Sonntag, 3. Dezember 2023

Wahre Verbrechen 2 - Christine Brand


True Crime – So authentisch, spannend und erschütternd kann kein Krimi im Fernsehen, oder einem Buch sein, wie im wirklichen Leben. Beschäftigt man sich mit Literatur im Genre „True Crime“, stößt man schnell auf tragische, dramatische Verbrechen, die ein Grauen erzählen, das schwer fassbar, schwer vorstellbar ist.

 

Wird ein Mensch mit einer „bösen“ Veranlagung geboren, oder wird er durch psychische und physische Gewalt, vielleicht über Jahre, zu einem gewaltbereiten Opfer geformt?! Die Frage kann man nicht abschließend beantworten. Als Mensch sind wir in Summe, das Ergebnis unserer Erziehung und von unzähligen Emotionen positiver, wie negativer geprägt. Welchen Weg wir dann gehen, ist von so vielen Faktoren beeinflusst, dass es hier keinen Königsweg gibt.

 

Das Buch hat nicht den Anspruch, den Täter eine Bühne zu geben, oder sich zu erklären. Christine Brand respektiert jeden Part individuell und ist ein Zeugnis für die Opfer, die Angehörigen und die Ermittler. Die Psyche des Täters kann nicht analysiert werden – es ist nicht das Ziel und die Verbrechen sind so bizarr und grausam, dass selbst, der oder die Täter die Aussage verweigern, vielleicht um sich vor Gericht selbst zu schützen, vielleicht um ihre Tat schlichtweg zu verdrängen.

 

Christine Brand erzählt in ihrem zweiten Band – Wahre Verbrechen – in 6 Fällen präsentiert uns die Autorin spektakuläre Verbrechen, die den Leser nachhaltig bis in ihr innerstes aufwühlen können. Die Geschichten werden spannend, aber nicht reißerisch, oder gar verurteilend eindimensional geschildert.

 

Ein junger Mann lockt seinen Freund in eine Höhle, schüttet den Eingang zu und denkt nicht daran, ihn wieder auszugraben. Ein brutaler Mörder nimmt die Familie einer Schmuckverkäuferin als Geisel und droht, sie mit Sprengstoff in die Luft zu jagen. Eine durch einen vermeintlichen Unfall behinderte Frau stirbt in der Badewanne, und niemand merkt, dass es Mord war. Von diesen und weiteren Fällen erzählt Christine Brand auf eindringliche und gleichzeitig feinfühlige Weise. Als Gerichtsreporterin war sie bei den Prozessen hautnah dabei und hat intime Einblicke in die Verbrechen gewonnen. Sie besucht Täter im Gefängnis, spricht mit Ermittlern und Opfern. Ihre Erkenntnisse zu Taten, Motiv und den Abgründen der menschlichen Psyche sind spannender und oft unglaublicher als jeder Krimi! (Verlagsinfo)

 

Dreh- und Angelpunkt ist die Psychologie der Täter – vor der Tat, während der Tat und nach dem Verbrechen. Es gibt für diese geschilderten Verbrechen, von denen Christine Brand berichtet, keine Entschuldigung, es gibt viele Fragen, die weiterhin im Dunklen bleiben, eine Wahrheit, die nur der Täter kennt. Für die Angehörigen und diese sind auch „Opfer“ des Täters, ist die Motivation überhaupt nicht nachzuvollziehen. Der Schmerz, den diese auch noch lange nach dem Verlust ihres Liebsten mit sich tragen, ist gleichbedeutend mit einer lebenslangen Verurteilung. Und selbst wenn man das Verbrechen überlebt, so bleibt eine posttraumatische Störung ein fester Bestandteil des täglichen Lebens.

 

Christine Brand erzählt aber auch von Versagen der Justiz, von Fehlern bei den Ermittlungen, bis hin zu Fehlern der psychiatrischen Forensik und der Gerichtsmedizin. Diese Missstände sind leider auch verantwortlich für spätere Verbrechen, die nicht stattgefunden hätten, wenn die Justiz, die Psychologen mit ihren Gutachten konsequenter agiert hätten. Später – nach den katastrophalen Ereignissen ist man bekanntlich schlauer, und Prozesse und Gesetzte werden verschärft.  

 

Alle Fälle haben sich in der Schweiz abgespielt, sodass der Leser auch über dieses Justizsystem beiläufig, aber inhaltlich gut abgeholt wird.

 

Die Spannung wird nicht über die detaillierte Schilderung des Tathergangs erzeugt. Christine Brand öffnet einen Spalt zur Psyche des Täters und diese ist oftmals wirklich als „Schwerkrank“ zu bezeichnen. Die Verbrechen sind schlimm – aber die kranke Psychologie des Täters, die sich auch vor Gericht als unmenschlicher Offenbarungseid zeigt, ist es, die nachhaltig unter die Haut geht. Dabei könnten die Täter unsere Nachbarn sein, vielleicht sogar unsere Freunde – es sind keine äußerlichen Monster, denen man die ggf. böse kranke Veranlagung anmerkt. Ihre Taten sind jedoch schwer zu begreifen, vielleicht ist es auch zu einfach davon zu sprechen, dass diese psychisch erkrankt sind?!

 

Ausdruck, Stil und Sprache sind hervorragend. Immer konzentriert auf das wesentliche beschränkt, wird die Faszination des Grauens schauerlich, aber auch emotional transportiert.

 

Fazit

 

Eine Symphonie des Grauens – eine Reise in die psychologische Dunkelheit der Täter, die viele Leben zerstört haben. Die Anzahl der Opfer, auch der lebenden, der Angehörigen ist zahlreich. Ein Buch, das unter die Haut geht und auch nach strengeren Konsequenzen ruft.

 

Michael Sterzik




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