Vatikanistan
In der ewigen Stadt Rom, sozusagen mittendrin in dieser Großmetropole existiert ein eigener Staat – Der Vatikan. Auch wenn der kleine Kirchenstaat der kleinste Staat auf unseren blauen Planeten ist, so ist und bleibt dieser mysteriös und geheimnisvoll und ganz egal ob nun der Besucher ein Papstfan, ein Rucksacktourist auf durchreise ist, oder sich für die bewegte Geschichte des Vatikan interessiert, er wird ehrfurchtsvoll den Atem anhalten und erstaunt sein.
Viele Reiseführer berichten das übliche, wenn sie Rom als Thema haben. Einen eigenen praktischen Reiseführer der sich nur mit dem Vatikan beschäftigte findet man gar selten. Und meistens unterscheiden sich diese in ihrem Inhalt nicht viel voneinander. Es gibt den Petersdom, den dazugehörigen Petersplatz, die Vatikanischen Museen, natürlich die Sixtinische Kapelle und einiges mehr, aber im Grunde war es das schon. Meint man, aber es gibt Geschichten und vieles mehr was es für den Neugierigen unter uns zu entdecken gibt. Nur wo und vor allem wie, gelingt es uns, sich an der Schweizergrade vorbei zu mogeln um einen Blick hinter die päpstlichen Kulissen zu werfen.
Der Rom Korrespondent Alexander Smoltczyk hat mit seinem „Reiseführer“ Vatikanistan einen amüsanten und informativen Einblick in diese kleine Enklave gegeben.
Inhalt
Der Vatikan ist sonderbar, seltsam, mysteriös und darüber zu schreiben kann zu einer ketzerischen Angelegenheit werden. Was weiß schon der Normalsterbliche über diesen kleinen Staat in dem sich die Mode alle zwei- bis dreihundert Jahre wechselt, alle Kater kastriert sind, in dem man ein Kino verzweifelt sucht, ebenso wie ein Restaurant? Der Fun-Faktor liegt also weit unterhalb der Nachweisbarkeitsgrenze. Im Grunde ist nur die Post lobend zu erwähnen, denn die funktioniert optimal.
Vergleicht man das Vatikanische Hoheitsgebiet mit dem anderer Staaten, so stellt man nicht wenig verblüfft fest das die US-Botschaft in Bagdad viel größer ist, dass Berliner Kanzleramt aber etwas kleiner. Soviel also zum Größenverhältnis.
Trotzdem ist der kleine Staat nicht ohne Macht. Er unterhält Botschaften in fast jeder Region und jeder größeren wie auch kleineren Metropole, zudem von hier aus im Zentrum Roms, Einfluss auf knapp einer Milliarde von Menschen genommen wird.
Der Vatikan ist auch Weltkulturerbe, nein nicht allein der Petersdom und der gleichnamige Platz, sondern einfach und schlicht – komplett.
Alexander Smoltczyk lässt den Leser gleich in der Einleitung schmunzeln, auch die einzelnen Kapiteln sind teil ironisch, teils sehr amüsant verfasst, aber niemals ins lächerliche gezogen. Eher sind die einzelnen Kapitel interessant und es gibt auf den nachfolgenden Seiten des kleinen Buches immer wieder nette Anekdoten und augenzwinkerndes Insiderwissen.
Es unterscheidet sich von anderen Reiseführern daher das darin so vieles steht, was Sie gar nicht über den Vatikan wissen wollten, bzw. überhaupt auf den Gedanken gekommen wären danach zu fragen. Zum Beispiel die Notrufnummer des nächsten Exorzisten oder den Passagewörtern am Lieferanteneingang, bis hin zur Geheimsprache des päpstlichen Kleiderschrankes.
Spaß beiseite. Auch wenn es so klingt als würde sich der Autor über den kleinen Kirchenstaat humoristisch hinwegsetzen, es ist nicht so. Vieles was wir auf den knapp 351 Seiten finden, ist gut recherchierte Kirchengeschichte bis hin zu wirklichen Wissen was den Papst und seine Priester allzu menschlich dastehen lässt.
Auch wenn der Vatikan das Zentrum der katholischen Christenheit symbolisiert und wirklich lebt, so sind die Menschen die dort arbeiten und leben, fast Leute wie Du und ich, mit der Ausnahme, dass diese Soutanen tragen. Viele Angestellte, auch die Fürsten in Purpur verfügen über angenehme Wohnungen außerhalb der Kurie.
Fazit
Alexander Smoltczyk schreibt flüssig, informativ und auch wirklich spannend. Der eine oder andere der in die ewige Stadt reist, wird gleich ein paar mehr wirklich gute Tipps für mehrere interessante Einblicke hinter den Toren des Vatikans.
Er erklärt die Berufe in der christlichen Hochburg, gibt uns das kleine 1x1 des guten Benehmens mit auf den Weg und auch die zwischenmenschlichen und erotischen Begegnungen spricht er unverhohlen aus. Auch gibt es einige Bilder, nichts besonderes, aber durchaus passend. Ein Quellen- und Literaturangabe für die noch neugierigen Leser unter uns, runden das Bild perfekt ab. Auf den letzten Seiten gibt es dann noch ein visuelles Grundrissbild um zu zeigen, wo sich auf den paar Quadratkilometern was denn nun versteckt.
Ich kann „Vatikanistan“ sehr, sehr empfehlen. Für jeden Mystiker werden hier ein paar Rätsel gelöst und auch dem Nähkästchen ausgeplaudert. Informativ, spannend und sehr lustig, ein beachtliches, sehr empfehlenswertes Buch über einen Ort der so heilig er auch sein will, der Mensch immer im Vordergrund stehen wird.
Autor
Alexander Smoltczyk, Jahrgang 1958, hat für die "taz", "Geo", "mare" und andere Magazine geschrieben. Für seine Reportagen erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, darunter den "Egon-Erwin-Kisch-Preis" und zuletzt 2007 den "Henri-Nannen-Preis" für eine Reportage über die Regensburger Vorlesung von Benedikt XVI. Er ist Rom-Korrespondent für den "Spiegel" und lebt mit seiner Familie in unmittelbarer Nachbarschaft zum Vatikan. Seit April 2007 erscheint von Smoltczyk wöchentlich Deutschlands erstes Vatikan-Blog "Uups" - et orbi" auf "Spiegel online".
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