Die Thriller von Jeffery Deaver überzeugen über eine
intelligente Spannung. Ebenfalls bedient sich der Autor fast schon traditionell
an einer originellen Idee, die mitunter der realistisch ist. Das dann genau
diese Idee beängstigend sein kann, gerade weil man darüber nachdenkt, ob dies technisch
überhaupt möglich ist, ist nachhaltig verdammt gut positioniert.
In unserer digitalen Welt sind wir „fremdgesteuert“ –
machen wir uns mal nix vor. Schon längst gibt es intelligente Systeme mit der
wir in unserem Haus, oder auch Grundstück verschiedene elektrische, digitale Systemeinheiten
steuern können. Strom, Licht, Wärme und überhaupt Kommunikation. Unsere Autos
sind inzwischen voller Elektronik – der Mechaniker repariert unsere Fahrzeuge
nicht mehr nur mit dem Schraubenschlüssel, sondern greift selbstverständlich
auf einen Computer zu. Ohne Software funktioniert hier gar nichts mehr – selbst
das Öffnen der Türen erfolgt über ein übermitteltes, elektronisches Signal.
Unsere Welt ist digital – unsere Welt ist kompromisslos und
konsequent darauf ausgerichtet, dass wir aus Bequemlichkeit auf die
innovativsten Ideen kommen. Ersparnis von Zeit, kostenreduzierter Aufwand, Abbau
– bzw. Umbau von menschlichen Ressourcen.
Man muss mit der Zeit gehen – genau das Denken und
verstehen kriminelle Köpfe schon seit langem. Cyberkrieg – Cyberkriminalität –
willkommen in einer alltäglichen Welt, in der man vieles auf „Knopfdruck“
manipulieren kann. Der nächste Krieg könnte also eine abwechslungsreiche Folge
von Fehlfunktionen werden – Atomkraft-und Wasserkraftwerke, Fluglinien, infrastrukturelle
Verkehrsnetze….denken wir darüber nach, fällt uns das eine oder andere bestimmt
noch ein.
Der amerikanische Autor Jeffery Deaver greift die Idee vom
Cyberkrieg auf und transportiert diese bürgernah in die moderne Zivilisation. Der
Plot alleine zeigt schon, welche originelle Szenen es geben wird: Eine
mörderische Rolltreppe – ein zufälliger Unfall, ein Systemausfall, oder liegt
hier eine Manipulation vor?! Sprichwörtlich muss man diesen Unfall/Mord im Detail
sehen.
Die Gesichter des Todes können Dir im Alltag das Leben leichter
machen, oder Dich digital und maschinell ins Jenseits befördern. Primitive
Maschinen mit großartig, tödlichen Effekten und jetzt spricht man bitte nicht
von „Haushaltsunfällen“.
Jeffery Deaver bedient sich in seinem Roman „Der
talentierte Mörder“ einer solchen Szenerie. Technik ist Technik – bestehend,
aus Schaltkreisen, Platinen, Widerständen, Halbleitern, Controllern..usw. Wenn
baugleiche Komponenten in Alltagsgegenständen ein digitales, empfangenes Signal
aufnehmen und etwas ein-oder ausschalten, wird es gefährlich. Der Mörder hat
mehrere Talente – eines davon ist dies.
„Der talentierte Mörder“ von Jeffery Deaver ist strukturell
gut konzipiert. Die Hauptstory steht allerdings vollkommen in zweiter Reihe.
Die zwischenmenschlichen Beziehungen – diese Nebengeschichten sind die
literarische Seele des Romans. Der rote Faden einer digitalen Bedrohung lässt
sich schwer übersehen, aber diese ist untergeordnet.
Die Beziehung zwischen Amelia Sachs und Lincoln Rhyme ist
sowieso schwierig. Körperlich und Geistig nahezu konträr – wird ihre berufliche
und private Beziehungsebene auf die Probe gestellt. Der kranke und behinderte,
aber genialer Rhyme bekommt eine neue Assistentin – ebenfalls im Rollstuhl sitzend,
ebenfalls ein sehr kluger Kopf, der seinen Mentor manchmal übertrifft und
überrascht.
Amelia Sachs Ex-Partner wird aus dem Gefängnis entlassen. Der
ehemalige, nun kriminelle Cop, will seine Unschuld beweisen und sucht privat
die Aufmerksamkeit seiner Exfreundin. Als dritte Herausforderung gibt es dann
für Amelia Sachs ihre Mutter, die gesundheitlich alles andere auf Höhe ist.
Auch der 12.Band dieser Reihe überzeugt über mal mehr sein
als schein, und umgekehrt. Dunkle Wasser sind tief und so trägt jede „neue“
Figur diverse Überraschungen und Geheimnisse mit sich. Genau das sind die
Nebengeschichten, die dem talentierten Mörder die Show stehen. Jeffery Deaver
ist „Tricky“.
Jeffery Deavers „addons“ sind brillant in die 600 seitenstarke
Fassung eingearbeitet. Die Story verfügt manchmal über erzählerische Längen,
aber umschiffen diese Klippen souverän, sodass man als Leser überzeugt ist,
gleich das nächste Kapitel zu beginnen.
Man darf gespannt sein, wie es weitergehen mag. Neue
Personen – nicht zuletzt die neue Assistentin von Rhyme werden bestimmt sehr
innovativ in den nächsten Bänden eingesetzt. Geschickt von dem Autor seiner
Figur Lincoln Rhyme einen Duellanten an die Seite zu stellen. Die Konflikte begeben
sich also in Startposition.
Die Story ist authentisch aufgestellt – die Szenen – deren Ablauf
und Konsequenz absolut plausibel. Jeffery Deavers Stil ist und bleibt ein sehr
planerischer. Sein erzählerischer Stil ist souverän darauf ausgerichtet
Spannung zu erzeugen. Sehen wir es ihm also nach, dass Tiefsinn mal etwas
tiefer angesiedelt ist, aber dabei die Qualität eines Spannungsromans solide
bleibt.
Fazit
„Der talentierte Mörder“ ist ein solider Spannungsroman,
die uns unsere „Lebensgefährdung“ im Alltag etwas näher bringt. Nicht der
stärkste Band aus diese Reiher – aber vielleicht die Vorgeschichte zu etwas
größerem.
Michael Sterzik