Im Historischen Genre gibt es viele Länder, vor allen Europäische in denen die Handlungen spielen. Vorweg höchstwahrscheinlich England, aber auch Deutschland gewinnt durch immer mehr deutsche Autoren an Gewichtung. Ob diese nun historisch korrekt sind, der Unterhaltungswert soweit passt, ist immer individuell subjektiv in der Analyse. Doch was wissen wir über unsere osteuropäischen Nachbarn. Viel zu wenig – nur ein kleiner Bruchteil findet hier eine literarische und unterhaltsame Aufmerksamkeit.
Das Osmanische Reich – die Bedrohung die Europa jahrelang wie ein schwingendes Damoklesschwert durchschnitt. Seien wir ehrlich – wir wissen nicht wirklich viel.
Im vorliegenden Band: „Die Blutchronik“ von Liliana Le Hingrat, wird die Lebensgeschichte von Vlad III. Draculea abschließend erzählt. Es ist ein großes Stück mittelalterliche Geschichte, die sich die aus Rumänien stammende Autorin vornimmt. Es ist ebenfalls ein dunkles Kapitel – von dem wir nicht vieles wissen. Allerdings wissen wir, dass die historische Person „Vlad III.“ von irischen Autor Bram Stoker inspiriert wurde und dieser ihn sprichwörtlich „untot“ immer wieder durch seinen Welterfolgsroman „Dracula“ auferstehen ließ. Jede Legende, jede Sage hat einen wahren Kern und diesen thematisiert Liliana Le Hingrat wirkungsvoll.
Der Ritter des Drachenordens, den man in Quellen auch als „Sohn des Teufels betrachtet – ist ein rumänischer Volksheld. Soviel erstmals zu dem Personenkult. Im Film, in der Literatur, in Comics usw. wird Dracula als „Untoter“ dargestellt, als Vampir der gerne das Blut von jungen, schönen Frauen trinkt. Eine Schreckensgestalt, die unsterblich wurde. Es gibt aber auch Varianten, die den Ritter und Fürsten als tragische, traurige und betrogene Person darstellen. In der Kunst ist halt alles erlaubt. Aber kommen wir zurück zu den authentischen Fakten.
Liliane Le Hingrat gibt in „Die Blutchronik“ ihrer Figur Vlad III. Tepes – auch genannt der Pfähler, ein authentisches Bild. Widerstandskämpfer? Bollwerk gegen die Osmanische Eroberungspolitik? Ehrenvoller Mensch – mit Mann voll der edlen Werte? Ein brutaler Mörder? Ein Politiker, der über Leichen geht? Ein Kriegsverbrecher? Ein liebender Ehemann und Vater?
Ja und Nein – Der Leser wird sich ein eigenes Bild von dieser Person machen müssen. Die Autorin beschreibt die Lebensgeschichte sehr authentisch, wenn auch sehr komprimiert, dazu aber später mehr. Eines ist sicher: Liliana Le Hingrat räumt auf mit dem Mythos dieser stark polarisierenden Person. Die Autorin belebt dieses dunkle Kapitel sehr effektiv und drastisch. Sie nimmt dabei kein Blatt vor dem Mund und begibt sich erzählerisch plakativ gerne inmitten einer blutigen Schlacht. Sicherlich darf an dieser Stelle auch die „Liebe“ nicht fehlen, doch diese verschwindet im Strudel von politischen Machtkämpfen und Intrigen zur Bedeutungslosigkeit. Spannend ist „Die Blutchronik“ allemal und legt ein hohes Tempo vor.
Allerdings geht es in „Die Blutchronik“ primär um den eigenen Thronanspruch Vlad III, weniger um die Bedrohung durch die Osmanen. Hier drängt sich die historische Person: Janos Hunyadi deutlich hervor. Der ungarische Staatsmann und Heerführer ist das eigentliche Bollwerk gegen die Bedrohung. Er und andere Charaktere sind deutlich sympathischer und aktiver, als Vlad III. Leider ist diese Perspektive also relativ einseitig, erst in den letzten Kapiteln geht Vlad III. in die Offensive und stellt sich dem osmanischen Heer. Etwas mehr Perspektiven wären intensiver gewesen.
Historisch gesehen ist Vlad III. kein Volksheld – er war ein brutaler, egoistischer Mörder, ein Kriegsverbrecher der durch Angst und Abschreckung regierte. Auch das erzählt die Autorin sehr drastisch, ohne allerdings eine persönliche Wertung abzugeben.
Liliane Le Hingrat hat außerordentlich gut recherchiert. Natürlich ist sie durch ihre Nationalität äußerst motiviert und kann durch ihr Studium auf Quellen eingehen, die sich anderen ggf. verschließen. Viele historischen Begebenheiten und noch mehr historische Personen finden sich ein. Das wirkt sich natürlich sehr, sehr positiv auf die Handlung aus. Natürlich interpretiert die Autorin anhand ihrer persönlichen Recherchen die eine oder andere Situation, oder die politische Lage.
„Die Blutchronik“ umfasst knappe 680 Seiten und wirkt im letzten drittel außerordentlich gehetzt. Das liegt allerdings nicht an der Autorin, sondern am Verlag, der diesen Roman um knappe 250 Seiten kürzte. Schade – vielleicht kommt mal ein Directors Cut.
Die Figur des „Dracula“ ist vielseitig, aber so finde ich auch bei allen Grausamkeiten, die aufgezeigt werden, noch viel zu sympathisch gezeigt. Ambivalent in jedem Fall – aber er ist ein negativer Anti-Held – ein Monster – zwar kein Vampir – aber trotzdem machthungrig, brutal, tödlich, menschenverachtend.
Der Roman „Die Blutchronik“ ist großartig, wenn auch manchmal analytisch in der Perspektive gesehen zu eindimensional. Das Osmanische Reich – die Motivation des Sultans usw., die machtpolitischen Interessen anderer Könige, Regionen und nicht zuletzt der Kirche sind zu wenig ausgebaut.
Fazit
Liliana Le Hingrat ist eine großartige Erzählerin, die allerdings mit ihrem Talent nicht den Höhepunkt erreicht hat. Aber ich glaube, dass wird Sie und ich hoffe, dass das nächste Romanprojekt ein anderes Zeitfenster und einen anderen Mittelpunkt hat.
Empfehlung: Lesen Sie: „Das dunkle Herz der Welt“ und „Die Blutchronik“ schnell nacheinander. Prädikat: Empfehlenswert - historische Spannung wird garantiert.
Michael Sterzik
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