Montag, 30. April 2018

Die Medizin der Könige - Sabine Weiß

Die Lebenserwartung im Mittelalter war gemessen an der unseren, sehr niedrig. Hatte man die 40 hinter sich, galt man als „alt“. Aber das ist relativ gesehen und natürlich davon abhängig, wie man sein Leben führte. Bauern, Gesinde, Handwerker und auch Soldaten waren alleine schon durch ihre körperlichen Arbeiten dem Grab etwas näher, wie Kaufleute, Mönche oder Menschen von Adel. Letztere hatten mehr Möglichkeiten, dem Tod ein Schnippchen zu schlagen – auch damals konnte Medizin teuer sein und nicht jeder konnte sich einen Medicus, oder einen kundigen Bader leisten, geschweige denn ggf. irgendwohin reisen, um sich medizinisch versorgen zu lassen. 

Medizin im Mittelalter – in Europa hinkten wir zu der Zeit den byzantinischen und arabischen Regionen weit hinterher. Hygiene, Chirurgie, Anatomie spielten schon eine wesentliche Rolle und nur sehr wenige europäische Ärzte wurden dort ausgebildet, oder befassten sich mit derartigen Schriften und sonstigen Dokumenten. 

Krebs-/Herzerkrankungen, selbst Allergien konnten wenig, bis gar nicht diagnostiziert und behandelt werden. Eine Entzündung des Blinddarms, ggf. ein vereiterter Zahn konnte das Todesurteil bedeuten. Es gab einige Berufsgruppen, die sich mit der Medizin auseinandersetzen mussten. Natürlich der Medicus einer Stadt, oder eines Landkreises, ein fahrender oder auch ortsansässiger Bader besaßen rudimentäres, teils gutes Wissen. Hinter Klostermauern verbargen wahre Schätze der Naturmedizin, oder der Homöopathie in Kräutergärten. Nonnen und Mönche, mit viel angesammeltem Wissen waren als Heilkundige anzusehen. Und auch der unehrliche Henker mit seinen anatomischen Kenntnissen, war oft nebenberuflich Apotheker, oder machte vielerorts den Medicus, oder dem Bader das Leben als Konkurrent sehr schwer. 

Die bekannte, in Hamburg lebende Autorin Sabine Weiß widmet sich in ihrem neuesten, historischen Roman: „Die Arznei der Könige“ – dem Thema Medizin. Sabine Weiß, die schon in ihren Romanen: „Die Hansetochter“ und „Die Feinde der Hansetochter“ bewiesen hat, übergreifend fantastisch gut und sauber zu recherchieren, gelingt es auch in ihrem aktuellen Roman, nicht nur spannend, sondern auch lehrreich zu erzählen. 

Wie so oft geht es im historischen Genre um ein dramatisches Frauenschicksal. Ort und Zeit der Handlung ist Lüneburg, später dann Paris im 14 Jahrhundert. Die junge Adelige Jakoba, die nach dem Tod ihres ersten Mannes, in einem Kloster ihre Berufung als heilkundige Krankenpflegerin gefunden hat, wird von ihrem Bruder aus wirtschaftlichen Gründen zwangsverheiratet. Die selbstbewusste Frau flüchtet nach einem Unfall ihres Mannes und schließt sich dem fahrenden Krämer Arnold und seiner Frau Mona an. Im Laufe der Zeit vertieft sich ihr Wissen rund um die Medizin, die Theriak genannt wird. Schließlich gelangt sie auf Umwegen nach Frankreich, am Hofe des kranken Königs....

„Die Arznei der Könige“ von Sabine Weiß ist ein guter, spannender Roman der sich allerdings nicht auf das Basisthema „Medizin“ konzentriert, sondern sich eher mit den Behandlungsmethoden um das Medikament „Therarik“ befasst. Grundtenor ist wieder einmal, eine Frau, die ihrem Mann steht und über sich und andere hinauswächst. Die Atmosphäre des Buches ist rundweg spannend, allerdings ohne viel Höhen und Tiefen. Stabil halt. Der Grundgedanke – der rote Faden der Story entwickelt sich sehr langsam und rückt erst im letzten Drittel in den Fokus. Natürlich gibt es einige Nebengeschichten, natürlich darf auch das Element Liebe nicht fehlen, aber Sabine Weiß verliert sich nicht dabei in wohlbekannte, weitere Klischees. Als sehr schade, empfand ich es, dass die „Medizin“ als umfassendes und sehr interessantes Thema faktisch die zweite Rolle spielte. Etwas intensiver und vor allem breiter gestaltet wäre es auch für die Story an sich besser gewesen. Die Medizingeschichte, Behandlungsmöglichkeiten, Chirurgie, andere Berufsgruppen usw. – wo finde ich diese in dem vorliegenden Roman? 

Ein großer Kritikpunkt ist, dass die Nebenfiguren der Hauptfigur die gesamte Show stehlen. Arnold der „fahrende“ Krämer ist vielschichtig und mit vielen Talenten und einer Vergangenheit ausgestattet, die Jakoba in die zweite Reihe schicken. Ebenfalls die Rolle von Arnolds Frau Mona, ist interessanter. 

Oftmals sind die Nebenfiguren, auch der Bruder von Jakoba manchmal zu schlicht gezeichnet und viele Fragen die entstehen, werden nicht beantwortet, oder es wird nicht näher darauf eingegangen. Sehr ärgerlich ist die Verbindung, bzw. der Hintergrund von Arnold, die sich dann quasi als Haupthandlung rausstellt, ein Querverweis, den ich weder erwartet habe, den ich wenig nachvollziehen kann und mir etwas zu deplatziert wirkt.

„Die Arznei der Könige“ ist ein empfehlenswerter, kurzweiliger Roman, der nicht an die Atmosphäre der schon genannten Romane: „Die Hansetochter“ und der zweite Band herankommt. Etwas zu verfahren, einige Chancen nicht ausgespielt, die Nebenfiguren stärker als die Hauptfigur, oberflächige Betrachtung der Medizin. 

Fazit

Sabine Weiß ist eine großartige Autorin und ich werde die nächsten historischen Romane sicherlich auch lesen. Es wäre einmal schön, wenn man sich von dramatischen Frauenschicksalen lösen könnte. „Die Arznei der Könige“ ist solide Unterhaltung – keine literarische Schatztruhe, eher ein schönes Bronzestück, dass die Chancen hatte mit einigen Juwelen später glänzen zu können.

Michael Sterzik

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