Freitag, 29. Mai 2020

Die Henkerstocher und der Fluch der Pest - Oliver Pötzsch


Der vorliegende historische Roman von Oliver Pötzsch ist inzwischen der 8 Band der „Henkerstochter-Reihe“. Diese historische Kriminalreihe brilliert in vielerlei Hinsicht. Das Setting, dass Storyboard, die Figuren sind faszinierend detailreich aufgestellt. Eine feine Abstimmung, die dem bayrischen Autor gelingt und die folgerichtig eine Atmosphäre erzeugt, der man sich schwer entziehen kann.

Der achte Band befasst sich mit der Pest und eine Mordserie in Kaufbeuren. Adaptiert wurde hier viel vom Märchen, bzw. der Legende – Der Rattenfänger von Hameln“ – Schauplatz ist aber hier der beschauliche Ort Kaufbeuren. Mit der Beschaulichkeit ist es aber schnell vorbei. Der medizinische Rat der Stadt wird dezimiert – alle Toten sind an der Pest gestorben, aber so richtig breitet sich der schwarze Tod, wie Jahrzehnte vorher nicht aus.

Sommer 1679. Die Pest, die bereits in Wien wütet, breitet sich in Bayern aus. Der Schongauer Scharfrichter Jakob Kuisl wird von einem Pestkranken aufgesucht, der kurz darauf zusammenbricht. Bevor er stirbt, flüstert er Jakob Kuisl noch ein paar rätselhafte Worte ins Ohr: Kuisl muss Kaufbeuren retten, ein schwarzer Reiter spielt dort mit seiner Pfeife zum Tanz auf, der Mörder hat zwei Gesichter. Gemeinsam mit seiner Tochter Magdalena geht Jakob Kuisl den geheimnisvollen Andeutungen nach. Ein gefährliches Unterfangen, denn inzwischen gibt es immer mehr Tote in Kaufbeuren. Doch was steckt dahinter – die Seuche oder ein raffinierter Mörder? (Verlagsinfo)

Blickt man zurück auf die ersten Bände, die ebenfalls im Verlag Ullstein erschienen sind, so stellt man schnell fest, dass sich die Familie Kuisl um einige Personen erweitert hat. Der alternde, bärbeißige Henker Jakob Kuisl ist älter geworden, vielleicht weiser, aber nicht ruhiger. Noch immer neugierig, noch immer ein Sturkopf, der wie ein Patriarch seine Familie beschützen und lenken möchte. Schwierig – denn seine Kinder eifern den alten Henker in seinen Charakterzügen durchaus nach. Seit dem letzten Band, hat sich einiges getan. Die Kinder von Simon und Magdalena werden erwachsen und gehen eigene Wege. Dieser Generationswechsel ist nötig und realistisch erzählt. Oliver Pötzsch achtet sehr darauf, dass seine liebevollen Figuren in Würde altern, dabei überlässt er nichts dem Zufall und es ist gut so, dass deren Welt nicht immer einfach wirkt, oder ohne Schicksalsschläge erklärt wird.
Es zeichnet sich aber auch ab, dass die Reihe enden mag, oder das sich die eine oder andere Hauptfigur durch einen natürlichen, oder gewaltsamen Tod verabschieden wird. Für die Dramaturgie wäre dieser Schritt denke ich nun auch nötig.

Das historische Thema der Pest transportiert der Autor inhaltlich fabelhaft. Glaube und Aberglaube – zeitgemäße, fortschrittliche Wissenschaft, die nun ganze fast schon dogmatische Weltbilder einstürzen lässt. Intrigen am Kurfürstlichen Hofe und natürlich, die Serienmorde lassen keine inhaltliche Langeweile aufkommen – auch wenn der Band einer der seiten stärksten ist.

In der gegenwärtigen Situation einer Pandemie, gibt es Parallelen im Buch. Es gibt Ausgangssperren, abgeriegelte Städte, das soziale Miteinander wird eingefroren und auch übertriebene Verschwörungstheorien scheint es früher gegeben zu haben. Es ist aber ein Zufall, dass der Autor diese Pandemie thematisiert – die Story ist vor „Corona“ gestrickt worden.

Durch die erhöhte Anzahl der Kuisl-Familienmitglieder splittet sich auch die Handlung auf mehrere Perspektiven wieder. Das ist abwechslungsreich und steigert das Tempo, und die Spannung. Die Figur des alternden Jakob Kuisl gerät dabei leider etwas in die zweite Reihe – schade – denn dieser Charakter war lange Haupt- und Nebenperson zugleich und stahl jedem so ziemlich die Show.

Es gibt beim Titel „Die Henkerstochter und der Fluch der Pest“ nicht vieles zu bemängeln. Ich hätte es gerne zum Schluss dramatischer erzählt bekommen. Die Figuren positionieren sich schon für Band 9 und dieser wird hoffentlich noch dramatischer und spannender werden. Unbedingt.

Oliver Pötzsch hat diese historische Kriminalreihe bemerkenswert erschaffen – auch nach dem achten Band steigt die Erwartungshaltung weiter. Stil, Ausdruck und Sprache sind einfach gut, kommen aber an die „Faust-Reihe“ des Autors nicht heran.

Fazit

„Die Henkerstochter und der Fluch der Pest“ ist ein historischer Krimi, bei dem sich der Leser auf den besten Plätzen wiederfindet. Der achte Band und noch immer kein Stück langweilig – im Gegenteil ist die Reihe qualitativ hochklassig. Gehört für mich schon jetzt zu einen der Gewinner in diesem Jahr.

Michael Sterzik

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