Der vorliegende Band ist der zweite Roman um die beiden
großen Generäle ihrer Zeit und behandelt die Jahre 1795 – 1803. Vorab sei zu
sagen, dass es noch zwei weitere Bände dieser außerordentlich guten
historischen Reihe geben wird. England und Frankreich waren in dieser Epoche
vielleicht die zwei Weltmächte, die nicht nur um Europa kämpften, sondern auch
in Asien und Afrika Kolonien eröffneten, oder sagen wir doch besser mit Feuer
und Schwert eroberten?! Beide Nationen gingen hier wenig diplomatisch vor – die
Mittel ähnelten sich – nur die Herangehensweise unterschied sich doch sehr.
Frankreich hatte noch immer mit seiner Revolution innenpolitisch zu tun –
Freiheit – Gleichheit – Brüderlichkeit – nette Parolen unter denen auch
mörderische Verbrechen stattfanden. Englands Krone dagegen – der Erzfeind,
baute mit seinen Rotröcken militärisch seine Kolonien aus. Ebenfalls war
England zu seiner Zeit, die größte und mächtigste Seemacht und verfügte daher
auch wirtschaftlich gesehen, über viele Ressourcen. Zwei Weltmächte – zwei
Männer – zwei Schicksale – unter denen Europa verändert und gestaltet wurde. Napoleon
Bonaparte und Arthur Wellesley – zwei Visionäre, zwei militärische Strategen –
zwei Gewinner und Verlierer – waren Sie beide Offiziere und Gentleman?
Simon Scarrows Fokus liegt in dieser Reihe auf ebendiesen
beiden Figuren. Sicherlich ist auch der vorliegende Band dominierend, wenn wir über
die erzählerische Darstellung von Schlachten sprechen, doch er ist viel mehr.
„Ketten und Macht“ ist eine belletristische Analyse dieser beiden Männer. Napoleon
und Wellesley sind noch beide „junge“ Männer und in diesem Band offenbart sich
ihr militärisches Talent. Doch die Interpretation der Charaktereigenschaften,
ist noch vielseitiger und tiefgründiger erzählt und ist der eigentliche
tragende „rote Faden“ der Story. Beides Machtmenschen – doch charakterlich ist
der Brite Arthur Wellesley ein wahrer Gentleman und Napoleon moralisch gedeutet,
ein grober Mann der wenige Emotionen zulässt und wenn dann nur auf seine
Freunde und Familie bezogen. Andere Menschen sind uninteressant – sie sind ein
Mittel zum Zweck – instrumentalisierte Werkzeuge um seine persönliche Macht
auszubauen und um jeden Preis zu festigen. Die Grundzüge eines totalitären
Despoten offenbaren sich hier mit einer brutalen Authentizität.
Im Chaos, das die Französische Revolution hinterlässt,
wird Napoleon des Verrats angeklagt. Um seine Reputation zu retten, begibt der
große Feldherr sich auf Kriegszüge nach Italien und Ägypten. Während Napoleon
sich in zahlreichen blutigen Schlachten verliert, schickt England sich an,
unter der Führung Wellingtons das mächtige Frankreich zu unterwerfen. Die
beiden großen Schlachtenlenker Napoleon und Wellington stehen sich als
erbitterte Feinde gegenüber in einem Kampf, der die Grundfesten der
Weltgeschichte erschüttert ...(Verlagsinfo)
Krieg ist immer Gewalt – ist immer grausam und blutig.
Doch es gibt auch Grenzen, die ehrenhaft und moralisch sind. Wie geht man als Kolonialherr
mit den Einheimischen und den eingesetzten Marionetten um, die das
französische, oder britische Recht durchzusetzen!? Auch hier zeigen sich bei
beiden Figuren ganz adversative Handlungen. Napoleon begeht Kriegsverbrechen –
ordnet Massaker an und beweist später auch innenpolitisch seinen Machtwillen um
jeden Preis.
Spannend ist „Ketten und Macht“ allemal – eben nicht nur
die Erzählung von historischen Schlachten, sondern vielmehr um die persönliche
Entwicklung. Die Talente der beiden Generäle, deren Schicksale die miteinander
verwoben sind, zeigen sich hier. Wellesley ist ein brillanter Organisator, mit
einem detaillierten Blick für eine Strategie – dabei ist er menschlich
sympathischer gezeichneter, als sein späterer französischer Rivale. Genau diese
Botschaft unterliegt den ganzen Roman. Der Sympathiefaktor reguliert sich bei
Wellesley auf der „Haben-Seite“ – Napoleons Bilanz bezieht sich faktisch auf
der „Soll-Seite“.
„Ketten und Macht“ ist ein Kriegsroman – aber ein sehr
intelligenter, dessen Aufbau sich voll vielen anderen historischen Romanen sehr
positiv abhebt. Eine sehr lebendige Erzählung, eine analytische Aufbereitung
der Charaktere. Alles erzählt auf einer besonders guten atmosphärischen Bühne.
Abwechselnd lässt Simon Scarrow die Handlung aus der
Perspektive von Wellesley und Napoleon erzählen. Beide Figuren begegnen sich in
diesem Roman noch nicht. Jeder hat seine Laufbahn – seine „Lehrjahre“, und nur wenige
Jahre später stehen sie sich gegenüber – als Feinde.
Die Orte der Handlungen sind Ägypten, Indien, Frankreich
und Italien. Die innenpolitische Entwicklung erzählt Simon Scarrow primär auf
Seiten Frankreichs. Als Kinder der Revolution – nun in der Pubertät angekommen
lässt Napoleon als „Bürger“ als Konsul auf Lebenszeit keine Konkurrenz zu.
Zensur – Manipulation – Mord – alles für eine brüderliche, gleichsame Freiheit.
Jeder Geschichtsinteressierte Leser wird begeistert sein.
Simon Scarrow hält sich sehr gut an den historischen Fakten, natürlich
verwendet er Freiheiten in diesem Unterhaltungsroman – doch Fakten und Fiktion
sind perfekt und harmonisch verwendet worden. Selbst und das ist mehr wie gut
hält sich der Autor an den zeitgenössischen Quellen, die beide Charaktere
interpretieren.
Fazit
„Ketten und Macht“ ist eine bildgewaltige, wuchtige
Psychoanalyse der beiden Generäle – die Europa einnahmen und befreiten.
Packende Geschichte – die lebendig und ehrlich erzählt werden. Die Leichtigkeit
einer erzählerischen Spannung ist hier formvollendet. Brillant.
Michael Sterzik
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