da, um dir meine Träume zu schenken – immer wieder, bis du alles willst, was ich auch will. Weil du sonst zu früh sterben musst, doch das weißt du noch nicht. Erst ganz am Ende musst du sterben, weil ich dich töten werde ...«

In seinem zweiten True-Crime-Fall bekommt es Hauptkommissar Kiefer Larsen mit einem perfiden Serienmörder zu tun, der exakte Diagramme vom Realisieren seiner Fantasien zeichnet, um die Emotionen bei seinen Morden immer wieder erleben zu können und seine Lust am Töten maximal zu steigern.(Verlagsinfo)

Wie schon im ersten Band dieser außergewöhnlichen guten Thriller-Reihe haben die Autoren, die Namen der Opfer und des Täters verfremdet, doch die geschilderten Ereignisse haben in den 90er Jahren tatsächlich in Bremen stattgefunden.

„Die Diagramme des Todes“ ist ein hochspannender True-Crime-Thriller. Authentisch – eine beklemmende Atmosphäre, die die Story trägt und eine außerordentlich gute Charakterzeichnung.

Der Leser des Titels wird zwar sofort damit konfrontiert wer der Täter ist, allerdings trägt sich Story über die immer heftigeren Morde in einem überschaubaren Zeitfenster und über die Emotionen und Perspektiven der erzählenden Personen. Gerade dieser Wechsel der Perspektive – Täter – Opfer – Kriminalkommissar erhöhen die Spannung immens.

Der Täter erzählt; von seinen Empfindungen, seiner Lust zu töten, schildern den Aufbau seiner mörderischen Fantasien, dem Realitätsverlust der schließlich eskaliert. Seine eigene Persönlichkeitsanalyse ist erschreckend, seinen inneren Schrei nach Geltung und Aufmerksamkeit, und vor allem nach Liebe – und trotzdem hat er sich darauf programmiert, brutal zu töten und zu verstümmeln.
Ebenfalls kommen die Opfer zu Wort – wenige Minuten bevor sie ihren Mörder begegnen und schließlich schildern sie ihre Angst und ihr eigenes sterben....

Diese beiden Parts – Täter und Opfer sind in aller Konsequenz und im Detail erzählt. Nicht um den Leser vor Abscheu das Buch wegzulegen, sondern um das Böse – so eiskalt und grausam darzulegen. Wir erinnern uns – wir sprechen hier von einem True-Crime-Thriller – und die Fakten sind manchmal grausamer als jegliche erdachte Fiktion. Trotzdem geht es an die Substanz – es ist hart und brutal – kompromisslos demaskiert sich das „Böse“ und ja, es wird den Leser erschrecken.

Doch auch die Kriminalpolizei – hier Kommissar Kiefer Larsen – lassen uns einen Blick in dessen Gedankenpalast und in deren Seele werfen. Auch hier ist Wahrheit alles andere als leicht zu ertragen. Die beiden Autoren und das finde ich außerordentlich gut gelungen, konfrontieren den Leser mit der Angst, dem erlebten Grauen, dem internen und äußeren Druck den Täter zu finden, um die Serie zu stoppen. Das „Böse“ hinterlässt Spuren auch in den Seelen der Ermittler und diese finden immer einen kleinen Spalt zum Privatleben des „Menschen“.

Die beiden Autoren beschreiben alle handelnden Personen als „Menschen“ – nicht als glänzender Held, oder verzweifelter Antiheld, nicht als ein klischeebehafteter Mörder und die Opfer sind auch nicht nur „Material“, dass man der Spannung wegen aufgestellt und beseitigt hat.

Handlung und Figuren sind somit perfekt in Szene gesetzt und verteilen die Spannung auf mehrere Schultern.

„Die Diagramme des Todes“ ist ein spannender Thriller – ein emotionaler Kriminalfall, der viel durch die vielfältigen Erzählperspektiven überzeugt.

Fazit

Ein harter, kompromissloser True-Crime-Thriller, der das „Böse“ zu erklären versucht und konsequent bei jeder Person Spuren hinterlassen wird. „Die Diagramme des Todes“ ist nach dem ersten Band: „Die Elemente des Todes“ eine Steigerung.

Stil – Ausdruck und Sprache haben sich in der Zusammenarbeit der Autoren gefestigt. Die psychologische, erzählerische Wucht ist brutal offensiv gewählt.

Einer der besten Pageturner im Genre –„True Crime-Thriller“.

Michael Sterzik