Zeitenwende – das ist ein großes Wort. Aber die Botschaft ist brisant. Sie zeigt uns, dass unsere Welt inzwischen bedrohlich nah daran ist, durch uns selbst zerstört zu werden. Und das passiert jeden Tag. Klimakatastrophen, Krisen und Kriege in Europa – also in der unmittelbaren Nachbarschaft – und hohe Energiekosten sind nur einige der Probleme.
Und dann gibt's noch Regierungen, die sich immer mehr dem Rechtsdruck beugen, mit denen sie zusammenarbeiten oder die sie gerade aktiv bekämpfen. Unser Portfolio ist echt breit gefächert – aber eines ist uns allen klar. Unsere Gesellschaft ist gespalten, und zwar nicht nur zwischen Arm und Reich, sondern auch in Bezug auf die lauten und stummen Schreie nach Frieden, Freiheit und Entfaltung. Und diese stehen im Konflikt mit der Migration von Flüchtigen, die sich in Europa einen Neuanfang wünschen. Der Nationale Gedanke ist jetzt für viele Menschen ein wichtiges Thema – neben den anderen Krisenthemen.
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass Geschichte sich wiederholen kann und dass andere europäische Länder vor ähnlichen Herausforderungen stehen. In Bezug auf Politik, Kultur, Gesellschaft, Soziales und Militär. An jeder Ecke lauert eine Krise, flankiert von dem Geiste eines neuen, alles vernichtenden Krieges.
Der norwegische Journalist und Autor Ingar Johnsrud hat einen Politthriller verfasst, der in Norwegen spielt, jedoch zahlreiche Parallelen zu anderen europäischen Ländern aufweist.
Während die Wahl des norwegischen Parlaments immer näher rückt, herrscht bei der Terrorabwehr höchste Alarmbereitschaft: Es gibt Hinweise auf einen bevorstehenden Anschlag. Im Verdacht steht eine Gruppe rechtsnationaler Extremisten, die im Besitz einer großen Menge Rizin sein sollen. Doch was genau haben die Terroristen damit vor?
Die Anti-Terror-Ermittler Liselott Benjamin und Martin Tong versuchen fieberhaft, den Anschlag zu vereiteln. Währenddessen geht der Wahlkampf in die heiße Phase. Die Spitzenkandidatin der Arbeiterpartei sieht sich auf der Zielgeraden zur Machtübernahme – und nimmt dafür zunehmend zweifelhafte Mittel in Kauf.
Mittendrin: Jens Meidell, ihr juristischer Berater. Je tiefer er sich in die politischen Ränkespiele verstrickt, umso mehr gerät er mit dem Rücken zur Wand: Wie weit ist er bereit zu gehen: um der Partei zurück an die Macht zu verhelfen? Um die Demokratie vor rechten Umsturzplänen zu retten? Und vor allem: um seine eigenen dunklen Geheimnisse ein für alle Mal zu begraben? (Verlagsinfo)
"Echokammer" ist der literarische Spagat zwischen einem Spannungsroman, der den rechtsextremen Terrorismus thematisiert, und einem soliden Politthriller, der die norwegische Parlamentswahl zu einem Intriganten-Machtkampf macht.
Der Autor spielt gekonnt mit einer Vielzahl von komplexen Themen. Wenn Machtspiele und Manipulationen in einem Wahlkampf eine Rolle spielen, rechtsextreme Ideologie zum Vorschein kommt oder eine terroristische Bedrohung besteht, sind alle gesellschaftlichen Bühnen und deren Erwartungshaltung involviert. Das anfänglich gedrosselte Tempo in den beiden Erzählsträngen könnte auf den ersten Blick langatmig erscheinen.
Allerdings entpuppen sich diese kleineren und größeren Nebenhandlungen als deutlich vielseitiger, als man anfänglich annimmt. Sobald sich die beiden verflechten, wird das Tempo fixer, die Spannung steigt stetig an und erreicht am Ende ein fulminantes Finale, das authentisch und überraschend ist.
Die Figurenbesetzung ist überschaubar und fokussiert sich auf den etwas älteren Experten für Terrorismus, der etwas von einem Antihelden vorweist. Martin Tong hat eine nicht ganz saubere Vergangenheit, ein Alkoholproblem und noch andere Herausforderungen. Er ist ein sympathischer, aber auch egozentrischer Ermittler und Mensch. Liselott Benjamin spielt den ruhenden Pol in diesem ungleichen Duo, auch wenn man über sie nicht so viel erfährt.
Auch wenn auf dem Cover steht „Echokammer“ sei der beste norwegische Thriller seiner Zeit, ist das sehr ambitioniert. Die Wahrheit ist wohl eher, er ist einer der besten Romane der letzten Jahre, wenn es darum geht gesellschaftliche und politische Themen, mit einer sozialkritischen Komponente spannend zu vermengen.
Ich erwarte, dass diese Mischung in den nächsten beiden Titeln fortgeführt wird. Die Handlung ist authentisch, intelligent und führt uns vor Augen, in welcher Bedrohungslage wir uns aktuell befinden.
Fazit
„Echokammer“ ist so laut und spannend, dass es ein Fehler ist, diesen Roman nicht zu lesen. Intelligente Spannung – tolle Figuren und brisante Themen lassen es nicht zu, dass hier Langeweile aufkommt. Prädikat: Pageturner und damit eine unbedingte Leseempfehlung.
Michael Sterzik