Mit den ersten beiden Bänden seiner True Crime Trilogie –
„Wolfswut“ und „Drosselbrut“ zeigt uns der Autor Dr. Andreas Gößling die
dunkelsten und tiefsten Abgründe von adaptierten, authentischen Kriminalfällen.
Die persönlichen Empfindungen beim lesen unterscheiden sich, wenn man dabei
bedenkt – dass dieser „Unterhaltungsroman“ einen realen Hintergrund besitzt.
In dem vorliegenden Roman „Rattenflut“ begibt sich der Leser
in einer Hölle von Missbrauch, Folter, Versklavung und letztlich den organisierten
Mord an Kindern und Jugendlichen. Andreas Gößling zeigt uns allerdings ein
realistisches und besorgniserregendes Abbild einer „Gesellschaft“ hier genannt „Bruderschaft“,
deren Mitglieder öffentliche Persönlichkeiten aus der Wirtschaft, der
Regierung, des Showbusiness sind. Sie fragen sich vielleicht an dieser Stelle –
gewagte These, etwas weit aus dem Fenster gelehnt? Nein – leider nicht. Die
Annahme, dass es eine Organisation gibt, deren Mitglieder eine verschworene
Gemeinschaft sind, die mit ihrem Einfluss, ihrem Geld, ihren Beziehungen und
ihren staatlichen Befugnissen systematisch und perfekt organisiert Menschen zum
Vergnügen foltern, sexuell missbrauchen und umzubringen – sind real und entspringen
nicht der Phantasie von Autoren.
In „Drosselbrut“ z.B. thematisiert Andreas Gößling die
Sexualverbrechen und Morde von Marc Dutroux. Nach seiner Verhaftung und im
anschließenden Prozess verstarben 27 Zeugen – Unfälle – Suizid – Mord –
mysteriöse Krankheiten…! War Marc Dutrox ein Einzeltäter, oder handelte er im
Auftrage eines Pädophilennetzwerkes, dass Verbindungen bis in höchste belgische
Regierungskreise hat und durch Auslöschung dieser Zeugen, eine Aufklärung
brutal verhinderte!? Letztlich deutet alles darauf hin.
Auch in „Rattenflut“ gibt es einen historischen
Hintergrund – der größte Missbrauchsskandal in Großbritannien.
Offiziell ist Kira Hallstein nach den
Ereignissen in »Drosselbrut« aus gesundheitlichen Gründen vom LKA Berlin
beurlaubt worden – inoffiziell arbeitet sie unter einer neuen Identität für
eine geheime Sondereinheit von Europol. Ihre Aufgabe: alles erdenklich
Notwendige zu unternehmen, um endlich »Die Bruderschaft« zu Fall zu bringen,
die für Verschleppung, Versklavung, Folter und Missbrauch von Kindern und
Jugendlichen weltweit verantwortlich ist.
Eine renommierte Krebsklinik für Kinder in Berlin scheint zum weltweiten Netz der Bruderschaft zu gehören, und Kira ist es gelungen, Kontakt zu einem der Pfleger dort aufzunehmen. Doch bevor sie irgendetwas Nützliches von ihm erfahren kann, wird der junge Mann bei einem fingierten Raubüberfall brutal ermordet …
Erst nach dem Tod des BBC-Showmasters Jimmy Savile im Jahr 2011 kam ans Licht, dass Savile jahrzehntelang Hunderte Kinder und Jugendliche in Hospitälern und Hospizen missbraucht hatte, zu denen er als Schirmherr und Spendensammler uneingeschränkten Zugang hatte. (Verlagsinfo)
„Rattenflut“ ist der dritte und
abschließende True Crime Thriller der Kira Hallstein Reihe von Andreas Gößling.
Die Figur der Kira Hallstein ist noch immer besessen davon, die Bruderschaft zu
vernichten und ihr sind alle Mittel recht – legale wie auch illegale. Dabei
nimmt sie menschliche Kollateralschäden in Kauf – Ihre Undercover Tätigkeit
fürs BKA schließt auch ihren Kollegen und „Freund“ Max ein. Dieser bereitet
sich auf seinen „Tod in Einsatz“ vor – eine Unterwanderung dieses mörderischen
Netzwerkes – eine Reise, die sowieso nur einen Ausgang nehmen kann.
Die Entwicklung – körperliche und
geistige Navigation dieser Figuren, ist der rote Faden der Handlung. Ihre
Aktionen sind absolut grenzwertig und damit positioniert sie sich in einer
Ecke, in der die Sympathie für die Figur auch abnehmen kann. Aber darum geht es
gar nicht – es geht um die „Bruderschaft“ und hier ist die adaptierte Figur von
„Jimmy Savile“ im Fokus.
Andreas Gößling erzählt „Rattenflut“
auch aus dessen Perspektive. Einer psychisch kranken, zerstörten Figur, deren
Menschlichkeit nur noch eine Tarnung ist. Dieser Storyline ist hart, dessen
Gedankenwelt, und die eigene Interpretation seines „kranken“ Weltbildes ist
großartig, wie auch verstörend erzählt. Auch dessen Verbindungen zu der „Bruderschaft“
sind plausibel. Er ist nicht das „Hirn“ der Organisation – mitunter ist er
derjenige, der die Drecksarbeit erledigen muss.
Sicherlich kommt immer mal die Frage
auf: Wie realistisch ist das überhaupt? Um diese Frage zu beantworten – kann ich
jeden raten, sich nach dem lesen von „Rattenflut“ etwas zu recherchieren. Man
findet eine Dunkelheit vor, ein schwarzes Loch deren tödliche Brisanz und
realistischer Hintergrund einen schaudern lassen.
„Rattenflut“ ist auch der actionreichste
Roman dieser Reihe. Der Showdown auf einer kleinen Insel – dem „Zentrum“ der
Bruderschaft lässt „James Bond“ laut „weiter so“ und „gebt es Ihnen“ rufen.
Temporeich – brutal – dramatisch mit einem realistischen Ergebnis.
Besonders gefallen haben mir die
Nebenfiguren dieser Reihe – Hallsteins moralisch-menschlicher Kompasse Max –
ist prädestiniert dafür sich in einer späteren Hauptrolle vorzudrängeln. Tolle Konzeption.
Man kann jeden Roman dieser Reihe auch
als Einzeltitel lesen – doch empfehle ich es nicht – da der Entwicklungsprozess
der Figuren wichtig ist, und sowie das Gesamtbild der „Bruderschaft“
vollumfänglich nachvollziehen zu können.
Inhaltlich ist „Rattenflut“ für mich
nicht der stärkste dieser Reihe. Ich hätte gerne Max mehr auf der Bühne
gesehen, andere dagegen lieber weniger intensiv. Ebenfalls wäre es von Vorteil
gewesen – wenn die Strukturen und Hintergründe der „Bruderschaft“ thematisch
mehr Gewichtung hätten.
Fazit
„Rattenflut“ ist True Crime Hardcore.
Die Urgewalt dieser ganzen Reihe ist das „Authentische“ – der brachiale
Aufschlag auf den dunklen Boden in der Hölle der Tatsachen. Erzählerisch
perfekt – die Dialoge messerscharf, die
Figuren treffsicher positioniert – bietet diese Reihe sehr hohen, spannenden
Unterhaltungswert.
Letzte Anmerkung: Geben Sie „Max“ die
Chance aus dem Schatten von „Hallstein“ hervorzutreten. Er hat es sowas von
verdient.
Prädikat: Qualitative Hochspannung – ein
grauenvoll guter Pageturner. Lesen.
Michael Sterzik
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