Sonntag, 27. Dezember 2020

Vergeltung - Robert Harris

Den vorliegenden Roman, kann man schon im Genre „Historisch“ einordnen. Robert Harris erzählt die Geschichte der Vergeltungswaffe V2 – die Waffe, die ein Jahr vor Kriegsende ein verzweifelter Versuch der Nazis war, doch noch den verträumten Endsieg zu feiern. Das Deutsche Reich ist durch die britischen Bomberangriffe arg zerstört worden, deutsche Städte liegen in Trümmern, ein Mehrfrontenkrieg ist gleichbedeutend, wie eine große Kesselschlacht. Ein Ende des Krieges in Sicht – und der totale Krieg entpuppt sich in Zerstörung und Tod.  

Die V2 Rakete soll Angst und Schrecken auf der britischen Insel erzeugen. Die meisten Raketen detonieren in London und Antwerpen – ca. 8000 Menschen sterben durch diese moderne, ballistische Waffe.

Robert Harris erzählt von einem sprichwörtlichen Duell zwischen dem nationalsozialistischen Reich und der britischen Luftwaffe. Einerseits weiß die britische Regierung, dass das Ende des Krieges eine Frage von Monaten ist, andererseits sind sie not amused von diesen V2 Raketen, die relativ viel Schaden anrichten. Die Royal Airforce vermutet die mobilen Abschussbasen in Belgien und möchte diese durch gezielte Fliegerangriffe zerstören.

Die atmosphärische Stimmung fängt und erzählt der Autor authentisch ein. Die deutschen Wissenschaftler wissen schon längst, dass sie eher an ihre Zukunft denken sollten, wie in der gegenwärtigen Lage einen verzweifelten Kampf zu führen. Wernher von Braun – der die V2 entwickelt hat –ist einer der wenigen faktischen Charaktere in dem Buch „Vergeltung“. Es handelt sich vielmehr darum, welche Anstrengungen beide Kriegsparteien unternehmen – und welche Gedanken und Gefühlen diese mit sich tragen. Die Wissenschaftler träumen eher von ambitionierten Zielen der Raumfahrt also von einem Großdeutschen Reich.

„Vergeltung“ ist ein mäßig spannender Roman. Die perspektivischen  Wechsel zwischen dem deutschen fiktiven Wissenschaftler Rudi Graf und der britischen Offizierin Kay Caton-Walsh sind tiefgründig, unterhaltsam, aber versprechen keine spannenden Momentaufnahmen. Vielmehr zeigt sich bei Graf eine Desillusionierung ab, und immer wieder gerät er durch seine Äußerungen in das Fadenkreuz der Gestapo. Und ja, er hat auch Gewissensbisse, dass seine Raketen, eine Botschaft des Todes sind.

November 1944. Das Deutsche Reich steht vor der Niederlage. In einer Großoffensive setzt es seine modernste Waffe ein – die V2. Tausende dieser ballistischen Raketen mit schwerem Sprengkopf werden auf England abgeschossen. Radar und Aufklärer können sie nicht orten – wie aus dem Nichts stürzen sie mit Überschallgeschwindigkeit auf London herab.

Der Ingenieur Rudi Graf hat mit seinem Freund Wernher von Braun einst davon geträumt, einmal eine Rakete zum Mond zu schicken. Jetzt findet er sich im besetzten Holland wieder, wo er die technische Aufsicht über die Abschüsse hat. Vom Krieg ist er längst desillusioniert. Inzwischen ermittelt gar ein NS-Führungsoffizier wegen Sabotageverdacht gegen ihn.

Kay Caton-Walsh, Offizierin im Frauenhilfsdienst der britischen Luftwaffe, entkommt einem V2-Einschlag nur knapp. Als kurz darauf 160 Menschen von einer der Raketen getötet werden, vor allem Frauen und Kinder, meldet sie sich freiwillig zu einer lebensgefährlichen Mission. Zusammen mit Kameradinnen wird sie im befreiten Belgien abgesetzt. Dort sollen sie die mobilen Startplätze ausfindig machen und zerstören. Das Schicksal wird Kay und Rudi schließlich aufeinandertreffen lassen. (Verlagsinfo)

Es ist ein Wechselspiel der Perspektiven und derjenige Leser, der auch gerne viele technische Details über die V2-Raketen erfahren möchte, wird hier fündig. Auch, dass das Raketenprogramm nicht tadellos und ohne Fehler lief, wird vom Autor erzählt. Der eine, oder andere Fehlstart äscherte dann auch gleich, neben der Vegetation, auch das Bedienungspersonal mit ein.

Robert Harris verzichtet sich auf ein Bild von „Gut“ und „Böse“ zu konzentrieren. Das diese sinnlosen Raketenangriffe, die viele Menschenleben kostete, den deutschen Wissenschaftlern auch als Motivation dienten, dem deutschen Vaterland den Rücken zu kehren und sich lieber den zukünftigen Siegermächten zuzuwenden, ist nahezu logisch und Wernher von Braun als Schlüsselfigur lässt dies in seinen Kurzauftritten zum Ende des Romans schnell durchblicken.

Ansonsten wird wenig vom Krieg gesprochen - nichts von den KZ-Häftlingen, die für dieses Raketenprogramm sterben mussten – dass waren weit mehr wie, die Opfer, die bei den Raketenangriffen starben. Schade – diese Information fehlte – wie noch einige andere wichtige mehr.

Insgesamt also ein sehr oberflächiger Roman von Robert Harris. Unterhaltsam, aber wenig tiefgründig. Der tiefere Sinn, und die Spannung kommen eben halt nicht an die besagte Oberfläche.

Über das weitere Schicksal – weder privat noch beruflich – erfährt der Leser nichts. Schade – denn es wäre mitunter spannend gewesen, zu erfahren wie es mit den einzelnen Figuren weitergegangen wäre.

Fazit

„Vergeltung“ ist ein unterhaltsamer Roman. Wenig spannend, aber dennoch interessant und offen erzählt. Nicht das stärkste Werk des Autors – aber auch nicht das schwächste.

Michael Sterzik

Keine Kommentare: