Die literarische Welt des Thrillers hat schon etliche Serienmörder hervorgebracht. Eine ganze Armee voller abgedrehter Mörder, die ggf. psychisch krank sind, aber hochintelligent vorgehen, die absurden Wahnvorstellungen realisieren wollen, oder auch andere, die ihre Opfer gerne anderen Gästen servieren! Die Bösartigkeit, aber auch die menschliche Psyche zeigt uns Abgründe der Skrupellosigkeit, wo der moralische Kompass längst schon irreparabel zerstört worden ist.
Doch es gibt Abstufungen in dieser Skala der Brutalitäten
und alle geben Dante`s Kreis der Hölle eine neue Definition, um das Böse zu
manifestieren und schließlich aufs Papier zu bringen.
Doch auch diese Täter muss man finden, entlarven,
festnehmen, oder für immer unschädlich machen. Ein Serienmörder steht immer im
Duell – manchmal auch persönlich mit einer Gruppe von Ermittlern, oder einem
Kriminalbeamten, der nicht vergessen kann und will und auf Autopiloten
geschaltet hat.
Dieses tödliche Duell, das Raum und Zeit recht individuell
eine völlig neue Bedeutung geben mag – ist manchmal der eigentliche
Spannungsbogen eines Thrillers/Krimis.
Der vorliegende Titel „Schmerzwinter“ von Aaron Sander –
ein Pseudonym von Derek Meister der bereits mit seiner historischen Krimi-Reihe
um den Lübecker Patrizier Rungholt sein Talent für spannende Kriminalliteratur bewiesen
hat, gehört mit seinem Serienmörder ganz sicher in einem, reservierten
Teilstück der Hölle.
In Hamburg gibt der Schnee zwei Frauenleichen frei – Hände
und Füße sind durchbohrt. Beide tragen eine Uhr anstelle des Herzens. Der aus
Schweden stammende Ermittler Jan Nygård stößt auf den zurückliegenden Fall des
Puppenmachers, der auf bestialische Art aus seinen weiblichen Opfern
Marionetten zu erschaffen versuchte. Schnell wird Nygård und seiner neuen
Partnerin Anna Wasmuth klar, dass sie es nicht mit einem einfachen
Trittbrettfahrer zu tun haben. Hier ist ein Schüler am Werk, der seinen
Meister...(Verlagsinfo)
„Schmerzwinter“ ist ein Hardcore-Thriller. Die
Beschreibungen der Leichen und deren zugefügten Verletzungen sind blutig
beschrieben. Eine Marionette bewegt sich durch Fäden und diese müssen am Körper
der Entführten ja irgendwie befestigt werden und dieses blutige Handwerk und
die Arbeitsschritte sind wahrlich nichts für schwache Nerven. Auch der
„Puppenmacher“ findet seine Bühne um sich spektakulär zu präsentieren. Diese
drei Perspektiven vervollständigen also einen prima Gesamteindruck.
Auch die erzählerische Perspektive eines Opfers des Puppenmachers,
das sich sprichwörtlich in Ketten befindet, schildert Qualen, Ängste, Schmerzen
und Hoffnungen, die deutlich unter die Haut gehen. Manchmal ist es fast schon
grenzwertig – aber es verspricht auch eine hohe Spannung und fesselt auf eine
bizarre, kuriose Art. Derek Meister ist ausgebildeter Drehbuchautor und
Dramaturg, diese Handschrift erkennt man durch seinen detailreichen,
erzählerischen Stil.
Die Protagonisten und hier besonders der Ermittler Jan
Nygard, der den Tod seiner Frau noch immer nicht verarbeitet hat, sind
anstrengend konzipiert. Jan Nygard ist ein typischer Antiheld – jemand, der
sich nicht eingestehen möchte, dass er sich psychisch helfen lassen muss, und
der seine Traurigkeit und Verzweiflung durch Aggressivität zeigt. Sein
Charakter und auch die Tötung seiner Frau werden final noch nicht aufgelöst,
ebenso das angespannte Verhältnis zu seiner Tochter, die in diesem Roman eine
tragische Rolle einnimmt.
Als Partnerin wird ihm eine Psychologin an die Seite
gestellt, die ihn therapieren soll, aber gleichzeitig auf den labilen
Kriminalbeamten aufpassen soll. Auch Person ist noch oberflächlich gestaltet,
aber wird in den kommenden Bänden sicherlich tiefgründiger aufgestellt sein.
Der größte Schwachpunkt des Romans ist es, dass der
Ermittler persönlich in dieser Mordserie verwickelt wird. Das ist mir zu wenig
originell und ist nun mal leider auch nichts Neues in diesem Genre. Für die
dramaturgische Spannung sicherlich ein hilfreicher Aspekt, aber zu oft von
vielen Autoren fast schon inflationär verwendet.
Weiterhin fehlen mir Nebenfiguren, die die Story etwas
stützen und ausbauen. Die Staatsanwältin wäre geeignet dafür gewesen, und
vielleicht hätte man die Nebenrolle des inhaftierten Straftäters intensivieren
können. Die Vernehmung im Gefängnis war mit die beste Szene, in diesem Roman.
Diese charakterliche Tiefe habe ich dann später sehr vermisst, dass rhetorische
Duell auf Augenhöhe – das fehlt dann doch.
„Schmerzwinter“ ist auch sehr ambitioniert, Action-Elemente
sehr spannend und absolut unterhaltsam zu erzählen. Das gibt der Handlung ein
immenses Tempo und lässt auch inhaltlich keine langweiligen Längen zu.
Fassen wir also zusammen: Ein sehr guter Krimi, mit dem
großen Schwachpunkt, dass die Hauptperson des Ermittlers persönlich in dieser
Mordserie involviert wird. Das ist nicht unbedingt unrealistisch – aber ist
inhaltlich hier nicht nachvollziehbar und erschließt mir leider auch nicht.
Fazit
„Schmerzwinter“ ist ein unterhaltsamer Hardcore-Thriller
mit einer spannenden Grenzerfahrung, wenn man nervlich nicht ganz so belastbar
ist. Kurzweilige – aber spannende Unterhaltung die ich empfehlen kann.
Michael Sterzik
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