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Dienstag, 8. Oktober 2024

Die weisse Stunde - Alex Beer


Der Erste Weltkrieg ist verloren - Deutschland und Österreich haben wirtschaftliche Probleme. Die Veteranen des schrecklichen Krieges sind traumatisiert, enttäuscht und fühlen sich verraten. Das „alte“ Wien trotzt der neuen Zeit, die, wie wir wissen, noch schrecklicher sein wird, ein Aufbäumen der alten Gesellschaftsschichten, die es desillusioniert auch nicht wahrhaben wollen. Die einfachen Menschen sehen oft keine Motivation, keinen Sinn im Weiterleben. Die Zahl der Selbstmorde steigt. Viele stürzen sich von den Donaubrücken in den Tod. Nicht alle werden identifiziert. Viele Tote werden auf dem Friedhof der Namenlosen begraben.

Aus der Asche des verlorenen Krieges erheben sich die Vorboten des Nationalsozialismus. Die Menschen sehnen sich nach nationalistischem Selbstbewusstsein, nach wiedergewonnener Ehre und nach der Suche nach Schuldigen. 

Glanz und Gloria stehen Verzweiflung und Angst gegenüber. Die sympathische Autorin Alex Beer zeigt uns das historische Wien mit einer tollen Atmosphäre und interessanten Charakteren, die hier leben und sterben.

Wien 1923. Die Stadt gleicht einem Pulverfass, die politischen Lager haben sich radikalisiert, die Hakenkreuzler sind auf dem Vormarsch. Mitten in dieser angespannten Situation geschieht ein aufsehenerregender Mord: Marita Hochmeister, eine stadtbekannte Gesellschaftsdame, wird brutal erschlagen in ihrem Schlafzimmer aufgefunden. Einen Tag später weist ein pensionierter Kriminalinspektor den Ermittler August Emmerich auf eine ungelöste Mordserie hin – damals, vor zehn Jahren, wurden drei Frauen auf ähnlich grausame Weise getötet wie das Opfer. Kann es sein, dass der Mörder zurückgekehrt ist? Und wenn ja, kann Emmerich ihn stellen, bevor er erneut zuschlägt? (Verlagsinfo) 

Die Geschichte ist hervorragend erzählt. Alex Beer nimmt uns mit auf eine Zeitreise - in ein Wien um 1923. Inflation, Arbeitslosigkeit, Kriegsniederlage - es fehlt an vielem, nicht nur an Lebensmitteln oder Medikamenten, sondern auch am Lebenswillen. Historische Schauplätze wie der Friedhof der Namenlosen, die Innenstadt etc. werden sehr anschaulich dargestellt. 

Aber es sind nicht nur die regionalen Beschreibungen, die diesen Roman so gut machen, sondern auch die Perspektiven der Figuren, die von sich und ihrer alltäglichen Umgebung erzählen. Diese Stimmung überträgt sich schnell auf den Leser und lässt alle Situationen und Ereignisse in der Phantasie lebendig werden.

Die Figuren Emmerich und sein Assistent Winter sind in ihrem Zusammenspiel perfekt. Ihr eigener Bußgeldkatalog, der immer wieder bei Flüchen erwähnt wird, das fast väterliche Verhalten Emmerichs, der neben seiner unkonventionellen Ermittlungsarbeit auch Emotionen zeigt. Emmerichs private Situation ist eine kleine Nebengeschichte, die auch in diesem Band kein Ende findet.

Die Handlung ist spannend, aber wenig realistisch - eine kleine Räuberpistole mit hohem Unterhaltungswert. Die Dialoge sind kurzweilig, aber auch immer wieder mit feinem Humor gespickt. Alex Beer legt in ihren Romanen großen Wert auf Authentizität - das merkt man auch hier auf jeder Seite. 

In „Die weiße Stunde“ gibt es nur wenige Nebenhandlungen, dafür aber interessante Nebenfiguren im Umfeld der Ermittler, die auch in den anderen Bänden immer wieder auftauchen und vielleicht auch in einer Fortsetzung ihren Auftritt haben werden.

Alex Beer zeigt auch die Perspektive der verschiedenen Berufsgruppen und das Aufbrechen der alten „Stände“ und das Aufkommen des Geldadels. Viele Traditionen und Moralvorstellungen werden hier beschrieben, vieles ist für uns vielleicht nur schwer nachvollziehbar - z.B. die Rolle der Frauen im Beruf, die damals keine Möglichkeit hatten, sich gegenüber den Männern zu behaupten. 

Es ist ein Vergnügen, diese Serie zu lesen. Alex Beer versteht es hervorragend, historische Themen mit einer spannenden Geschichte zu verbinden.

Fazit

Spannende Zeitreise - die nicht nur Gebäude, sondern auch Menschen ihrer Zeit zu Wort kommen lässt. Unterhaltsam - unbedingt lesenswert.


Michael Sterzik 

Donnerstag, 12. September 2024

Dem Tod auf der Spur - Prof. Dr. Michael Tsokos


Das Leben schreibt die besten und auch die grausamsten (Mord-)Geschichten. Wenn wir beim Lesen eines Krimis/Thrillers denken, dass die Geschichte zu abgedreht, zu unrealistisch ist, würden wir nicht auf die Idee kommen, dass sie vielleicht viel näher an der Realität ist, als wir es uns zunächst vorgestellt haben.

Menschen sind kreativ, wenn es darum geht, sich das Leben zu nehmen oder jemanden zu töten. Prof. Dr. Michael Tsokos ist der bekannteste Rechtsmediziner unseres Landes. In diesem Buch schildert er aus seiner persönlichen und beruflichen Vergangenheit 13 Fälle, die zum Teil schonungslos und brutal beschrieben werden. Trotzdem geht von diesen Schilderungen eine morbide Faszination aus.

Im Fernsehen wird das Arbeitsumfeld und die Tätigkeit eines Rechtsmediziners völlig übertrieben dargestellt. Nicht nur die Sektion einer Leiche, sondern ggf. auch eine sehr abenteuerliche Analytik und Ermittlungsthematik entsprechen überhaupt nicht der Realität. „The Show must go on“ im Film und dieses Buch ist nicht nur spannend, sondern auch ein kleines Wikipedia der Rechtsmedizin. 

Der Autor Prof. Dr. Michael Tsokos räumt mit vielen Vorurteilen, Vermutungen und Klischees auf und vermittelt dem Leser eine kurze, aber intensive Momentaufnahme eines Tatortes und seiner eigenen Tätigkeit.

Die Koryphäe der Rechtsmedizin Prof. Dr. Michael Tsokos wird zu Rate gezogen, wenn festgestellt werden muss, ob Selbstmord, ein Unfall oder doch Mord die Todesursache war. Seine rechtsmedizinische Expertise trägt maßgeblich zum Erfolg der Ermittlungsarbeit der Behörden bei. So ist der Rechtsmediziner regelmäßig als Experte im In- und Ausland tätig, beispielsweise für das BKA bei der Identifizierung der Opfer von Terrorangriffen und Massenkatastrophen. (Verlagsinfo) 

Die Schilderungen der Tatorte und der Leichen der Mordopfer sind drastisch. Wie gesagt, die Kreativität, den Tod herbeizuführen, ist erschreckend und sicherlich sind die Ermittler, die Gerichtsmediziner und auch die Justiz geschockt, und das vielleicht sehr nachhaltig. Die Spuren des Todes - sie sind vielfältig, sowohl physisch als auch psychisch interpretierbar. 
„Dem Tod auf der Spur“ - ist auch ein kleines Mini-Lexikon der Untersuchungsmethoden eines Gerichtsmediziners. Interessant, spannend und wissenschaftlich erklärend gibt es dem Tatortzuschauer einen guten Einblick in diese Welt des Todes.

Dennoch denkt man am Ende auch an die Hinterbliebenen, deren Welt sich völlig verändern wird, ebenso begegnen wir den Tätern vor Gericht, die möglicherweise wenig Reue und Einsicht zeigen. 

Der Erzählstil von Prof. Dr. Michael Tsokos ist nicht reißerisch oder übertrieben, sondern immer mit einem feinen, manchmal humorvollen Unterton durchsetzt. Der Titel ist auch nicht als Roman, sondern eher als Sachbuch einzuordnen.

Fazit

Spannende Einblicke in die Welt des Todes. Die Spuren des Todes - sie sind blutig, erschreckend, erschütternd und zeugen gegebenenfalls auch vom Schicksal des Verstorbenen. Ein interessanter und lehrreicher Einblick in die Welt der Rechtsmedizin.

Michael Sterzik


Samstag, 19. August 2023

Puppenblut - Anna Jansson


Puppenblut ist der dritte Band der Krimireihe mit dem Kriminalbeamten Kristoffer Bark. Gemäß dem Motto – die Wahrheit wird eines Tages ans Licht kommen, geht es natürlich auch im vorliegenden Band um einen alten Cold Case Fall, der alte Wunden öffnet und neue Tote in der Gegenwart bringt.

Damit öffnet die Autorin auch ein dunkles Kapitel Schwedens zur Zeit des Zweiten Weltkrieges. Die nationalsozialistische Rassenhygiene, die Aussortierung der schwachen, der gebrechlichen, der sozialen Außenseiter – war auch zu der damaligen Zeit ein Thema. Die Wunsch- und Idealvorstellung eines Menschen gab es leider auch in den skandinavischen Ländern bei einigen Interessengruppen.

In Rückblenden, die aus Tagebucheintragungen Marys kommen, wird der Leser mit diesem Kapitel konfrontiert. Gerade dieser Blick in die Vergangenheit bereichert den Roman „Puppenblut“ ganz, ganz stark.

Januar 1967: Ein lebloser Frauenkörper treibt im eiskalten Fluss Svartån, ganz in der Nähe des Schlosses von Örebro. Der Name der Toten ist Mary Billbro, sie lebte in der Nervenheilanstalt von Västra Mark. Die Todesursache bleibt unbekannt. Mehr als 50 Jahre später ist Marys Enkelin Eva auf den Spuren ihrer Familiengeschichte. Sie möchte unbedingt herausfinden, was ihrer Großmutter damals zugestoßen ist. Doch dann bekommt sie selbst Morddrohungen. Für Kristoffer Bark, Schwedens Experten für Cold Cases, ist klar: Das ist ein Fall für ihn! Seine Ermittlungen führen ihn zu den schrecklichen Taten, die einst in Västra Mark geschahen. Kann er Marys Tod aufklären – und reicht das, um Eva zu retten? (Verlagsinfo)

„Puppenblut“ – dessen Story gliedert sich in zwei Ebenen auf. Da gibt es den eigentlichen Handlungsrahmen, der sich wiederum in Vergangenheit und Gegenwart aufteilt und dann noch viele Nebengeschichten, die das Privatleben der Ermittler aufzeigen. Letzteres nimmt allerdings einen so großen Raum ein, dass wenn aufteilen würde, die eigentliche Story zu einer Kurzgeschichte umwandeln würde.

Allerdings ist diese Kurzgeschichte fantastisch gut erzählt. Ein authentischer Rückblick in die Vergangenheit – der unter die Haut geht, wenn man den Aufzeichnungen Marys folgt, die in einer Nervenheilanstalt weggesperrt wurde.

Der schriftstellerische Stil ist sehr, sehr gut – aber die Ausflüge in das Privatleben der Ermittler und weiterer Nebenpersonen bringt die Story weder weiter noch sind diese wirklich interessant. Ja sicherlich, verstärken diese Erklärungen die charakterliche Tiefe, aber sie nehmen auch der Story viel an Substanz und Wirkung.

Fazit

Puppenblut – ist ein unterdurchschnittlicher Kriminalroman. Eher eine Kurzgeschichte, die zwar spannend und gut erzählt wird, aber die persönlichen Herausforderungen der Protagonisten nehmen viel zu viel Raum ein. Nicht zu empfehlen.

Michael Sterzik

Samstag, 29. Juli 2023

Düstergrab - Romy Fölck


Die Elbmarschreihe wird nun mit dem sechsten Band: „Düstergrab“ fortgesetzt. Die Region um Hamburg und Lübeck, dieses raue, aber schönes Fleckchen Natur fasziniert nicht nur die dort lebenden Protagonisten, sondern auch die Autorin selbst. Ihre Liebe zu dieser Gegend findet sich in jedem Kapitel dieses Titels wieder.

Die Figuren um das Ermittlerduo Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn nehmen in Anzahl immer weiter zu. Eine „Familie“ aus Haupt- und Nebenfiguren mit persönlichen, privaten Herausforderungen geben der Handlung eine gewisse menschliche Tiefe mit. Das Verbrechen ist und bleibt natürlich der Fokus der gesamten Handlung. Als Quereinsteiger kann man unabhängig die Titel dieser Reihe lesen, aber rückblickend, um die Figuren besser greifen zu können, empfehle ich diese Reihe chronologisch zu lesen.

Dunkle Regenwolken treiben über dem kleinen Friedhof in der Marsch, als Kommissarin Frida Paulsen der Beerdigung eines ehemaligen Schulfreundes beiwohnt. Am nächsten Tag steht sie erneut vor seinem Grab – Spuren deuten darauf hin, dass es in der vergangenen Nacht geschändet wurde. Entsetzt blickt sie nun in das Innere des Sarges: Auf dem Leichnam des Verstorbenen liegt eine weitere Leiche, die eines Mädchens, bekleidet mit einem Kopftuch und einem altertümlichen Kleid. Handelt es sich bei der Toten um eine der Zwillingsschwestern, die vor Jahren verschwanden? Ihre Ermittlungen führen Frida und ihren Kollegen Bjarne Haverkorn schon bald zu einem Ehepaar, das nach archaischen Regeln auf einem abgelegenen Gehöft lebt. Und dunkle Geheimnisse zu verbergen scheint …(Verlagsinfo)

An Originalität fehlt es Romy Fölck nicht. Eine Leiche, auf einem gerade bestatteten Toten zu verstecken, ist fast ein perfektes Verbrechen, aber nur fast. Die Handlung von „Düstergrab“ umfasst zwei Fälle und bietet so dem Leser eine ansprechende. Abwechslung. Romy Fölcks schriftstellerische Stil entwickelt sich immer besser, somit ist sie selbst kein Wiederholungstäter, wenn man frühere Kritikpunkte jetzt nicht mehr wiederfindet. Das Privatleben der Figuren wird nun weniger ausufernd erzählt, wie oben erwähnt, aber sind diese Nebenhandlungen allerdings für das Gesamtbild nötig.

Beide Storylines sind hervorragend ausgearbeitet. Spannende Dramatik, die eine Eigendynamik entwickelt und es auch emotionale Tragik gibt. Recht und Ungerechtigkeit – dazwischen ein schmaler Grat, auf dem die Menschlichkeit versucht, das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Beide Storylines entwickeln sich im Grunde sehr langsam, wechseln sich ab und die Perspektivwechsel der erzählenden Personen bieten eine großartige Unterhaltung. Am Ende überschlagen sich die Ereignisse und bei aller Spannung, die gegenwärtig ist, klingt dies Auflösung doch etwas allzu sehr konstruiert.

Die Atmosphäre der beiden Storys ist nicht düster, sie bietet eine Unterhaltung auf einem hohen Niveau und ist durchaus einwandfrei, wenn im hohen Norden gemordet wird.

„Düstergrab“ ist auch ein Scheideweg – viele Figuren stehen vor Entscheidungen, die ihr eigenes Leben in andere Bahnen lenken können. Ob nun diese ‚kriminelle‘ Großfamilie“ sich in einem vielleicht kommenden siebten Band vereint – sei dahingestellt. Im Grunde – das ist mein persönlicher Eindruck ist alles erzählt – jegliche Fortsetzung wäre eine künstliche Lebenserhaltung – und würde diese perfekte Reihe nur diskreditieren.

Fazit

„Düstergrab“ verspricht stimmungsvolle Unterhaltung. Tolle atmosphärische Handlung, die das Verbrechen nicht romantisiert – aber die Tragik der Menschlichkeit erzählt.

Michael Sterzik



Dienstag, 14. März 2023

Brennender Zorn - Line Holm und Stine Bolther


Das ist schon nicht ganz einfach mit der Vergangenheit, vieles kann man verdrängen, ignorieren, ausblenden, und sich doch in Sicherheit wiegen, dass es niemals an die Öffentlichkeit kommt, oder sowieso einen einholt. Doch die Realität beweist, dass es oftmals ganz anders ist. Und Jahre, womöglich Jahrzehnte später geht diese stille Zeitkapsel dann mit einem Knalleffekt hoch, und es ist laut, unangenehm, unfreundlich und verdammt unpassend.

Schicksal – oder ist diese eine Methode des Universums uns daran zu erinnern, dass es universelle Gesetzmäßigkeiten gibt und uns die lange Nase zeigt?

Es passiert immer wieder, dass ein alter „Cold Case Fall“ gelöst, oder der Täter durch Zufall überführt wird. Ja, sicherlich wird nicht alles aufgeklärt, aber die Schatten der Vergangenheit werden immer mal wieder ausgeleuchtet.

In dem vorliegenden Band „Brennender Zorn“ geht es um ein Verbrechen, das über 70 Jahre zurückliegt, also faktisch im Zweiten Weltkrieg geschehen sein musste. Ein Kriegsverbrechen, oder nur ein Mord und kann man das Opfer und den Tathergang noch rekonstruieren? Der erste Handlungsstrang verspricht also eine mysteriöse Spannung. Zurück in unsere Zeit, mit aktuellen Themen, die auch in Dänemark mit einer gewissen Brisanz zu sehen sind. Die Kritik am Staat, seinem Rechtssystem, seinen polizeilichen Behörden, inmitten einer sowie politischen unruhigen Zeitenwende. Die Gewaltbereitschaft in der Bevölkerung ist ansteigend, die personelle Besetzung bei der Polizei fällt immer schwächer aus. Die Behörden sind nicht planlos, nur manchmal bis an die Grenzen unterbesetzt. Die Willkür der Bürger wird geweckt, viele nehmen sich das Recht heraus: Staatsanwalt und Richter spielen zu können und zu wollen und bewegen sich mitunter jenseits aller Gesetze und reden wir doch erst gar nicht von einem moralischen Kompass.

In Jütland wird das Skelett einer jungen Frau gefunden. Sie starb durch einen Schuss in den Nacken. Die Tat liegt über siebzig Jahre zurück, Polizeihistorikerin Maria Just übernimmt die Ermittlungen. Währenddessen wird der Leiter des Dezernats für Gewaltverbrechen in Kopenhagen überfahren und beinahe getötet. Die Polizei steckt in einer tiefen Krise, und in diesem aufgeheizten Klima soll Kommissar Mikael Dirk herausfinden, wer den Anschlag auf seinen Chef verübt hat und das Land destabilisieren will. Als es zu einem weiteren Attentat kommt, erhält Mikael unerwartete Hilfe von Maria. Wer profitiert davon, wenn die Polizei ihr Gewaltmonopol verliert, und was verbindet die tote junge Frau mit den Tätern von heute? (Verlagsinfo)

Vergangenheit und Gegenwart im Staate Dänemark. Vor 70 Jahren war Europa vom Krieg überschattet und eine gewisse grausame Eigendynamik entwickelte sich. Rache, Vergeltung, alte Rechnungen und totale Willkürlichkeit einzelner militärischer und paramilitärischer Gruppen und aus Opfern konnten so auch Täter werden.

„Brennender Zorn“ ist der zweite Band um die Polizeihistorikerin Maria Just und dem Kriminalbeamten Mikael Dirk. Der erste Band „Gefrorenes Herz“ war als Debütroman schon sehr gelungen, doch der vorliegende ist vielseitiger, die Charakter intensiver dargestellt, die Kombination von historischer Gegenwart und aktuellen Herausforderungen ausgewogener.

Beide Handlungen sind auf ihre Art brillant erzählt. Das die gegenwärtige die Innenpolitik aufgreift und auch die Machtkämpfe der Politiker thematisiert werden, ist ebenfalls hoch spannend. Die beiden Autorinnen schildern ihre Story sehr authentisch und ziehen keine Grenze zwischen Gut und Böse – oder Opfer und Täter. Diese „Neutralität“ verspricht eine spannende Realität und katapultiert allerlei Themen aufs Podium. Rechtspopulismus, die Wut und Anspannung innerhalb der Gesellschaft, die verzweifelte Hilflosigkeit der Ermittlungsbehörden und letztlich die verschiedenen Interessen einzelner Politiker.

Die beiden Hauptfiguren Maria Just und Mikael Dirk sind „erwachsener“ geworden und agieren einzeln wie auch vereint sehr nachvollziehbar. Das beider Privatleben immer mal wieder in kleinen Szenen aufgeweckt wird unterstreicht nur die sowieso allgegenwärtige Spannung. Es gibt wenig Nebenpersonen – eine tragende ist die des Kollegen von Mikael, der im ersten Teil in Notwehr einen Menschen töten musste, um beider leben zu retten. Die Spannungen zwischen diesen beiden schaukeln sich hoch und sind auch nach Band 2 noch lange nicht am Ende. Dies ist auch für mich einer der wenigen Kritikpunkte, denn diese nun platzierte Nebenfigur hätte man mehr einbeziehen müssen.

Mikael steht im absoluten Fokus der Handlung und immens unter Druck. Als inzwischen Leiter für das Dezernat für Gewaltverbrechen muss er nun „Zähne“ zeigen, koordinieren, leiten und Entscheidungen treffen. Spannung also innerhalb von diversen Spannungen. Auch zwischenmenschlich geschieht also auf verschiedenen Ebenen, mehr als vergleichbar in Band 1 es der Fall war.

Am Ende und es ist nicht das Ende dieser Reihe – gibt es eine ganze Reihe von etwaigen Wahrscheinlichkeiten und Alternativen, die ggf. den zu erwartenden dritten Band noch spannender gestalten könnte.

Sehr lobenswert auch, dass der Leser einen Blick in die Vergangenheit Dänemarks werfen kann, die allerdings ähnliche Herausforderungen hatten, wie andere europäische Länder, die unter deutscher Besatzung waren.

Fazit

Par exellence - einer der spannendsten Kriminalromane in diesem Jahr und eine Reihe, die man nicht verpassen sollte. Alles richtig gemacht.

 

Michael Sterzik

Dienstag, 14. Februar 2023

Buchtipp: Früher war mehr Verbrechen - Nina Batram und Katharina Kolvenback

Buchtipp: "Früher war mehr Verbrechen - von Nina Batram und Katharina Kolvenbach.


Haben wir wirklich dazugelernt? Sind wir vernünftiger geworden? Nicht mehr ganz so kaltblütig, oder sagen morden wir zivilisierter?
"Früher war alles besser"?! Kann man sehen wie man will, aber werfen wir mal mit dem vorliegenden Buch ein Blick in die Vergangenheit. Historische Kriminalfälle und das durch einige Jahrhunderte hinweg. Mit viel Ironie erzählen die Autoren von "Verbrechen" - an die man sich ggf. erinnert.
Perfide Mord-Komplotte, grausame Hexen-Verfolgung oder blutige Dienstmädchen-Morde: Die Prähistorikerinnen Nina Batram und Katharina Kolvenbach versammeln in ihrem ersten True-Crime-Buch spektakuläre Fälle, darunter sowohl die besten Folgen aus dem Podcast als auch exklusive historische Kriminalfälle, die noch nicht im Podcast diskutiert wurden. Die Autorinnen berichten von spannenden historischen Verbrechen und deren Hintergründen, skizzieren mögliche Lösungen weit zurückliegender Cold Cases und die Relevanz der Fälle für die heutige Zeit - stets respektvoll, mit viel Empathie und Sachverstand - und immer auch mit einer Prise (Selbst-) Ironie.
Die einzelnen Fälle wurden gründlich recherchiert. Die Leserinnen und Leser werden stets mit neuen Einblicken in längst vergangene Gräueltaten und Schicksalsschläge und in die jeweilige Epoche überrascht. Wohlbekannte, aber auch nicht geläufige Kriminalfälle werden bei diesem detailreichen Streifzug durch die Jahrhunderte unter die Lupe genommen.
Der Blick in die Vergangenheit lohnt sich, um heutige Kriminalfälle und die Psychologie der Täter besser zu verstehen. (Verlagsinfo)
Viel Spaß und gute Unterhaltung mit dieser Zeitreise.
Michael Sterzik


Samstag, 4. Februar 2023

Tanz mit dem Tod - Christian v. Ditfurth


Das Berlin der 1930 Jahre, war politisch, kulturell und sozial gesehen ein gefährlicher, unruhiger Ort. Als Machtzentrum liefen hier alle Fäden des anfänglichen, dritten Reiches zusammen. Die NSDAP, die SA, die SS – sie alle formierten sich, um ihrem Führer dienlich zu sein und um ein neues Deutschland zu erschaffen. Dafür waren diesen alle Mittel recht, sie scheuten nicht vor Mord zurück, ihre Weltordnung musste durchgesetzt werden. Ein totalitärer, verbrecherischer Staat, der in den 30-Jahren gebildet wurde, und der 1939 den zweiten Weltkrieg entfachen sollte. Die deutsche Bevölkerung war depressiv, verunsichert, in ihren Augen gedemütigt und hatte kein Ziel vor Augen. Eine hohe Arbeitslosigkeit herrschte vor, Veteranen des 1. Weltkrieges und demoralisierte Politiker waren sich uneins – einzig und allein einte sie die Verzweiflung und die Suche nach einem „Schuldigen“ für die Situation Deutschlands.

Es gab schon damals Widerstand in der Bevölkerung, sie sahen schon das schreckliche Antlitz eines neuen Krieges vor Augen, doch sie spielten fast alle mit, sie verrieten sich, ihre Mitmenschen, ihre Moral und Gerechtigkeit und Gesetzte wurden vielmehr zu Richtlinien, die nicht mehr die Kraft hatten, sich aufzulehnen.

Das vorliegende Buch von Christian v. Ditfurth „Tanz mit dem Tod“ spiegelt, die atmosphärische Angst der Menschen, aber nicht der Angst, sondern auch das verbrecherische Denken und Handeln.  

Berlin-Wedding, November 1932: Sieben SA-Männer stürmen eine Kneipe und erschießen Kurt Esser, Redakteur des KPD-Blatts »Rote Fahne«. Dem jungen Kriminalpolizisten Karl Raben gelingt es, den Anführer der Mörder, Gustav Fehrkamp, zu stellen. Doch kaum ist Hitler 1933 an der Macht, kommt Fehrkamp auf freien Fuß. Raben hat fortan nur noch einen Gedanken: Gerechtigkeit. Für sein Vorhaben geht er einen Pakt mit dem Teufel ein und arbeitet für die gerade gegründete Geheime Staatspolizei. Damit ist sein Leben in der Hand von Gestapo-Chef Reinhard Heydrich. Genauso wie das seiner Frau Lena, die jüdischer Herkunft ist. Wie kann ein Polizist für Gerechtigkeit sorgen, wenn das Unrecht die Macht ergreift?»Tanz mit dem Tod« ist der fulminante Auftakt einer historischen Krimireihe in Berlin. In den folgenden Bänden jagt Karl Raben Essers Mörder in den Zeiten des Aufstiegs und des Untergangs des Nationalsozialismus und löst den letzten Fall in der gerade gegründeten Bundesrepublik.(Verlagsinfo)

In der Geschichte begegnen wir einen Zeitgeist mit vielen Facetten und Christian v. Ditfurth öffnet die Büchse der Pandora und konfrontiert uns mit der Überlegung: „Wie hätten wir gehandelt“ – wären wir angepasste Mitläufer gewesen, oder Widerständler, denen jeden Tag bewusst ist, dass sie in Lebensgefahr sind?

Der Hauptcharakter Karl Raben vermischt sich in beidem. Sein Gerechtigkeitssinn lässt es zu, einen Pakt mit dem Teufel zu schließen. Um den Roman geschichtlich zu intensiv wie möglich zu erzählen, begegnen wir den Schlüsselgestalten des Nazi-Regimes, Heydrich, Himmler, Röhm, Göbbels – die zusammen und gegeneinander um die Gunst des „Führers“ kämpfen, und natürlich auch eine Machtposition einzunehmen. Es ist erschreckend zu lesen, wie sehr diese Figuren die Menschen um sich manipulieren, verängstigen und wie Schachfiguren auf einem politischen Schachspiel ausnutzen. Kraftvoll, sensibel und verzweifelt kämpfend zeigen sich Karl Raben und seine Frau Lena, die sich mal anpassen, müssen, um nicht in den Mühlen des Regimes zerfetzt zu werden.

Christian v. Ditfurth zeichnet ein trauriges, aber reelles Bild dieser Zeit. Man braucht etwas an Zeit, um sich mit dem erzählerischen Stil des Autors zu akklimatisieren. Und auch wenn eine gewisse Hoffnungslosigkeit in jedem Kapitel zu finden ist – berühren einen die Dialoge der beiden Eheleute Karl und Lena – die auch nicht ohne Humor sind. Gerade der Part von Lena, ist aufmüpfig, frech und frisch und sehr, sehr selbstbewusst – doch auch sie kommt an ihre Grenzen.

Das „Richtige“ tun in einer Diktatur? Sich dem „Bösen“ bedienen, um eine andere „Bösartigkeit“ zu eliminieren? Heiligt der Zweck diese Mittel – der Roman gibt keine Antworten darauf. Alles in allem ist einer der Hauptdarsteller die „Dramatik“.

Die Ideologie der Nazis, die aus dem Quadrat Heydrich, Himmler, Goebbels und Röhm spricht, lässt einen schaudern. Allein dieser machtvolle Personenkult, der diese umgibt – und keiner sieht hinter den Kulissen und erkennt die Gefahr!? Erschreckend.

Das Buch besitzt durchaus Längen, da konnte der historische Kern des Autors, den Unterhaltungskünstler einfach mal ausstechen. Insgesamt aber animiert das Ende und des Romans den Leser sehr, auch zum zweiten Band zu greifen, wenn dieser veröffentlicht wird. Christian v. Ditfurth verleiht seinen Figuren eine so inhaltliche und charakterliche Tiefe, dass es ein Vergnügen ist, mit diesen zu leiden und zu leben.

Fazit

Der Pakt und der politische Tanz mit vielen Teufeln – ein spannendes Buch mit einem nachhaltigen, erzählerischen Echo.

Michael Sterzik



Dienstag, 1. November 2022

Buchtipp: Blutmond - (ein Harry Hole Roman) von Jo Nesbo


Jo Nesbo hat mit seiner Figur des Kommissars Harry Hole einen sehr polarisierenden, ambivalenten und starken Charakter in das Genre Krimi/Thriller katapultiert. 

Hochintelligent - dabei aber auch menschlich "schwach". Immer auf einem schmalen Grat balancierend zwischen Glück und Tragödie. 

Ende November erscheint ein neuer Titel um diesen Charakterkommissar. 

Harry Hole hat alle Brücken hinter sich abgebrochen. In Los Angeles trinkt er sich als einer der zahllosen Obdachlosen fast zu Tode. Hin und wieder hilft er Lucille, einer älteren Filmdiva, die einem Drogenkartell eine Million Dollar schuldet.

Zur gleichen Zeit werden in Oslo zwei Mädchen ermordet. Beide feierten auf der Yacht eines stadtbekannten Immobilienmaklers. Kommissarin Katrine Bratt fordert Harry Hole an, doch die Führungsetage der Polizei hat kein Interesse an dem Spezialisten für Mordserien. Der Makler hat weniger Skrupel und bietet Hole als privatem Ermittler ein Vermögen, um seinen Ruf zu schützen.

Hole willigt ein, denn er sieht eine Chance, Lucille freizukaufen, und sucht sich ein Team, bestehend aus einem Kokain-dealendem Schulfreund, einem korrupten Polizisten und einem schwer an Krebs erkrankten Psychologen. Die Zeit läuft, während über Oslo ein Blutmond aufzieht. (Verlagsinfo) 


;Michael Sterzik 


  • Kriminalroman Thriller
  • Ullstein Hardcover
  • Hardcover mit Schutzumschlag
  • 560 Seiten
  • Blodmåne
  • Aus dem Norwegischen übersetzt von Günther Frauenlob.
  • ISBN: 9783550201554
  • Erscheint: 24.11.2022
  •  
  • Aus der Reihe "Ein Harry-Hole-Krimi"
  • Band 13


Samstag, 30. April 2022

Schwarzlicht - Camilla Läckberg und Henrik Fexeus


Die Psychologie des Täters, des gesamten Mordfalls und dessen Umfelds ist für die Ermittler oftmals schwer einzuordnen. In jedem Fall, sprichwörtlich gesehen hangelt man sich von Vermutungen, Beobachtungen, Indizien und Beweisen in Kombination mit Verdächtigen Personen und Angehörigen, Familienmitgliedern, sowie Freunde und Bekannte zum Ziel. Beweise sind Fakten – aber auch gerade die Kommunikation mit diesen Personenkreisen, ob nun verbal, oder nonverbal muss der Ermittler auch psychologisch interpretieren.

Es kann auch zu psychologischen Gefechten zwischen den Ermittlern und Verdächtigen, oder dem Täter kommen. Im Genre „Thriller und Krimi“ tummeln sich ja viele Ermittler, die Psychologen, Fallanalytiker zur Unterstützung haben. Und sehen wir das aus der realistischen Perspektive, so gehört dieser Aspekt weniger ins Reich der Fabeln und Mythen als vielleicht angenommen.

Der Titel „Schwarzlicht“ von der Autorin Camilla Läckberg und dem Mentalisten Henrik Fexeus ist der erste Band der Dabiri-Walder-Reihe.

Interessant ist, dass Henrik Fexeus ein brillanter Kommunikationsexperte ist. Die populäre Psychologie der nonverbalen Kommunikation, der Körpersprache, der Gestik und Mimik beherrscht der Experte fast schon magisch. Sein Talent der Suggestion, der Manipulation, aber auch die kommunikative Psychologie wirkt auf andere befremdlich, magisch. Doch daran ist nichts Zauberhaftes – es ist schlichtweg einfach eine Wissenschaft, die neben dem Talent viel Übung bedeutet.

„Schwarzlicht“ befasst sich ganz, ganz stark mit der Psychologie. Nicht nur mit der des Verbrechens, nicht nur mit dem des Täters, sondern auch mit der Kommissarin Mina Dabiri und dem Mentalisten Vincent Walder.

Wer ermordet eine Frau, indem er sie in eine Kiste sperrt und mit mehreren Schwertern durchbohrt? Weil der Fall an einen grausam missglückten Zaubertrick erinnert, zieht die Stockholmer Kommissarin Mina Dabiri den Profiler Vincent Walder hinzu, der selbst als Mentalist auftritt. Doch wie Mina kommt auch Vincent mit Menschen nicht sonderlich gut zurecht. Erst als eine weitere Leiche auftaucht und Vincent einen Code entschlüsselt, der auf einen Countdown hindeutet, beginnen Mina und er einander zu vertrauen – und die beiden müssen feststellen, dass ihre eigenen dunklen Geheimnisse im Zentrum des Falls stehen. (Verlagsinfo)

So spannend und rätselhaft, so listenreich und abwechslungsreich habe ich seit langem keinen Titel gelesen. Der Roman „Schwarzlicht“ ist ein psychologischer Entertainer in diesem Genre, mit einem unheimlich großen Unterhaltungswert. Die Story überzeugt nicht nur mit einer großartigen Spannung – die Charaktere sind es, die größtenteils der Story die Show stehlen. Beide sind so skurril in ihrem privaten Umfeld, dass sie sich wie Magneten abstoßen, oder auch anziehen. Mina Dabiri hat ein hygienisches Problem, über das der Leser schmunzeln mag, aber für sie selbst ist es im Umgang mit anderen und sich selbst höchst anspruchsvoll. Vincent Walder, ein Illusionist und Mentalist. Populär in den Medien durch seine Shows, verheiratet mit der Schwester seiner Exfrau. Also genug Material, um die beiden Hauptfiguren so richtig interessant und vielseitig interagieren zu lassen. Letzterer ist durch sein Talent für seine Familie und seine Freunde ein emotionales Minenfeld. Mathematisch versucht er Kombinationen und Muster zu erkennen – und selbst seine Kinder haben von diesem Talent etwas abbekommen. Die DNA belügt man halt nicht. Allein schon diese beiden Charaktere sind filmreif konzipiert. Alle Dialoge im Buch sind so tiefgehend spannend und interessant, so vielseitig und sympathisch gestaltet, dass es eine Freude ist, deren Perspektive einzunehmen.

Es gibt wenig Nebengeschichten und es gibt keinen Einblick in den Gedankenpalast des Täters. Diese bleibt bis Ende der Story unter dem Radar. Die erzählerische Perspektive teilt sich auf, aber nicht nur Vincent und Mina lassen uns daran teilhaben, sondern auch die eine, oder andere Nebenfigur. Das könnte für die beiden nachfolgenden Titel interessant werden. Camilla Läckberg und Henrik Fexeus lassen aber auch viel Humor zu. Situationskomik und in den Dialogen findet sich das immer wieder.

Die Story bzw. die Suche nach dem Täter ist eine symbolische, mathematische Schnitzeljagd, die mitunter auch psychologisch so verdammt erfrischend ist. Die Idee das die Polizei von einem psychologischen Berater oder Profiler ist ja nicht neu – aber hier schlagen die Autoren einen völlig neuen Weg ein. Das so effektiv, dass der vorliegende Band „Schwarzlicht“ durchaus Nachahmer finden wird, die diese „Idee“ aufgreifen möchten.

Die Auflösung ist etwas ambivalent und ich hoffe, dass in den beiden Folgebänden, die Vergangenheit von Mina und Vincent nicht Grund, Ursache usw. der Mordfälle sind. Das wäre dann mit Sicherheit auch unterhaltsam, aber hätte etwas mehr von einer gut erzählten „Räuberpistole“. Einen wirklichen Cliffhanger gibt es nicht - und man kann überhaupt nicht ahnen, oder Schlüsse ziehen, in welcher Richtung sich die Story in Band 2 bewegen wird.

Fazit

Hohe Unterhaltung par excellence. Illusionen, Magie und Psychologie und fertig ist ein zauberhafter, intelligenter Krimi. „Schwarzlicht“ ist der Krimi, der Licht in die Nacht bringt.

Unbedingte Leseempfehlung. Schon jetzt unter meinen Top 10 für das Jahr 2022

Michael Sterzik

Samstag, 23. April 2022

Ostseekreuz - Eva Almstädt


Der 17. Fall der Kommissarin Pia Korittki schließt mit seiner Handlung unmittelbar an den vorherigen „Ostseefalle“ an. Dieser war ja für Pia sehr, sehr persönlich – und ihre Schöpferin Eva Almstädt verfrachtet ihre Figur kurzerhand für eine kurze Auszeit in ein selbstauferlegtes kurzes Sabbatical hinter Klostermauern. Fast ausgebrannt und mit den Nerven am Ende versucht die junge Kommissarin und Mutter Abstand von ihrer Gefangenschaft und der Konfrontation mit ihrem Erzfeind zu finden.

Ein Krimi hinter Klostermauern? Ist ja nichts Neues – aber Eva Almstädt öffnet in diesem klerikalen Krimi recht originell ein paar gut platzierte Sünden. Und auch ohne göttlichen Beistand findet sie unter den „Heiligen“ und den Besuchern des Klosters den Mörder und verfrachtet diesen ins Fegefeuer-Gefängnis. Das der Mörder überführt und gefunden wird, ist ja logisch – der Weg dahin, aber ist interessant.

Und bevor dies passiert und Pia ein paar Pluspunkte auf ihr Karmakonto bekommt, gestaltet sich die Story durchweg spannend. Eine Nebenstory befasst sich dann mit der Suche nach ihrem Erzfeind, der sich ins Ausland abgesetzt hat – hier kann sich Pia allerdings zurücklehnen und sich von einem Kollegen über den Status Q informieren lassen.

Kommissarin Pia Korittki nimmt sich eine Auszeit in einem Ostsee-Kloster. Das ruhige, beschauliche Leben mit den Mönchen und einigen wenigen Gästen soll ihr helfen, sich von einem traumatischen Erlebnis zu erholen. Doch die Ruhe wird jäh durch das Läuten der Totenglocke gestört. Ein Novize hat einen der Mönche leblos in der Kirchenbank kniend gefunden. Schnell ist klar, dass Bruder Zacharias ermordet wurde. Pia will sich aus den Ermittlungen heraushalten, doch als auch noch ein Gast spurlos verschwindet, muss sie handeln - und macht in einem Kellerraum eine schreckliche Entdeckung ...(Verlagsinfo)

Der 17. Fall ist ruhiger – weniger dramatisch für alle Protagonisten. Ein Atemholen für alle, auch wenn man nicht gerade hinter Klostermauern nach sich selbst sucht. Die Atmosphäre ist ruhiger, aber nicht weniger spannend. Das bringt wahrscheinlich auch das Kloster mit sich, dass sich natürlich an der Ostsee befindet. Wer das Kloster Cismar kennt, dass die Autorin als Vorlage genommen hat, wird die Atmosphäre der Story spüren können. Nebenbei bemerkt – absolut sehenswert.

Neben der Spannung erzählt Eva Almstädt noch ein wenig vom alltäglichen Klosterleben der Mönche. Diese Interna ist interessant, aber leider etwas zu oberflächlich. Vielleicht hätte man hier die „Nebengeschichte“ einfach ausgelassen und sich mehr auf die Hauptstory konzentriert.

Alles in allem war dieser Roman aber auch notwendig, um den Nachfolgebänden eine Bühne zu geben. Alles auf „0“ – alles abgeschlossen und es gibt keinen Cliffhanger. Somit kann Pia beruflich und privat andere, neue und sicherlich auch entscheidende Wege beschreiten, die nicht nur ihre Figur weiter vervollständigen können. Das ist genau die Stärke dieser Reihe – das Menschliche in allen Abstufungen und die privaten, menschlichen Beziehungen und Konflikte, ihr Sohn usw. machen das Bild zwar nicht rund, aber genau diese Ecken und Kanten lassen die Figuren „leben“.

Die Protagonisten – Mönche und Besucher sind authentisch aufgestellt. Souverän und sicher nehmen sie ihre Rolle an.

Diese Reihe überzeugt aber auch über die Region. Lübeck – die Ostsee, eine raue und abwechslungsreiche Landschaft, mit interessanten Menschen und einer historischen Geschichte und Stadtbildern, die man auch gesehen haben sollte. Für alle, die wie ich diese Region kennen und lieben – für genau diese Leser ist die Reihe ein Heimspiel, ein nach Hause kommen, ein spannender Wohlfühlfaktor.

Insgesamt ist die Nebenstory, der einzige Kritikpunkt, denn diese Erzfeindschaft entwickelt sich zum Ende hin zu unspektakulär, erstmal….wer weiß, was durch ein eventuelles Hintertürchen noch auf Pia zukommt.

Fazit

„Ostseekreuz“ ist ein spannender Roman, der alles auf „0“ setzt. Ein bisschen „Zurück in die Zukunft“ für Pia und Co. Einer der besten, deutschen Krimireihen – ever.

Michael Sterzik 

 

 

Donnerstag, 24. Februar 2022

Nebelopfer - Romy Fölck


Der vorliegende Roman „Nebelopfer“ von Romy Fölck, ist der fünfte Band der erfolgreichen Elbmarsch-Reihe, bzw. die Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn Reihe.
Romy Fölck hat als Autorin einen gewissen geografischen Heimvorteil. Die fruchtbare Elbmarsch lebt von der Landwirtschaft und der Viehhaltung. Aber nicht nur die Viehzucht ist hier von einer großen Bedeutung. Seit über 200 Jahre bringt eine blühende Pferdezucht immer wieder erfolgreiche Hannoveraner hervor, also für den Reitsport eine wichtige Adresse. Romy Fölck lässt die Elbmarschen aufleben, die raue Landschaft, die Felder, die Obstplantagen, die kleinen Dörfer und verträumten Höfe. Eine Landschaft, die, auch wenn sie manchmal nicht einladend wirkt, doch einen vielseitigen und tiefen Charakter haben. Die Menschen sind wie das Land selbst, freundlich, bisweilen stur und temperamentvoll, sie haben gelernt, mit der Natur im Einklang zu leben. Ein sprichwörtliches, selbstverständlichen Geben und Nehmen.
Diese Reihe von Romy Fölck überzeugt durch eine vielseitige, absolut authentische Figurenzeichnung. Keine verzweifelten, narzisstischen, einsame Antihelden mit gebrochenen Herzen, die sich eigentlich auf der Couch eines Seelenschraubers wiederfinden sollten. Die beiden Hauptcharaktere bilden fast schon eine stabile Symbiose, eine berufliche und private „Mauer“, zwischen dem kein Blatt passt. Flankiert werden diese von Frida Paulsens Familie, die alle „Herzlich willkommen“ heißen und deren Herzen so weit sind, wie die Elbmarschen selbst.
In den vorherigen vier Bänden spielte das Privatleben, die persönlichen Prüfungen der Figuren eine tragende Rolle. Sie formten die Figuren und schlichen sich damit schnell und nachhaltig in die Köpfe und Herzen der Leser. Diese familiäre „Bande“ als Vereinigung und Gefühl ist nicht nur sinnvoll, sondern auch sinnig erzählt.
Vorab sei schon jetzt zu sagen, dass der fünfte Band mit einer der stärksten dieser Reihe ist und auch als Autorin hat sich das sympathische Nordlicht Romy Fölck autodidaktisch gleich selbst einen Meilenstein gesetzt.
An einem nebligen Februarmorgen wird zwischen den Dörfern der Geest an einem uralten Galgenbaum eine Leiche gefunden. Am Hals des Toten baumelt ein Schild, das Kriminalkommissarin Frida Paulsen Rätsel aufgibt: Ich gestehe, im Prozess gegen Cord Johannsen falsch ausgesagt zu haben. Ihr Kollege Haverkorn erinnert sich sofort an den Fall. Vor vielen Jahren wurde der Bauer Johannsen für den kaltblütigen Mord an seiner Familie verurteilt, seither sitzt er im Gefängnis. Als kurz nach dem Leichenfund in der Geest ein weiterer Zeuge getötet wird, der im Prozess gegen Johannsen aussagte, ahnen die beiden Kommissare: Sie müssen den wahren Täter von damals finden, sonst wird es weitere Opfer geben …(Verlagsinfo)
Im Genre Krimi sind Cold Case Fälle hochaktuell, alte nicht abgeschlossene Fälle, die das LKA und BKA und ihre Kommissare archivieren. Aber auch die Ermittler haben dazu noch offene Fragen, keine Antworten, haben Zweifel am Tatgeschehen, oder schlimmstenfalls zweifeln sie selbst daran alles richtig zu haben.
Romy Fölck kombiniert im vorliegenden Roman, die nebulöse Vergangenheit mit der mörderischen Gegenwart und das funktioniert ungehindert fantastisch. Doch nicht nur die Story funkt mit einer Originalität, sondern auch die Ermittler bekommen durch eine charismatische, neue Figur. Diese ist nicht nur stark konzipiert, sondern hat auch starke Auftritte und auch Bjarne Haverkorn bekommt einen „Neuanfang“ und einen neuen Partner.
Am Ende gibt es neue Grenzen, unerforschtes Land und viele neue Möglichkeiten und Herausforderungen. Ein Scheideweg für die Figuren – und ich hoffe es geht weiter, denn so perfekt, spannend und tiefgründig, wie diese Charaktere in der Handlung agieren, habe ich es selten erlebt.
Der Unterhaltungswert bewegt sich auf höchstem Niveau, das nicht nur wegen der spannenden Atmosphäre, sondern weil einfach das Gesamtbild perfekt ist. Die wechselnden Erzählperspektiven und nicht zuletzt die Überraschungen und Wendungen machen „Nebelopfer“ zu einem der besten Krimis auf dem gegenwärtigen Buchmarkt.
Sehr vorteilhaft ist das Verhältnis von privaten Nebengeschichten und der eigentlichen Story. Ausgewogen und selbst die Nebengeschichten werden aller Voraussicht nach dem Ausgangspunkt für den nächsten Band bilden. Kommissar Zufall hat hier zum Glück keinen großen Auftritt – die Handlung ist authentisch und es gibt auch keine logischen Brüche, sondern nur menschliche Fehler und selbst diese sind verständlich.
Diese Reihe wird bestimmt das Interesse wecken, diese zu verfilmen. Leider, oder auch zum Glück würde ich das nicht empfehlen. Die Reihe besitzt eine erzählerische Seele, die vom Film nicht erfasst und „gelebt“ werden kann.
Es gibt nicht viel zu bemängeln, ggf. dass die Ermittler bei ihren Nachforschungen nicht alles bedacht hatten in der Vergangenheit und der Gegenwart, aber das mindert, oder verärgert überhaupt zu keinem Zeitpunkt das Vergnügen, das Buch zu lesen.
Fazit
Verdammt ist „Nebelopfer“ gut. Ein Buch, das einen die Nacht mit aller Macht durchlesen lässt. So muss ein Krimi sein.
Michael Sterzik

Donnerstag, 23. Dezember 2021

In ewiger Freundschaft - Nele Neuhaus


Freundschaft – neben der Liebe ist diese für uns überlebenswichtig, denn sie bindet uns auf sehr positiv an Menschen, denen wir vertrauen, für die wir (fast) alles tun würden. Loyalität und eine vertrauliche Atmosphäre fordern wir ein und wird natürlich auch von uns selbst eingefordert. Unerschütterlich geben wir uns, und können doch auch brutal enttäuscht werden, wenn wir merken, dass die Grundfesten der Freundschaft instabil sind. Verrat – die andere Seite, die dunkle der Medaille Freundschaft.

Um eine Freundschaft – genau darum handelt der 10 Band der Krimi-Reihe „Bodenstein-Kirchhoff. Seit 2006 und 2007 die ersten beiden Bände erschienen sind, ist viel geschehen. Nele Neuhaus lässt ihre Protagonisten wie eine Familie wirken. Auch hier entstehen „Freundschaften“ – allerdings auf einer anderen, eher beruflichen Basis. Gerade wegen dieser Beziehungsebenen gelingt es der Reihe eine authentische Atmosphäre zu schaffen. Die beiden Kommissare Oliver von Bodenstein und Pia Sander sind überaus fein aufeinander abgestimmt. Ihr Revier ist der Taunus – eine bildgewaltige Wohlfühloase im Rhein-Main-Gebiet. Kontrastreiche Landschaftsformen, eine kulturelle Vielfalt, die dazu einlädt, die vielen Städte und Dörfer zu besuchen. Schon die alten Römer waren begeistert von den Thermal-und Mineralquellen, die man ebenfalls vorfindet.

Neben diesem malerischen Ambiente sind die Romane allesamt spannend erzählt und beinhalten immer wieder aktuelle zeitgenössische Themen. Selbst das Privatleben der beiden Ermittler ist auf einem spannenden Niveau und lässt auch zu, dass beide Fehler machen, überreagieren und so hin und her menscheln, dass man sie gleich sympathisch findet.

In dem vorliegenden Band lässt Nele Neuhaus uns einen Blick in die komplexe Verlagswelt werfen. Dass damit natürlich Nele Neuhaus einen entsprechenden Heimvorteil hat, liegt auf der Hand – schließlich ist das ja genau ihr eigener Tatort.

Eine Frau wird vermisst. Im Obergeschoss ihres Hauses in Bad Soden findet die Polizei den dementen Vater, verwirrt und dehydriert. Und in der Küche Spuren eines Blutbads. Die Ermittlungen führen Pia Sander und Oliver von Bodenstein zum renommierten Frankfurter Literaturverlag Winterscheid, wo die Vermisste Programmleiterin war. Ihr wurde nach über dreißig Jahren gekündigt, woraufhin sie einen ihrer Autoren wegen Plagiats ans Messer lieferte – ein Skandal und vielleicht ein Mordmotiv? Als die Leiche der Frau gefunden wird und ein weiterer Mord geschieht, stoßen Pia und Bodenstein auf ein gut gehütetes Geheimnis. Beide Opfer kannten es. Das war ihr Todesurteil. Wer muss als nächstes sterben?  Pia und Bodenstein jagen einen Täter, der ihnen immer einen Schritt voraus zu sein scheint ...(Verlagsinfo)

„In ewiger Freundschaft“ ist mit Sicherheit einer der stärksten Bände der Reihe. Was anfänglich wie eine Flucht, oder ein Vermisstenfall wirkt, wird im schnellen Tempo eine rotierende Eskalationsspirale. Die Dynastie dieses Verlagshauses tragen eine dunkle Vergangenheit huckepack. Das ist auch nicht überraschend – vielmehr werden dem Leser im weiteren Verlauf der Geschichte viele Ereignisse, Situationen und Verbindungen über den Weg laufen, die eine perfekte Dramaturgie bilden.

Sehr fein und detailliert beschrieben ist auch die Ermittlungsarbeit, obwohl ich hier die zwischenmenschlichen Spannungen, die sich ergeben, wenn man eben nicht immer eine Meinung ist, kritisiere. Mir ging das alles viel zu leicht – eingespieltes Team, hin oder her.

Der Humor kommt auch nicht zu kurz, dafür sorgt der Ex-Mann und Rechtsmediziner, der im besagten Verlag seine Kriminalromane veröffentlicht. Raten Sie mal, welche Personen er sich als Vorbild nimmt? Großartig! Nicht jeder ist mit seiner literarischen Alten-Ego-Biographie zufrieden.

Die privaten Minenfelder von Bodenstein, die an mancher Stelle einfach hochgehen, sind nicht nur authentisch, sondern auch spannend ausgemalt. Man darf gespannt sein, wie sich das Privatleben des bodenständigen Bodensteins entwickelt. Vielleicht „Zurück in die Zukunft“.

Die Auflösung des Kriminalfalls verwundert dann doch am Ende und ist so total genial konzipiert. Der Epilog ist sensibel und fast schon als Familienfeier zu bezeichnen, wenn sich Fakten und Fiktion miteinander vermengen.

Fazit

So muss ein Krimi sein – genauso abwechslungsreich, tiefgründig, überraschend und originell. Ein Buch, das wieder mal zeigt, dass Nele Neuhaus ihre Tatorte literarisch und spannend erzählen kann. Perfekt

Michael Sterzik

 

 

Sonntag, 31. Oktober 2021

Der letzte Tod - Alex Beer


Historische Kriminalromane sind im Genre „Krimi/Thriller“ inzwischen stark vertreten. Gemordet wurde halt auch in der Vergangenheit und das nicht zu wenig. Eine historische Bühne kann für den Autor atmosphärisch wirkungsvoll verwendet werden. Dieses Ambiente überträgt sehr schnell die Stimmung einer ganzen Bevölkerung und kann somit politisch, kulturell, wie auch mit sozialen Aspekten reizend eingebaut werden. Nebenschauplätze und Nebenfiguren wird hier eine Bühne gebaut, die ggf. für die Story von größerer Bedeutung sein können, als wenn eine Story in unserer Zeit spielt. Das Interesse an einer Zeitreise in vergangene Epochen ist noch immer von großem Interesse.

Alex Beer lässt seinen neuesten, historischen Kriminalroman vor fast genau 100 Jahren spielen. 1922 – ist Wien nach dem Krieg noch immer schwer gezeichnet. Eine Inflation, die Lebensmittelknappheit, die Verbreitung von Krankheiten steigern die Wut der Bevölkerung auf die Amts- und Würdenträger der Stadt. Damit ist die Atmosphäre der Handlung sehr schnell präsent und bildet ein hervorragendes Stimmungsbild der Bevölkerung.

Wien im September 1922: Die Inflation nimmt immer weiter Fahrt auf, die Lebenshaltungskosten steigen ins Unermessliche, und der Staatsbankrott steht kurz bevor. Unterdessen haben Kriminalinspektor August Emmerich und sein Assistent Ferdinand Winter es mit einem grausigen Fund zu tun: Auf dem Gelände des Wiener Hafens wurde in einem Tresor eine mumifizierte Leiche entdeckt. Und dabei bleibt es nicht, denn der Mörder tötet nach einem abscheulichen Muster, und er hat sein nächstes Opfer schon im Visier. Doch damit nicht genug: Ein alter Feind aus Emmerichs Vergangenheit taucht wieder auf – und er trachtet dem Ermittler nach dem Leben …(Verlagsinfo)

Der Autor Alex Beer legt viel Wert darauf, seinen Kriminalroman so perfekt zu inszenieren, wie es ggf. möglich ist. Das fängt wie oben beschrieben bei dem gewählten Schauplatz an und setzt sich weiter fort, wenn wir die Haupt- und Nebenfiguren betrachten.

Besonders die Hauptfigur, der Ermittlungsbeamte August Emmerich trägt vieles, ggf. alles dazu bei, die Story nicht nur spannend, sondern auch emotional zu erzählen. Seine (Un)Sensibilität ist für ihn Fluch und Segen zugleich. Er ist der Schrecken aller Nachbarn, aller Vorgesetzten und manchmal auch seiner eigenen Familie.

Es ist schwer zu sagen, ob der Kriminalfall nun spannender ist, wie das manchmal katastrophale, aber unterhaltsame Auftreten des eigensinnigen Inspektors. Sehr förderlich ist die angespannte Atmosphäre in der Stadt Wien. Selbst einen feinen Humor hat Alex Beer eingebaut , z.B. wenn sich August Emmerich mit seiner Nachbarin unterhält, die mit ihrer Zankerei Bürgerkriege entfachen könnte. Der Roman ist kein touristischer Guide für Wien, aber vermittelt doch viel Wissenswertes um die Hauptstadt Österreichs. Leider wiederholt sich Alex Beer mit einigen Informationen, das wirkt oft so künstlich eingebaut und damit fehl am Platze.

Spannend ist „Der letzte Tod“ – auch in seinen Nebengeschichten – und damit nimmt das persönliche Leben des August Emmerich, der eigentlichen Haupthandlung die Luft weg. Ein alter Feind, ein altes Trauma, alte Verletzungen – lassen ihn nicht zur Ruhe kommen. Selbst seine persönliche Suche herauszufinden, wer seine Eltern waren, warum er als Findelkind in einem Heim aufgewachsen ist – raubt der eigentlichen Storyline die Präsenz.

Was ich sehr vermisst habe, ist das viel zu wenig der sprachliche Dialekt verwendet wurde. Im Buch ggf. nicht viel von Bedeutung, denke ich allerdings an ein „Hörbuch“ so würde dies der Atmosphäre mehr wie guttun. Das Stimmungsbarometer würde explosionsartig ansteigen. Aber nun gut.

Authentisch ist die Handlung allemal – aber wenig originell. Nichts was man ggf. von anderen Titeln bekannter Autoren schon versucht hätte.

Fazit

Schön, dass die privaten Schlachtfelder eines Ermittlungsbeamten im Vordergrund stehen!? Ein souveräner, manchmal sehr schwacher Kriminalroman, der letztlich doch nur über eine tolle Atmosphäre und seiner Figuren überzeugt. Der Unterhaltungswert ist nicht nachhaltig genug. Ein netter Krimi mit zu wenigen Fokussierungen, oder mit viel zu viel privaten Herausforderungen. Kann man sehen wie man will.

Michael Sterzik

Donnerstag, 23. Juli 2020

Eisenblut - Axel Simon


Es gibt zurzeit viele Krimis auf dem Buchmarkt, die sich in der heutigen Gegenwart abspielen. Im Genre „Historischer Roman“ gibt es noch eine Unterkategorie „Historischer Krimi“ – diese spielen allerdings zumeist im Mittelalter und nicht wie der vorliegende Krimi von Axel Simon – „Eisenblut“  zur Zeit des Kaisers in der Hauptstadt Berlin im Jahr 1988. Ungewöhnlicher Zeitraum – aber auch nicht weniger spannender als die bekannten Krimis.

Der Autor Axel Simon gibt dem Berlin vergangener Tage ein komplexes und authentisches Bild. Es ist eine interessante Zeit – eine die Veränderungen mitbringt. Die technischen Entwicklungen verändern das Leben der Menschen und die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse werden zunehmend alles in Frage stellten, was noch vor kurzen als Status Q galt. Die Atmosphäre hat der Autor wirklich gut eingefangen.

„Eisenblut“ von Axel Simon ist der erste Band einer Reihe um den Privatermittler Gabriel Landow. Dieser ist der jüngere Sohn einer alten ostpreußischen Adelsfamilie – der wegen einem Diebstahl aus der kaiserlichen Armee unehrenhaft entlassen wurde. So mit fristet der Grafensohn ein eher ärmliches, runtergekommenes Leben – zu stolz um wieder zu versuchen Anschluss an seine Familie zu finden – zu exzessiver Lebenswandel und immer wieder nur Gelegenheitsaufträge in seiner eher mies laufenden Detektei. So interessant dieser Charakter auch dargestellt ist – bedient sich der Autor doch einer zweifelsfrei bekannten Charakterkonzeption. Der verlorene Sohn, der talentiert ist, intelligent – aber zu eigensinnig um sich selbst zu reflektieren und Änderungen zu verfolgen. Also ein sympathischer Looser auf der typischen Verliererstraße – immer auf der Suche nach einem Ausweg. Auch wenn „Gabriel Landow“ seinen ersten Auftritt in „Eisenblut“ hat – so erkennt man das o.g. Muster schon nach wenigen Seiten. Schade – aber warten wir mal ab, welche Richtung er seinen Leben ggf. in einem zweiten Teil einschlägt.

Mit den übrigen Charakteren verhält es sich ähnlich. Also nichts neues – nicht originelles was dem Leser hier inhaltlich präsentiert wird.
Die Handlung splittet sich in mehreren Storys auf und auch die dramatische Vergangenheit von Landow, bzw. seiner Familie wird thematisiert.  

Kleine Seitensprung-Schnüffeleien sind der Alltag seiner schlecht laufenden Detektei im miesen Berlin-Kreuzberg im Jahr 1888: Gabriel Landow, schwarzes Schaf seiner ostpreußischen Getreidejunker-Familie, fällt der Erfolg nicht gerade in den Schoß. Aber dann fällt ihm ein Observierter direkt vor die Füße: Aus nachtschwarzem Himmel mitten aufs Sperrgebiet am Tempelhofer Feld. Wahrscheinlich wurde der aus dem Korb eines Militärballons gestoßen. Nur ein kleiner Ministerialbeamter, der allerdings mit einem geheimen Marineprojekt zu tun hatte. Und immerhin der dritte Tote dieser Art in letzter Zeit mit einem Buch der Gebrüder Grimm in der Hand. Aber weshalb die Regierung ausgerechnet Landow mit der Aufklärung betraut, ist auch ihm ein Rätsel. Genauso wie der Brandanschlag auf ihn kurz darauf. Wer sollte am Tod eines kleinen Ermittlers interessiert sein? Wo doch ganz Berlin, ach was, ganz Europa, nur gebannt auf das Sterben des todkranken Kaisers wartet, das einige aus ganz eigenen Motiven herbeisehnen. (Verlagsinfo)

„Eisenblut“ verfügt über eine solide Spannung – aber wirkt auch inhaltlich manchmal völlig verloren. Überfrachtet – zu langsamer Aufbau – keine wirklich zielführender Aufbau. Es entsteht der Eindruck als hätte der Autor Axel Simon sein Romanskript unzählige Male immer wieder überarbeitet. Sprachlich hat der Autor seinen Roman gut gestaltet – toller subtiler Humor, ironisch und manchmal düster.

Spannung – damit meine ich das Lesevergnügen ist eher durchschnittlich. Auch wenn der charakterliche Aufbau der Personen einer Schablone entspricht – so retten diese den Roman und animieren dazu bestimmt auf zu einem zweiten Band zu greifen. Dieser sollte aber inhaltlich mehr überzeugen.

Überzeugen konnte Axel Simon absolut in der authentischen Darstellung von Berlin, was den wenigsten von uns auch aus anderen Romanen bekannt sein dürfte. Interessante Darstellung eines Milieus und seiner Gesellschaft. Großartig beschrieben.

Fazit

„Eisenblut“ von Axel Simon ist etwas verfahren im Aufbau und insgesamt in seiner gesamten Struktur. Mehr Konzentration auf den Grundplot – und bitte Charaktere deren Substanz überzeugen und die man nicht wahrnimmt, als würde man diese schon seit Jahren kennen.

Michael Sterzik