Der vorliegende historische Roman von Oliver Pötzsch ist
inzwischen der 8 Band der „Henkerstochter-Reihe“. Diese historische Kriminalreihe
brilliert in vielerlei Hinsicht. Das Setting, dass Storyboard, die Figuren sind
faszinierend detailreich aufgestellt. Eine feine Abstimmung, die dem bayrischen
Autor gelingt und die folgerichtig eine Atmosphäre erzeugt, der man sich schwer
entziehen kann.
Der achte Band befasst sich mit der Pest und eine
Mordserie in Kaufbeuren. Adaptiert wurde hier viel vom Märchen, bzw. der
Legende – Der Rattenfänger von Hameln“ – Schauplatz ist aber hier der beschauliche
Ort Kaufbeuren. Mit der Beschaulichkeit ist es aber schnell vorbei. Der medizinische
Rat der Stadt wird dezimiert – alle Toten sind an der Pest gestorben, aber so
richtig breitet sich der schwarze Tod, wie Jahrzehnte vorher nicht aus.
Sommer
1679. Die Pest, die bereits in Wien wütet, breitet sich in Bayern aus. Der
Schongauer Scharfrichter Jakob Kuisl wird von einem Pestkranken aufgesucht, der
kurz darauf zusammenbricht. Bevor er stirbt, flüstert er Jakob Kuisl noch ein
paar rätselhafte Worte ins Ohr: Kuisl muss Kaufbeuren retten, ein
schwarzer Reiter spielt dort mit seiner Pfeife zum Tanz auf, der Mörder hat
zwei Gesichter. Gemeinsam mit seiner Tochter Magdalena geht Jakob Kuisl den
geheimnisvollen Andeutungen nach. Ein gefährliches Unterfangen, denn inzwischen
gibt es immer mehr Tote in Kaufbeuren. Doch was steckt dahinter –
die Seuche oder ein raffinierter Mörder? (Verlagsinfo)
Blickt man zurück auf die ersten Bände, die ebenfalls im
Verlag Ullstein erschienen sind, so stellt man schnell fest, dass sich die
Familie Kuisl um einige Personen erweitert hat. Der alternde, bärbeißige Henker
Jakob Kuisl ist älter geworden, vielleicht weiser, aber nicht ruhiger. Noch immer
neugierig, noch immer ein Sturkopf, der wie ein Patriarch seine Familie
beschützen und lenken möchte. Schwierig – denn seine Kinder eifern den alten Henker
in seinen Charakterzügen durchaus nach. Seit dem letzten Band, hat sich einiges
getan. Die Kinder von Simon und Magdalena werden erwachsen und gehen eigene
Wege. Dieser Generationswechsel ist nötig und realistisch erzählt. Oliver
Pötzsch achtet sehr darauf, dass seine liebevollen Figuren in Würde altern,
dabei überlässt er nichts dem Zufall und es ist gut so, dass deren Welt nicht immer
einfach wirkt, oder ohne Schicksalsschläge erklärt wird.
Es zeichnet sich aber auch ab, dass die Reihe enden mag,
oder das sich die eine oder andere Hauptfigur durch einen natürlichen, oder
gewaltsamen Tod verabschieden wird. Für die Dramaturgie wäre dieser Schritt
denke ich nun auch nötig.
Das historische Thema der Pest transportiert der Autor
inhaltlich fabelhaft. Glaube und Aberglaube – zeitgemäße, fortschrittliche
Wissenschaft, die nun ganze fast schon dogmatische Weltbilder einstürzen lässt.
Intrigen am Kurfürstlichen Hofe und natürlich, die Serienmorde lassen keine
inhaltliche Langeweile aufkommen – auch wenn der Band einer der seiten stärksten
ist.
In der gegenwärtigen Situation einer Pandemie, gibt es
Parallelen im Buch. Es gibt Ausgangssperren, abgeriegelte Städte, das soziale
Miteinander wird eingefroren und auch übertriebene Verschwörungstheorien
scheint es früher gegeben zu haben. Es ist aber ein Zufall, dass der Autor diese
Pandemie thematisiert – die Story ist vor „Corona“ gestrickt worden.
Durch die erhöhte Anzahl der Kuisl-Familienmitglieder
splittet sich auch die Handlung auf mehrere Perspektiven wieder. Das ist abwechslungsreich
und steigert das Tempo, und die Spannung. Die Figur des alternden Jakob Kuisl
gerät dabei leider etwas in die zweite Reihe – schade – denn dieser Charakter
war lange Haupt- und Nebenperson zugleich und stahl jedem so ziemlich die Show.
Es gibt beim Titel „Die Henkerstochter und der Fluch der
Pest“ nicht vieles zu bemängeln. Ich hätte es gerne zum Schluss dramatischer
erzählt bekommen. Die Figuren positionieren sich schon für Band 9 und dieser
wird hoffentlich noch dramatischer und spannender werden. Unbedingt.
Oliver Pötzsch hat diese historische Kriminalreihe
bemerkenswert erschaffen – auch nach dem achten Band steigt die
Erwartungshaltung weiter. Stil, Ausdruck und Sprache sind einfach gut, kommen
aber an die „Faust-Reihe“ des Autors nicht heran.
Fazit
„Die Henkerstochter und der Fluch der Pest“ ist ein
historischer Krimi, bei dem sich der Leser auf den besten Plätzen wiederfindet.
Der achte Band und noch immer kein Stück langweilig – im Gegenteil ist die
Reihe qualitativ hochklassig. Gehört für mich schon jetzt zu einen der Gewinner
in diesem Jahr.
Michael Sterzik