Im Genre „Historischer Roman“ und hier in der Personengruppe der englischen Könige kommt man an der legendären, überzeichneten Figur des Königs Richard Löwenherz nicht vorbei. Zwischen Fakten und Fiktion bewegt sich ein stilisiertes Idealbild eines Ritters, einer heroischen Figur, ein Leitbild für das „Gute“. Genau dieses Bild faktisch ein sehr verklärtes. Wahr ist, dass er mutig war, ein großer Krieger und Anführer, allerdings während der Kreuzzüge und danach ein brutaler Kriegsherr, ein eiskalter, gewissenloser Mörder.
Sein Leben bestand aus absoluten Konflikten um und mit ihm. Familiär bekriegte er sich mit seinen Brüdern und seinen eigenen Vater, um seinen Machtanspruch in Frankreich durchzusetzen. Diese Thematik ist das Zentrum des vorliegenden Titels: „Lionheart – im Dienste des Löwen“. In den Folgebänden wird sich der Autor Ben Kane mit den Kreuzzügen befassen, in der Richard ein würdiger Gegner von Saladin wurde. Die letzten Jahre „Löwenherz“ wurden dann nach seiner Gefangennahme und Freilassung die traditionellen Auseinandersetzungen mit dem Königreich Frankreich. Insgesamt ein bewegtes Leben – das zu einer übertriebenen Legende wurde.
Ben Kane – dessen literarische Konzentration sich auf die Geschichte Roms bezog, unternimmt mit seiner neuen Reihe um Löwenherz einen Ausflug ins Mittelalter.
1179: Heinrich II. Plantagenet herrscht über England und Teile Frankreichs. In seinem Haus aber herrscht Unruhe, sogar zur Rebellion kommt es. Ausgerechnet Ferdia, ein irischer Adliger, der als Geisel an den Hof kam, rettet seinem Sohn Richard das Leben. Zum Dank wird er Richards Knappe und darf ihn fortan begleiten. Sie ziehen in den Krieg, kämpfen hart und siegen, und Richard macht sich als Löwenherz einen Namen. Doch bald erkennt Ferdia: Sein Herr schwebt erneut in Gefahr, denn der Ruhm sorgt für Neider, auch in Richards eigener Familie ...(Verlagsinfo)
Eine Lebensgeschichte aus der Perspektive einer fiktiven Figur zu erzählen ist geschickt und gibt dem Autor neben den historischen Fakten, auch die Gelegenheit zu künstlerischen Freiheiten. Dass dieser Abschnitt sich dann anhört wie von vielen anderen Figuren, fällt dann gerade den Leser auf, der sich sowieso gerne in diesem Genre aufhält. Die selbstlose Opferbereitschaft, der treue und fast blinde Idealismus, eine dramatische Liebe und natürlich auch einen Erzfeind, den es zu besiegen gibt – und fertig ist die charakterliche Grundausstattung.
Der Roman „Lionheart – im Dienste des Löwen“ ist unterhaltsam, allerdings wenig spannend und Ferdia wird auch nicht zum Löwenbändiger, wenn Richard seine Zähne zeigt. Das Tragische an dieser Geschichte ist nicht „Löwenherz“ selbst – es ist sein treuer Knappe Ferdia, der es nicht schafft sich selbst „Treu“ zu bleiben. Es ist schon klar, dass er seinen Herren überleben wird, aber der Preis ist sein eigenes Leben.
Ben Kane hat gut recherchiert und schildert den Bruderkrieg sehr detailreich, aber das Temo ist eher schleppend und man könnte fast verzweifeln an den ober flächigen Machtansprüchen der verfeindeten Brüder und ihres Vaters. Politisch nicht uninteressant – aber wirklich schlau und über den britischen Tellerrand hinausblickend waren die Prinzen nicht. Zusammen hätten sie „Großes“ erreichen können.
Sehr interessant und vielleicht die beste Figur ist die des William Marshals. Vielleicht der beste Ritter seiner Zeit, ein begnadeter Turnierkämpfer der viele Erfolge erzielen konnte, ein passionierter und gefährliches Schwertkämpfer und ein talentierter Politiker. Ein Stratege – der es schaffte vieles in sich zu vereinen und sich dabei nicht selbst vergaß.
Die Figur des Ferdias, ist nicht gut konzipiert. Oberflächlich, überzeichnet, und so richtig in Fahrt kommt er nicht. Immer zwischen Angst und Mut treibend wird sein Charakter nicht wirklich gut ausgebildet in diesem Roman.
Man merkt dem Roman auch an, dass sein Autor Ben Kane sich dieser Epoche erst orientieren muss. Die erzählerische Atmosphäre, die man von ihm kennt, vermisst man hier ganz stark. Ich hoffe, dass sich diese noch einstellt. Entweder ist es, oder aber das Lektorat und die Übersetzung haben etwas geschludert. Es passt nicht zusammen, es wirkt als hätte man einen Bausatz mit Gewalt zusammengeschraubt.
Die Figur des Löwenherz ist ganz gut in Szene gesetzt. Dieser und William Marshal retten den Unterhaltungswert des Romans. Spannung kommt leider nicht auf – denn die Längen ersticken diese im Grunde. Bruderkrieg hin oder her – einen ganzen Roman damit inhaltlich zu füllen war falsch.
Fazit
Ein Löwe mit etwas weniger Biss als gedacht. Ein Roman, der zwar unterhält, aber den Leser nicht nachhaltig einfängt. Zu schnell – zu oberflächlich. Der Verlag sollte ggf. darüber nachdenken, der Figur des William Marshals einen Roman zu geben – sein Leben bietet so viel Potenzial, dass man bitte erzählen sollte.
Michael Sterzik
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