Es gibt nicht viele Titel im Genre „Historischer Roman“, die sich thematisch mit dem 30-jährigen-Krieg beschäftigen. Der Krieg zwischen der katholischen Liga und den Protestanten war für Europa im Zeitraum 1618-1648 für die Bevölkerung in Dörfern und Städten schrecklich. Niederländer, Spanier, Franzosen, Österreicher, Schweden und das Heilige Römische Reich trugen ihr Schlachten überwiegend auf Deutschlands Boden aus. Ganze Landstriche und Dörfer wurden vollständig mit ihrer Bevölkerung vernichtet. Söldner wechselten oftmals die Lager – je nachdem, wer ihre Versorgung und Bezahlung sicherstellte.
Militärisch und politisch zerstörte diese kriegerische Epoche unzählige Leben. Die Grausamkeit dieses Krieges ist in Worten nur schwerlich wiederzugeben. Zeitgenössische Quellen gibt es mehr wie genug, doch der Autor des vorliegenden Titels lässt den zunächst einfachen Soldaten Peter Hagendorf erzählen. In der Tat wurde das Tagebuch, die Kriegserlebnisse des Peter Hagendorf, ein Söldner gefunden und ist damit für die Forschung und Wissenschaft ein großartiges Zeitzeugnis. 1988 wurde das Tagebuch von einem Historiker gefunden und die persönlichen Zeilen erzählen vom Töten, Überleben, von Zorn und Verzweiflung von auch von Hoffnung und Liebe.
Peter Hagendorf überlebte den Krieg – dies ist seine Geschichte.
Als sich im Jahr 1618 ein Komet mit einem funkensprühenden Schweif am Himmel zeigt, deuten die Menschen ihn als Bote kommenden Unheils. Auch der junge Peter Hagendorf beobachtet die unheimliche Erscheinung.
Nachdem sein jüngerer Bruder die elterliche Mühle übernimmt und Peter bei einem Überfall seines Erbteils beraubt wird, prophezeit ihm eine Wahrsagerin eine düstere Zukunft. Er lässt sich anwerben und zieht als Söldner durch halb Europa. Während er an blutigen Schlachten teilnimmt, ehelicht der ihm verhasste Bruder seine Jugendliebe.
Peter wird Zeuge von Hexenverbrennungen, entsetzlichen Hungersnöten und schrecklichen Krankheiten. Beim Sturm auf Magdeburg wird er schwer verwundet. Während er im Zelt des Feldschers um sein Leben ringt, begibt sich Ehefrau Anna auf Plünderung in die brennende Stadt.
Doch die Reiter der Apokalypse fegen bereits über das Land, bereit auch Peters Schicksal eine ungeahnte Wendung zu geben...(Verlagsinfo)
Der Roman ist nicht als chronologisches Tagebuch zu verstehen. Nur selten findet man hier persönliche Zeilen, die der Autor direkt aus den Originalschriften verwendet. Die Basis dieser Handlung bildet das Tagebuch, ohne dass sich der Autor Robert Steinhauser schriftstellerischen Freiheiten bedient. Die Perspektive fokussiert sich nur auf Peter Hagendorf, der sein Leben erzählt.
Er ist ein Söldner, seine militärische Karriere vom einfachen Soldaten bis hin zum Unteroffizier wird detailreich dargestellt. Das alles zeigt aber auch diverse Schattenseiten seines Charakters. Er tötet, zwingt Frauen seinen Willen auf, er raubt und plündert – seine Verrohrung ist erschreckend, aber die Bestie Krieg unterscheidet nicht und vernichtet im Kampf ums Überleben den Charakter. Auch Peter Hagendorf ist sich selbst der nächste. Er beweist aber auch für Freunde und seine Frau und Kinder eine Sensibilität. Dass er den Krieg überlebt, die Schlachten, die schwere Verwundung, den psychischen inneren Schlachten, die schlechte Verpflegung, den Mangel an Medizin usw. dazu gehört sicherlich auch Glück, aber Robert Steinhauser zeigt auch einen Überlebenskünstler. Das er lesen, schreiben kann und auch ein Organisationstalent ist, zahlt sich dann in seiner Karriere durchaus aus.
Die Pest, Hexenverbrennungen und viele Kriegsverbrechen erlebt der Leser mit Peter Hagendorf, der auch mal den Dienstherren wechselt. Besonders erschreckend sind die Grausamkeiten, die die überwiegend ländliche Bevölkerung erlebt. Die Angst und Verzweiflung erzählt der Autor drastisch, hart, aber auch sachlich sehr nüchtern.
Natürlich bezieht sich Robert Steinhauser auf das Leben von Peter Hagendorf – und dass nicht nur mit einem militärischen Blick, sondern haben wir Gelegenheit auch über seine familiäre Situation zu betrachten. Der Verlust von vielen Kindern, seiner ersten Frau, von Freunden, die ihr Leben auf dem Schlachtfeld ließen.
Mit dem Titel „Hagendorf“ geht Robert Steinhauser einen originellen Weg, diesem Soldatenschicksal eine Stimme zu geben. Doch nicht nur Hagendorf hinterlässt Spuren, sondern auch die Schicksale, das Leiden und Sterben von Soldaten auf dem Schlachtfeld, das hinschlachten der einfachen Bevölkerung, die Vergewaltigungen von Frauen, das Töten von Kindern. Robert Steinhauser erzählt konsequent und kompromisslos von einem globalen Vernichtungskrieg.
Spannend, lehrreich und unterhaltsam bekommen wir einen authentischen Einblick einer dunklen Zeit, die allerdings auch Europa bis heute geprägt hat. Robert Seinhausers schriftstellerischer Stil ist insgesamt gut, aber phasenweise zu nüchtern. Gefehlt haben mir ein wenig die Gedanken, die Hoffnungen und Erwartungen von Peter Hagendorf selbst – und selbst wenn hier etwas zur Sprache kam, so ging es unter in den vielen Schlachten, die er erlebt hat. Vielleicht wäre es auch vorteilhaft gewesen, die Geschichte, um Nebenpersonen zu erweitern, sicherlich wäre es ein Stück weit fiktiv geworden, doch dem Unterhaltungswert hätte es gutgetan.
Ebenso fehlt ein politischer Blick auf den erzählten Zeitraum. Wir erfahren wenig bis gar nichts über die Auswirkungen gewonnener, oder gefallener Schlachten.
Bei aller Kritik kann ich allerdings den Roman absolut empfehlen. Selten etwas Drastischeres gelesen, obgleich nüchtern und fast schon emotionslos erzählt.
Fazit
Ein authentisches Schicksal, das vieles erzählt, wenig erklärt, aber uns einen brutalen Einblick in den 30-jährigen Krieg gewährt. Robert Steinhauser hat als Autor viel, viel Talent. Ich bin gespannt auf sein nächstes Projekt.
Lesen Sie bitte diesen Titel: „Hagendorf“ wenn Sie sich für den 30-jährigen Krieg interessieren. Lesen Sie ihn, wenn Sie begreifen wollen, was der Krieg mit einer Persönlichkeit anstellt.
Michael Sterzik
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