Dracula – Die Wiederkehr
Am 18 Mai 1897 veröffentlichte der irische Schriftsteller Bram Stoker seinen Roman „Dracula“ und schuf damit eine postmoderne Figur die auch heute noch in vielen Romane, Filmen und auch Bühnenstücken vertreten ist.
Stokers Erfolg mit „Dracula“ blieb zu seinen Lebzeiten aus. Zwar schuf er mit der Figur des Grafen Dracula, den ersten Vampir in der Literaturgeschichte die sein Profil in unzähligen weiteren Romanen und Verfilmungen zur Verfügung stand, doch gab es keine offizielle Fortsetzung des Romans und seinen Figuren um Dracula, Mina und Jonathan Harker, sowie van Helsing und Arthur Holmwood. Stattdessen gab und gibt es wahrscheinlich noch immer rechtliche Auseinandersetzungen mit der Familie Stoker und diversen Verlegern und Produzenten.
„Dracula“ ist ein Schauerroman, aber ebenso ein Reise- oder Liebesroman in Tagebuchform. Der Erzähler ist nicht nur eine Person, die Perspektive wechselt und so erhält der Roman „Dracula“ dokumentarische Züge.
In „Dracula“ steht die Figur des in Gottes Ungnade gefallenen Grafen im Vordergrund. Aber Dracula selbst kommt nicht zu Wort. Konzipiert wurde dieser von Stoker als das „Böse“ in Person, obwohl es Ansätze gibt, dass er eine tragische Gestalt sein könnte. Seine „Liebe“ und „Leidenschaft“ die er für Mina empfindet, ist zugleich seine Rettung und seine Vernichtung. Was Dracula empfindet, welche Motive er hat und warum er sich von Gott verraten fühlt, konnte der Leser nur zwischen den Zeilen interpretieren. Von Generation zu Generation wurde er als das Monster, die Bestie beschrieben die süchtig nach Blut der Menschen Leben nimmt und vernichtet. „Dracula“ ist eine tragische Person und die Geschichte um ihn, so hatte man immer das Gefühl, ist noch nicht zu Ende erzählt.
Inhalt
London 1912 – Es ist 25 Jahre her seitdem Dracula von Professor van Helsing zusammen mit Lord Arthur Holmwood, Jonathan Harker, dem Arzt Jack Seward und dem Texaner Quincey P. Morris in einem dramatischen Kampf vernichtet wurde. Doch die Ereignisse auf Draculas Burg haben sichtbare und unsichtbare Spuren bei den Streitern hinterlassen, auch bei Mina Harker die der Leidenschaft und der Liebe Draculas viel abverlangt hat.
Selbst Mina und Jonathans Sohn Quincey hat zu kämpfen mit der Vergangenheit seiner Eltern. Sein Verhältnis zu seinem Vater Jonathan ist zerrüttet, denn Quincey möchte den Wunsch seines Vaters, ebenfalls eine juristische Laufbahn einzuschlagen ignoriert. Quincey hat der Universität von Sorbonne verlassen um alle seine Energie für seine Karriere als Schauspieler am Theater aufzuwenden.
Mina und Jonathen Harker haben die Ereignisse nicht abschütteln oder verarbeiten können. Ihre Ehe ist seit Jahren zerrüttet und Minas Ehemann sucht im Alkohol das Vergessen und geht seiner Frau möglichst aus dem Weg. Nach über 25 Jahren hat sich das Äußere Erscheinungsbild von Mina nicht verändert, seit den dramatischen Tagen, ist Mina körperlich nicht gealtert. Durch die Bluttaufe mit Dracula hat sich ihr Körper verändert – es scheint so, als wäre ihr Leben für die Ewigkeit bestimmt. Noch immer steht ihr Verlangen, ihre Leidenschaft die sie früher für den Grafen entwickelt hat im Widerspruch zu ihren Gefühlen für ihren Ehemann.
Auch die anderen Kämpfer tragen ihre schicksalhafte Vergangenheit wie eine erdrückende Last mit sich. Jack Seward ist drogensüchtig, Arthur Holmwood ist „tot“, er hat seinen früheren Namen ausradiert und lebt still und zurückgezogen in Trauer um seine Verlobte Lucy der er einen Pflock durchs Herz geschlagen hat. Ihre Schreie in der Gruft hört er in stillen, dunklen Nächten noch allzu laut.
Als Quincey Harker den irischen Schriftsteller Bram Stoker am Theater kennenlernt der seinen Roman „Dracula“ als Bühnenstück inszeniert, ist dieser fasziniert von der Geschichte des blutrünstigen Grafen. Beim Lesen des Romans fällt dem jungen Mann aber sofort auch das hier die Geschichte seiner Eltern erzählt wird. Eine Geschichte die er zum allerersten Mal erfährt. Schockiert und wütend geht Quincey auf die Suche nach der Wahrheit.
Inzwischen wurde Jack Seward, der frühere Arzt und Schüler van Helsings tot aufgefunden. Augenscheinlich wurde er von einer Kutsche überrollt, doch die Polizei bleibt skeptisch, denn Seward ist mit dem Schwert in der Hand ins Jenseits gewandert. Es bleibt nicht bei den einzigen mysteriösen Tod, nur wenige Tage später entdeckt ein kleiner Junge an der Hand seiner Mutter den gepfählten Körper Jonathen Harkers mitten auf dem Piccadilly Circus. Die Indizien und Spuren weisen logischerweise auf Mord hin und die Witwe Mina Harker muß sich den unbequemen Fragen der Polizei stellen.
Quincey vertraut sich am Theater den weltgewandten Schauspieler Basarab an, der schnell für den naiven Mann zu einer Vaterfigur wird. Trost und Verständnis aber auch Stärke und Leidenschaft zeigt der charismatische Mann nicht nur auf der Bühne sondern behandelt Quincey mit all dem was er so schmerzlich an seinem Vater vermisst hat.
Mina glaubt nicht an Zufälle. Sie kombiniert in wenigen gedanklichen Schritten, dass sich hier ein grausames Muster offenbart. Kann es sein das ihr liebenswerter Graf Dracula den Kampf vor knapp einem vierteljahrhundert überlebt hat, er seinen Tod vortäuschen konnte und sich nun an blutig an den Männern rächt die ihn töten wollten? Oder gibt es andere Vampire die den Tod ihres Meisters vergelten und die Nachfolge des Blutgrafen antreten wollen? Als Mina den früheren Lord Holmwood kontaktiert und auch van Helsing wieder in London auftaucht, wird es jeden einschließlich Minas Sohn Quincey schnell klar, dass die Vergangenheit noch lange nicht zur Ruhe gekommen ist und das Verlangen nach Blut und Rache grausamer denn je ist.....
Kritik
„Dracula – Die Wiederkehr“ von Dacre Stoker einen Urgroßneffen von Bram Stoker und dem Drehbuchautor und Stoker-Forscher Ian Holt, ist die offizielle Fortsetzung des 1897 erschienen Romans „Dracula“ und ein Garant für spannende Unterhaltung.
In diesem Roman spielen alle tragischen, überlebenden Protagonisten aus dem bekannten ersten Teil eine tragende Rolle. Doch der Kreis schließt sich schließlich um die Aussage „Blut ist Leben“. Das Autorenduo hat großartige Arbeit geleistet und thematisch dort angesetzt wo der erste Teil endete. Das dazwischen ein Raum von 25 Jahren entstand ist uninteressant, vielmehr war es wichtig für die Figuren sich mit dem erlebten Grauen auseinander zu setzen und vielleicht auch an diesem Versuch zu scheitern. Verlust und Trauer so negativ und ungerecht es uns auch vorkommen mag, ist immer auch die Chance zu Entwicklung, mit einer Botschaft die der Leser erst am Ende verstehen wird.
„Dracula – Die Wiederkehr“ der Titel sagt eigentlich schon alles, ist ein gutes Stück vorhersehbar, aber es mindert keinesfalls die Spannung. Zu sehr packend sind die Protagonisten in den Szenen beschrieben, als das man aufhören könnte weiter zu lesen. Es gibt mehrere kleinere Nebenhandlungen und Orte, und auch tauchen andere Personen der Dunkelheit auf, deren Motive erst gegen Ende hin, nachvollziehbar sind.
Die Perspektive ändert sich mit den Protagonisten was die Handlung wie eine abgefeuerte Pistolenkugel vorantreibt, bis sie schließlich in einem spektakulären Ende ihr Ziel trifft. Die Autoren haben das Werk „Dracula“ sehr genau gelesen und sich anhand der vorgegebenen Quellen und Recherchen Stokers die Mühe gemacht ihren Roman den Stil „Stokers“ nachzuempfinden.
Die Geschichte wird als Fortsetzung vielen Lesern gefallen, genauso gerne aber auch Filmfans die „Dracula“ aus der erfolgreichen und guten Verfilmung von Francis Ford Coppola kennen. Dieser Verfilmung kam den Roman „Dracula“ von Stoker inhaltlich am nächsten, und man erkennt, und findet hier im zweiten Teil durchaus Elemente die ein Wiedererkennen gleich einem Aha-Effekt nachkommen.
Die Essenz Draculas kommt hier vom literarischen Standpunkt aus gesehen zu seiner gänzlichen Entfaltung. In Stokers Werk war Dracula ein „verlorener“ Charakter, ein kultivierter und gebildeter Edelmann der nur geleitet wird von seinen Überlebensinstinkten und seiner Bösartigkeit. Jedenfalls ist das die Perspektive aus der Sicht seiner Gegner, wie z.B. Harker oder van Helsings. In „Dracula – Die Wiederkehr“ kommt der (un)tote Graf selbst zu Wort, zwar wird er von der Außenwelt noch immer als das Monster angesehen, aber aus dem Blickwinkels Draculas offenbart sich dem Leser ein ganz anderer Charakter mit hohen Moralvorstellungen und einer gewissen Verantwortung gegenüber anderen.
Wie schon in „Dracula“ ist Mina die Schlüsselrolle vergeben worden. Ähnlich wie Dracula lebt sie zwischen den Welten, genauer gesagt zwischen Stolz und Vorurteil und Verstand oder Gefühl. Ihr Schicksal ist unausweichlich mit dem Draculas verbunden.
„The Un-Dead“ wie der Titel im Original heißt lässt natürlich schnell den logischen Schluss zu, dass „Dracula“ noch immer präsent ist, und einzelne Szenen sind sehr vorhersehbar. Doch konzentrieren sich die beiden Autoren auf die Handlungen und die Schicksale der Protagonisten und tatsächlich finden auch hier Kämpfe und Auseinandersetzungen unter den einstmaligen Streitern statt die vorher noch in stiller Eintracht „Dracula“ bekämpften. Für Überraschungen ist also gesorgt, so vorhersehbar auch manches ist.
Für blutigen Szenen und Kämpfen ist gesorgt und der Leser wird hier auch mitverfolgen können, dass Vampire zwar untot, aber nicht unsterblich sind. Dacre Stoker und Ian Holt halten sich größtenteils an der Vampirmythologie und erfinden keine Vampire mit neuen und sagenhaften Eigenschaften.
Fazit
„Dracula – Die Wiederkehr“ ist ein absolut spannender und abwechslungsreicher Schauerroman mit vielen Horrorelementen. Mit viel Gespür fürs Detail wurden hier verstaubten todgesagten Charakteren wieder Leben eingehaucht und viel Raum und Zeit um „Draculas“ Geschichte zum Abschluss zu bringen.
„Dracula“ ist und bleibt einer der Figuren die man fast endlos auf verschiedener Art und Weise interpretieren kann, doch hier in dem vorliegenden Roman entpuppt sich dieser als eine Figur die auch in kommenden Büchern und Verfilmungen wieder neue Seiten aufzeigt. Dracula ist eben über Generation hinweg eine Trendfigur der man sich nur schwerlich entziehen kann.
Spannend, Abwechslungsreich, voller Tempo mit Gefühl und Leidenschaft bewegt sich „Dracula“ mit dieser Geschichte in unserer Zeit und wird wieder einmal viele, viele Leser überzeugen.
„Dracula – Die Wiederkehr“ ist ein brillante Fortsetzung und ein spannender Roman der lange in Erinnerung bleiben wird, denn Bram Stoker wurde hier ein Denkmal gesetzt.
Autoren
Als Urgroßneffe von Bram Stoker, dem ursprünglichen Verfasser von Dracula (1897), trug sich der Kanadier Dacre Stoker bereits seit einiger Zeit mit dem Gedanken, eine Fortsetzung dieses Klassikers der Horrorliteratur zu schreiben. In dem Drehbuchautor und Stoker-Forscher Ian Holt fand er schließlich den idealen Co-Autor. Auf der Grundlage von Originalmaterial aus dem Nachlass Bram Stokers entstand „Dracula – Die Wiederkehr“ als Fortführung der Geschichte, die um ursprünglichen Roman erzählt wird.
Michael Sterzik
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