Mittwoch, 26. Juli 2023

Schmerzwinter - Aaron Sander


Die literarische Welt des Thrillers hat schon etliche Serienmörder hervorgebracht. Eine ganze Armee voller abgedrehter Mörder, die ggf. psychisch krank sind, aber hochintelligent vorgehen, die absurden Wahnvorstellungen realisieren wollen, oder auch andere, die ihre Opfer gerne anderen Gästen servieren! Die Bösartigkeit, aber auch die menschliche Psyche zeigt uns Abgründe der Skrupellosigkeit, wo der moralische Kompass längst schon irreparabel zerstört worden ist.

Doch es gibt Abstufungen in dieser Skala der Brutalitäten und alle geben Dante`s Kreis der Hölle eine neue Definition, um das Böse zu manifestieren und schließlich aufs Papier zu bringen.

Doch auch diese Täter muss man finden, entlarven, festnehmen, oder für immer unschädlich machen. Ein Serienmörder steht immer im Duell – manchmal auch persönlich mit einer Gruppe von Ermittlern, oder einem Kriminalbeamten, der nicht vergessen kann und will und auf Autopiloten geschaltet hat.

Dieses tödliche Duell, das Raum und Zeit recht individuell eine völlig neue Bedeutung geben mag – ist manchmal der eigentliche Spannungsbogen eines Thrillers/Krimis.

Der vorliegende Titel „Schmerzwinter“ von Aaron Sander – ein Pseudonym von Derek Meister der bereits mit seiner historischen Krimi-Reihe um den Lübecker Patrizier Rungholt sein Talent für spannende Kriminalliteratur bewiesen hat, gehört mit seinem Serienmörder ganz sicher in einem, reservierten Teilstück der Hölle.

In Hamburg gibt der Schnee zwei Frauenleichen frei – Hände und Füße sind durchbohrt. Beide tragen eine Uhr anstelle des Herzens. Der aus Schweden stammende Ermittler Jan Nygård stößt auf den zurückliegenden Fall des Puppenmachers, der auf bestialische Art aus seinen weiblichen Opfern Marionetten zu erschaffen versuchte. Schnell wird Nygård und seiner neuen Partnerin Anna Wasmuth klar, dass sie es nicht mit einem einfachen Trittbrettfahrer zu tun haben. Hier ist ein Schüler am Werk, der seinen Meister...(Verlagsinfo)

„Schmerzwinter“ ist ein Hardcore-Thriller. Die Beschreibungen der Leichen und deren zugefügten Verletzungen sind blutig beschrieben. Eine Marionette bewegt sich durch Fäden und diese müssen am Körper der Entführten ja irgendwie befestigt werden und dieses blutige Handwerk und die Arbeitsschritte sind wahrlich nichts für schwache Nerven. Auch der „Puppenmacher“ findet seine Bühne um sich spektakulär zu präsentieren. Diese drei Perspektiven vervollständigen also einen prima Gesamteindruck.

Auch die erzählerische Perspektive eines Opfers des Puppenmachers, das sich sprichwörtlich in Ketten befindet, schildert Qualen, Ängste, Schmerzen und Hoffnungen, die deutlich unter die Haut gehen. Manchmal ist es fast schon grenzwertig – aber es verspricht auch eine hohe Spannung und fesselt auf eine bizarre, kuriose Art. Derek Meister ist ausgebildeter Drehbuchautor und Dramaturg, diese Handschrift erkennt man durch seinen detailreichen, erzählerischen Stil.

Die Protagonisten und hier besonders der Ermittler Jan Nygard, der den Tod seiner Frau noch immer nicht verarbeitet hat, sind anstrengend konzipiert. Jan Nygard ist ein typischer Antiheld – jemand, der sich nicht eingestehen möchte, dass er sich psychisch helfen lassen muss, und der seine Traurigkeit und Verzweiflung durch Aggressivität zeigt. Sein Charakter und auch die Tötung seiner Frau werden final noch nicht aufgelöst, ebenso das angespannte Verhältnis zu seiner Tochter, die in diesem Roman eine tragische Rolle einnimmt.

Als Partnerin wird ihm eine Psychologin an die Seite gestellt, die ihn therapieren soll, aber gleichzeitig auf den labilen Kriminalbeamten aufpassen soll. Auch Person ist noch oberflächlich gestaltet, aber wird in den kommenden Bänden sicherlich tiefgründiger aufgestellt sein.

Der größte Schwachpunkt des Romans ist es, dass der Ermittler persönlich in dieser Mordserie verwickelt wird. Das ist mir zu wenig originell und ist nun mal leider auch nichts Neues in diesem Genre. Für die dramaturgische Spannung sicherlich ein hilfreicher Aspekt, aber zu oft von vielen Autoren fast schon inflationär verwendet.

Weiterhin fehlen mir Nebenfiguren, die die Story etwas stützen und ausbauen. Die Staatsanwältin wäre geeignet dafür gewesen, und vielleicht hätte man die Nebenrolle des inhaftierten Straftäters intensivieren können. Die Vernehmung im Gefängnis war mit die beste Szene, in diesem Roman. Diese charakterliche Tiefe habe ich dann später sehr vermisst, dass rhetorische Duell auf Augenhöhe – das fehlt dann doch.

„Schmerzwinter“ ist auch sehr ambitioniert, Action-Elemente sehr spannend und absolut unterhaltsam zu erzählen. Das gibt der Handlung ein immenses Tempo und lässt auch inhaltlich keine langweiligen Längen zu.

Fassen wir also zusammen: Ein sehr guter Krimi, mit dem großen Schwachpunkt, dass die Hauptperson des Ermittlers persönlich in dieser Mordserie involviert wird. Das ist nicht unbedingt unrealistisch – aber ist inhaltlich hier nicht nachvollziehbar und erschließt mir leider auch nicht.

Fazit

„Schmerzwinter“ ist ein unterhaltsamer Hardcore-Thriller mit einer spannenden Grenzerfahrung, wenn man nervlich nicht ganz so belastbar ist. Kurzweilige – aber spannende Unterhaltung die ich empfehlen kann.

Michael Sterzik





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