Freitag, 30. April 2010

Abgründe - Wenn Menschen zu Mördern werden (Josef Wilfing)



Abgründe – Josef Wilfing

Josef Wilfing ging letztes Jahr – 2009 nach 42 Jahren des aktiven Polizeidienstes in Pension. 22 Jahre davon arbeitete er und leitete die Münchner Mordkommission und klärte die prominenten Mordfälle von Walter Sedlmayr und den Modezar Moshammer auf. Er gilt als erfahrener und sehr erfolgreicher Spezialist bei Vernehmungen von Opfern, Zeugen und Tätern.

Im Heyne Verlag ist nun sein erstes Buch „Abgründe – Wenn Menschen zu Mördern werden“ erschienen.

Inhalt

Schon im Vorwort des Autors und ehemaligen Ermittler wird dem Leser deutlich wie sehr Josef Wilfing seinen „Job“ geliebt hat, es war mehr als nur die tägliche Arbeit, es war seine Bestimmung Menschen zu überführen, die aus den ganz verschiedensten Gründen ihre Hemmungen und die Grenze der Menschlichkeit überspringen und zu berechnenden und (oder) kaltblütigen Mördern werden können.
Angelehnt an die „7 Todsünden“ (Hochmut, Habgier, Neid, Zorn, Wollust, Völlerei, Trägheit) erzählt der Kommissar nicht nur über seine Erfolge bei den manchmal strapaziösen und zeitintensiven Ermittlungen, sondern auch über seine persönlichen Fehlern, und den Opfern.

So spannend und manchmal auch abgründig grausam ein Krimi sein kann, so ist es doch das Leben das immer wieder die spannendsten und leider auch realistischen Tragödien und Dramen wiedergibt.

So obskur und manchmal nicht zu glauben oder zu begreifen schildert Wilfing Tathergänge, die Motivation des Täters oder der Täter, die Feinheiten des Zuhörens bei Verhören, bei dem man sich jegliche Moral besser sparen sollte, und sich gänzlich an den bestehen Fakten und Indizien orientiert. Der Autor Wilfing entnimmt aus dem Fundus seiner Erfahrungen die Fälle die ihn mit am meisten geprägt haben und die sicherlich überwiegend intensiv sich immer und immer wieder in seinem Kopf abspielen. Das hier schnell der Eindruck entsteht das ein Mordermittler immer auch psychisch auf höchste gefordert wird, und diese Leichen, die traumatisierten Angehörigen die vielleicht ihr Kind zu betrauern haben, oder die Beweggründe von raffinierten Mördern, immer tiefe seelische Spuren hinterlassen Sich verschließen dagegen funktioniert nicht, gerade als Ermittler, so beschreibt der Autor sich selbst, muß man mit dem „Mörder“ denken, wissen was in diesem vorgeht und wie ein Raubtier das auf die Beute wartet in Vernehmungen manchmal blitzschnell reagieren, wenn sich die Chance auftut, dass der Gegner Signale zeigt um sich beichtend den Beamten zu offenbaren. Als Ermittler also ist man neben dem eigenen Beruf gleich noch Psychotherapeut und Sozialarbeiter in eine Person.

Josef Wilfing erzählt zwar kühl und nüchtern, trotzdem werden die Leser über seine Erfahrungen und seine Fälle zweifelsfrei nachdenken. In seiner Laufbahn hat Wilfing viel erlebt, gesehen und menschliche Schicksale und Tragödien, aber auch der Erfolg und die Freude wenn man einen Täter überführen konnte, erlebt und deswegen weiß er wovon er schreibt.

Sein Stil ist prägnant klar und deutlich; kristallklarer kann er nicht mehr sein und zugleich kritisiert er auf den ersten Seiten und im Laufe des Buches, die deutsche Gesetzgebung und das Strafmaß. Hier spricht er sich ganz klar für eine Sicherheitsverwahrung aus und nimmt ein deutlich und überzeugt Stellung zu diesem, gerade auch brisanten Thema. Das „Mord“ zwar eine Gewalttat bleibt die im Grunde und Gesetz bestraft werden muss, davon weicht er nicht ab und hält sich halt ein Fakten, aber wohlweißlich erklärt er in seinen Fällen „warum“ manche Menschen die Barriere übersteigen und zum Mörder werden?! Ist ein „Mord“ entschuldbar, oder gar verständlich, wenn das Opfer ein Sadist war der die Kinder und seine Frau gefoltert, erniedrigt und geschlagen hat? Hier kommt neben dem Verstand, dass Gefühl zum Ausdruck, dem sich auch ein Kriminalbeamter nicht verweigern kann, schließlich ist der Beamte auch ein emotionaler Mensch und nicht nur ein Werkzeug der Gesellschaft und des Staates. Das sich hier der Leser seinen persönlichen Gedanken nicht verwehren kann, ist sicherlich gewollt.

Josef Wilfing beschönigt oder überzeichnet die Grausamkeiten nicht, was ich im höchsten Maße lobenswert finde. Als Kritikpunkt habe ich nur empfunden, dass man nicht so sehr auf die „Angehörigen“ eingegangen ist und deren Situation! Es ist ja zweifelsfrei so, dass man wenn man jemanden getötet hat, nicht nur ein „Opfer“ auf der Strecke bleibt, sondern oftmals eine ganze Familie den Verlust spürt. Welche Grausamkeit und welche psychologischen Schäden solch ein brutaler Eingriff in das tägliche Leben hat, bleibt leider etwas im dunklen. Vielleicht ist es aber auch reiner Selbstschutz des Autors, denn die Geister die man dadurch ruft werden nicht wieder lebendig, sie quälen nur weiter. Trotzdem hätte ich gerne mehr darüber gelesen, was ein Ermittler fühlt, empfindet, woran er denkt, wie lange das anhält und wie er mit solchen Gewalttaten in seinem persönlichen Umfeld umgeht und sicherlich auch welche immense Aufgabe auf den Beamten zukommt, wenn er den gewaltsamen Tod den nächsten Angehörigen möglichst schonend beibringen muss!

Fazit

Alles in allem ist das Buch „Abgründe von Josef Wilfing“ absolut empfehlenswert. Es hält sich an Fakten, driftet nicht ab in fantasievolle Erzählungen und mach sehr deutlich wie „Mörder“ denken, bzw. was deren ausschlaggebendes Motiv sein kann.
Das Thema „Mord“ ist ein solch komplexes Thema mit so vielen unterschiedlichen Perspektiven, dass hoffentlich der „Normalbürger“ in seinen Leben nicht kennenlernen will und wird. Wilfing erzählt seine Erfahrungen aus seiner Perspektive des Ermittlers, nicht des Opfers aber manchmal des Täters. So spektakulär ein guter und durchdachter Krimi auch sein kann, die Wahrheit zu analysieren und zu hinterfragen ist spannender als jeder atemanhaltender Krimi oder Thriller im Kino oder Fernsehen.
„Abgründe – Wenn Menschen zu Mördern werden“ ist ein authentischer Thriller für sich. Eindrucksvoll spannend, kritisch und hinter der Bühne schauend – ein fantastischer und sehr empfehlenswertes Buch das mit einer „Mordserfahrung“ verfasst wurde.

Michael Sterzik


Donnerstag, 29. April 2010

Das brennende Land - Bernard Cornwell




Die Bedrohung durch die einfallenden Wikinger konnte von König Alfred den Großen zunächst abgewehrt und zeitweise aufgehalten werden. Doch die Verheerungen im Lande waren dramatisch. Die Dänen wie sich auch genannt wurden, hinterließen auf ihren Raubzügen brennende und zerstörte Dörfer, geplünderte Klöster und bei den Bewohnern Angst und Schrecken.
Doch Alfred war ein großer Taktiker und Stratege seiner Zeit. Immer wieder konnte er die Angriffe abwehren und den Invasoren empfindliche Schläge beibringen und so sein „Königreich Wessex“ und deren Grenzen sichern.
Sein geschlagener Gegner „Guthrum“, ein König der Wikinger konvertierte zum Christentum über, ob das nun wirklich aus Überzeugung geschah oder eher ein geschickter Schachzug gewesen ist, um Alfred milde zu stimmen, bleibt offen. Doch kann man wohl davon ausgehen, dass es nichts anderes als ein vernünftiger, politisch kalkulierter Gedanke war.
König Alfred träumte von einem „England“ unter der Krone seiner Familie, wenn nicht ihm es zu Lebzeiten gelingen sollte, die Königreiche zu vereinen, so sollte es wenigstens so war sein Wunsch und Bestreben, seinen Sohn gelingen. Über die Grenzen von Wessex, Mercien und Kent hinaus, wurde der Anspruch auf den Königsthron Alfreds akzeptiert. Doch in den kommenden Jahren 886 – 892 kam es immer wieder zu kleineren, kriegerischen Auseinandersetzungen. Alfred nutzte diese „ruhige“ Zeit um entlang der Küste „Festungen“ zu bauen um so, bei weiteren Angriffen der Wikinger gewarnt zu sein, zudem konnten sie sich schneller organisieren und Angriffe abwehren.
Im Jahre 892 wurde die Bedrohung durch die Wikinger die entlang der Küste Kents und Wales auf Raubzügen ging dramatisch größer. Einfallende Wikingerheere die zuletzt im „Frankenland“ für Tod und Verderben gesorgt hatten, hinterließen bei König Alfred schnell den Eindruck, dass ihr Ziel nicht nur die Küsten, sondern gerade die wichtigen Städte und Regionen im Innenland sein sollen, die wirtschaftlich und militärisch für das Land von größter Bedeutung waren.
Bernard Cornwell hat in seinem fünften Band der „Wikinger Saga“ – Das brennende Land „ diese Bedrohung beschrieben und lässt seinen „Kriegsherr“ Uthred wieder in blutige Schlachten ziehen.
Inhalt
Uthred von Bebbanburg, ein Kriegsherr des Königs Alfred ist auf diplomatischer Mission. In Kent, an Wessex Küste sind zwei Heere der Wikinger gelandet die Alfreds brüchigen und unruhigen Frieden und sein Königreich ernsthaft bedrohen.
Die Dänen die zuerst im Frankenland reiche Beute gemacht hatten, sind gegen eine ungemeine freche und hohe „Tributzahlung“ der dort ansässigen Könige einverstanden gewesen, mit ihren Drachenschiffen die Region zu verlassen. Trotz des „Schmiergeldes“ ist die Verlockung reiche Beute an Wessex Küste zu machen bei den Kriegern aus den Norden enorm groß.
Uthred soll mit Haesten einen Wikingerfürsten einen Waffenstillstand bzw. ein Friedensangebot besprechen und sucht diesen unter Achtung der Diplomatie zu einem persönlichen Gespräch auf. Alfred fordert durch seinen Kriegsherrn Uthred Haesten auf Geiseln zu stellen, möglichst aus seiner eigenen Familie. Doch dem Wikingeranführer ist nur schwer zu trauen und auch bei den Geiseln zweifelt Uthred zu Recht, dass es sich um Familienangehörige von Haesten handeln soll. Das Gespräch läuft zivilisiert und ruhig ab, und Haesten warnt seinen Widersacher Uthred vor der Aggressivität und den Eroberungswillen eines weiteren Heerführers der Dänen – Harald Bluthaar. Ein wilder, unbarmherziger Krieger der traditionell vor der Schlacht ein Pferd eigenhändig schlachtet und seinen Kopf in dessen Blut badet. Auch vor dessen Gefährtin, eine schöne friesische Frau mit dem Name Skade, die sich den Wikingerfürsten angeschlossen hat, verliert Haesten warnende Worte. Neben ihrer eindrucksvollen Gestalt und Schönheit sei sie eine böse und kalte Zauberin.
Uthred als Kriegsherr eingesetzt, ist mit seinem überschaubaren aber kampferfahrenen Heer auf den Weg sich Harald Bluthaar entgegenzustellen um zu beobachten wie weit die nordischen Krieger inzwischen ins Landesinnere vorgedrungen sind und wie hoch die neue Bedrohung tatsächlich ist. Uthred gelingt es nach einer heftigen ersten Gefecht Skade, die Partnerin Haestens gefangen zu nehmen. Haesten Worte waren nicht übertrieben. Skade ist eine faszinierende Frau, eine Kriegerin, vielleicht wirklich eine Zauberin und alles andere als einfach zu bändigen. In ihrer Wut verflucht Skade Uhtred vor dem sie Respekt und Angst hat, mit den wildesten Worten. Uthred der bei den Dänen aufgewachsen ist, gibt sich nicht eingeschüchtert, doch geheuer bleibt ihm Skade nicht.
Wenig später erreicht Uthred die Nachricht, dass seine geliebte Frau Gisela zusammen mit dem Neugeborenen im Kindbett gestorben ist. Verzweifelt und innerlich vor Trauer verkrampft ist seine Welt auf einmal zerstört.
Am Hofe König Alfreds widerspricht er der Bitte seines „Königs“ auch seinem Sohn die Treue zu schwören, sollte er sterben. Alfred ist schon über 40 und seine ohnehin schwache Gesundheit lässt ihn über den Tod und seine Nachfolge nachdenken. Uthred dagegen träumt noch immer von seinem ihm zustehenden Erbe – Bebbanburg, die sich leider in den Händen seines verräterischen Onkels befindet.
Als wenig später im Thronsaal der etwas verrückte und fanatische Mönch Godwin, ein Günstling Bischoff Assers, Uthred verstorbene Frau als Heidin, Hure und Unrat beschimpft, kann Uthred sich nicht beherrschen und schlägt im Jähzorn auf den schimpfenden Mönch ein und tötet ihn dabei.
Wütend und in Rage verlässt Uthred den Königshof, niemand stellt sich dem zornigen Kriegsherrn in den Weg, auch die Worte seines Königs, Alfred hinterlassen keine Wirkung. Als Uthred inzwischen wieder auf seinem Anwesen von Pater Beocca, einem alten und vertrauenswürdigen Freund aufgesucht wird, der Uthred bittet und indirekt befiehlt sich beim König zu entschuldigen, eine horrend hohe Strafte zu zahlen und zudem seinem Sohn noch den Treueschwur entgegenbringen soll, empfindet Uthred keine Reue, kein Einsehen und ist nicht gewillt dem königlichen Willen Folge zu leisten.
Zusammen mit seinen engsten Freunden geht er an Bord seines Schiffes um zurück in seine Heimat zu reisen – Die Bebbanburg ist sein Ziel. Dort in der Nähe seiner Heimat hat auch sein „Bruder“ und Freund, der Wikingerfürst Ragnar seine Festung. Die beiden engen Freunde verbringen viel Zeit miteinander und Uthred und seine Kämpfer werden wie brüderliche Freunde von seinen „Feinden“ willkommen aufgenommen.
Uthred der sich seinen Eid nicht mehr verpflichtet fühlt, hat nun eigene Pläne und er spricht mit Ragnar und seinen Männern offen über einen eventuellen Angriff auf das Königreich Wessex und seine Befestigungen. Uthreds Wissen über die Kampfkraft der Sachsen und deren Festungen an der Küste wäre eine beispielslose Stärke für die Dänen.
Doch auch hier holt Uthred das Schicksal ein: Æthelfleda, die Tochter König Alfreds und Freundin Uthreds erinnert ihn an seinen Schwur, ihr bei Gefahr zur Seite zu stehen. Uthred muss sich nun entscheiden für welche Seite er seine Schwerter nun ziehen muss, um entweder Dänen oder Sachsen zu töten….
Kritik
„Das brennende Land“ von Bernard Cornwell ist der fünfte und nicht der letzte Band der „Sachsen“ oder auch „Wikinger Saga“. Auch dieser Band besticht und überzeugt durch die hervorragende und souveräne Kunst eine Geschichte spannend und vielseitig zu erzählen.
Als Einleitung sei hier schnell zu bemerken, dass das vorliegende Buch „Das brennende Land“ zwar unabhängig der anderen gelesen werden kann, aber nicht sollte. Zu komplex und vielschichtig ist nicht nur die Story deren „timeline“ chronologisch aufgebaut ist, sondern auch vielmehr die einzelnen Protagonisten die mit- und (un)anhängig voneinander agieren.
Wie in den anderen Bänden auch, wird die Geschichte aus der Perspektive Uthreds erzählt, der wie so oft Freud und Leid kennenlernt. Sein Schicksal ist interessant, und als Nebenschauplatz sehr entwicklungsfreudig, ebenso verhält es zu seiner nicht immer einfachen Beziehung zu König Alfred. Alfred ist ein tief religiöser und gebildeter Herrscher, der in dieser Zeit als kluger Stratege und Taktiker den Wikingern effektiv die Stirn geboten hat. Aber nicht nur im Kriege war Alfred ein vorbildlicher Staatsmann, auch in kultureller Hinsicht prägte er das Land und stellte die Weichen für seine nächsten Nachkommen. Gerade in „Das brennende Land“ wird deutlich darauf hingewiesen, welche Macht und welchen Einfluss er hat, auch wenn er nur im Schatten mitspielt.
Hat König Alfred in den ersten Bänden eine größere und tragende Rolle gespielt, so ist er in diesem nicht mehr als eine kleine Randfigur. Das mag auf den ersten Blick enttäuschend sein, aber die dafür tritt seine Tochter Æthelfleda in das Zentrums des Geschehens, und man merkt schnell, der Königsapfel fällt vom gleichen Thron und sie ist ganz die Tochter ihres Vaters.
Etwas mehr Raum ist Uthred diesmal persönlich gewidmet. Als er seine Frau verliert, dass noch das Wohlwollen seines Königs, ist er ein heimatloser, ein verbannter und innerlich zerrissen fühlt er sich noch immer nicht zu Hause. Sein Ziel, sein Erbe – die Bebbanburg wieder in seinen Besitz zu nehmen rückt näher, doch wie verhält es sich zu seinen freundschaftlichen, fast schon familiären Banden für Ragnar, der wie sein eigener Bruder ihm noch immer nahe steht. Als Leser fiebert man mit, für welche Seite sich nun Uthred entscheidet und wie sehr das seine Umgebung beeinflusst.
Politik und Kirche spielen nur eine untergeordnete Rolle. Bernard Cornwell konzentriert sich auf die vielen kleineren und größeren Schlachten zwischen den Sachsen und den Wikingern, nur im ersten Teil des Buches bemerkt der Leser anschaulich wie Religion den König beeinflusst, aber auch wie sehr er dies zu seinen nutzen erkennt und selbst einsetzt.
Selbst nach dem fünften Band ist die Saga noch nicht abgeschlossen, aber prophetisch sei zu sagen, sie geht dem Ende zu wenn sich der Autor an der historischen timeline orientiert. Auch hier, meint man die Recherche die Bernard Cornwell leisten musste, hält er sich an die historischen Fakten. Es sind nur wenige Schlüsselpositionen in den Romanen der Fiktion des Autors entsprungen. Klar Uthred ist eine erdachte Figur, aber die historischen Schlachten, die Politik Alfred des Großen und nicht zu letzt die verbürgten, historischen Personen auf den Seiten der Nordmänner bilden einen vorbildlichen Rahmen für diese kriegerische Zeit, die England auf immer prägen sollte.
Im Vorwort erklärt der Autor noch die damaligen Orte des Geschehens, ,bzw. deren damalige und heutige Ausdrucksweise. Im Nachwort dagegen erklärt der Autor noch die historischen Fakten und nimmt auch Bezug auf seine künstlerische Freiheit, die hier minimal ausfällt.
Fazit
„Das brennende Land“ von Bernard Cornwell bringt dem Leser diese historische Epoche sehr nahe. Detailliert erzählt der Autor von Schlachten zwischen den Kontrahenten und deren Abhängigkeit, bzw. den Beziehungen untereinander.
Geschichte kann spannend sein, wenn sie denn von Bernard Cornwell erzählt wird.
Die Zielgruppe ist in jedem Fall die männliche Leserschaft. Die Schlachten werden blutig und spannend beschrieben und das nicht ansatzweise langweilig oder eintönig.
Als Kritikpunkt sei zu sagen, dass mir manchmal die Perspektive aus der Sicht der Wikinger fehlt. Waren sie wirklich blutrünstige und grausame Räuber und das nur? Was trieb sie an? Wie war ihre soziale Struktur aufgebaut, ihr tägliches Leben?! Das vermisst man schon ein wenig, aber vielleicht fasst sich Cornwell ja mal ein Herz und erzählt die Geschichte aus der Perspektive der Dänen. Ein ungemein interessanter Gedanke.
„Das brennende Land“ ist ein ungemein, starker Roman aus der Wikinger-Reihe und man darf gespannt sein, welchen Weg Uthred und Alfred nun gehen werden.
Bernard Cornwell hält was er verspricht, er bleibt sich und seinen Lesern treu und macht deutlich Appetit auf mehr. Abenteuer und Historie in einer perfekten Kombination.

Michael Sterzik

Sonntag, 18. April 2010

Die Maurin - Lea Korte


Die Maurin – Lea Korte

Andalusien im Süden Spaniens ist durch die Straße von Gibraltar nur 14 Km entfernt und stand von allen Regionen des Landes am längsten unter islamischer Herrschaft. Noch immer sieht man dort Zeugnisse wie eindrucksvolle, architektonische Häuser, Moscheen und nicht zuletzt die weltberühmte Alhambra, eine bedeutende Stadtburg in Granada und vielleicht das schönste Beispiel des Maurischen Stils in der islamischen Kunst. Noch heute ist gehört Burganlage als Weltkulturerbe zu einer der imposantesten Attraktionen in Europa.

Unter der Herrschaft der Kalifen war Granada, ein blühendes und reiches Land gewesen. Wissenschaften und auch die Kunst waren wie das Handwerk weltberühmt und galten in ganz Europa als Vorbild. Die Mauren bauten Schulen für die Einwohner der Städte, Krankenhäuser, Freizeitcentren und Bibliotheken. Im christlichen Europa war solch ein Luxus gänzlich unbekannt.


Die Volksgruppen wie Mauren, Christen und auch Juden lebten untereinander in relativer, friedlicher Eintracht. Der Koran predigt nicht umsonst den Respekt gegenüber anderen Religionen und Ansichten und ist damit toleranter als es das Christentum in seinen starren und intoleranten Ideologien jemals war.



Die Katholischen Könige sahen in der Herrschaft Granadas unter den Mauren eine Gefahr und die Eskalationsspirale drehte sich unaufhörlich. Einzelne Städte, ganze Regionen wechselten ständig zwischen Mauren und Christen. König Ferdinand II. und Isabella I. von Spanien gingen mit aller Schärfe und unbeschreiblicher Brutalität gegen die jüdische und muslimische Bevölkerung vor. Ihre Vorstellung von einem Spanien unter ihrer Herrschaft ging über die Grenzen hinaus, noch heute nennt man diese Epoche „Reconquista“. Die Einrichtung der Inquisition gehörte mit zu den dunklen Kapiteln des spanischen Königshauses.


Die deutsche Autorin Lea Korte, die selbst in Südspanien lebt hat in ihrem neuesten, historischen Roman „Die Maurin“ (Verlag Knaur), die Geschichte der fiktiven Zahra as-Sulami innerhalb dieser Epoche geschrieben.


Inhalt


Granada – 12. Juli 1478. Die sehr junge Zahra as-Sulami, Tochter einer ehemaligen Sklaven und eines maurischen Edelmannes, führt ein wohlbehütetes und geordnetes Leben. Doch Zahra besitzt die Neugierde und den Mut und findet sich mit dem ihr zugewiesenen, sittsamen und eintönigen Leben nicht immer ab. Ihr strenger Vater ist der Berater des amtierenden Sultans und lässt seiner Familie gerne spüren wer innerhalb der Familiengrenzen das eigentliche sagen hat.


Doch drei Tage der Woche kann sich Zahra von ihrer Familie lösen und verbringt diese als Vertraute und Hofdame der Sultanin Aischa in der Alhambra. Zahra genießt das Vertrauen von Aisaha, die sich als Zweitfrau des Sultans eher als Gefangene, als dessen Frau sieht. Zahra bekommt einen Eindruck der Intrigen am Hof und auch die Politik und die sich langsam entwickelnden Feindseligkeiten zwischen Christen und Mauren bleiben ihr nicht lange verborgen.


Als am Hofe zwei Botschafter von Königin Isabella I. von Spanien zur Unterredung auftauchen, bekommt Zahra von Aischa den Auftrag als Spionin die Verhandlungen zu beobachten. Es ist ihre erste Begegnung mit Gonzalo Fernandez de Cordoba, einem Vertrauten der Spanischen Königin und dem Feldherren Juan de Gongora. Als die anfangs friedlichen Verhandlungen eskalieren und ein kleiner Schwerkampf zwischen Yazid, Zahras ältern Halbbruder und dem Botschafter Juan entbrennt.


Nur mit Mühe können die beiden Kontrahenten getrennt werden und es ist der Anfang vom Ende der Maurischen Herrschaft über Granada. Hassan der Emir von Granada. Das Land wird überzogen mit dem Schrecken des Krieges und nicht wenige Dörfer wechseln die Seite, je nachdem ob die Mauren oder die Christen gewonnen oder verloren haben. Die Gefangenen werden egal auf welcher Seite zu Sklaven der Sieger und sind damit einer brutalen Willkürlichkeit ausgesetzt.


Auch Zahra und ihre Familie werden in die Machtkämpfe und kriegerischen Auseinandersetzungen verwickelt. Die Religion spaltet nicht nur das Land das in voller Blüte stehen könnte, sondern auch ganze Familien. Die Familie des Sultans ist längst nicht einig: Aisha die zweite, verstossene Frau des Sultans Hasan, strebt an, ihren Sohn Muhammad, auch genannt Boabdil der Unglückliche, der Unglücksbringer auf den Thron des Emirats zu bringen. Zahra wird von Aisha auf die heikle Mission geschickt, Boabdil aus seinem Exil zu befreien und sicher nach Granada zu führen. Für kurze Zeit hat Zahra die Möglichkeit selbst über Schicksal zu bestimmen und die temperamentvolle junge Frau, kann die von ihrem Vater geplante Hochzeit und seinen Zwängen entfliehen.


Zahras Familie steht auf beiden Seiten des Krieges, wenn auch nicht offensichtlich. Raschid ihr Bruder ist ein besonnener Mann, der wie auch Gonzalo auf spanischer Zeit sich für den Frieden einsetzt der Wohlstand und respektvolles Miteinander voraussetzt. Raschid ist selbst mit der Jüdin Deborah verheiratet, die sich immer wieder sorgt, wenn Raschid vom Sultan oder von seinem Vater auf eine gefährliche Mission geschickt wird. Yazid, Zahras Halbbruder hingegen ist ein verblendeter Kriegstreiber, ein intoleranter junger Mann der seine Worte gern durch das Wort unterstreicht. Auch Zahras Vater, der einer der engsten Ratgeber des Sultans ist, muß immer wieder innerhalb seiner Familie Auseinandersetzungen schlichten und auch zum Wohle des Landes zu handeln. An seiner Seite agiert Zahras Mutter Leonor, eine gütige und sanfte Frau, die selbst das Leiden der Sklaverei kennt, aber aus Liebe zu ihrem Ehemann zum Islam konvertiert ist.


Zahra die es immer mal wieder schafft ihren Leben einen Sinn von Selbstverwirklichung zu geben, gerät dabei in den Krieg zwischen die Maurischen und Kastillischen Fronten. Die religiösen und kulturellen Grenzen beider Völker lernt sie praktisch kennen und immer wieder kreuzen sich ihre Wege mit dem spanischen Adligen Gonzalo und seinem Bruder Jaime, die beide eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf sie ausüben. Zahra findet zwischen den beiden Kulturen doch noch ihr Glück, aber ihre Liebe und ihr Drang zur Selbstbestimmung bringen nicht nur sie und ihre Familie in die größte Gefahr.


Kritik


1492 wurde das Alhambra-Edikt der katholischen Könige – Ferdinand und Isabella von Spanien in Kraft gesetzt. Die Juden und Mauren mussten das Land verlassen sofern sie nicht gewillt waren zum Christentum überzutreten. Erst 1992 entschuldigte sich der noch heutige amtierende König Juan Carlos I. für das brutale und rücksichtslose Vorgehen seiner königlichen Vorgänger die so viel Leid über die Bevölkerung gebracht haben.


Wer mit „Die Maurin“ von Lea Korte, einen seichten Liebesroman erwartet, der voller Klischees und Vorurteilen aufwartet, wird enttäuscht sein. Die Autorin schildert eine ungemein realistisches und farbenprächtiges Drama des Maurisch-Kastilanischen Krieges. Ihr Perfektionismus für Recherchearbeit ist vorbildlich und viele Autor(innen) historischer Romane sollten sich ebenfalls die Mühe machen, zu berichten wie vielleicht annährend so gewesen sein könnte. Lea Korte wirft den Leser schon auf den ersten Seiten mitten ins Geschehen und stößt ihn mit Gewalt in die kulturelle und religiöse Welt beider Volksgruppen.


So verschieden auch der maurische, bzw. islamische Glaube auch den Christen vorkommen mag, der Hass und die Vorurteile die es nicht schaffen sich auf einen Konsens zu einigen, werden in jedem Kapitel ersichtlich. Doch ebenso schafft es die Autorin anhand von historischen Persönlichkeiten, die hier in der Überzahl sind, zu beschreiben, dass es ebenfalls auf beiden Seiten vernünftigen Menschen gab, die sich für Toleranz und Frieden zwischen den Völkern einsetzten.


Betrachten wir die Protagonisten in dem Roman „Die Maurin“ so ist es auch hier zu loben das einzig und allein Zahra und ihre Familie fiktiv sind. Die Autorin erzählt die Konflikte im Süden von Spanien anhand von Fakten und streut lässt dabei Zahra als aktive Beobachterin den Konflikt erzählen. Zahra Figur ist recht realistisch, auch wenn sie manchmal etwas viel er- und überlebt, aber die Autorin schafft es dann immer wieder kleinere Klippen mit spannenden und abwechslungsreichen Szenen zu umschiffen.


Lea Korte sich sehr mit dem Land und seiner kulturellen wie auch kriegerischen Vergangenheit beschäftigt hat, nimmt zu keiner Seite eine Stellung. Als neutrale Berichterstatterin erzählt sie von Fanatismus und das streben nach Macht beider Völker und nimmt kein Blatt vor dem Mund, wenn sie beschreibt wie egoistisch die Herrscher Politik und Religion einsetzen um ihre Macht zu vergrößern. Das Wohl der Menschen steht an letzter Stelle und Toleranz gegenüber anders Gläubigen kennen sie nicht.


Doch die Autorin beschreibt auch solche intensiven Szenen wo Menschlichkeit siegt, wo Vernunft sich durchsetzt und Verstand und Gefühl miteinander in Einklang stehen. Auch wenn in diesem Roman „Sinn und Sinnlichkeit, die Liebe nicht zu kurz kommt, so ist „Die Maurin“ viel, viel mehr als ein klassischer Liebesroman der auf der historischen Bühne spielt. Nicht nur die weibliche Zielgruppe wird hier Gefallen finden. Leo Korte beschreibt die Schlachten und Kämpfe so detailreich, dass es spannender nicht sein kann.


Das Tempo der Geschichte ist steigend und das ist auch gut so. Die Dramatik nimmt in jedem Kapitel zu, so das der Leser den Konflikt beider Völker begleiten kann und nicht aus dem Auge verliert, um was im eigentlichen geht. Die einzelnen Erzählstränge sind abwechslungsreich und erzählen aus der jeweiligen Perspektive der Protagonisten, allen voran natürlich Zahra. „Die Maurin“ versetzt den Leser direkt in die Handlung, so dass man sich nur schwer lösen mag, und der Wunsch entsteht, mehr über diese Zeit und dessen kriegerischen Konflikt zu erfahren.


Fazit


„Die Maurin“ ist ein absolut empfehlenswerter Roman der gedanklich lange anhält. Eindrucksvoll realistisch erzählt ist „Die Maurin“ ein Plädoyer für Menschlichkeit und Toleranz gegenüber anders Gläubigen. Ein Mahnmal die Kultur, die Lebensweise eines Landes mitsamt seinen Bewohnern zu achten, versuchen zu verstehen, anstatt mit Waffengewalt anderen Völkern seinen Willen aufzuzwingen.


Abwechslungsreich und sensibel, zugleich temperamentvoll und ehrgeizig erzählt uns Leo Korte die Vergangenheit einer Region die praktisch uns Europäern vor der Haustür liegt. Nie war die Vergangenheit der südlichen spanischen Region spannender und nachhaltiger erzählt worden. Lehrreich und historisch korrekt ein überaus imposantes Werk was aufzeigt was Menschlichkeit und Respekt ermöglichen können, aber ebenso Fanatismus und religiöse Vorurteile.


„Die Maurin“ ist ein historischer Roman der gelesen werden, denn außer Liebe und Verständnis, ist er ein Zeugnis und ein erhobener Zeigefinger für eine Epoche die in der Vergangenheit liegt, aber dennoch nicht in Vergessenheit geraten darf.


Autorin


Lea Korte, geboren 1963, wanderte nach Abschluss ihres Studiums nach Spanien aus, wo sie zuerst in Katalonien und später im Baskenland und in Valencia als Übersetzerin und Autorin lebte. Zusammen mit ihrem französischen Ehemann und ihren beiden Kindern lebt sie heute in Südspanien.


Michael Sterzik




Donnerstag, 1. April 2010

Dame, Turm und König - Katja Doubek


Katja Doubek – Dame, Turm und König

Amadore, die junge Tochter des Grafen Askenburn führt auf Burg Cronstein ein behütetes sorgenfreies Leben. Ebenso ihre Eltern Walter und Gotelind von Askenburn sind glücklich, bekommen sie doch in der nächsten Zeit ein weiteres Kind auf das sie freuen. Nach der Geburt von Amadores kleiner Schwester, steht dem perfekten Glück scheinbar nichts im Weg, doch Gotelind und das neugeborene Kind erkranken am Fieber und werden schwächer und schwächer. Als beide nacheinander sterben ist Graf Walter von Askenburn ein gebrochener Mann. Ohne den Rückhalt und der Liebe seiner Frau lässt sich der alte Graf in Selbstmitleid gehen. Über mehrere Monate hinweg, tröstet sich der Witwer mit Alkohol und seiner eigens verordneten Einsamkeit. Doch die Verwaltung der Burg, sein Land und die Verpflichtung sich um Amadore und ihren Halbbruder Odo zu kümmern wecken ihn aus seiner lethargischen Trauer um seine geliebte Frau.


Seinen ihm anvertrauten Sohn Odo hat sich Graf Askenburn noch nicht als Vater erkennen zu geben. Aus einer ernsthaften Affäre entsprungen hat sich die leibliche Mutter nach der Flucht in ein Kloster begeben und Odo vor wenigen Monaten seinen Vater anvertraut. Auf Burg Cronstein soll Odo das Waffenhandwerk eines Ritters erlernen und so als Knappe Walter von Askenburn dienen. Odo ist ein vorbildlicher und talentierter Knappe der es versteht mit Schwert und Lanze umzugehen, sehr zum Stolz seines Ritters und Vaters der Odo schon längst in sein Herz geschlossen hat.


In einer dunklen Nacht geschieht auf Burg Cronstein schreckliches. Borchert von Zaben, ein Raubritter überfällt in der Stille und Dunkelheit der Nacht die Burg und entführt Amadore aus ihrer Kammer und bringt sie auf seine gut befestigte Felsenburg. Borchert von Zaben rechnet mit einem anständigen und großzügigen Lösegeld für die schöne und junge Grafentochter.

Am morgen des nächsten Tages fällt das verschwinden von Amadore auf und die Forderung eines hohen Geldbetrages als Lösegeld wird gefunden. Graf von Askenburn ist zwar wohlhabend, aber trotzdem muss er sich bei den Juden etwas Geld leihen um Amadore auszulösen. Gemeinsam mit seinem Knappen und Sohn Odo reitet er zum Treffpunkt der geplanten Lösegeldübergabe. Auf dem Weg gibt sich Walter von Askenburn als Odos Vater zu erkennen und zerstört,ohne es zu wissen, damit die Träume von Odo. Denn dieser hat sich offensichtlich in die junge Frau verliebt und ahnte zu keinem Moment das die Tochter seines Herren, seine eigene Halbschwester sein könnte.


In der Nacht als Walter von Askenburn und sein nun verwirrter Sohn in einer Höhle im Wald übernachten müssen und Odo bei seiner Nachtwache einschläft, werden die beiden Reisenden überfallen. Graf Walter von Askenburn wird erstochen und Odo bewusstlos geschlagen. Als Odo aus seiner Ohnmacht erwacht, fühlt sich der junge Mann verantwortlich für den Tod seines Vaters und dem geraubten Geld. Voller Gewissenbisse und Angst wendet sich Odo ab und flieht durch die Wälder. Erschöpft und verletzt findet er in einem Gasthaus Unterschlupft und Hilfe. Als ein kleiner Trupp Ritter auf dem Weg ins Heilige Land dort ebenfalls rasten, schließt sich der Odo diesen Abenteuern an um Buße vor Gott zu tun für sein Versagen. Um sich nicht als Adliger und Ritter erkennen zu geben, arbeitet er als einfacher Knappe und immer in fester Überzeugung das dies sein Schicksal, seine Strafe ist und er die Gelegenheit hat, im fernen Jerusalem für Gott zu kämpfen und vielleicht zu sterben.


In der Zwischenzeit gelingt Amadore mit Hilfe der Ehefrau des Raubritters die Flucht aus der Felsenburg. Sie trifft im Wald auf eine kleine Gruppe von Räubern und Dieben der sie sich anschließt. Als die Diebe aber in einer Stadt im Taunus gefangen und dem Henker übergeben werden, sieht sich die junge Frau wieder ganz alleine vor ihren Problemen stehen. Wie soll sie zurück nach Burg Cronstein gelangen? Ein charmanter Spielmann und Musiker findet Amadore weinend und hilflos und wieder sieht Amadore die Chance darin auf Reisen mit dem Spielmann, in die ihr bekannte Gegend, um Cronstein zu gelangen. In Laufe der Zeit verliebt sich Amadore in den Charmeur und wird schwanger. Als sie ihn mit der Schwangerschaft konfrontiert nimmt der verantwortungslose Spielmann reißaus.


Amadore gelangt in ein Kloster, dass im Grunde nichts anderes ist, als ein getarntes „Freudenhaus“. Morgens sind die Nonnen und die Oberin brave Schafe, und des nachts vergnügen sich die Damen in einem Flügel des Klosters mit lukrativen Herren der naheliegenden Stadt. Amadore wie auch andere Frauen finden dort im Kloster Schutz und haben die Möglichkeit in dem geweihten Gotteshaus ihre ungewollten Kinder zu entbinden. Als Amadore entbindet kommt es zu Komplikationen und das Kind überlebt nicht. Amadore von den Anstrengungen der Geburt erschöpft, erholt sich von den Strapazen als die Oberin des Klosters die zwingen möchte, ihre Schulden als Hure abzuarbeiten. Amadore denkt nur noch an Flucht...

Währendessen wird Odo mit seinem Kreuzfahrerheer in die erste Schlacht geschickt. Er überlebt das Gemetzel wird aber so schwer verletzt, dass er sein Gedächtnis verliert und somit auch nichts mehr von seiner Vergangenheit weiß. Desillusioniert verlassen die Reste des Heeres das „Heilige“ Land um wieder nach Hause zu fahren. In einem kleinen Ort nahe des Klosters in dem Amadore nun lebt, findet der junge Mann zuflucht. Die Verletzungen die er in der Schlacht von Nikopolis sind zu ernst, so dass Hilfe im Kloster gesucht wird und Amadore die in Heilkünsten und Medizin ausgebildet ist, gebeten wird Odo zu helfen...


Kritik


„Dame, Turm und König“ von Katja Doubek ist ein historischer Roman der eindeutig auf die weibliche Leserschaft zielt. Im historischen Genre gibt dutzendweise Romane in denen das Schicksal einer Frau im Mittelpunkt der Geschichte steht. In dem vorliegenden Roman verhält es sich nicht anders.


Der Roman ist in zwei Handlungssträngen aufgebaut: Amadores Odysee, von der Entführung aus der Burg Cronberg bis zum glücklichen Finale und der ebenfalls schicksalhafte Weg von Odo, vom einfachen Knappen, zum Ritter und späteren Partner und Vater Amadores Kinder.

Katja Doubek übertreibt es mit den schicksalhaften Wendungen und Irrungen die sich abwechslungsreich die Hand geben. So unglaubwürdig und fern jeglicher Realität erzählt sie Geschichte der adligen und schönen Amadore, die über sich hinauswächst und jeglichen Erniedrigungen und Ängsten einfach die Stirn bietet und überlebt, ohne Verletzungen an Körper und Geist davonzutragen. Hier reiht sich Klischee an Klischee, hier wird ein farbenträchtiges buntes Bild gezeichnet, deren Schattierungen völlig und maßlos kein Ende finden. Schon nach wenigen Kapiteln offenbart sich dem Leser ein unterhaltsames Bild voller Vorurteile und Traumvorstellungen auf der Bühne Mittelalterlicher Dramatik. Geht die Autorin Katja Doubek tatsächlich davon aus, dass ihre Leser(innen) derartig naiv sind, solch eine Geschichte zu glauben, von der Unterhaltung mal ganz abgesehen!?


Unterhaltsam ist der Roman allemal, wenn man mal die dramatischen Elemente einfach so hinnimmt, doch so viele logische und inhaltliche Fehler vertreiben schnell das Interesse an dem Roman. Amadores und Odos Erlebnisse summieren sich in so hoher Zahl, dass es man fast glauben könnte, die beiden hätten mehrere Leben gehabt.


Zwar bedient sich Katja Doubek ihres soliden Wissens was das Mittelalter angeht, doch damit ist es noch lange kein historischer Roman, eher eine romantisierte Form davon, die nichts anderes als für Unterhaltung sorgen soll.


Fazit


„Dame, Turm und König“ von Katja Doubek ist für Leser dich sich im historischen Genre wohlfühlen nicht zu empfehlen. Voller Logikfehler und inhaltliche Schwächen, abgesehen von einer an den Haaren herbeigezogenen Story bietet der Roman nur ausreichende Unterhaltung. Die Protagonisten sind genau wie die Geschichte an sich nicht fassbar und so an der Realität vorbei interpretiert, dass selbst Nicht-Historiker, und das sind ja die meisten, nichts anderes als den Kopf schütteln können.


Zu einer spannenden Geschichte gehört ein gewisses Maß an Dramatik und Tragik, aber hier wird an jeder Stelle derartig übertrieben, wie ich es selten erlebt habe.

Katja Doubek sollte sich in ihren nächsten Roman auf möglichst übersichtliche Situationen konzentrieren. Manchmal ist weniger halt mehr und hier bei „Dame, Turm und König“ gerät alles völlig aus dem Ruder. Wer einen guten und spannenden historischen Roman lesen möchte, der glaubhaft erzählt wird, sollte von diesem Titel die Finger lassen.


Michael Sterzik



Dienstag, 23. März 2010

Leopard - Jo Nesbo


In Oslo tötet ein Killer scheinbar wahllos Opfer für Opfer. Seine Grausamkeit und seine Methoden sind bestialisch, und keine Spuren oder Indizien, oder gar ein Motiv, können die Ermittler vom Morddezernat erkennen. Nachdem letzten Fall hat sich der Osloer Kommisar Harry Hole in die Drogenhöhlen Hongkongs zurückgezogen. Seelisch verkrüpelt und von der chinesischen Mafia bedroht, soll er zurück nach Oslo, um das zu tun, was er am besten kann - wieder zum Jäger werden und den "Leopard", den Serienkiller zur Strecke bringen. Doch das Profil des "Leoparden" ist widersprüchlich und die Spuren führen nach Leipzig und Afrika. Im Laufe der Ermittlungen scheint der "Leopard" immer auf den Sprung zu sein und es geschehen noch grausamere Morde. Ein Wettlauf mit dem Tod beginnt

"Abgrundtief grausam und mit den Ängsten spielend - Ein must-read Thriller von einem eiskalten Meister des Genre. Hochklassig!!!!

Michael Sterzik

Freitag, 19. März 2010

Gold - Pirate Latitudes (Michael Crichton)


Gold – Pirate Latitudes – Michael Crichton

Die Karibik war nicht nur für die Seemächte, allen voran England, Frankreich, Holland und Spanien, als Handels- und Militärstützpunkte von größter Wichtigkeit, auch Abenteurer, Piraten und Freibeuter fühlen sich in den Breitengraden des karibischen Meeres äußerst wohl.

Im Goldenen Zeitalter der Piraterie, zwischen dem 17. – frühen 18. Jahrhundert boten viele kleine Inseln gute Unterschlupfmöglichkeiten für die Bukaniern und Piraten. Auf Port Royal und Tortuga entstanden ganze Piratensiedlungen, in denen unglaublich viele Piraten jeglicher Nation ihre Schiffe vor Anker legten.

Besonders die Spanischen Silberschiffe waren das Ziel der Freibeuter, die oftmals legitimiert durch Kaperbriefe, die von englischen Gouverneuren ausgestellt wurden, angegriffen und aufgebracht wurden. Die Prisen wurden aufgeteilt zwischen den Gouverneuren und natürlich den Freibeutern und deren Mannschaften. Gerade für die Regierung in London war es enorm praktisch und günstig den Krieg gegen Spanien „Piraten“ in die Hände zu geben, so profitierte jeder von diesem blutigen Geschäft. Die „Freibeuter“ wurden aber nicht nur mit den „Kaperbriefen“ ausgestattet, sondern auch von den Gouverneuren finanziert und mit Waffen und Gerät ausgestattet.

Das Ziel der Freibeuter waren nicht nur die schwerfälligen, spanischen Galeonen die Gold und Silber, Gewürze und sonstige Luxusgüter transportierten, sondern auch nahegelegene Küstenstädte die es zu plündern galt.

Michael Crichton hat in seinem Roman „Gold – Pirate Latitudes“ die Karibik als Schauplatz seiner Piratengeschichte gewählt.

Inhalt

Port Royal – Sir James Almont ist Gouverneur der Insel Jamaika. Eingesetzt von seiner Majestät Charles II. muss er am 7. September des Jahres 1665 eine Hinrichtung vornehmen. LeClerc, ein französischer Halunke, hat sich als Pirat den Tod durch den Strang verdient. Sir Almont ist ein strenger Gouverneur, der durchaus einen Unterschied zwischen einen gemeinen Piraten und einen Freibeuter erkennt, aber er würde niemals zugeben das die Grenzen eher fließend sind und wenn der eigentliche Pirat Spanische Galeonen überfällt, und die Krone England seinen Teil der Prise bekommt, so nennt man das etwas verklärt, die legale Freibeuterei.

Port Royal ist ein facettenreicher Ort. Die Hafenstadt die den Seeleuten und Piraten, pardon Freibeutern, viele Möglichkeiten gibt „geraubte“ Waren entweder zu tauschen oder zu verkaufen, hat in ihrem Stadtbild neben vielen berüchtigten Kneipen, Freudenhäusern, Tavernen und Spielhöllen, auch eine Kirche und anständige Kaufhäuser zu bieten. Die Gebäude sind recht unterschiedlich in ihrer Bauweise und noch vielseitiger in ihrem Erscheinungsbild. Neben klapprigen Holzbuden, gibt es ansehnliche Villen und Herrenhäuser, doch die neue Welt besitzt ihr persönliches Bild wie Almonts Vorgänger das immer gerne erzählt hat. Schon längst hat sich Gouverneur Sir Almont an die Geräuschkulisse der Stadt gewöhnt, auch wenn mitten in der Nacht Schüsse, Gelächter und Schreie zu hören sind, der Schlaf wird ihm deswegen nicht mehr geraubt.

Nach der vollstreckten Hinrichtung bekommt Sir Almonts mit einem gerade in Port Royal angekommenen Kauffahrer ins Gespräch, der von seinen Beobachtungen erzählt, und dass auf eine nahegelegenen Insel ein großes Schiff der Spanischen „Silberflotte“ vor Anker liegt. Auch Hunter, ein freigeborener und erfahrener „Freibeuter“ hört von dem Schatzschiff und spielt mit dem Gedanken, die als uneinnehmbar geltende Inselfestung zu überfallen, den Schatz zu stellen und mit dem gestohlenen Schiff davon zu segeln. Hunter hat zwei Ziele vor Augen, einmal natürlich der Schatz an Bord des Schiffes, zum anderen hat er noch mit dem spanischen Befehlshaber Cazalla eine persönliche Rechnung offen, denn er brachte Hunters Bruder grausam um.

Die Inselfestung wurde von der Seeseite aus, schon öfters angegriffen, doch ohne Erfolg, dafür mit vielen menschlichen Verlusten. Hunter sucht unter seiner Mannschaft und in Port Royal nach Spezialisten für die Eroberung der schwer bewachten und zugänglichen „Schatzkammer“ um ein Husarenstück zu realisieren was bisher noch niemanden geglückt ist.

Doch auf dem Weg wird Hunters Schiff „Cassandra“ von seinem Erzfeind Cazella geentert, die Piraten werden unter Deck eingesperrt, in Erwartung eines grausamen Todes….

Kritik

„Gold – Pirate Latitudes – von Michael Crichton ist, wäre das Buch schon verfilmt worden, im Popcorn-Genre einzuordnen. „Gold“ ist ein spannender aber kurzweiliger Abenteuerroman in bester Piratenmanier, der mit Sicherheit die nicht hohe Erwartungshaltung des Lesers nicht enttäuschen wird.

Ähnlichkeiten zu etwaigen Piratenstoffen sind vom verstorbenen Autor Michael Crichton höchstwahrscheinlich gewollt eingesetzt. Das die Geschichte in der von Piraten hochfrequentierten Region Karibik spielt, ist nichts außergewöhnliches, schließlich sind diese Breitengrade historisches gesehen immer ein bunter Spielplatz für Piraten gewesen. Die vielen kleinen Inseln im Karibischen Meer und den Großen Antillen waren sehr einladend, nicht nur des Versteckens wegen, sondern auch um Wasser und Lebensmittel aufzunehmen, Waren einzutauschen, Mannschaften anzuheuren. Im Laufe der Zeit gab es dann einige bekannte Piratensiedlungen wie im Buch erwähnt – Port Royal und Tortuga.

Michael Crichton hat schon in anderen Romanen seinen perfiden Realismus im Bezug auf inhaltliche Details bewiesen. Und auch diesmal werden Waffen, Nautik, Schiffe und Ortschaften gekonnt und spannend erklärt.

Der Roman lebt ausschließlich von seinem hohem Tempo und seiner Action. Hier werden der Säbel und der Degen geschwungen, wild geschossen und viel Blut auf die Planken verteilt. Wie es sich für Piraten gehört gibt es neben viel Blutvergießen auch Intrigen, Neid und Verrat, und die daraus resultierende Rache dazu.

Was an Action übermäßig den Leser geboten wird ist enorm, andersrum hingegen bleiben die Protagonisten einfach auf der Stelle stehen.

Sehr, sehr schade, denn viele Figuren in „Gold“ hätten das Potential für noch mehr Abenteuer in der Karibik. Hunter der als Hauptprotagonist und Anführer die Idee hat, sich mit Gewalt des spanischen Goldes zu bemächtigen wirkt manchmal etwas unsicher in seinem Handeln und ohne seine Spezialisten hoffnungslos verloren. Sein Gegenspieler, der spanische Befehlshaber Cazella, ein Todfeind und damit Ziel von Hunters Rache ist nur eine Etappe im Buch gewidmet. Sein Ende kommt so unerwartet abrupt, dass sich der Leser sofort fragen wird: Aha, und was passiert auf den nächsten zweihundert Seiten?! Cazalla und sein Hang zur Grausamkeit unter der Maske eines Gentlemans kommen zwar an die Oberfläche, aber gehen dann sang- und klanglos unter.

Es gibt noch andere Gegenspieler, und gerade auf die weiblichen Protagonisten gilt es zu achten, denn diese „Piratenbräute“, sind alles andere als edel und nett und bringen Hunter immer wieder in große Gefahr.

Im Laufe der Erzählung, in der man nicht zur Ruhe kommt, gibt auch Kapitel in denen die Abenteuer und Gefahren der Piraten an Lächerlichkeit zunehmen. Unrealistisch ist noch eine nette Umschreibung, aber lesen sie selbst: Sie werden schnell verstehen was ich damit gemeint habe. Die große Stärke der Geschichte ist die Einleitung und der Hauptteil von „Gold – Pirate Latitudes“, die Gefechte auf See, der Angriff auf die Festung, sind brillant und spannend erzählt, so das eine Atmosphäre entsteht, in der sich „jung“ gebliebene, erwachsene Leser wieder mit Augenklappe und Säbel in der Hand sehen möchten.

Fazit

Inhaltlich ist „Gold – Pirate Latitudes“ enorm spannend und unterhaltsam, es entstehen einige Überraschungen und Wendungen, doch mehr als kurzweilig ist es dann doch nicht.

Ich kann mir gut vorstellen, dass das Buch verfilmt wird, denn solche Action die Michael Crichton abliefert, schreit geradezu danach auf die Kinoleinwand projiziert zu werden.

„Gold – Pirate Latitudes“ ist der wahre „Fluch der Karibik“ – aber eindeutig für die ernstere Leserschaft geeignet.

Michael Sterzik






Samstag, 13. März 2010

Das Höllenschiff - James McGee


James McGee – Das Höllenschiff

In der Zeit der napoleonischen Kriege die zwischen 1792 und 1815 zwischen dem Kaiserreich Frankreich und einem alliierten Europa stattfanden. Es war auch eine Zeit der Koalitionen, der Bündnisse zwischen den einzelnen europäischen Staaten die aufgrund ihrer Interessen eine Front gegen Napoleon Bonaparte bildeten.


Die Schlacht bei Waterloo und der Sieg des Heeres unter Britischer, Niederländischer und Deutscher Flagge beendete die Herrschaft Napoleons. Die napoleonischen Kriege dauerten 23 Jahre und forderten in ganz Europa ca. 6,5 Millionen Tote an Soldaten und Zivilisten.


James McGee hat in seinem neuesten Werk „Das Höllenschiff“ einen historischen Kriminalroman im Heyne Verlag veröffentlicht, der in genau dieser kriegerischen Zeit spielt.


Inhalt


Die Royal Navy die sich mitten im Krieg gegen Frankreich und seinem Kaiser Napoleon befinden, steht national vor einigen anderen Problemen. Nicht nur das unzähligen französischen Kriegsgefangenen in Gefängnissen untergebracht, medizinisch betreut und versorgt werden müssen und das so mancherlei Logistische Probleme mit sich bringen, nein – auch die Schmugglerbanden die Waffen, Güter, Lebensmittel und auch feindliche Agenten nach England und wieder aus dem Land bringen, bedrohen die nationale Sicherheit.


Zwei Offiziere der Royal Navy sollten Undercover auf den Gefängnisschiffen, abgewrackte Kriegsschiffe die im Hafen von London vor Anker liegen, ermitteln, doch beide Männer verschwinden spurlos, wahrscheinlich sind sie tot.


Das Innenministerium Britanniens beauftragt einen seiner besten Agenten, Matthew Hawkwood mit den Ermittlungen auf den berüchtigten Gefängnisschiffen, auch „Hulks“ genannt und schleust den ehemaligen Soldaten und jetzigen „Runner“ als Gefangenen auf das ehemalige Kriegsschiff der Rapacious ein. Als Kriegsgefangener „Yankee“ freundet sich Hawkwood schon auf dem Weg zum Gefängnisschiff. mit dem Privateer, dem französischen Freibeuter Paul Lasseur an.


Die Gefängnisschiffe gleichen abgeschotteten „Höllen“, die hygienischen Verhältnisse sind mangelhaft, der Gestank fast unerträglich und täglich sterben die Gefangenen an Unternährung und Krankheiten. Viele Gefangenen vegetieren schon seit Jahren auf diesen „Höllenschiffen“, einige behalten ihre Menschlichkeit und träumen von einer Flucht, doch viele andere in den unteren Decks gleichen mehr Raubtieren. Selbst die Wachmannschaften und Soldaten trauen sich nicht in die tiefen der Gefängnisschiffe.


Hawkwood und Lasseur lernen auf der „Rapacious“ einige Mitgefangene kennen, die anscheinend wissen, wie man der „Hölle“ entkommen kann. Als ein französischer Bootsjunge, noch ein Kind in die unteren Decks verschleppt wird, setzen die beiden befreundeten Feinde Hawkwood und Lasseur alles daran den Jungen zu retten.


Nach dieser missglückten „Rettungsaktion“ haben sich die beiden Draufgänger unter den Gefangenen einen guten Ruf verschafft, doch ihre Aktion hat auch persönliche Folgen für die beiden Freunde. Als Strafe sollen sie auf ein anderes Schiff gebracht werden, auf dem noch schlimmere Verhältnisse und Bedingungen herrschen. Doch mit Hilfe anderer Gefangenen gelingt Lasseur und Hawkwood die Flucht....


Kritik


„Das Höllenschiff“ von James McGee ist dritte Band um den „Agenten ihrer Majestät“ Matthew Hawkwood der zur Zeit der napoleonischen Kriege in London ermittelt.


Der Autor James McGee lässt einen „historischen“ James Bond mit der Lizenz zum töten die Hauptrolle spielen. Ähnlich wie die Figur Bonds ist auch Hawkwoods Charakter ein ernster und manchmal verbitterter, ein Einzelgänger der viele Narben aus seinen Einsätzen trägt, psychische wie auch physische. Als „gebranntes“ Kind, ist aber trotzdem seinen Land treu ergeben, wenn auch dieser Einsatz für den Ermittler keiner ist wie jeder andere zuvor. Matthew hat scheinbar nichts wofür es sich zu leben lohnt, manchmal ist zwar in der Geschichte die Rede von einer Frau, doch spielt die aktuell keine wesentliche Rolle.


„Das Höllenschiff“ ist in der Episoden aufgeteilt: Die Einleitung spielt sozusagen auf dem Gefängnisschiff, im Mittelteil kann der Leser verfolgen wie Lasseur und Hawkwood aus ihrem schwimmenden Zuchthaus entfliehen, nur um wenig später sozusagen vom Regen in die Traufe zu kommen. Auch wenn Hawkwood viel Ähnlichkeit mit dem eines einsamen Wolfes hat, so muss er doch zwangsläufig mit dem Feind gemeinsame Sache machen. Und genau diese Zweckfreundschaft unter Feinden widmet der Autor einen großen Teil der Geschichte. Schließlich ist es ja auch nicht alltäglich, dass ein englischer Sonderermittler mit einem französischen Freibeuter kämpft. Die Interessen der beiden Hauptprotagonisten Hawkwood und Lasseur könnten unterschiedlicher nicht sein.


Auf dem Gefängnisschiff verändert sich Hawkwoods Einstellung zum Krieg vielleicht ein wenig. Auch wenn die gefangenen Franzosen auf den Schiffen Feinde sind, so hat er doch Mitleid und zugleich Achtung vor deren Schicksal. Mehr als einmal fragt sich Hawkwood nach dem Sinn des Krieges. Sein Vorhaben sich Lasseur anzuschließen gelingt, aber sehr schnell erkennt er ,dass der französische Freibeuter ein echter Freund ist, der Hawkwood sein Leben anvertraut. Als Engländer muß er auch zugeben, dass Lasseur ein wahrer Gentleman ist, wenn auch manchmal ein Schlitzohr, aber doch Anstand und Verantwortung zeigt. Die Freundschaft dieser beiden so unterschiedlichen Männer hat der Autor fabelhaft zum Grundthema erkoren. Schon nach wenigen Kapiteln wird sich der Leser fragen wie diese „feindliche“ Freundschaft denn enden wird, spätestens dann wenn die beiden auf der Flucht sind.


Paul Lasseur ist charakterlich als „Pirat“ aufgebaut. In ihm verbindet der Autor einen bunten Mix von Wagemut und Anstand, sowie Ehre und Geschäftssinn, und selbst ein Hauch von Patriotismus fehlt ihm nicht. Er ist ein Spiegelbild Hawkwoods, aber ein wesentlich klareres und manchmal stellt der den Gesetzeshüter einfach in den Schatten.


„Das Höllenschiff“ ist ein historischer Kriminalroman mit vielen Facetten. Die Action und Kämpfe kommen nicht zu kurz, genauso wenig wie inhaltliche Spannung oder tiefsinnige Dialoge. Je tiefer der Leser in die Geschichte eintaucht, desto mehr wird er beim schmökern die Zeit vergessen. Spannend, abwechslungsreich und realistisch erzählt der Autor von einer Zeit, in der sich die Grenzen zwischen Freund und Feind vermischen. Ungefähr nach der Hälfte des Buches wird man mit dem Thema des Schmuggelns konfrontiert. Gerade zu Kriegszeiten gibt es immer wieder helle Köpfe, die mit Schmuggeln viel Geld verdienen und keiner Seite wirklich angetan sind. Für sie zählt nur das Kapital, der Gewinn, der Profit der bei solchen Geschäften am Ende übrig bleibt.


Im späteren Nachwort erklärt James McGee noch die historischen Fakten: Die „Hulks“ hat es wirklich gegeben, ebenso die unterschiedlichen Fluchtversuche, wie auch die soziale Struktur unter den Gefangenen die gerade im ersten Teil eine große Rolle einnimmt. Das Buch wird mit Sicherheit bei einigen Lesern das Interesse wecken, mehr über die napoleonischen Kriege zu erfahren und ebenso vielleicht die ersten beiden Teile um den Sonderermittler Hawkwood zu lesen.


Fazit


„Das Höllenschiff“ bietet eine atmosphärisch spannende Geschichte mit vielen Schauplätzen und entwicklungsfreudigen Charakteren. Das Krieg zwar ganze Länder und ihre Menschen in einen Strudel von Gewalt und Tod ziehen kann, ist uns allen klar, aber wichtig finde ich es, dass sich der Autor die Zeit nimmt, die kämpfenden Soldaten auch als bemitleidenswerte Menschen zu zeigen.


Gerade der Freibeuter Lasseur zeigt viel Menschlichkeit und Güte, dass man bei dem beinharten Hawkwood etwas vermisst. Ich hoffe, dass der Autor Captain Lasseur in seinem nächsten Roman „Rebellion“ wieder eine Rolle spielen, denn sein Charakter bietet Potential entweder für eine eigene Reihe oder mindestens einer Zugabe.


„Das Höllenschiff“ ist ein historischer Roman mit hohem Niveau und sein Autor James McGee wird viele neue Leser gerade durch diesen Roman gewinnen können.

Spannende Unterhaltung mit viel historischen Hintergrund der nicht nur satt macht, sondern gleich den Hunger auf mehr weckt. Großartig!



Michael Sterzik