„Verbrechen“ – geschehen aus einer Vielzahl von Gründen und Motiven. Die 7 Sünden gehören ggf. zu den Motivatoren um zu stehlen, betrügen, rauben, oder sogar einem Menschen das Leben zu nehmen. Verbrechen ist kein Ausbildungsberuf, keine Lehrzeit, die einen darauf vorbereitet – ein perfektes Verbrechen zu planen und durchzuführen. Doch jedes Verbrechen schlägt auch Wellen, als würde man einen Stein in einen Teich werfen, und diese gleichen oftmals einem emotionalen Tsunami. „Opfer“ können dann auch die Angehörigen sein, die psychischen Kollateralschäden, über die man zwar spricht – aber die man viel öfters auch schweigt.
Ursula März ist eine erfahrene Gerichtsreporterin, sie ist eine Literaturkritikerin, eine hervorragende und prämierte Autorin und Journalistin, die ein besonderes Talent hat, den Menschen hinter dem Verbrechen zu beschreiben. Nicht die Tat – nicht den Ort oder das Motiv. Was fühlen und erzählen die Täter, wenn sie rückblickend betrachten, welche Auswirkungen ihr Verbrechen hat. Manchmal kann es ein verzweifelter Offenbarungseid sein, manchmal eine psychotische Krankheit, und manchmal ist ihre eigene Selbstreflexion ein verzerrter, kranker und abstrakter Kosmos. Im Streubereich zwischen Wahrheit und Lüge spielen sich Schicksale ab, die Ursula März spannend und informativ erzählt.
Es sind Kurzgeschichten, die zum Teil auch schon im Podcast – der ZEIT Verbrechen detaillierter von Ursula März und den beiden großartigen Moderatoren Sabine Rückert und Andreas Sentker behandelt wurden.
Geschichten aus Gerichtssälen vom Leben am Rande der Legalität und dem entscheidenden Schritt darüber hinaus. Kriminalität in den unterschiedlichsten Kreisen, aus den erstaunlichsten Motiven und mit überraschendem Ausgang. Und eine Topografie des Verbrechens, denn Ursula März hat als Gerichtsreporterin seit den 90er-Jahren Prozesse aus fast allen Bezirken Berlins begleitet. Milieugeschichten, Einzelschicksale, gesellschaftliche Verhältnisse, alles kommt zusammen und ergibt ein faszinierendes Bild unserer Gegenwart. Literarisch verdichtet und packend erzählt, man möchte immer weiterlesen. (Verlagsinfo)
Der Titel: „Verfehlungen und Verbrechen“ gehört ins Genre True Crime. Das Buch ist hochklassischer Journalismus. Die geschilderten Schicksale behandeln keine stereotypischen Verbrecher und ordnen sie kategorisch gleich die Einordnung „Böse“ ein. Es gibt Geschichten in diesem Roman, die werfen, Fragen auf, sie animieren zu einem Lächeln und auch zu einem verzweifelten Gedanken über die Dummheit der Täter, als auch der Opfer.
Der Leser ist hier kein Statist, sondern hat die Gelegenheit diese Menschen – Täter und Opfer aus der ersten Reihe zu beobachten. Diese meditative Soziologie des Alltags präsentiert dem Leser auch keine Allerweltsmoral. Kein erhobener Zeigefinger, kein Fingerpointing und erst recht wird es nicht eindimensional erzählt. Ursula März gibt uns einen umfassenden Einblick in die Gedankenpaläste der Opfer und der Täter.
Und wir sitzen mit der Autorin vor Gericht, uns begegnen Verteidiger, Staatsanwälte und Richter, die auf der Suche nach der Wahrheit auch Tätern begegnen, die ein nachhaltiges Echo wecken. Diese Ausflüge in die Mikrowelten dieser Menschen – egal auf welcher Seite des Gesetzes sie sich positioniert haben, sind großartig erzählt. Konsequente und kompromisslose Berichterstattung die unter die Haut geht. Was ist nur eine Verfehlung und was kann man als ein Verbrechen bezeichnen. Die Grenze ist verschwimmend – und mit einem Bein auf jeder Seite steht ein „Mensch“ mit all seinen Prägungen der Vergangenheit und seiner ganz eigenen Vorstellung von Werten und Idealen.
Die Geschichten sind keine Google-Suche entfernt zu finden, dafür sind sie unspektakulär – dennoch aber auch voll voller Dramatik und Tragik. „Verfehlungen und Verbrechen“ sind das emotionale Spiegelbild von Menschen, die jeder von uns kennen könnte.
Wer etwas mehr an Informationen über diese „Fälle“ erhalten möchte, dem empfehle ich den Podcast – ZEIT Verbrechen.
Fazit
Und der Mensch, bleibt Mensch – hochklassiger Journalismus, der nicht nur aufklärt, sondern auch eine erstklassige Unterhaltung bietet. Emotionale Berichterstattung, die ein Echo erzeugt, über das man als Leser nachdenken wird. Absolute Leseempfehlung.
Michael Sterzik
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